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Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 40/12 – Urteil vom 05.03.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 09.03.2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 17.06.2011 abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 37.000,- €, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments
Symbolfoto: Von fizkes /Shutterstock.com

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zustimmung zur Übertragung und Auflassung des Grundstücks …straße 8 in S…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam von S… Blatt 857, auf den Kläger in Anspruch. Die Beklagte erhebt widerklagend einen Zahlungsanspruch, den sie in der ersten Instanz mit 87.821,- € und im Berufungsverfahren, nach Berufungsrücknahme im Übrigen, mit 36.291,- € beziffert hat, zahlbar Zug um Zug gegen Zustimmung zur Übertragung und Auflassung des vorgenannten Grundstücks.

Die Parteien sind Geschwister und Nachkommen des am 18.06.2009 verstorbenen R… B… (im folgenden Erblasser). Dieser hatte am 29.01.1998 gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Mutter der Parteien, Frau E… B…, ein notariell beurkundetes Testament errichtet, mit dem sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen, uneingeschränkten Erben eingesetzt und als Erben des Letztlebenden ihre zum damaligen Zeitpunkt drei noch lebenden Kinder – neben den Parteien noch den am 16.05.2003 ohne Nachkommen verstorbenen K… B… – „gleichanteilig“ bestimmt hatten. In Ziff. III des Testaments wurde der Letztlebende ermächtigt, „hinsichtlich des etwa zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes von diesem Testament abweichende Regelungen zu treffen“. Die Ehefrau des Erblassers verstarb am 30.01.1998.

Mit notariellem Vertrag vom 16.04.1999 übertrug der Erblasser ein in seinem Eigentum stehendes Grundstück gelegen am R…weg in S… im Wege einer Schenkung auf die Beklagte. Gemäß Ziff. III. 3. dieses Vertrages hatte die Beklagte sich den Wert des übertragenen Grundbesitzes auf ihren späteren Erb- oder Pflichtteil anrechnen zu lassen.

Unter dem 25.10.2000 errichtete der Erblasser ein weiteres privatschriftliches Testament. In diesem traf er u.a. folgende Regelungen:

„G… T…, geb. B… hat ihr Erbe in Form eines Grundstücks im R…weg 4, S… erhalten.

Über das Haus + Grundstück soll O… B… verfügen, das in der …str. 8.

G… T…, geb. B… hat an das Grundstück mit Haus in der …str. 8 keinen weiteren Anspruch.

Um K… B…, geb. 25.03.1953, der z. Zeit sehr krank ist, nicht leer ausgehen zu lassen, möchte ich, dass er von O… B… monatlich 500,- DM (fünfhundert) als Ausgleich erhält …“

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 14.12.2010 einen Erbschein erteilt, wonach die Parteien je zur Hälfte Erben des R… B… sind.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne, ohne zu einem Ausgleich verpflichtet zu sein, von der Beklagten die Zustimmung zu Übertragung des Eigentums an dem Grundstück …str. 8 auf ihn verlangen. Dabei komme es nicht darauf an, ob er aufgrund des Testaments vom 25.10.2000 Alleinerbe nach dem verstorbenen Erblasser geworden sei oder Vermächtnisnehmer.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei den Regelungen in dem Testament vom 25.10.2000 handele es sich um eine bloße Teilungsanordnung. Mit der Zuwendung des Grundstücks an den Kläger habe der Erblasser diesen nicht bevorteilen, sondern die Geschwister vielmehr gleichstellen wollen. Eine Gleichstellung werde jedoch nur durch einen Wertausgleich herbeigeführt, da das Grundstück …straße 8 mindestens 200.000,- € wert sei, während für das auf Seiten der Beklagten auf ihr Erbe anzurechnende Grundstück R… allenfalls ein Wert von 62.000,- in Ansatz gebracht werden könne. Jedenfalls stehe ihr ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil zu.

Der erstinstanzlich weitergehende Streit der Parteien über Auskunftsansprüche der Beklagten, den Wert des sonstigen Nachlasses des Erblassers, insbesondere des Inventars des Hauses …str. 8, sowie weitergehende Zahlungsansprüche der Beklagten sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens.

