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Auslegung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments – Tod des erstversterbenden Ehegatten

Das Thüringer Oberlandesgericht entschied, dass die Klausel im gemeinschaftlichen Ehegattentestament der Eheleute J. über die Erbfolge der Kinder nur für den Fall ihres gleichzeitigen oder nahezu gleichzeitigen Todes galt. Daher war der überlebende Ehegatte nach dem früheren Tod des anderen nicht an diese Regelung gebunden und konnte ein neues Testament zu Gunsten seiner ausgewählten Kinder erstellen, wodurch die anderen Kinder ausgeschlossen wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 W 516/14  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts: Das Thüringer Oberlandesgericht hebt den vorherigen Beschluss auf und erkennt die Gültigkeit des neuen Testaments an.
  2. Gültigkeit des neuen Testaments: Der überlebende Ehegatte hatte das Recht, nach dem Tod des Partners ein neues Testament zu erstellen.
  3. Keine wechselbezügliche Bindung: Die Erbeneinsetzung der Kinder war nur für den Fall ihres gemeinsamen Todes vorgesehen.
  4. Auslegung des Begriffs „gemeinsam“: Das Gericht interpretierte „gemeinsam“ als gleichzeitig oder in sehr kurzem zeitlichen Abstand.
  5. Freie Verfügung über den Nachlass: Der überlebende Ehegatte konnte frei über den Nachlass verfügen, da die Bedingung des gemeinsamen Todes nicht erfüllt war.
  6. Erbeinsetzung der ausgewählten Kinder: Nur die Kinder, die im neuen Testament genannt waren, wurden als Erben anerkannt.
  7. Keine Schlusserbeneinsetzung für alle Kinder: Das Gericht fand keine Anhaltspunkte für eine umfassende Schlusserbeneinsetzung aller Kinder im ursprünglichen Testament.
  8. Bedeutung des wirklichen Willens des Erblassers: Das Gericht legte großen Wert auf die Erforschung des tatsächlichen Willens des Erblassers über den Wortlaut des Testaments hinaus.

Der Fall des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments und der Tod des Erstversterbenden

Im April 2014 verstirbt der Erblasser, hinterlässt ein handschriftliches Testament und löst damit eine rechtliche Auseinandersetzung aus, die bis zum Thüringer Oberlandesgericht führt. Der Kern des Falles liegt in der Auslegung eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments, das der Erblasser mit seiner Ehefrau, die drei Jahre vor ihm verstarb, verfasst hatte. Nach ihrem Tod errichtet der Erblasser ein neues Testament, das zu einem Konflikt über die Erbfolge führt.

Auslegungsfragen des Testaments nach dem Tod eines Ehegatten

Der Erblasser und seine Frau hatten sich in ihrem gemeinschaftlichen Testament von 1993 gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und ihre Kinder als Erben für den Fall ihres gemeinsamen Todes bestimmt. Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2011 verfasste der Erblasser jedoch ein neues Testament, in dem er nur drei seiner fünf Kinder als Erben einsetzte. Die Tochter G. M., eine der drei bedachten Kinder, beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie und zwei ihrer Geschwister als Erben ausweist.

Rechtliche Auseinandersetzungen und Entscheidungen der Gerichte

Das Nachlassgericht Nordhausen lehnte den Antrag auf den Erbschein ab, indem es das gemeinschaftliche Testament als wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung interpretierte, an die der Erblasser gebunden war. Gegen diese Entscheidung legte die Tochter Beschwerde beim Thüringer Oberlandesgericht ein. Das Oberlandesgericht hob schließlich den Beschluss des Nachlassgerichts auf und wies dieses an, den Erbschein entsprechend dem Antrag von 2014 zu erteilen. Das Gericht sah das Testament so, dass es nur für den Fall eines gemeinsamen oder kurz aufeinanderfolgenden Todes der Eheleute galt.

