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Auskunftsanspruch eines Erben gegen einen Bevollmächtigten

LG Bonn – Az.: 1 O 80/16 – Urteil vom 20.05.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist der einzige Sohn und Alleinerbe der am ##.##.2012 verstorbenen Frau S2. Die Erblasserin hatte dem Beklagten mit notarieller Urkunde vom 21.06.2001 (Anlage K4 = Bl.# – ## d.A.) eine generelle Vollmacht erteilt.

Die Parteien kennen sich seit Jahrzehnten. Als der Kläger etwa zehn Jahre alt war, zog die am ##.##.1930 geborene Erblasserin mit ihm von L nach X. Dort heiratete die Erblasserin den aus X stammenden Stiefvater des Klägers, der seinerseits drei ältere Söhne mit in die Ehe brachte. Die Eltern des Beklagten und der Beklagte selbst unterhielten zu der Erblasserin ein enges freundschaftliches, nahezu verwandtschaftliches Verhältnis.

Anfang der 2000´er Jahre wanderte der Kläger auf die Q aus, wo er seitdem lebt. Die Erblasserin war nach dem Tode des Stiefvaters und der Auswanderung des Klägers weitgehend auf sich allein gestellt. Die drei Stiefsöhne kümmerten sich nicht um die Erblasserin. In dieser Situation ließ sich die Erblasserin im Jahre 2001 durch den Notar M in F beraten. Vor diesem Notar errichtete die Erblasserin am 21.06.2001 neben der dem Beklagten erteilten Vollmacht ein Testament, mit dem sie den Kläger zu ihrem alleinigen und unbeschränkten Erben einsetzte (Anlage K3 = Bl.# – # d.A.) und zu dessen Anschrift es in dieser Urkunde heißt: „wohnhaft auf den Q (nähere Anschrift ist mir nicht bekannt)“.

Im Januar 2007 musste sich die Erblasserin wegen eines Nierenleidens in das Krankenhaus in U begeben. Wegen ihres gesundheitlichen Allgemeinzustandes sowie der familiären Situation entschied sie sich dann zum Umzug in ein Senioren- beziehungsweise Pflegeheim in X. Diesen Umzug organisierte der Beklagte auf Wunsch der Erblasserin. Zuvor war der Beklagte von dem Mitarbeiter der X2bank in X und Zeugen S3 darauf angesprochen worden, dass die Erblasserin teilweise zwei bis dreimal täglich auf der Bank erscheine und größere Beträge abhebe und dass das Konto bereits überzogen sei. Ferner rief der Zeuge Dr. C als Hausarzt der Erblasserin den Kläger an und teilte ihm mit, dass er sich unbedingt um die Erblasserin kümmern müsse, möglicherweise sei auch eine Betreuung angezeigt. Die Einsetzung des Klägers als Betreuer wurde von dem Amtsgericht X3 – ## XVII #/## – abgelehnt.

Den Umzug der Erblasserin in das Seniorenheim versuchte der Kläger – letztendlich erfolglos – rückgängig zu machen. Als er dort einmal alkoholisiert erschien und die Entlassung der Erblasserin begehrte, wurde er durch den Leiter des Heimes und Zeugen S4 des Hauses verwiesen.

Nachdem der Kläger erkannt hatte, dass die Erblasserin in dem Seniorenheim bleiben wollte, räumte er das Haus der Erblasserin und verschiffte das Inventar auf die Q. Dem Beklagten gelang es in der Folgezeit das Haus zu vermieten. Die Mieterlöse flossen der Erblasserin zur Deckung der Heim- und Pflegekosten zu, wobei die konkrete Verwendung der Geldmittel der Erblasserin im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist.

Der Beklagte, der sich dazu aufgrund der jahrzehntelang bestehenden Freundschaft verpflichtet fühlte, kümmerte sich weiterhin um die Erblasserin. Das von ihm mit dem Ziel der Bestellung eines Berufsbetreuers angestrengte Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht X3 führte zu der Einsetzung eines fremden Betreuers. Da sich dieser nicht so gut um die Erblasserin kümmerte, entschloss sich der Beklagte dazu, sich persönlich weiter um die Erblasserin zu kümmern, wodurch sich das Betreuungsverfahren erledigte.

