Vorweggenommene Erbfolge: Wann kann Anrechnung auf Pflichtteil Enterbung darstellen?
Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied, dass die vorweggenommene Erbfolge durch einen notariellen Überlassungsvertrag, der die Anrechnung auf den Pflichtteil vorsieht, als Enterbung zu werten ist. Dieser Vertrag schließt den Begünstigten von der gesetzlichen Erbfolge aus und beschränkt ihn auf den Pflichtteil. Die Auslegung des Erblasserwillens und die Formulierungen im Vertrag waren entscheidend für dieses Urteil.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Vorweggenommene Erbfolge: Ein notarieller Überlassungsvertrag wurde als vorweggenommene Erbfolge ausgelegt.
- Enterbung durch Anrechnung auf Pflichtteil: Die Anrechnung der Überlassung auf den Pflichtteil wurde als Enterbung interpretiert.
- Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge: Der Begünstigte des Überlassungsvertrages wird von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.
- Wichtigkeit der Vertragsformulierung: Die spezifische Formulierung im Überlassungsvertrag war entscheidend für die Auslegung als Enterbung.
- Auslegung des Erblasserwillens: Das Gericht legte besonderen Wert auf die Ermittlung des wirklichen Willens der Erblasserin.
- Relevanz des § 1938 BGB: Das Urteil berief sich auf § 1938 BGB, der die Enterbung regelt.
- Anrechnung auf Pflichtteil als Schlüsselaspekt: Die Anrechnung auf den Pflichtteil war ein zentraler Punkt, der zur Enterbung führte.
- Verzicht der anderen Erben: Die anderen Kinder der Erblasserin verzichteten im Vertrag auf ihr Pflichtteilsrecht, was die Enterbung des Begünstigten untermauerte.
Übersicht
Vorweggenommene Erbfolge und ihre rechtlichen Konsequenzen
Die Frage der Erbfolge gehört zu den grundlegendsten und gleichzeitig sensibelsten Themen innerhalb des Familienrechts. Besonders interessant wird es, wenn es um die vorweggenommene Erbfolge geht, eine Praxis, bei der Vermögenswerte schon zu Lebzeiten des Erblassers übertragen werden. Häufig geschieht dies durch einen Überlassungsvertrag, der auch Implikationen für den Pflichtteil der Erben haben kann. Hierbei entsteht oft die Frage, inwiefern solche Übertragungen als Enterbung der anderen gesetzlichen Erben zu betrachten sind und welche Rolle der Erbschein in diesem Zusammenhang spielt.
Die rechtliche Bewertung solcher Fälle erfordert eine genaue Analyse der zugrundeliegenden Verträge und der Intention des Erblassers. Dies führt häufig zu komplexen juristischen Auseinandersetzungen, die für alle Beteiligten von großer Bedeutung sind. Im Folgenden werden wir uns mit einem konkreten Urteil befassen, das Licht auf die oft verwickelten Verhältnisse in solchen Erbfällen wirft. Dieses Urteil bietet nicht nur Einblicke in die juristischen Feinheiten der vorweggenommenen Erbfolge, sondern auch in die Dynamiken innerhalb der Familien, die von solchen Entscheidungen betroffen sind. Lassen Sie uns gemeinsam entdecken, wie die Gerichte in solchen Fällen entscheiden und welche Lehren daraus für die zukünftige Gestaltung von Erbangelegenheiten gezogen werden können.
Vorweggenommene Erbfolge und ihre juristischen Tücken
In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem Oberlandesgericht Brandenburg verhandelt wurde, drehte sich alles um die Frage, inwiefern die vorweggenommene Erbfolge durch einen notariellen Überlassungsvertrag als Enterbung zu werten ist. Im Kern des Falles stand die Übertragung eines Grundstücks durch die Erblasserin auf einen ihrer vier Kinder. Der Fall beleuchtet die Komplexität des Erbrechts, wenn es um die Übertragung von Vermögenswerten und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen geht.