Schlüsselaspekte des Urteils des Thüringer Oberlandesgerichts

Das Thüringer Oberlandesgericht betonte, dass der Wille des Erblassers ausschlaggebend für die Auslegung des Testaments sei. Die Klausel für den gemeinsamen Tod der Eheleute wurde eng interpretiert, wonach sie nur bei gleichzeitigem oder fast gleichzeitigem Versterben Anwendung findet. Somit war der Erblasser nicht an die im ersten Testament getroffene Erbeneinsetzung gebunden und konnte frei über sein Vermögen verfügen. Das Gericht stellte klar, dass der Erblasser in seinem neuen Testament wirksam nur drei seiner Kinder als Erben eingesetzt hatte, was zu einer Änderung der ursprünglichen Erbfolge führte.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist ein gemeinschaftliches Ehegattentestament und wie funktioniert es?

Ein gemeinschaftliches Ehegattentestament ist ein Testament, das von Ehepartnern gemeinsam erstellt wird, in der Regel auf einem Dokument. Es ermöglicht den Ehepartnern, ihren Nachlass gemeinsam zu regeln und sich gegenseitig finanziell abzusichern.

Die Ehepartner können gemäß § 2265 BGB eine gemeinsame letztwillige Verfügung errichten, in der sie abweichend von der gesetzlichen Erbfolge einander besonders begünstigen. Ein Ehegattentestament kann einseitig (also nur durch einen Partner) oder wechselseitig errichtet werden.

Eine Sonderform des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments ist das sogenannte Berliner Testament. Hierbei setzen sich die Ehepartner gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners der gesamte Nachlass an einen oder mehrere Dritte (in der Regel die gemeinsamen Kinder) übergeht.

Ein gemeinschaftliches Testament kann zu Lebzeiten beider Ehepartner jederzeit nach §§ 2253 ff. BGB frei widerrufen werden. Auch wechselbezügliche Verfügungen können nach § 2271 I BGB widerrufen werden. Nach dem Tod des ersten Ehepartners können einseitige Verfügungen von Todes wegen nach wie vor nach BGB von dem anderen Ehepartner widerrufen werden.

Ein Nachteil des Ehegattentestaments ist, dass nach Eintreten des Erbfalls der überlebende Partner an die testamentarischen Bestimmungen gebunden bleibt. Eine letztwillige Verfügung zwischen Ehepartnern wird unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tod des Erblassers aufgelöst wird.

Es ist zu beachten, dass das gemeinschaftliche Testament handschriftlich verfasst und von beiden Ehepartnern unterschrieben werden muss. Eine notarielle Beurkundung ist nicht zwingend notwendig, kann aber dabei helfen, sicherzustellen, dass die gewünschten Nachlassregelungen rechtswirksam und formal korrekt im letzten Willen festgehalten sind.


Das vorliegende Urteil

Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 6 W 516/14 – Beschluss vom 23.02.2015

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird der  Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Nordhausen vom 30.09.2014, Az.: VI 443/14, aufgehoben.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten zu 1) vom 02.06.2014 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, welcher die Beteiligten zu 1), 3) und 4) als testamentarische Erben des Erblassers zu je 1/3 ausweist.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Beschwerdewert wird auf 12.000 € festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der im April 2014 im Alter von 80 Jahren verstorbene Erblasser war verheiratet. Seine drei Jahre jüngere Ehefrau ist im Juli 2011 vorverstorben. Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen; die Töchter G. M. und K. J. sowie die Söhne P. J., H. J. und F. J. . Das älteste Kind der Eheleute J. der Sohn P. ist nur wenige Monate nach seiner Mutter im November 2011 verstorben. Die Beteiligte zu 2) ist dessen Tochter.

Mit handschriftlichem Testament vom 1.12.1993 (Bl. 5 d.A.) verfügten die Eheleute J. wie folgt:

„Hiermit setzen wir uns beide beim Tode eines Ehepartners gegenseitig zum Alleinerben ein.

Im Falle unseres gemeinsamen Todes sollen unsere Kinder unsere Erben sein

H. J.

H. J.

G. M., geb. J.

F. J.

K. H., geb. J.“

Nach dem Tod seiner Ehefrau errichtete der Erblasser am 7.11.2012 ein handschriftlichtes Testament mit folgendem Inhalt (Bl. 5a d.A.):

„Meine Ehefrau E. J.  ist am 25.07.2011 verstorben.