Das Landgericht hat der Klage – unter Aufrechterhaltung eines entsprechenden Versäumnisurteils vom 17.06.2011 – stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Testament des Erblassers vom 25.10.2000 sei als Erbeinsetzung auszulegen, da er damit über seinen einzigen wesentlichen Vermögensgegenstand, das Grundstück in der …str., verfügt habe. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament vom 29.01.1998 nicht entgegen. Da die Grundstücke den wesentlichen abschließenden Wert des Nachlasses ausgemacht hätten, bedeute dies, dass die Ermächtigung in Ziff. III. des gemeinschaftlichen Testaments dahin gehe, die Erbeinsetzung anderweitig zu regeln. Die Bindungswirkung erstrecke sich nur auf die weitergehende Verfügung zu Ziff. II. des Testaments, die wegen des deutlich geringeren Wertes der übrigen Vermögensgegenstände im Verhältnis zu dem der Grundstücke auf eine Einsetzung von Vermächtnissen gehe.

Der mit der Widerklage geltend gemachte Zahlungsanspruch sei unbegründet. Der Wert des Nachlasses betrage nach dem beiderseitigen Parteivortrag lediglich 200.820,- €. Weitergehende Nachlassgegenstände als das Grundstück …straße im Wert von 200.000,- €, unstreitig von der Polizei an den Kläger übergebene 800,- € sowie einen Teppich im Wert von unstreitig 20,- € habe die Beklagte nicht substanziiert vorgetragen. Die Beklagte müsse sich die unstreitig erhaltenen 168 US-Dollar und den Wert des unbebauten Grundstücks im R…weg in S… anrechnen lassen. Dieser betrage nach der Bodenrichtwertauskunft vom 18.04.2011 122.000,- €; der von der Beklagten aufgrund des Gebührenbescheides angegebene Wert sei demgegenüber kein geeigneter Anhaltspunkt und weitergehender Vortrag der Beklagten fehle. Da die Beklagte allenfalls Anspruch auf Ergänzung ihrer Ansprüche an den Nachlass in Höhe des halben Wertes ihres gesetzlichen Erbteils, also allenfalls in Höhe von 50.405,- € hätte, sei ein Ergänzungsanspruch gemäß §§ 2018, 2021 BGB in Anbetracht des Wertes des Grundstücks, das sie erhalten habe, nicht erkennbar.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie tritt der landgerichtlichen Auslegung des Testaments vom 25.10.2000 als Erbeinsetzung entgegen und vertritt die Auffassung, angesichts der Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügungen in dem gemeinschaftlichen Testament komme eine Auslegung des Testaments vom 25.10.2000 nur entweder als Vorausvermächtnis oder als Teilungsanordnung in Betracht. Gehe man zutreffender Weise von einer Teilungsanordnung aus, stehe der Beklagten jedoch gegen den Kläger ein Ausgleichsanspruch in Höhe von mindestens 36.291,- €, Zug um Zug gegen Zustimmung zur Übertragung und Auflassung des Grundstücks …straße 8, zu. Der Erblasser habe durch die Verteilung der Grundstücke beide Geschwister gleichermaßen bedenken wollen, was aber aufgrund des Wertgefälles zwischen den Grundstücken gar nicht möglich und dem Erblasser offenbar auch nicht bewusst gewesen sei. Das Landgericht habe nicht beachtet, dass sich das Grundstück im R…weg im Jahr 1998 als unbebautes Grundstück bzw. Brachland mit einem Wert von 2.000,- DM dargestellt habe. Die Bodenrichtwertauskunft des Gutachterausschusses könne schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil dieser die Annahme zugrunde liege, dass die Grundstücke ortsüblich erschlossen seien; das Grundstück R… 4 habe jedoch weder über eine Kanalisation, noch eine Be- und Entwässerung oder Strom-, Gas- oder Telefonanschluss verfügt. Der Gebührenbescheid des Amtes für offene Vermögensfragen beziehe sich demgegenüber auf den konkreten Schenkungsvertrag vom 16.04.1999, so dass für das Grundstück ein Wert von 62.000,- € anzusetzen sei.