Die Rolle des Überlassungsvertrags im Erbrecht
Der Überlassungsvertrag, der im Jahr 1993 von der Erblasserin unterzeichnet wurde, übertrug ein Grundstück unentgeltlich an den Beteiligten zu 1. Interessant an diesem Vertrag war die Klausel, dass diese Übertragung unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlass erfolgen sollte. Diese Formulierung führte zur rechtlichen Auseinandersetzung, da sie die Frage aufwarf, ob dies als eine stillschweigende Enterbung der anderen gesetzlichen Erben zu interpretieren sei.
Interpretation des Erblasserwillens und die Konsequenzen
Das Gericht musste den Willen der Erblasserin interpretieren, insbesondere im Hinblick darauf, ob sie beabsichtigte, den Beteiligten zu 1 von der Erbfolge auszuschließen. Die Herausforderung bestand darin, dass die Enterbung nicht explizit im Überlassungsvertrag erwähnt wurde. Das Gericht wies darauf hin, dass die Auslegung des Erblasserwillens nicht allein am Wortlaut haften darf, sondern auch nicht wörtlich formulierte Intentionen berücksichtigen muss.
Gerichtsentscheidung und ihre Auswirkungen auf das Erbrecht
Letztlich entschied das Gericht, dass der Beteiligte zu 1 durch die spezifische Formulierung im Überlassungsvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und somit enterbt wurde. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der genauen Formulierungen in notariellen Verträgen und Testamenten im Erbrecht. Sie zeigt auf, dass die Anrechnung auf den Pflichtteil unter bestimmten Umständen als Enterbung gewertet werden kann, was weitreichende Konsequenzen für die Erbfolge und die Rechte der gesetzlichen Erben hat.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was ist unter der vorweggenommenen Erbfolge im Erbrecht zu verstehen?
Die vorweggenommene Erbfolge bezeichnet im Erbrecht die Übertragung von Vermögen durch einen künftigen Erblasser auf einen oder mehrere künftige Erben zu Lebzeiten des Erblassers. Diese Übertragung erfolgt meist in Form einer Schenkung. Der wesentliche Zweck der vorweggenommenen Erbfolge ist die Generationennachfolge.
Die vorweggenommene Erbfolge kann auch steuerliche Vorteile bieten, da sie unter bestimmten Bedingungen zu einer geringeren Erbschaftssteuer führen kann. Bei der Übertragung von Betriebsvermögen und bestimmten Beteiligungen an Kapitalgesellschaften wurden beispielsweise ein Betriebsvermögensfreibetrag und ein Bewertungsabschlag von 60 Prozent gewährt.
Es ist zu erwähnen, dass die vorweggenommene Erbfolge oft mit einem Erbverzicht verbunden ist. Das bedeutet, dass der beschenkte Erbe auf weitere Ansprüche auf den Nachlass nach dem Tod des Erblassers verzichtet.
Obwohl die vorweggenommene Erbfolge im Bürgerlichen Gesetzbuch nicht explizit definiert ist, wird sie dort erwähnt, insbesondere im Zusammenhang mit der Betriebsübergabe in der Landwirtschaft (§ 593a BGB).
Die Entscheidung für eine vorweggenommene Erbfolge sollte gut überlegt sein, da sie sowohl Vor- als auch Nachteile hat. Es wird empfohlen, sich von einem Notar oder Anwalt beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass der Schenkende finanziell und rechtlich ausreichend abgesichert bleibt.
Wie wird eine Anrechnung auf den Pflichtteil rechtlich definiert?
Die „Anrechnung auf den Pflichtteil“ im Erbrecht bedeutet, dass sich ein Pflichtteilsberechtigter eine Zuwendung, die er vom Erblasser zu dessen Lebzeiten erhalten hat, auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss, sofern der Erblasser dies bei oder vor der Schenkung bestimmt hat. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Pflichtteilsanspruch nicht durch vorherige Schenkungen des Erblassers umgangen wird.
Eine Anrechnung erfolgt nicht automatisch, sondern nur, wenn der Erblasser dies ausdrücklich bei der Schenkung angeordnet hat. Eine nachträgliche Bestimmung der Anrechnung im Testament oder Erbvertrag ist unwirksam. Die Anrechnungsbestimmung muss nicht in einer besonderen Form erfolgen, aber aus Gründen der Beweisbarkeit ist es ratsam, sie schriftlich festzuhalten.