Hiermit widerrufe ich alle ggf. bestehenden Verfügungen und setzte als meine Erben meine Kinder

G. M., geb. J.

F. J.

K. H., geb. J.

zu je 1/3 ein.

Sollte einer der Erben vorversterben so sollen deren Kinder Erben sein.

Sowohl die Tochter meines vorverstorbenen Sohnes P. J. Frau C. J. als auch mein Sohn U. J. sollen keine Erben werden“.

Aufgrund notarieller Erbscheinsverhandlung vom 2.6.2014 (Bl. 16ff. d.A.) hat die Beteiligte zu 1) – die Tochter G. M.– einen sie selbst, ihre Schwester K. J.-H. – die Beteiligte zu 4) – und ihren Bruder F. J. – den Beteiligten zu 3) – als gemeinschaftliche Erben zu je 1/3 ausweisenden Erbschein beantragt. Sie ist der Ansicht, die Erbeneinsetzung aller fünf Kinder sei von den gemeinsam testierenden Eheleuten nur für den –  nicht eingetretenen – Fall erfolgt, dass beide gleichzeitig oder kurz hintereinander versterben sollten. Keinesfalls könne dem Passus zur Erbfolge der Kinder eine wechselbezügliche Bindung des längerlebenden Ehegatten für den Fall beigemessen werden, dass zwischen dem Tod der beiden Ehegatten eine längere Zeit liege.

Mit Beschluss vom 30.9.2014 (Bl. 35ff. d.A.), der Beteiligten zu 1) zugestellt am 1.10.2014,  hat das Nachlassgericht deren Erbscheinsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, der Erblasser sei an die wechselbezügliche Schlusserbeneinseinsetzung des Ehegattentestaments gebunden gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 28.10.2014 eingelegte Beschwerde, mit die Beteiligte zu 1) an ihrer Auffassung einer in dem Ehegattentestament nicht enthaltenen wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung festhält (Bl. 42ff. d.A.).

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29.10.2014 (Bl. 46ff. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Thüringer Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 63, 64 FamFG) hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Anweisung des Nachlassgerichts, einen Erbschein zu erteilen, welcher die Beteiligten zu 1), 3) und 4) auf der Grundlage des Testaments vom 7.11.2012 als Erben zu je 1/3 nach ihrem Vater ausweist.

Das Nachlassgericht hat das gemeinschaftliche Testament der Eheleute J. vom 1.12.1993 zu Unrecht dahin ausgelegt, dass es eine wechselbezügliche Schlusserbeneinsetzung nach §§ 2269 Abs.1, 2270 BGB zu Gunsten aller fünf Kinder verfügt. Vielmehr ist die für den Fall „unseres gemeinsamen Todes“ getroffene Bestimmung zur gemeinschaftlichen Erbfolge der Kinder dahin zu verstehen, dass sie nur für den Fall verfügt ist, dass die Eheleute entweder zusammen, d.h. zeitgleich oder in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang versterben, dass dem kurzzeitig überlebenden Ehegatten praktisch keine Möglichkeit mehr bleibt, ein Testament zu errichten. Weil es deshalb bereits an einer Schlusserbeneinsetzung in dem Testament fehlt, sondern dieses nur die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten bzw. für den tatsächlich nicht eingetreten Fall des gemeinsamen Versterbens die Erbeinsetzung der fünf Kinder verfügt, konnte der Erblasser 5 Monate nach dem Tod der von ihm allein beerbten Ehefrau über den in seiner Person vereinigten Ehegattennachlass frei verfügen. Die von ihm am 7.11.2012 getroffene Einsetzung nur der Beteiligten zu 1), 3) und 4) als Erben ist somit wirksam.