Die Beklagte beantragt zuletzt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. das Versäumnisurteil vom 10.06.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

2. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 36.291,- € Zug um Zug gegen Zustimmung zur Übertragung und Auflassung des Grundstücks …straße 8 in S…, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Potsdam von S… Blatt 857, zu zahlen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts. Er bestreitet insbesondere, dass zwischen den Grundstücken …str. 8 und R…weg 4 ein Wertgefälle bestehe; die Grundstücke seien vielmehr fast gleichwertig.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das der Sachverständige M… unter dem 07.08.2013 erstattet und im Senatstermin vom 12.02.2014 (Bl. 343 ff. d.A.) erläutert hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig; in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Das Landgericht hat – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht der Klage stattgegeben und die Widerklage, soweit darüber im Berufungsverfahren noch zu befinden ist, abgewiesen.

1. Der Kläger kann von der Beklagten die Zustimmung zur Übertragung des Alleineigentums an dem Grundstück …str. 8 nebst Auflassung verlangen, ohne der Beklagten seinerseits gemäß § 2048 BGB zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet zu sein.

Die Parteien sind je zur Hälfte Miterben des Erblassers geworden. Dem Kläger steht – dies stellt die Beklagte jedenfalls im Berufungsverfahren als solches auch nicht in Abrede – ein Anspruch auf Einräumung des Alleineigentums an dem Grundstück …straße 8 in S… nicht nur aufgrund einer durch den Erblasser getroffenen Teilungsanordnung, sondern aufgrund eines Vorausvermächtnisses im Sinne des § 2050 BGB zu.

a) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Kläger nicht aufgrund des Testaments vom 25.10.2000 Alleinerbe des Erblassers geworden.

An einer im vorgenannten Sinn zu verstehenden Verfügung von Todeswegen war der Erblasser aufgrund der Regelung in Ziff. II. des durch den Erblasser und seine am 30.01.1998 verstorbene Ehefrau am 29.01.1998 errichteten gemeinschaftlichen Testaments (§§ 2265, 2270 BGB) gehindert.

aa) Der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.01.1998 dahin, dass der Erblasser und seine Ehefrau mit der Regelung in Ziff. III. den Letztlebenden zu einer von der in Ziff. II. getroffenen Regelung abweichenden Erbeinsetzung ermächtigen wollten, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Regelung in Ziff. II., wonach sie ihre (zum damaligen Zeitpunkt noch drei) Kinder „gleichanteilig“ zu Erben des Letztlebenden einsetzten, verlöre jeden Sinn, wenn die Regelung in Ziff. III. dahin zu verstehen wäre, dass die Testierenden gleichzeitig den Letztlebenden ermächtigen wollten, eine abweichende Bestimmung der Erben vorzunehmen.

Die Auslegung des Landgerichts lässt sich nicht damit begründen, dass die Grundstücke den wesentlichen Wert des Nachlasses ausgemacht hätten. Dafür, dass dies bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments am 29.01.1998 der Fall war, fehlt es bereits an einer hinreichenden Grundlage im Sachvortrag der Parteien. Aus dem weiteren Testament des Erblassers vom 25.10.2000 ergibt sich lediglich, dass seine am 30.01.1998, d.h. einen Tag nach Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments, verstorbene Ehefrau kein (eigenes) Vermögen hinterlassen hat. Über welches Vermögen der Erblasser am 29.01.1998 verfügte und welche Vorstellungen die Eheleute B… über dessen Entwicklung hatten, haben die Parteien nicht vorgetragen. Insoweit lässt sich lediglich feststellen, dass das Grundstück …straße 8 in S… ausweislich des Grundbuchauszuges im Alleineigentum des Erblassers stand und mit einer Grundschuld in Höhe von 70.000,- DM belastet war. Dass der Erblasser Eigentümer des Grundstücks R… 4 in S… war, stand ausweislich der Angaben unter I. des Übertragungsvertrages vom 16.04.1999 am 29.01.1998 zumindest noch nicht fest; den Wert dieses Grundstücks hat der Erblasser im Übrigen noch am 14.12.1998 gegenüber dem Nachlassgericht Neukölln mit 2.000,- DM angegeben. Dem Testament vom 25.10.2000 lässt sich lediglich entnehmen, dass das Grundstück …straße 8 zu diesem Zeitpunkt das wesentliche Vermögen des Erblassers ausmachte, zu diesem Zeitpunkt allerdings auch schuldenfrei war und der Erblasser an dem aufstehenden Haus „zu ¾ fertiggestellte“ Baumaßnahmen durchgeführt hatte. Darüber hinaus ist unstreitig, dass der Erblasser bis zu seinem Tod als selbständiger Kaufmann mit Imbissbetrieben berufstätig war und sein Unternehmen erst nach dem Tod seiner Ehefrau verkleinert hat.