Die Anrechnung wirkt sich auch auf die Abkömmlinge des Pflichtteilsberechtigten aus, falls der Erblasser mit einem Pflichtteilsberechtigten eine Anrechnung vereinbart hat. Dies bedeutet, dass sich der Pflichtteil der Enkel entsprechend reduziert, wenn der Erblasser eine solche Vereinbarung mit deren Elternteil getroffen hat.
Zusammenfassend ist die Anrechnung auf den Pflichtteil eine Maßnahme, die dazu dient, die Pflichtteilsansprüche im Falle von Schenkungen zu regulieren und eine Gleichbehandlung der Pflichtteilsberechtigten zu gewährleisten. Sie setzt eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers voraus und sollte idealerweise schriftlich festgehalten werden.
Inwiefern kann eine solche Anrechnung eine Enterbung darstellen?
Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid gilt als zulässig, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt. Zunächst muss der Einspruch innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides bei der Bußgeldbehörde eingegangen sein [1]. Zudem muss der Einspruch schriftlich erfolgen .
Es ist grundsätzlich zulässig, gegen den Bußgeldbescheid ohne anwaltliche Hilfe Einspruch zu erheben, allerdings können Fehler im Verfahren die Erfolgsaussichten eines Einspruchs im Einzelfall erhöhen . Beispielsweise können für einen Einspruch formelle Fehler im Bußgeldbescheid oder fehlerhafte Messungen im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung von Bedeutung sein.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Einspruch begründet sein muss. Es genügt also nicht, lediglich einen formellen Einspruch ohne nähere Darlegung der Gründe zu erheben. Eine genaue Schilderung der Umstände und Gründe, warum der Bußgeldbescheid angefochten wird, ist daher erforderlich .
Einspruchsführer sollten auch beachten, dass eine einfache E-Mail in der Regel nicht als formgerechter Einspruch gilt.
Schließlich ist zu beachten, dass der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid in der Regel nur dann Sinn macht, wenn es tatsächlich berechtigte Gründe dafür gibt. Unberechtigte Einsprüche können das Verfahren in die Länge ziehen und zu zusätzlichen Kosten führen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 55/22 – Beschluss vom 31.08.2022
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 02.12.2021, Az. 52 VI 589/21, aufgehoben.
2. Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen: außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Erblasserin verstarb am 30.01.2021. Zum Zeitpunkt ihres Todes war sie verwitwet. Aus der einzigen Ehe mit A… Z… gingen vier gemeinschaftliche Kinder hervor, die Beteiligten zu 1. bis 3., sowie der Sohn K… Z…, der am 08.03.2021 nachverstorben ist. Im vorliegenden Verfahren beantragt der Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der die vier Kinder der Erblasserin zu je 1/4 als gesetzliche Erben ausweist.
Die Erblasserin übertrug mit notariellem Überlassungsvertrag vom 17.06.1993 das in ihrem Eigentum stehende, im Grundbuch von …, Blatt 21 eingetragene Grundstück in einer Größe von insgesamt 3450 qm, eingetragene Nutzungsart Hof- und Gebäudefläche sowie Gartenland, gelegen in der … in … unentgeltlich auf den Beteiligten zu 1.
In Ziffer IX. der Urkunde heißt es:
„Die Überlassung erfolgt im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf den Pflichtteil des Erwerbers am künftigen Nachlaß des Veräußerers.
Die Erschienenen zu 3. bis 6. [Anmerkung: richtig 3. bis 5., die weiteren Kinder der Erblasserin] verzichten für sich und ihre Nachkommen hiermit gegenständlich beschränkt auf die vorstehende Überlassung auf ihr Pflichtteilsrecht am künftigen Nachlaß der Erschienenen zu 1. Die Erschienene zu 1. nimmt den Verzicht jeweils entgegen und an.“
Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts hat die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, mit Beschluss vom 02.12.2021 für festgestellt erachtet und hierbei ausgeführt, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten, da eine Verfügung von Todes wegen nicht vorhanden sei.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde, mit der er einwendet, Ziffer IX des Überlassungsvertrages stelle eine Verfügung von Todes wegen dar, mit der der Antragsteller von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden sei.