Die Pflegekosten der Erblasserin wurden zunächst durch ihre Rente sowie die Einnahmen aus der Vermietung ihres Hauses weitgehend gedeckt.  In der Folgezeit entschloss sich der Beklagte dazu, dieses Haus zu verkaufen. Der Verkauf ist Gegenstand eines weiteren Rechtsstreites des Klägers gegen den Beklagten, der unter dem Aktenzeichen 1 O 405/15 vor dem erkennenden Gericht anhängig ist. Während der sich hinziehenden Verkaufsverhandlungen dieses Objektes verstarb die Erblasserin. Die Bestattung, zu der der Kläger nicht erschien, wurde von dem Beklagten organisiert.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass ihm der Beklagte aus § 666 BGB auskunfts- und rechenschaftspflichtig sowie aus den §§ 1833, 1908i BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. Er hat ursprünglich mit der Klageschrift behauptet, der Beklagte sei aufgrund der ihm erteilten Vollmacht bereits seit dem Jahre 2001 für die Erblasserin tätig gewesen, in den letzten Jahren ihres Lebens als ihr rechtlicher Betreuer. In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt, derartige Tätigkeiten des Beklagten seien tatsächlich erst 2006 erfolgt.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihm eine geordnete Zusammenstellung aller Einnahmen und Ausgaben des seiner Verwaltung unterliegenden Vermögens der am ##.##.2012 verstorbenen Frau S nebst Belegen für die Zeit vom 21.06.2001 bis zum 30.04.2013 zu erteilen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an Eides statt zu versichern, die Zusammenstellung nach bestem Wissen und so vollständig vorgenommen zu haben, wie er hierzu imstande war;

3. nach Beauskunftung den Beklagten dazu zu verurteilen, einen noch näher zu beziffernden Schadensersatzanspruch an ihn herauszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er tritt dem Klägervorbringen mit Sach- und Rechtsausführungen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die gemäß § 254 ZPO zulässige Stufenklage des Klägers ist nicht begründet.

Da in Ermangelung eines gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnisses zwischen den Parteien und / oder zwischen der Erblasserin und dem Beklagten schon dem Grunde nach keine Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten bestehen, war die Klage insgesamt und damit auch in Bezug auf den in der mündlichen Verhandlung noch nicht zur Entscheidung gestellten (unbezifferten) Zahlungsantrag abzuweisen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 254 Rd.14).

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung der mit dem Klageantrag zu Ziffer 1. begehrten Auskunft aus den §§ 666, 662, 1922 Abs.1 BGB oder unmittelbar aus § 242 BGB.

§ 666 BGB setzt als vertraglicher Anspruch, der auf den Kläger als Erben gemäß § 1922 Abs.1 BGB übergegangen sein könnte, die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Auftrages zwischen dem Beklagten und der Erblasserin voraus. Ein Auftragsverhältnis zwischen der Erblasserin und dem Beklagten kann indes nicht allein aufgrund der unter dem 21.06.2001 erteilten Vollmacht bejaht werden. Denn es fehlt an hinreichenden objektiven Kriterien, anhand derer positiv festgestellt könnte, dass sich der Beklagte und die Erblasserin insoweit rechtlich binden wollten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 19.09.2012 – 16 U 196/11 = ZEV 2013, 339; OLG Brandenburg, Urteil vom 07.12.2011 – 3 U 94/11 = BeckRS 2012, 20712 unter I.2.; LG Bonn, Teilurteil vom 08.12.2014 – 1 O 147/13 = BeckRS 2015, 06598).

Für die Auslegung des Erklärungsverhaltens des Beklagten und der Erblasserin kommt es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles entscheidend darauf an, ob für die Erblasserin wesentliche wirtschaftliche Interessen bei der Erteilung und Ausübung der Vollmacht auf dem Spiel standen, ob sie sich deshalb auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung des Beklagten verlassen wollte, ob dies für den Beklagten erkennbar war und ob der Beklagte sich seinerseits nach Treu und Glauben den Gefahren einer vertraglichen Haftung aussetzen wollte (§§ 133, 157, 242 BGB; vgl. Palandt/Sprau, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf.v. § 662 Rd.4ff., Fischer in Bamberger/Roth, Beck-OK BGB, Stand 01.08.2015, § 662 Rd.3ff.; MüKo/Seiler, BGB, 6. Aufl. 2012, § 662 Rd.59ff.; Staudinger/Martinek, BGB, 2006, § 662 Rd.8 jeweils m.w.N.).

Schon hinreichend konkrete Tatsachen, die einen Rückschluss auf den erforderlichen Rechtsbindungswillen des Beklagten und der Erblasserin tragen könnten, hat der Kläger weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt  (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: Fischer, aaO., § 662 Rd.17). Indes ergibt sich bereits aus einer Gesamtschau der zu den Akten gereichten Unterlagen in Verbindung mit dem insoweit unstreitigen substantiierten Vorbringen des Beklagten, dass der Vollmachterteilung im Sommer 2001 ein besonderes Freundschafts- und Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und der Erblasserin zugrunde gelegen hat, das gegen den Abschluss eines Auftragsvertrages spricht. In Abgrenzung zu einem rechtlich bindenden Auftrag wird nämlich im Rahmen eines solchen Vertrauensverhältnisses keine Auskunft oder gar Rechenschaft verlangt, insbesondere soll der mit der Bevollmächtigung besonders Betraute nicht im Nachhinein dem einseitigen (Haftungs-) Risiko ausgesetzt werden, Ausgaben genauer angeben und belegen zu müssen (OLG Köln, aaO.; OLG Brandenburg, aaO., LG Bonn, aaO.).