bb) Bei der Erbeinsetzung in Ziff. II des gemeinschaftlichen Testaments handelt es sich auch um eine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um eine den Erblasser einseitig bindende Verfügung. Mindestens für letzteres spricht bereits der Umstand, dass das Testament ausweislich der notariellen Urkunde einen Tag vor dem Ableben der Ehefrau des Erblassers im Klinikum … in P… beurkundet wurde.

b) Die in Ziff. III. des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.01.1998 getroffene Regelung, wonach der Letztlebende ermächtigt wurde, „hinsichtlich des etwa zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes von diesem Testament abweichende Regelungen zu treffen“, ist allerdings – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht lediglich als Ermächtigung des Überlebenden zur Vornahme einer Teilungsanordnung, sondern als Ermächtigung zur Vornahme einer – wenn auch auf den Grundbesitz beschränkten – anderweitigen Verfügung von Todeswegen auszulegen.

Auf eine bloße Befugnis zur Verfügung über den Grundbesitz zu Lebzeiten kann die Regelung in Ziff. III. des Testaments bereits deshalb nicht gerichtet gewesen sein, weil darin keine Abweichung von dem Testament gelegen hätte, da der Überlebende gemäß Ziff. II. 1. alleiniger, uneingeschränkter Erbe werden und die Kinder der Testierenden lediglich zu Schlusserben bestimmt sein sollten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Regelung in Ziff. III auch nicht dahin zu verstehen, dass sich die dem Erblasser eingeräumte Befugnis zur Abweichung von dem Testament auf eine Teilungsanordnung beschränkte, sondern dahin, dass er in seiner Verfügungsbefugnis über die Grundstücke von den Bindungen in Ziff. II – und damit auch von einer wertmäßig gleichanteiligen Verteilung unter den Erben – gänzlich frei sein sollte.

Das Testament vom 29.01.1998 war erkennbar von dem Willen der Testierenden getragen, den Erblasser, von dessen Überleben wohl auszugehen war, zwar in Bezug auf die Erbeinsetzung zugunsten der gemeinsamen Kinder zu binden, wobei der Schmuck der Ehefrau des Erblassers bereits mit deren Tod als Vermächtnis der Beklagten zukommen sollte, ihm jedoch in Bezug auf den in seinem Alleineigentum stehenden bzw. aufgrund einer alleinigen Erbschaft nach F… B… wohl in Aussicht stehenden Grundbesitz freie Hand zu lassen. Hätten die Eheleute dem Erblasser – etwa zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Aufteilung des oder der Grundstücke zwischen den damals noch lebenden drei Kindern nach dem Tod des Überlebenden – lediglich die Möglichkeit eröffnen wollen, eine Teilungsanordnung mit der Folge von Ausgleichspflichten nach Maßgabe der gleichanteiligen Erbeinsetzung treffen wollen, hätte es zumindest nahegelegen, eine solche Regelung in einem notariell beurkundeten Testament klarer zu fassen. Dies wäre – wie die Regelung in dem der Entscheidung des BGH vom 23.09.1981 (Az.: IV a ZR 185/80) zugrunde liegenden Fall zeigt – unschwer möglich gewesen, etwa durch die Formulierung einer Berechtigung des Überlebenden „die Verteilung unter den Kindern zu bestimmen“. Ging es den Eheleuten oder auch nur dem Erblasser darum, den Grundbesitz in der Familie zu halten, was insbesondere für das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück …straße 8 naheliegt, das – der bis dahin in Westberlin lebende – Erblasser 1990 geerbt und seitdem (und damit noch zu Lebzeiten seiner Ehefrau) – dies ergibt sich aus den Angaben des Sachverständigen M… auf S. 14 des Gutachtens vom 07.08.2013 einerseits und dem Testament des Erblassers vom 25.10.2000 andererseits – in erheblichem Maße saniert hatte, konnten sie dieses Ziel aber nur dann sicher erreichen, wenn dem Erblasser zumindest die Möglichkeit offenstand, auch eine auch wertmäßig von der gleichanteiligen Erbquote gemäß Ziff. II abweichende Regelung zu treffen. Wäre der Erblasser lediglich zu einer Teilungsanordnung befugt gewesen, hätte nämlich die Gefahr bestanden, dass derjenige, der nach dem Tod des Erblassers das Eigentums an dem Grundstück …straße 8 erhalten würde, dieses veräußern müsste, um die Ausgleichsansprüche der anderen Erben zu erfüllen. Dafür, dass eines der drei Geschwister, insbesondere eine der Parteien, über Einkommen oder Vermögen verfügte, das unschwer für eine solche Auszahlung ausgereicht hätte, ist nichts ersichtlich.

