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Bekanntmachungen bei Schlusserbeneinsetzung

KG Berlin – Az.: 19 W 42/19 – Beschluss vom 12.04.2019

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 12.02.2019 dahin abgeändert, dass Frau A… F… und Frau E… B… jeweils eine Kopie des Testaments vom 30.03.2006 (UR-Nr. 70/2006, Notar J… S…, Berlin) übersandt werden darf, wobei §§ 2 und 3 der Urkunde über die Schlusserbeneinsetzung in den Kopien durch Schwärzung oder Auslassung unkenntlich zu machen sind. An den in dem Testament genannten Schlusserben darf keine Abschrift der Urkunde übersandt werden.

Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Wertstufe bis 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Erblasser und die Antragstellerin haben sich durch notarielles Ehegattentestament vom 30.03.2006 (UR-Nr. 70/2006, Notar J… S…, Berlin) gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. In §§ 2 und 3 der Urkunde haben sie eine Person zum Schlusserben bestimmt und eine Regelung zur Ersatzschlusserbschaft getroffen. In § 4 des Testaments haben sie festgelegt, dass nur die gegenseitige Erbeinsetzung bindend ist und die in dem Testament enthaltenen weiteren Verfügungen für den längerlebenden Ehegatten frei widerruflich sein sollen. Zu den weiteren Einzelheiten des Inhalts des Testaments wird auf die Urkunde Bezug genommen (beglaubigte Abschrift, Beiakte des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg 63 IV 144/18, Bl. 3 ff.).

Das Nachlassgericht hat durch Beschluss vom 12.02.2019 gegenüber der Antragstellerin angekündigt, eine vollständige Kopie des Testaments den Geschwistern des Erblassers und dem Schlusserben zukommen zu lassen. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschlussformel und den rechtlichen Erwägungen des Nachlassgerichts wird auf die Entscheidung verwiesen.

Die Antragstellerin hat gegen den ihr am 18.02.2019 zugestellten Beschluss durch Schriftsatz vom 18.02.2019, beim Nachlassgericht eingegangen am 20.02.2019, Beschwerde eingelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sie mit dem Rechtsmittel erreichen will, dass dem in dem Testament vom 30.03.2006 genannten Schlusserben keine Abschrift des Dokuments übersandt wird und dass die Geschwister des Erblassers nur Kopien des Testaments erhalten, in denen die Schlusserbeneinsetzung geschwärzt oder ausgelassen ist. In diesem Umfang hat die Beschwerde Erfolg.

1.

Die in der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG erhobene Beschwerde gegen den Beschluss vom 12.02.2019 ist zulässig. Ein Rechtsmittel gegen eine Zwischenentscheidung im Nachlassverfahren ist ausnahmsweise statthaft, wenn schon diese Entscheidung in die Rechte des davon Betroffenen in einem erheblichen Maße eingreift. Das ist hier im Hinblick auf das Geheimhaltungsinteresse an dem gemeinschaftlichen Testament der Antragstellerin für die angegriffene Entscheidung der Fall (vgl. z. B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.04.2010 – 4 W 37/10 – juris, Rn. 1 m.w.N.).

2.

Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Die schriftliche Bekanntgabe einer letztwilligen Verfügung ist in § 348 Abs. 3 FamFG geregelt. Obwohl nach dem Wortlaut der Vorschrift das Nachlassgericht nur verpflichtet ist, die Beteiligten von dem sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen in Kenntnis zu setzen, ist anerkannt, dass gesetzlichen Erben bei jeder Beeinträchtigung ihrer erbrechtlichen Stellung grundsätzlich die gesamte Verfügung von Todes wegen bekanntgegeben werden muss, da sie nur dann beurteilen können, ob der Erblasser möglicherweise nicht testierfähig war und ob ein Anfechtungsgrund gegeben ist (MüKoFamFG/Muscheler, 3. Aufl. 2019, FamFG § 348 Rn. 33, BeckOK FamFG/Schlögel, 30. Ed. 01.04.2019, FamFG § 348 Rn. 16 jeweils m.w.N., vgl. auch KG, Beschluss vom 19.12.1978 – 1 W 3085/78 –, OLGZ 1979, 269, 271 ff. zum alten Recht). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht allerdings, soweit der Beteiligte von einem bestimmten Inhalt der Verfügung nicht betroffen sein kann. So ist beispielsweise anerkannt, dass einem Vermächtnisnehmer nicht die Namen anderer Vermächtnisnehmer mitgeteilt werden müssen (Schlögel a.a.O. m.w.N.). Macht bei einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament der überlebende Ehegatte – wie hier – ein Geheimhaltungsinteresse an Teilen des Testaments geltend, so ist deshalb von gerichtlicher Seite zu prüfen, ob der Beteiligte, dem die Verfügung bekannt gegeben werden soll, von dem fraglichen Testamentsteil in seinen Rechten im weiten Sinne betroffen sein könnte. Das ist vorliegend für die Geschwister des Erblassers hinsichtlich der in § 2 des Testaments verfügten und für den längerlebenden Ehegatten frei widerruflichen Schlusserbeneinsetzung nicht der Fall. Denn diese Beteiligten werden nur durch die Einsetzung der Antragstellerin als Alleinerbin, nicht aber durch die Anordnung zur Schlusserbschaft in ihren Rechten beeinträchtigt. Da auch nicht ansatzweise erkennbar ist, dass die Regelung in § 2 des Testaments die Wirksamkeit des Testaments im Übrigen berühren könnte, muss das grundsätzlich bestehende Interesse der Geschwister des Erblassers, von dem vollständigen Inhalt des Testaments Kenntnis zu erlangen, ausnahmsweise hinter dem Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin zurückstehen.

b) Dem Schlusserben selbst ist das Testament nicht bekannt zu geben. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Zweibrücken (Beschluss vom 27.04.2010 – 4 W 37/10 – juris) an, wonach ein in einem Ehegattentestament eingesetzter Schlusserbe, dessen Schlusserbenstellung jederzeit von dem längerlebenden Ehegatten widerrufen werden kann, nicht als Beteiligter im Sinne des § 348 Abs. 3 FamFG anzusehen ist. Das Oberlandesgericht weist zu Recht darauf hin, dass bei der Entscheidung, wer vom Inhalt der letztwilligen Verfügung zu benachrichtigen ist, auf den Sinn und Zweck der Rechtsvorschrift abzustellen ist, der darin besteht, Personen, deren Rechtsstellung durch die vom Erblasser in der Verfügung von Todes wegen getroffenen Bestimmungen unmittelbar beeinflusst wird, von dem sie betreffenden Inhalt Kenntnis zu geben, um sie in den Stand zu versetzen, das zur Wahrnehmung ihrer Interessen Zweckdienliche zu veranlassen (OLG Zweibrücken a.a.O. Rn. 2). Kann der überlebende Ehegatte die Schlusserbeneinsetzung jederzeit widerrufen, fehlt es an einer unmittelbaren Wirkung auf die Rechtsstellung der begünstigten Person in diesem Sinn.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Es entspricht der Billigkeit von der Erhebung gerichtlicher Kosten abzusehen.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 36 Abs. 2 GNotKG.

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