Das Nachlassgericht ist bei seiner erbrechtlichen Beurteilung in Bezug auf das gemeinschaftliche Testament der Eheleute J. zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Vollerben eingesetzt haben; d.h. der Überlebende das vereinigte Vermögen beider Ehegatten erhalten sollte. An diesem gemeinsamen Willen der testierenden Eheleute besteht kein Zweifel.

Auslegungsbedürftig ist das Ehegattentestament nur in seinem zweiten Teil, der sich mit dem „Fall unseres gemeinsamen Todes“ befasst. Nur für diesen Fall sollen dem Wortlaut nach die fünf gemeinsamen Kinder die Eltern beerben („unsere Erben sein“).

Der Begriff „gemeinsam“ bedeutet seinem Wortsinn nach, dass mehrere Ereignisse miteinander bzw. zusammen eintreten. Von einem in diesem strengen Wortsinn zusammen eingetretenen Tod mehrerer untereinander erbberechtigter Personen, der dazu führt, dass keiner des anderen Erbe werden kann, lässt sich daher in erbrechtlicher Hinsicht nur sprechen, wenn die betreffenden Personen im gleichen Bruchteil einer Sekunde den Tod gefunden haben. Die von den Eheleuten J. gewählte Formulierung besitzt damit – so wie der sinnverwandte Begriff des „gleichzeitigen“ Todes – zunächst einen sehr engen Anwendungsbereich (im Ergebnis ebenso: BayObLG, Beschluss v. 27.10.1986, Az.: BReG 1 Z 23/86, zitiert nach juris).

Ein solch enges Begriffsverständnis zugrunde gelegt, wird indes ein sehr seltenes Ereignis beschrieben, das praktisch kaum je vorkommt. Diese Überlegung rechtfertigt es, dem Sinngehalt einer Formulierung näher nachzugehen, die ihrem Wortlaut nach – wie hier – eine gerade und nur für einen extrem seltenen Sonderfall gewollte Regelung nahelegt (OLG Schleswig NJW-RR 2004, 368; BayObLG ZEV 2004, 200/201 und grundlegend: BGHZ 80, 246).

Der Wortlaut setzt – wie allgemein bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen – keine Grenze, weil es nach §§ 133, 2084 BGB stets um die Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers geht, der auch in den seltenen Fällen eines klaren und objektiv besehen eindeutigen Wortlauts den Vorrang vor eben diesem Wortlaut hat (BGHZ 80, 246/249; 86, 41/45f.; BayOblG FGPrax 2004, 80/81). Der Richter ist daher auch bei einer scheinbar eindeutig formulierten Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Erblasser mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als dies dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, sofern der wirkliche Wille in der Verfügung von Todes wegen einen Ausdruck gefunden hat (BGH a.a.O.). Auch Begriffen wie  „gemeinsamer“ bzw. „gleichzeitiger“ Tod oder vergleichbaren Formulierungen kann somit eine über den strengen Wortsinn hinaus reichende Bedeutung zukommen.

In Betracht kommt dies namentlich bei Fallgestaltungen, in denen von einem zusammen, d.h. zeitgleich eingetretenen („gemeinsamen“) Tod nur im weiteren Sinne die Rede sein kann, in denen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zu einem im engeren Sinne gleichzeitigen Tod der Ehegatten besteht (OLG München, Beschluss v. 24.10.2013, Az.: 31 Wx 139/13, zitiert nach juris, m.w.N.). Ausgehend von der Überlegung, dass Ehegatten bei der Abfassung ihres Testaments eher nicht in dem engen Wort- und Rechtssinn denken, sondern die Formulierung auch für ähnliche Fallgestaltungen gebraucht wissen wollen, umfassen Klauseln wie „zeitgleicher“ oder „gleichzeitiger“ Tod in einem Ehegattentestament nach einhelliger Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG München a.a.O.; BayObLG, NJW-RR 1997, 329f.; OLG Stuttgart, FamRZ 1994, 852; OLG Koblenz, Beschluss v. 22.9.2011, Az.: 10 U 410/11, zitiert nach juris) i.d.R. auch solche Fälle, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander versterben und der Längerlebende zur neuerlichen Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage ist. Versterben die Ehegatten demgegenüber – wie vorliegend – in größerer zeitlicher Abfolge, so gilt eine für den Fall „gemeinsamen“ bzw. „gleichzeitigen“ Versterbens getroffene Erbeinsetzung nur ausnahmsweise, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ein dahin gehender Wille der testierenden Eheleute festgestellt werden kann, der sich zumindest andeutungsweise in dem Testament niedergeschlagen hat (OLG München a.a.O. sowie FamRZ 2008, 921; NJW-RR 2011, 444; OLG Düsseldorf, FamRZ  2012, 249; OLG Hamm ZEV 2011, 536; BayObLG FGPrax 2004, 80/81; OLG Frankfurt, FamRZ 1998, 1393).