c) War der Erblasser danach in Bezug auf die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke durch das gemeinschaftliche Testament vom 29.01.1998 nicht gebunden, kann das Testament vom 25.10.2000 – insoweit ist der Beklagten im Ansatz durchaus zu folgen – nur entweder insgesamt als Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 BGB oder jedenfalls, soweit es das Grundstück …straße 8 betrifft, als Vorausvermächtnis im Sinne des § 2150 BGB zugunsten des Klägers ausgelegt werden. Die besseren Gründe sprechen für Letzteres:

Der Erblasser wollte den Kläger mit der Anordnung, das Haus und Grundstück …straße 8 solle diesem zustehen, gegenüber seinen anderen Erben – dies waren aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.01.1998 aus Sicht des Erblassers zum Zeitpunkt der Verfügung vom 25.10.2000 außer dem Kläger nicht nur die Beklagte, sondern auch der im Jahr 2003 verstorbene Bruder der Parteien, K… B… – erkennbar wertmäßig begünstigen. Dafür, dass dem Erblasser bewusst war, dass das am 25.10.2000 mit einem zu ¾ fertig gestellten Wohnhaus bebaute Grundstück …straße 8 einen höheren Wert hatte als das der Beklagte mit Vertrag vom 16.04.1999 schenkweise übertragene Grundstück R…weg 4, spricht insbesondere, dass der Erblasser nur dem Kläger und nicht ebenso der Beklagten zur Auflage machte, K… B… als Ausgleich 500,- DM monatlich zu zahlen, um diesen nicht leer ausgehen zu lassen. Dass diese Verpflichtung des Klägers vor Eintritt des Erbfalls nach dem Erblasser weggefallen ist, da K… B… bereits im Jahr 2003 verstorben ist, spielt für die Auslegung des Testaments vom 25.10.2000 keine Rolle. In der Anordnung, die Beklagte habe „an das Grundstück mit Haus in der …straße 8 keinen weiteren Anspruch“ einerseits und der Auflage zugunsten K… B… andererseits kommt auch zum Ausdruck, dass der Erblasser dem Kläger den mit der Zuwendung des Grundstücks …straße 8 verbundenen Mehrwert ohne Ausgleichzahlung im Hinblick auf die Erbanteile seiner Kinder zukommen lassen wollte. Schließlich spricht gegen den Willen des Erblassers, eine bloße Teilungsanordnung mit der Konsequenz einer Ausgleichpflicht für den Kläger treffen, der Umstand, dass dem an 25.10.2000 immerhin bereits 72 Jahre alten Erblasser ausweislich seiner beschreibenden Darstellung seiner Vermögensverhältnisse bewusst war, dass er außer dem Grundstück …straße 8 kein wesentliches weiteres Vermögen hinterlassen würde. Dies hätte aber bedeutet, dass der Kläger einen Ausgleichsbetrag zugunsten der anderen Erben für den Mehrwert des Grundstücks …straße 8 nur entweder aus seinem persönlichen Vermögen oder durch Verkauf des Grundstücks hätte aufbringen können. Dagegen, dass der Erblasser dies wollte, spricht jedoch die ausdrückliche Anordnung, dass die Beklagte in Bezug auf das Grundstück …straße 8 „keinen weiteren Anspruch“ haben und K… B… vom Kläger einen monatlichen Betrag von 500,- DM erhalten sollte.

2. Ein Zahlungsanspruch steht der Beklagten gegen den Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Zusatz- oder Restpflichtteilsanspruchs gemäß § 2305 BGB oder § 2306 BGB (in der hier anwendbaren, bis zum 01.01.2010 geltenden Gesetzesfassung) zu.

