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Zustimmung aller Miterben zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins

Erbschein ohne Quoten: Alle Miterben müssen zustimmen?

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller Miterben nicht erforderlich ist. Dieser Beschluss ermöglicht die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins auch bei Widerspruch eines Miterben, wenn die übrigen Antragsteller darauf verzichten, die Erbquoten im Erbschein anzugeben. Dieses Urteil trägt zur Beschleunigung von Erbscheinsverfahren bei, in denen die Miterben zwar eindeutig feststehen, aber die genauen Erbquoten unklar sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-10 W 12/22 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Quotenloser Erbschein: Die Erteilung ist auch ohne Zustimmung aller Miterben möglich.
  2. OLG Hamm: Das Gericht entschied, dass der Widerspruch eines Miterben die Erteilung nicht verhindert, wenn die anderen Antragsteller auf die Angabe der Erbteile verzichten.
  3. Gemeinschaftliches Testament: Die Beteiligten wurden als Schlusserben in einem gemeinschaftlichen Testament eingesetzt.
  4. Erbanteile: Die genaue Angabe der Erbanteile im Erbschein ist nicht zwingend, wenn darauf verzichtet wird.
  5. Gesetzliche Interpretation: § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG verlangt nur den Verzicht aller Antragsteller, nicht aller Miterben.
  6. Kostenentscheidung: Die Gerichtskosten werden unter den Beteiligten entsprechend ihrer Rollen im Verfahren aufgeteilt.
  7. Rechtsbeschwerde zugelassen: Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wurde eine Rechtsbeschwerde zugelassen.
  8. Gegenstandswert: Festsetzung auf 550.000 Euro basierend auf dem Gesamtwert des Nachlasses.

Die Bedeutung der Miterben-Zustimmung im Erbscheinverfahren

Das Erbrecht, ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Zivilrechts, behandelt häufig die Thematik des Erbscheins. Ein Erbschein dient als amtlicher Nachweis der Erbberechtigung und ist oft unerlässlich für die Abwicklung eines Nachlasses. Ein besonders interessanter Aspekt dieses Bereichs ist die Frage der Zustimmung aller Miterben zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen der Erbfolge und der Rechte der Erben, und kann bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Erben zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen.

In Fällen, in denen die Erbquoten nicht klar festgelegt sind oder bei Unstimmigkeiten unter den Erben, kann ein quotenloser Erbschein beantragt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob die Zustimmung aller Miterben notwendig ist, oder ob einzelne Erben die Erteilung beeinflussen können. Dies führt zu einer spannenden rechtlichen Diskussion und Entscheidungsfindung, die exemplarisch am Fall des OLG Hamm beleuchtet wird. Die Klärung dieser Frage hat weitreichende Implikationen für die Handhabung von Erbschaftsangelegenheiten und die Rolle der Miterben. Lassen Sie uns nun einen detaillierten Blick auf ein konkretes Urteil werfen, das Licht auf diese komplexen Sachverhalte wirft und für zukünftige Fälle richtungsweisend sein könnte.

Der Streit um den quotenlosen Erbschein

Im Zentrum des juristischen Disputs steht die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins. Nach dem Tod der Erblasserin B. C. beantragte einer ihrer drei Kinder, Beteiligter zu 3, einen Erbschein, der ihn und seine beiden Geschwister als Erben ausweist. Interessanterweise verzichtete er dabei auf die Angabe der Erbanteile im Erbschein, berief sich auf § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG und argumentierte, dass die Zustimmung der anderen Miterben nicht notwendig sei. Dies führte zu einem rechtlichen Konflikt, da der Beteiligte zu 2, ein Geschwister des Antragstellers, der Auffassung war, dass ein Erbschein mit festgelegten Quoten für jeden Erben notwendig sei.

Testamentsgestaltung und ihre Folgen

Die juristische Auseinandersetzung wurzelt im gemeinschaftlichen Testament der Eltern der Beteiligten, in dem diese sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ihre Kinder als Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden bestimmten. Interessant ist hierbei, dass die Eltern keine konkreten Quoten festlegten, sondern bestimmte Vermögensbestandteile den Kindern zuwiesen. Das Amtsgericht Lübbecke wies den Antrag auf einen quotenlosen Erbschein zurück, da nicht alle Miterben auf die Angabe der Erbteile verzichtet hatten. Dies führte zur Beschwerde des Beteiligten zu 3 beim OLG Hamm.