Der hiermit skizzierten obergerichtlichen Rechtsprechung folgend, wonach einer an das „gemeinsame“ bzw. „gleichzeitige“ Versterben beider Eheleute geknüpften Erbeinsetzung nicht grundsätzlich, sondern nur ausnahmsweise die Bedeutung einer Schlusserbfolge für alle Versterbensfälle beizumessen ist, erweist sich die Beschwerde als begründet. Denn im Entscheidungsfall fehlt es an besonderen, aus dem Testament abzuleitenden Umständen, die entgegen dem auf ein „gemeinsames Versterben“ beschränkten Wortlaut unausgesprochen voraussetzen, dass die Erbeinsetzung der Kinder auch als Schlussererbeneinsetzung nach dem längerlebenden Ehegatten verfügt ist.

Als Anhaltspunkt für eine umfassende Regelung der Vermögensnachfolge im Sinne eines „Berliner Testaments“ mit Einheitslösung (§ 2269 Abs. 1 BGB), wie sie das Nachlassgericht angenommen hat, käme nicht nur die Bezeichnung der Kinder als Schlusserben in Betracht; sondern darüber hinaus auch jede weitere Formulierung, die stillschweigend vor dem Erbanfall zugunsten der Kinder einen Erbgang zugunsten des längerlebenden Ehegatten voraussetzt, wie er bei einem gemeinsamen Versterben des Ehepaars gerade ausbleibt. Solche Formulierungen fehlen in dem hier in den Blick zu nehmenden zweiten Teil des Ehegattentestaments.

Weder sind die Kinder ausdrücklich als „Schlusserben“ bezeichnet, noch haben die Ehegatten über einen gemeinschaftlichen Nachlass verfügt, zu dessen Entstehung es bei beider gemeinsamem Versterben gar nicht käme.  Die von den  testierenden Ehegatten gewählte Formulierung lautet kurz und knapp lediglich, dass im Falle ihres gemeinsamen Todes die Kinder Erben sein sollen. Für ein seinerzeitiges Vorstellungsbild der Eheleute, hiermit bereits die Vermögensnachfolge umfassend auch schon für die Erbfolge nach dem Längerlebenden zu regeln, gibt die Formulierung nichts her. Sie beschränkt sich darauf, die mit der ersten Passage des Ehegattentestaments erfolgte gegenseitige Erbeinsetzung ohne Schlusserbenbestimmung für den Fall eines gemeinsamen (zeitnahen) Versterbens dahin zu vervollständigen, dass nur auf diesen Fall beschränkt beide Eheleute jeweils von den Kindern beerbt werden. Für ein weitergehendes Verständnis im Sinne einer bindenden Schlusserbeneinsetzung, wie es das Nachlassgericht angenommen hat, fehlt es an einer formwirksamen Andeutung eines entsprechenden Erblasserwillens.

Nach alledem führt die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Zurückweisung ihres Erbscheinsantrages zum Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts orientiert sich gemäß §§ 36 Abs.1, 40, 61 Abs. 1 und 2 GNotKG an dem Interesse der  Beteiligten zu 1), Erbin zu 1/3 und nicht nur zu 1/5 geworden zu sein. Sie legt dabei einen Reinwert des Nachlasses von 90.000 € zugrunde.

Gründe, nach § 70 Abs. 1 und 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor.

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