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Zustimmung aller Miterben zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins

OLG Hamm – Az.: I-10 W 12/22 – Beschluss vom 27.07.2022

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 3) vom 11.10.2021 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Lübbecke vom 07.09.2021 dahingehend abgeändert, dass die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 3) vom 12.05.2021 erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Lübbecke wird angewiesen, dem Beteiligten zu 3) einen Erbschein mit dem Inhalt zu erteilen, dass die am 00.00.0000 verstorbene B. C., geborene D, geb. am 00.00.0000, von den Beteiligten zu 1) bis 3) beerbt worden ist.

Die in erster Instanz angefallenen Gerichtskosten werden dem Beteiligten zu 3) auferlegt. Die in zweiter Instanz angefallenen Gerichtskosten trägt der Beteiligte zu 2). Darüber hinaus findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 550.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten sind Geschwister und einzige Kinder der Eheleute F. und B. C.

Am 23.02.2014 errichteten die Eltern der Beteiligten ein gemeinschaftliches, handschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung nach dem Tod des Letztversterbenden folgendes bestimmten:

„Schlußerben des länger von uns Lebenden werden unsere Kinder G, …, H,… und I,… wie folgt:“

Anschließend ordneten die Erblasser an, welche Vermögensbestandteile welches ihrer Kinder erhalten sollte.

Der Vater der Beteiligten verstarb am 00.00.0000, die Mutter der Beteiligten – die Erblasserin – verstarb am 00.00.0000.

Am 12.05.2021 hat der Beteiligte zu 3) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben der Erblasserin ausweist. Er hat erklärt, gem. § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein zu verzichten. Die Zustimmung aller Miterben sei zur Erteilung eines quotenlosen Erbscheins nicht erforderlich, da das Gesetz nur verlange, dass die Antragsteller auf die Aufnahme der Erbquoten in den Erbschein verzichteten. Antragsteller sei indes nur er selbst.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Er hat die Ansicht vertreten, es sei ein gemeinschaftlicher Erbschein mit einer Quote von je 1/3 für jeden Erben zu beantragen. Ein quotenloser Erbschein könne nicht erteilt werden, weil dieser voraussetze, dass alle in Betracht kommenden Miterben auf die Aufnahme der Erbanteile in dem Erbschein verzichteten.

Die Beteiligte zu 1) erhob gegen den Erbscheinsantrag keine Einwendungen und verzichtete ihrerseits auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein.

Mit Beschluss vom 07.09.2021 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Lübbecke den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Für die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins sei nach der systematischen Stellung des § 352a Abs. 2 FamFG und dem grammatikalischen Bezug erforderlich, dass alle Miterben auf die Angabe der Erteile verzichten. Das sei hier nicht der Fall, so dass der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 3) mit seiner Beschwerde, mit der er in der Hauptsache die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins weiterverfolgt und hilfsweise die Erteilung eines Erbscheins beantragt, nach dem die Erblasserin durch ihn zu 7/15, den Beteiligten zu 2) zu 3/15 und die Beteiligte zu 1) zu 5/15 beerbt worden sei. Weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebe sich, dass die Erteilung eines quotenlosen Erbscheins die Zustimmung aller in Betracht kommenden Miterben erfordere.

II.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet.

Der Beteiligte zu 3) kann die Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins verlangen, ohne dass hierfür die Zustimmung auch des Beteiligten zu 2) erforderlich ist.

1.

Die Beteiligten zu 1) bis 3) sind in dem gemeinschaftlichen Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes vom 23.02.2014 zu Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt worden, sie sind daher Miterben der am 00.00.0000 zuletzt verstorbenen Erblasserin.

Zweifel an der Erbeinsetzung sämtlicher Beteiligter ergeben sich nicht durch den Umstand, dass die Eheleute C ihre Kinder nicht zu bestimmten Quoten als Erben eingesetzt, sondern diesen näher bestimmte Bestandteile ihres Vermögens zugewendet haben.

Zwar ist nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht von einer Erbeinsetzung, sondern der Anordnung von Vermächtnissen auszugehen, wenn der Erblasser dem oder den Bedachten nur einzelne Vermögensbestandteile zugewendet hat. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Erblasser mit diesen Zuwendungen praktisch sein gesamtes Vermögen unter den Bedachten aufteilt. Denn die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB würde in diesen Fällen ansonsten zu dem mutmaßlich nicht gewollten Ergebnis führen, dass das Testament gar keine Erbeinsetzung enthält (BeckOGK/Gierl, 01.06.2022, BGB § 2087 Rn. 28 m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.08.2016, I-3 Wx 74/16, Rn. 23 juris, m. w. N.). Da hier die Erblasser über ihr gesamtes Vermögen verfügt haben, ist mithin davon auszugehen, dass die ausdrücklich erfolgte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) bis 3) auch dem Willen der Erblasser entsprach.