Juristische Interpretation und Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm beschäftigte sich intensiv mit der Auslegung von § 352a FamFG. Es stellte klar, dass für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller Miterben nicht erforderlich sei, sondern nur die aller Antragsteller. Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die Formulierung „alle Antragsteller“ nicht mit „alle Miterben“ gleichzusetzen sei, basiert auf einer differenzierten Betrachtung des Gesetzestextes. Diese Entscheidung hebt hervor, wie wichtig die genaue Wortwahl in gesetzlichen Bestimmungen ist und wie diese die Rechte der Erben beeinflusst.

Kostenentscheidung und Relevanz für die Rechtsprechung

Das Gericht entschied zudem, dass der Beteiligte zu 3 die Kosten des Verfahrens erster Instanz und der Beteiligte zu 2 die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen muss. Interessanterweise wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Frage, ob für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller Miterben erforderlich ist, in der Rechtsprechung bisher unterschiedlich beantwortet wird. Dieser Fall verdeutlicht die Komplexität des Erbrechts und könnte für zukünftige Fälle richtungsweisend sein.

Das OLG Hamm setzte mit diesem Urteil ein klares Signal bezüglich der Interpretation des § 352a FamFG. Dieser Fall zeigt, wie entscheidend die genaue Formulierung eines Testaments und die Auslegung von Gesetzestexten für die Erbfolge sein können. Er wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung der genauen rechtlichen Bestimmungen im Erbrecht und ihre Auswirkungen auf die Rechte der Miterben.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist ein quotenloser Erbschein und in welchen Situationen wird er benötigt?

Ein quotenloser Erbschein ist ein spezieller Typ eines Erbscheins, der eingeführt wurde, um in bestimmten Situationen die Angabe der Erbquoten zu umgehen. Dieser Erbschein kann beantragt werden, wenn alle Antragsteller auf die Angabe der Quote verzichten. In einem quotenlosen Erbschein werden alle Erben aufgeführt, aber ihre spezifischen Erbteile (Quoten) werden nicht angegeben.

Ein quotenloser Erbschein wird in Situationen benötigt, in denen die Erbquoten unklar sind oder deren Klärung einen erheblichen Aufwand darstellen würde. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn mehrere Personen zur Erbfolge berufen sind, aber unklar ist, zu welcher Erbquote. Ein weiterer Anwendungsfall könnte sein, wenn die Erben bekannt sind, aber deren Erbquoten unsicher sind. In solchen Fällen kann der gemeinschaftliche Erbschein auch als quotenloser Erbschein beantragt werden.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins voraussetzt, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Es gibt jedoch unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, ob die Zustimmung aller Miterben für einen quotenlosen Erbschein notwendig ist.

Ein quotenloser Erbschein kann Vorteile bieten, wie beispielsweise eine schnellere Erteilung im Vergleich zu einem Erbschein mit Erbquoten. Allerdings sollte sich der beantragende Erbe bewusst sein, dass er bei Vorliegen weiterer, jetzt eventuell noch nicht bekannter Erben später möglicherweise eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft um die Erbquote zu klären, eingehen muss.

Welche rechtliche Bedeutung hat die Zustimmung der Miterben bei der Erteilung eines Erbscheins?

Die Zustimmung der Miterben spielt eine wichtige Rolle bei der Erteilung eines Erbscheins. Jeder Miterbe einer Erbengemeinschaft hat das Recht, einen Erbschein zu beantragen. Dieser Erbschein legitimiert die Erben gegenüber Banken, Grundbuchämtern und anderen Institutionen.

In einer Erbengemeinschaft kann jeder Miterbe seinen eigenen Erbschein erhalten. Zudem benötigen die Mitglieder einer Erbengemeinschaft häufig einen gemeinschaftlichen Erbschein, um sich gegenüber Versicherungen oder Banken als Erbengemeinschaft zu legitimieren.