Ausgehend von diesen Erwägungen kann für den Zeitraum 2001 bis in das Jahr 2007 hinein schon in tatsächlicher Hinsicht keine Bindung des Beklagten im Rahmen eines Auftragsverhältnisses bejaht werden. Denn der Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung im Einzelnen dargelegt, dass er erst mit dem Umzug der Erblasserin in das Senioren- beziehungsweise Pflegeheim im Jahre 2007 Anlass hatte, von der ihm erteilten Vollmacht Gebrauch zu machen. Dafür, dass der Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt für die Erblasserin tätig geworden ist, ist nichts ersichtlich. Die abweichenden Angaben in der Klageschrift beruhen nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf einem Missverständnis.

Aber auch die beklagtenseits ab dem Jahr 2007 für die Erblasserin entfalteten Tätigkeiten beruhten nicht auf einem rechtsgeschäftlichen Auftrag in dem vorbezeichneten Sinn. Vielmehr handelte es sich bei diesen Unterstützungs- und Hilfeleistungen um solche, die aufgrund eines besonderen Freundschafts- und Vertrauensverhältnisses von dem Beklagten für die Erblasserin erbracht worden sind. Dies wird im Einzelnen schon aus der im Tatbestand dargestellten familiären und gesundheitlichen Lage der Erblasserin deutlich, die mit Ausnahme des Beklagten keinerlei nennenswerte Unterstützung bei der Bewältigung des von ihr gewünschten Umzuges und dessen Finanzierung erfahren hat. Die in den von dem Kläger als Anlagen K9 bis K12 (Bl.### – ### d.A.) eingereichten Schreiben der Erblasserin zum Ausdruck kommende Dankbarkeit gegenüber dem Beklagten unterstreicht diese Würdigung. Denn hierin ist dokumentiert, dass die Erblasserin dem Beklagten für seine ehrenamtlichen Betreuerleistungen (vgl. Schreiben vom 22.08.2007) Zahlungen als Anerkennungs- und Ausgleichsbeträge beziehungsweise Aufwandsentschädigungen zuwenden wollte, um dem Beklagten gegenüber damit zugleich ihre Dankbarkeit für dessen Unterstützungsleistungen zu zeigen. Zugleich wird hiermit deutlich, dass die Unterstützungsleistungen des Beklagten die volle Billigung der Erblasserin erfahren haben. Der Umstand, dass die Erblasserin den Beklagten nach seinem insoweit unwidersprochenen Vortrag (S. 4 der Klageerwiderung) auch in der Vergangenheit nie zu einer näheren Auskunftserteilung oder gar Rechnungslegung aufgefordert hat, unterstreicht diese Würdigung. Das aus dieser Gesamtentwicklung klar zu Tage tretende besondere persönliche Nähe- und Vertrauensverhältnis zwischen dem Beklagten und der Erblasserin bestand, wie nicht zuletzt die allein von dem Beklagten organisierte Bestattung zeigt, bis zum Tode der Erblasserin fort. Ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille der Erblasserin und des Beklagten kann in Anbetracht dieser Gesamtumstände nicht bejaht werden.

Vor diesem Hintergrund begründet auch allein der Rechtsgedanke von Treu und Glauben (§ 242 BGB) keinen Auskunftsanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Es fehlt an der hierfür erforderlichen Sonderverbindung zwischen den Parteien (vgl. OLG Köln, aaO., unter II.2.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 242 Rd.5 jeweils m.w.N.).

Die Frage, ob der Beklagte von der ihm unter dem 21.06.2001 erteilten Vollmacht überhaupt als Vorsorgevollmacht im Rechtssinne (vgl. zum Begriff nur Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl. 2016, Einf.v. § 1896 Rd.5 m.w.N.) Gebrauch gemacht hat, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vorlagen und ob deshalb ein bindendes Auftragsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Erblasserin eher bejaht werden kann (so etwa OLG Brandenburg, aaO., unter I.1.a.; Palandt/Götz, aaO., Einf.v. § 1896 Rd.6), bedarf hier keiner Vertiefung. Denn der Kläger hat dazu nichts vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert:  25.000,00 EUR (Beschluss vom 08.04.2016 = Bl.### d.A.).

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