2.

Nach § 352a Abs. 2 S. 1 FamFG sind in einem Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins grundsätzlich die Erben und ihre Erbanteile anzugeben. Die Angabe der Erbteile ist nach S. 2 dann nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.

Danach ist eine Angabe der Erbteile der Miterben in dem Erbschein nicht erforderlich, da der Beteiligte zu 3) als alleiniger Antragsteller hierauf verzichtet hat.

Der Erteilung des beantragten quotenlosen Erbscheins steht nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 2) dem widersprochen hat, denn die Zustimmung aller Miterben ist hierfür nicht erforderlich. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, da nach § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG nur erforderlich ist, dass „alle Antragsteller“ auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten.

Diese Formulierung ist auch nicht gleichbedeutend mit „alle Miterben“, denn das Gesetz verwendet in § 352a FamFG sowohl den Begriff der (Mit-) Erben als auch den der Antragsteller, woraus sich bereits eine Differenzierung durch den Gesetzgeber ergibt. Nachdem gemäß Absatz 2 Satz 1 in dem Erbscheinsantrag „die Erben“ anzugeben sind, wäre zu erwarten gewesen, dass es auch in Satz 2 lautet „wenn die Erben in dem Antrag … verzichten“, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Dies gilt umso mehr, weil aus § 352a Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 1 FamFG folgt, dass der Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins von jedem Erben allein gestellt werden kann.

Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass entgegen dieser Regelungen ein quotenloser Erbschein nur von allen Miterben gemeinsam beantragt werden können sollte und deshalb die Formulierung „alle Antragsteller“ mit „alle Miterben“ gleichzusetzen wäre. Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich nicht aus dem verwendeten Plural „Antragsteller“, denn damit wird nur zum Ausdruck gebracht, dass bei mehreren Antragstellern jeder von ihnen auf die Aufnahme der Erbanteile in den Erbschein verzichten muss. Hieraus kann jedoch angesichts des klaren Wortlauts von § 352a Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 S. 1 FamFG nicht gefolgert werden, dass alle Miterben den Erbschein beantragen müssen.

Auch der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 18/4201 Seite 60/61) lässt sich nicht entnehmen, dass entweder nur alle Miterben einen quotenlosen Erbschein beantragen können oder jedenfalls die Zustimmung aller Miterben zu einem quotenlosen Erbschein erforderlich ist. Zum einen differenziert auch die Gesetzesbegründung zwischen den Begriffen der Miterben und der Antragsteller, ohne diese synonym zu verwenden. Zum anderen bezweckte die Gesetzesänderung jedenfalls auch die Beschleunigung von Erbscheinsverfahren, in denen – wie hier – die Miterben unzweifelhaft feststehen, deren Erbquoten jedoch nicht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.12.2019, I-25 Wx 55/19, NJW-RR 2020, 388). Dieser Zweck des Gesetzes könnte nicht erreicht werden, wenn entgegen seinem Wortlaut nicht nur die Zustimmung jedes Antragstellers, sondern auch jedes Miterben erforderlich wäre.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Da der Beteiligte zu 3) die durch seinen Erbscheinsantrag ausgelösten Gerichtskosten auch bei einer stattgebenden Entscheidung des Amtsgerichts zu tragen gehabt hätte, entspricht es der Billigkeit, ihm diese Kosten trotz des Erfolgs seiner Beschwerde aufzuerlegen. Ebenso entspricht es der Billigkeit, den Beteiligten zu 2) mit den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten, welches durch seinen Widerspruch erforderlich geworden ist. Von der Möglichkeit, eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen, hat der Senat abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde war gem. § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG zuzulassen, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob sämtliche Miterben oder nur alle Antragsteller einen Verzicht im Sinne des § 352a Abs. 2 S. 2 FamFG erklären müssen, unterschiedlich beantwortet (OLG Düsseldorf, aaO; a. A. OLG München, NJW-RR 2019, 971; OLG Bremen, NJW 2021, 1171).

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 61 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 1 GNotKG und den Angaben des Beteiligten zu 3) zum Gesamtwert des Nachlasses im Schriftsatz vom 08.09.2021.

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