Es ist jedoch zu beachten, dass bei der Beantragung eines quotenlosen Erbscheins alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten müssen. Es gibt jedoch unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber, ob die Zustimmung aller Miterben für einen quotenlosen Erbschein notwendig ist.

Ein Alleingang eines Miterben bei der Beantragung eines Erbscheins führt nicht zu einer Verpflichtung für die anderen Miterben. Die Kosten für den Erbschein muss der Miterbe, der den Antrag gestellt hat, selbst tragen. Die anderen Miterben müssen die Kosten daher nicht anteilig übernehmen.

Es ist daher ratsam, vor der Beantragung eines Erbscheins eine Einigung unter den Miterben zu erzielen, um mögliche Konflikte und zusätzliche Kosten zu vermeiden.

Wie wird die Erbfolge in einem gemeinschaftlichen Testament geregelt, insbesondere wenn keine spezifischen Erbquoten festgelegt sind?

In einem gemeinschaftlichen Testament, in dem keine spezifischen Erbquoten festgelegt sind, wird die Erbfolge durch Auslegung des Testaments bestimmt. Ziel ist es, den Willen des Erblassers zu ermitteln. Wenn mehrere Personen als Erben benannt sind, aber keine spezifischen Erbquoten festgelegt sind, kann die Auslegung des Testaments zu dem Ergebnis führen, dass es dem Willen des Erblassers entsprach, alle benannten Erben zu gleichen Teilen an der Erbschaft zu beteiligen.

Sollte eine individuelle Auslegung des Testaments scheitern und es nicht möglich sein, den konkreten Erblasserwillen zu ermitteln, können die Auslegungsregeln der §§ 2066 bis 2069 BGB zu einem brauchbaren Ergebnis führen. Nach diesen Regeln gelten zum Beispiel vom Erblasser in seinem Testament als „gesetzliche Erben“ oder „Verwandte“ eingesetzte Erben im Zweifel als in dem Verhältnis ihrer gesetzlichen Erbteile bedacht.

Bei der Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments kommt es auf den Willen beider Ehegatten an. Neben eigenen Äußerungen des Erblassers kann auch sein persönlicher Lebenszuschnitt, insbesondere sein Stand, seine Geschäftsgewandtheit und seine Bildung, für die Auslegung maßgeblich sein. Ferner werden bei der Auslegung die Beziehungen des Erblassers zu den im Testament genannten Personen berücksichtigt, insbesondere ob es sich um familiäre, enge persönliche oder berufliche Beziehungen handelt.

Wenn kein Testament existiert oder wenn das Testament keine klare Regelung zur Erbfolge enthält, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis: Zunächst erben die nächsten Verwandten, also Kinder und Enkel, dann weiter entfernte Verwandte wie Geschwister, Neffen und Nichten. Schließlich erben Onkel und Tanten sowie Cousins und Cousinen.

Welche Rolle spielt § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG bei der Erteilung eines quotenlosen Erbscheins und wie wird diese Vorschrift interpretiert?

Gemäß § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG ist die Angabe der Erbteile im Erbschein nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. Diese Regelung, die auch als „quotenloser Erbschein“ bekannt ist, wurde durch das „Gesetz zum internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften“ vom 29.6.2015 eingeführt.

Die Interpretation dieser Vorschrift kann jedoch unterschiedlich sein. Einige Gerichte, wie das OLG München, haben entschieden, dass für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins der Verzicht aller Miterben auf die Aufnahme der Erbteile erforderlich ist. Andere Gerichte, wie das OLG Düsseldorf, haben jedoch entschieden, dass bereits der Verzicht nur des Antragstellers ausreichen soll, selbst wenn die übrigen Miterben der Erteilung des quotenlosen Erbscheins widersprächen.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Verzicht auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden muss. Ein Widerruf des Verzichts auf Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein ist möglich, allerdings nur bis zur Erteilung des Erbscheins.