Unabhängig von allen weiteren Fragen, ist Voraussetzung für die Ansprüche nach beiden vorgenannten Vorschriften, dass der Beklagten ein Erbteil hinterlassen worden sein müsste, der geringer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist. Dies kann jedoch nicht festgestellt werden.

Für die Berechnung der aus § 2305 BGB bzw. § 2306 BGB folgenden Ansprüche ist gemäß § 2311 BGB der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde zu legen, wobei der Wert des zugunsten des Klägers erfolgten, auf Übertragung des Grundstücks …straße 8 gerichteten Vermächtnisses, zum Aktivnachlass zählt. Ebenso ist allerdings gemäß § 2315 BGB für die Berechnung der Wert des der Beklagten aufgrund des Vertrages vom 16.04.1999 übertragenen Grundstücks R… 4 zu berücksichtigen, da dies gemäß Ziff. II. 3. des Vertrages auf den späteren Erb- oder Pflichtteil der Beklagten anzurechnen sein sollte; dieses ist jedoch gemäß § 2315 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung, hier zum Stichtag der Eintragung der Beklagten als Eigentümerin ins Grundbuch am 15.12.1999, in Ansatz zu bringen.

Auf der Grundlage der durch den Sachverständigen M… mit Gutachten vom 07.08.2013 festgestellten Verkehrswerte des Grundstücks …straße 8 zum Stichtag 18.06.2009 in Höhe von 193.000,- € und des Grundstücks R…weg 4 zum Stichtag 15.12.1999 in Höhe von 132.000,- € hat die Beklagte mit der auf den auf ihren Erbteil anzurechnenden Übertragung des Eigentums an dem Grundstück R… 4 mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhalten.

Der Senat ist aufgrund der nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen in dem schriftlichen Gutachten vom 07.08.213 sowie deren Erläuterung im Termin am 12.02.2014 von der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu den Verkehrswerten der Grundstücke zu den jeweiligen Stichtagen überzeugt. Der Sachverständige M… hat insbesondere die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 15.11.2013 geäußerten Bedenken im Rahmen seiner mündlichen Erläuterung sämtlich überzeugend ausräumen können. So hat er nachvollziehbar erklärt, dass der Unterschied in den verwendeten Begrifflichkeiten „Baulandreserve“ für das Grundstück R…weg 4 und „Wohnbauland“ für das Grundstück …straße 8 lediglich darauf beruhe, dass das Grundstück R…weg 4 zum maßgeblichen Stichtag noch unbebaut gewesen sei, beide Grundstücke jedoch für die Bodenwertermittlung gleichermaßen als baureifes Land zu bewerten seien. Ebenso überzeugend hat er ausgeführt, dass es auf die von der Beklagten aufgeworfene Problematik der zum Stichtag noch nicht erfolgten Erschließung des Grundstücks R…weg 4 nicht ankomme, da die Erschließung mit den Bodenrichtwerten immer abgegolten sei. Schließlich hat der Sachverständige anhand einer Grafik nachvollziehbar erläutert, dass sich der Unterschied zwischen dem Bodenwert von 159,- €/m² für den R…weg 4 im Jahr 1999 und 98,- €/m² für die …straße 8 im Jahr 2009 aus dem erheblichen Wertverfall in Bezug auf die Bodenrichtwerte in S… im Zeitraum von 1996 bis 2009 erkläre.

Danach ergibt sich auf der Grundlage des Vortrages der Parteien im Berufungsverfahren folgende Berechnung:

…str. 8 193.000,- €

R…weg 4 132.000,- €

abzgl. Nachlassverbindlichkeiten   – 2.558,- €

Nachlasswert 322.442,- €

gesetzlicher Erbteil Beklagte (½) 161.222,- €

½ des ges. Erbteils 80.611,- €

Mit dem auf ihren Erbteil anzurechnenden Wert des Grundstücks R…weg 4 von 132.000,- € hat die Beklagte mithin mehr und nicht weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhalten.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 45 Abs. 1 S. 3, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO wie folgt festgesetzt:

bis zum 18.06.2012: 87.821,- €

ab dem 18.06.2012: 36.291,- €.

Da der Anspruch des Klägers auf Übertragung des Alleineigentums an dem Grundstück als solcher zwischen den Parteien nicht streitig ist, sondern allein der Gegenanspruch der Beklagten, ist der Streitwert gemäß § 3 ZPO nach dem Wert dieses Anspruchs zu bemessen.

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