Die Rechtspflegerin hat daraufhin die Sache unter Hinweis darauf, dass es sich bei der Regelung in Ziffer IX. des Überlassungsvertrages um eine Verfügung von Todes wegen handeln könnte, der Nachlassrichterin vorgelegt. Nachdem diese mit Verfügung vom 05.04.2022 unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 RPflG und dem Hinweis, dass es sich nicht um eine letztwillige Verfügung handeln dürfe, die Sache der Rechtspflegerin zur weiteren Bearbeitung wieder vorgelegt hat, hat diese mit Beschluss vom 06.04.2022 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Der angefochtene Beschluss leidet nicht bereits an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden Verfahrensfehler. Die Rechtspflegerin war, obwohl der Senat davon ausgeht, dass eine letztwillige Verfügung vorliegt (dazu unter Ziffer 2.) berechtigt, den Feststellungsbeschluss zu treffen. Zwar ist gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflg die Erteilung von Erbscheinen – soweit eine Verfügung von Todes wegen vorliegt – dem Richter vorbehalten. Auch in diesem Fall kann der Richter die Erteilung des Erbscheins dem Rechtspfleger übertragen, wenn deutsches Erbrecht anzuwenden ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen ist (§ 16 Abs. 3 Satz 1 RPflg). Die Nachlassrichterin hat die Sache nach Vorlage durch die Rechtspflegerin dieser durch Verfügung vom 05.04.2022 ausdrücklich zugeschrieben und damit von ihrer Befugnis nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 RPflG Gebrauch gemacht. Daran war die Rechtspflegerin nach §16 Abs.3 S.2 RPflG gebunden (vgl. Senatsbeschluss vom 14.05.2013, 3 W 20/13; OLG Hamm, Beschluss vom 15. September 2011 – I-15 Wx 332/10 –, juris).
2.
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Der beantragte Erbschein kann so nicht erteilt werden, da der Beteiligte zu 1 nicht (Mit)erbe der Erblasserin geworden ist.
Er wurde durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen (§ 1938 BGB).
Ziffer IX. 9 Abs. 1 des Überlassungsvertrages ist dahingehend auszulegen (§ 133 BGB), dass der Beteiligte zu 1 nichts mehr aus dem Nachlass erhalten sollte, also nach § 1938 BGB enterbt werden sollte.
a)
Der notarielle Überlassungsvertrag genügt den Anforderungen, die an ein ordentliches Testament nach §§ 2231 Nr. 1, 2231 BGB zu stellen sind. Dass der Überlassungsvertrag nicht auch als Testament bezeichnet worden ist, steht dem nicht entgegen.
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann in der unentgeltlichen Zuwendung eines Vermögenswertes in einem notariellen Überlassungsvertrag, die „im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich“ erfolgt, zugleich eine Enterbung mit bloßer Pflichtteilsberechtigung liegen (BGH, Urteil vom 27.01.2010, IV ZR 91/09). Entscheidend ist der im Auslegungsweg zu ermittelnde Erblasserwille, ob mit der Zuwendung zugleich auch eine Enterbung des Empfängers gewünscht war und im Übergabevertrag festgelegt werden sollte (BGH, a.a.O.).
b)
Der Wille der Erblasserin, in dem notariellen Überlassungsvertrag zugleich eine Verfügung von Todes wegen zu treffen, ergibt sich hier aus dem Inhalt der Ziffer IX. Abs. 1 des Überlassungsvertrages. In dieser kommt der Wille der Erblasserin, ihren Sohn R… von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen, eindeutig zum Ausdruck.
aa)
Die Erblasserin hat die Enterbung in der Urkunde zwar nicht wörtlich angeordnet.