Die Einführung des quotenlosen Erbscheins hat die Möglichkeit eröffnet, dass in einem Erbscheinsantrag keine Erbquoten ausgewiesen sein müssen. Dies kann in bestimmten Situationen vorteilhaft sein, beispielsweise wenn die genauen Erbquoten noch nicht feststehen oder wenn die Erben eine flexible Aufteilung des Nachlasses wünschen.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-10 W 12/22 – Beschluss vom 27.07.2022

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 11.10.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Lübbecke vom 07.09.2021 dahingehend abgeändert, dass die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 3) vom 12.05.2021 erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Lübbecke wird angewiesen, dem Beteiligten zu 3) einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, dass die am 00.00.0000 verstorbene B. C., geborene D, geb. am 00.00.0000, von den Beteiligten zu 1) bis 3) beerbt worden ist.

Die in erster Instanz angefallenen Gerichtskosten werden dem Beteiligten zu 3) auferlegt. Die in zweiter Instanz angefallenen Gerichtskosten trägt der Beteiligte zu 2). Darüber hinaus findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 550.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Geschwister und einzige Kinder der Eheleute F. und B. C.

Am 23.02.2014 errichteten die Eltern der Beteiligten ein gemeinschaftliches, handschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod des Letztversterbenden folgendes bestimmten:

„Schlußerben des länger von uns Lebenden werden unsere Kinder G, …, H,… und I,… wie folgt:“

Anschließend ordneten die Erblasser an, welche Vermögensbestandteile welches ihrer Kinder erhalten sollte.

Der Vater der Beteiligten verstarb am 00.00.0000, die Mutter der Beteiligten – die Erblasserin – verstarb am 00.00.0000.

Am 12.05.2021 hat der Beteiligte zu 3) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben der Erblasserin ausweist. Er hat erklärt, gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein zu verzichten. Die Zustimmung aller Miterben sei zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht erforderlich, da das Gesetz nur verlange, dass die Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichteten. Antragsteller sei indes nur er selbst.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Er hat die Ansicht vertreten, es sei ein gemeinschaftlicher Erbschein mit einer Quote von je 1/3 für jeden Erben zu beantragen. Ein quotenloser Erbschein könne nicht erteilt werden, weil dieser voraussetze, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbanteile in dem Erbschein verzichteten.

Die Beteiligte zu 1) erhob gegen den Erbscheinsantrag keine Einwendungen und verzichtete ihrerseits auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein.

Mit Beschluss vom 07.09.2021 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Lübbecke den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins sei nach der systematischen Stellung des § 352a Abs. 2 FamFG und dem grammatikalischen Bezug erforderlich, dass alle Miterben auf die Angabe der Erteile verzichten. Das sei hier nicht der Fall, so dass der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit seiner Beschwerde, mit der er in der Hauptsache die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins weiterverfolgt und hilfsweise die Erteilung eines Erbscheins beantragt, nach dem die Erblasserin durch ihn zu 7/15, den Beteiligten zu 2) zu 3/15 und die Beteiligte zu 1) zu 5/15 beerbt worden sei. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebe sich, dass die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller in Betracht kommenden Miterben erfordere.

II.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beteiligte zu 3) kann die Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins verlangen, ohne dass hierfür die Zustimmung auch des Beteiligten zu 2) erforderlich ist.

1.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind in dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 23.02.2014 zu Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt worden, sie sind daher Miterben der am 00.00.0000 zuletzt verstorbenen Erblasserin.

Zweifel an der Erbeinsetzung sämtlicher Beteiligter ergeben sich nicht durch den Umstand, dass die Eheleute C ihre Kinder nicht zu bestimmten Quoten als Erben eingesetzt, sondern diesen näher bestimmte Bestandteile ihres Vermögens zugewendet haben.

Zwar ist nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht von einer Erbeinsetzung, sondern der Anordnung von Vermächtnissen auszugehen, wenn der Erblasser dem oder den Bedachten nur einzelne Vermögensbestandteile zugewendet hat. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Erblasser mit diesen Zuwendungen praktisch sein gesamtes Vermögen unter den Bedachten aufteilt. Denn die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB würde in diesen Fällen ansonsten zu dem mutmaßlich nicht gewollten Ergebnis führen, dass das Testament gar keine Erbeinsetzung enthält (BeckOGK/Gierl, 01.06.2022, BGB § 2087 Rn. 28 m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.08.2016, I-3 Wx 74/16, Rn. 23 juris, m. w. N.). Da hier die Erblasser über ihr gesamtes Vermögen verfügt haben, ist mithin davon auszugehen, dass die ausdrücklich erfolgte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 3) auch dem Willen der Erblasser entsprach.

2.

Nach § 352a Abs. 2 S. 1 FamFG sind in einem Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins grundsätzlich die Erben und ihre Erbanteile anzugeben. Die Angabe der Erbteile ist nach S. 2 dann nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.

Danach ist eine Angabe der Erbteile der Miterben in dem Erbschein nicht erforderlich, da der Beteiligte zu 3) als alleiniger Antragsteller hierauf verzichtet hat.

Der Erteilung des beantragten quotenlosen Erbscheins steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 2) dem widersprochen hat, denn die Zustimmung aller Miterben ist hierfür nicht erforderlich. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, da nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nur erforderlich ist, dass „alle Antragsteller“ auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.

Diese Formulierung ist auch nicht gleichbedeutend mit „alle Miterben“, denn das Gesetz verwendet in § 352a FamFG sowohl den Begriff der (Mit-) Erben als auch den der Antragsteller, woraus sich bereits eine Differenzierung durch den Gesetzgeber ergibt. Nachdem gemäß Absatz 2 Satz 1 in dem Erbscheinsantrag „die Erben“ anzugeben sind, wäre zu erwarten gewesen, dass es auch in Satz 2 lautet „wenn die Erben in dem Antrag … verzichten“, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Dies gilt umso mehr, weil aus § 352a Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 1 FamFG folgt, dass der Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins von jedem Erben allein gestellt werden kann.

Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass entgegen dieser Regelungen ein quotenloser Erbschein nur von allen Miterben gemeinsam beantragt werden können sollte und deshalb die Formulierung „alle Antragsteller“ mit „alle Miterben“ gleichzusetzen wäre. Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich nicht aus dem verwendeten Plural „Antragsteller“, denn damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass bei mehreren Antragstellern jeder von ihnen auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein verzichten muss. Hieraus kann jedoch angesichts des klaren Wortlauts von § 352a Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 1 FamFG nicht gefolgert werden, dass alle Miterben den Erbschein beantragen müssen.

Auch der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/4201 Seite 60/61) lässt sich nicht entnehmen, dass entweder nur alle Miterben einen quotenlosen Erbschein beantragen können oder jedenfalls die Zustimmung aller Miterben zu einem quotenlosen Erbschein erforderlich ist. Zum einen differenziert auch die Gesetzesbegründung zwischen den Begriffen der Miterben und der Antragsteller, ohne diese synonym zu verwenden. Zum anderen bezweckte die Gesetzesänderung jedenfalls auch die Beschleunigung von Erbscheinsverfahren, in denen – wie hier – die Miterben unzweifelhaft feststehen, deren Erbquoten jedoch nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2019, I-25 Wx 55/19, NJW-RR 2020, 388). Dieser Zweck des Gesetzes könnte nicht erreicht werden, wenn entgegen seinem Wortlaut nicht nur die Zustimmung jedes Antragstellers, sondern auch jedes Miterben erforderlich wäre.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Da der Beteiligte zu 3) die durch seinen Erbscheinsantrag ausgelösten Gerichtskosten auch bei einer stattgebenden Entscheidung des Amtsgerichts zu tragen gehabt hätte, entspricht es der Billigkeit, ihm diese Kosten trotz des Erfolgs seiner Beschwerde aufzuerlegen. Ebenso entspricht es der Billigkeit, den Beteiligten zu 2) mit den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten, welches durch seinen Widerspruch erforderlich geworden ist. Von der Möglichkeit, eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen, hat der Senat abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob sämtliche Miterben oder nur alle Antragsteller einen Verzicht im Sinne des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG erklären müssen, unterschiedlich beantwortet (OLG Düsseldorf, aaO; a. A. OLG München, NJW-RR 2019, 971; OLG Bremen, NJW 2021, 1171).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 61 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 1 GNotKG und den Angaben des Beteiligten zu 3) zum Gesamtwert des Nachlasses im Schriftsatz vom 08.09.2021.

 

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