Die Enterbung muss aber nicht eindeutig in dem Testament erklärt werden. Eine stillschweigende Enterbung ist möglich, wenn der Ausschließungswille eindeutig zum Ausdruck kommt (OLG Hamm ZEV 2012, 314; OLG München ZEV 2001, 153 (154). In dem Fall ist dann durch Auslegung des Testaments zu ermitteln, welchen Willen der Erblasser hatte (Burandt/Rojahn/ Große-Boymann, 4. Aufl. 2022, BGB § 1938 Rn. 3). Wie bei jedem sonstigen Inhalt einer letztwilligen Verfügung muss jedoch auch insoweit die Bedeutung der Erklärung mit der notwendigen Sicherheit feststehen (vgl. Staudinger-Otte, BGB (2017), § 1938 Rdnr. 7; Erman-Lieder, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1938 Rdnr. 1).
bb)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 1993, 150, Rz. 10 f.) ist bei der Auslegung eines jeden Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, § 133 BGB. Dabei darf sich der Tatrichter nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu hinterfragen. Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung wirklich beilegen wollte (KG, 6. Zivilsenat, Beschluss vom 04.09.2015 – 6 W 100/15).
cc)
Dies zugrunde gelegt, ergibt die Auslegung hier, dass die Erblasserin den Beteiligten zu 1 enterbt hat (§ 1938 BGB).
In Ziffer IX des Überlassungsvertrages kommt der Ausschließungswille unzweideutig zum Ausdruck und damit sind die Voraussetzungen für eine “stillschweigende Enterbung“ gegeben (BayObLG, Beschluss vom 02.03.1992 – BReg. 1 Z 46/91, BeckRS 1992, 5835).
Die Erblasserin bestimmt in Ziffer IX Abs. 1 des Überlassungsvertrages nicht nur, dass die Zuwendung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erfolgt, sondern zusätzlich die Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil erfolgen soll. Aus dieser Formulierung der Klausel, die sich nicht auf eine Anrechnung der Zuwendung auf den Erbteil beschränkt, sondern ausdrücklich eine Anrechnung (auch) auf den Pflichtteil anordnet, lässt sich der Wille entnehmen, dass dem Beteiligten allenfalls der Pflichtteil verbleiben sollte. Geht ein Erblasser, wie vorliegend der Fall, aber davon aus, dass ein gesetzlicher Erbe nur den Pflichtteil erhalten soll, kann darin eine Enterbung gemäß § 1938 BGB gesehen werden (M. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1938 BGB (Stand: 03.04.2020), Rn 6; Staudinger-Otte, BGB (2007) § 1938, Rn 7). Die Beschränkung auf den Pflichtteil setzt nämlich voraus, dass der Beteiligte nicht gesetzlicher Erbe geworden ist. Zwangsläufig ist diese Auslegung zwar nicht. Hier sprechen aber noch weitere Umstände für eine Enterbung des Beteiligten zu 1. Die Verfügung enthält Anordnungen, die nur den Pflichtteilsberechtigten betreffen, nämlich die Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil nach § 2315 Abs.1 BGB. Auch daraus ergibt sich der Wille der Erblasserin, dass der Beteiligte zu 1, soweit rechtlich möglich, als Erbe ausgeschlossen werden sollte. Darüber hinaus streitet für den Willen der Erblasserin, den Beteiligten zu 1 von der Erbfolge auszuschließen, auch Ziffer IX Abs. 2 des Überlassungsvertrags, in dem die anderen Kinder der Erblasserin für sich und ihre Nachkommen (zulässigerweise, vgl. hierzu Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2346, Rn 15) gegenständlich beschränkt auf ihr Pflichtteilsrecht am zukünftigen Nachlass der Erblasserin verzichtet haben und die Erblasserin diesen Verzicht angenommen hat. Dies bedeutet, dass für die weiteren Kinder der Erblasserin etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche im Hinblick auf die (schenkweise) Übertragung des Grundstücks auf den Beteiligten zu 1 nach §§ 2325, 2329 BGB ausgeschlossen sind. Auch dies spricht dafür, dass der Beteiligte 1 zwar keinen Pflichtteilsergänzungsansprüchen seiner Geschwister ausgesetzt sein sollte und ihm das Hausgrundstück verbleiben sollte, er aber nicht darüber hinaus auch noch als gesetzlicher Erbe am Nachlass der Erblasserin partizipieren sollte.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.