Skip to content

Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments

Familiärer Zwist führt zur Änderung des Testaments

In dem vorliegenden Fall vor dem Amtsgericht Bamberg ging es um die Frage, wer Erbe des im Jahr 2018 verstorbenen L. Ro. J. sein soll. Herr J. war verheiratet mit L. Ch. Die Eheleute hatten 1999 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem sie ihren gemeinsamen Sohn R. L. zum Alleinerben einsetzten. Allerdings enthielt das Testament die Klausel, dass es bei „familiären Zuwiderhandlungen“ des Sohnes aufgehoben werden könne.

Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2013 entwickelte sich das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zunehmend schlechter. Der Sohn besuchte den Vater, der nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim lebte, kaum noch. Selbst zu besonderen Anlässen wie dem 90. Geburtstag nahm der Sohn keinen Kontakt auf. Der Vater litt darunter und äußerte gegenüber Bekannten den Wunsch, seinen Sohn wiederzusehen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 57 VI 1885/18  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das gemeinschaftliche Testament eines Ehepaares kann durch schwere familiäre Verfehlungen eines eingesetzten Erben seine Bindungswirkung verlieren.

  • Gemeinschaftliches Testament sah Sohn als Erben vor
  • Klausel erlaubte Änderung bei „familiären Zuwiderhandlungen“
  • Nach Tod der Mutter brach Sohn Kontakt zum Vater ab
  • Vater änderte Testament und enterbte Sohn
  • Gericht sah schwere familiäre Verfehlung und bestätigte neue Regelung
  • Zeigt: Bindungswirkung kann bei schweren Verfehlungen entfallen
  • Vater durfte Testament trotz ursprünglicher Bindung ändern
  • Enterbung des Sohnes aufgrund Kontaktabbruchs wirksam

Kontaktabbruch des Sohnes trotz Leidens des Vaters

Angesichts dieser Entfremdung änderte der Erblasser 2014 das Testament und setzte statt des Sohnes seine Lebensgefährtin G. K., mit der er schon seit Jahren liiert war, als Miterbin ein. Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2018 beantragten sowohl der Sohn als auch die Lebensgefährtin einen Erbschein.

Das Gericht kommt nach Prüfung aller Umstände zu dem Schluss, dass das Verhalten des Sohnes nach dem Tod der Mutter eine „familiäre Zuwiderhandlung“ darstellt, die die Bindungswirkung des ursprünglichen Testaments aufhebt. Der Sohn hätte die Chance nutzen können, nach dem Tod der Mutter das Verhältnis zum Vater wieder zu verbessern. Stattdessen brach er den Kontakt vollständig ab. Angesichts der offenkundigen Trauer und Sehnsucht des Vaters nach Versöhnung wertet das Gericht dieses Verhalten als schwere Belastung der familiären Bindung.

Wirksame Testamentänderung durch Erblasser

Da der Erblasser zum Zeitpunkt der neuen Testamentserrichtung 2014 noch testierfähig war, ist dieses wirksam. Das Gericht sieht daher die Lebensgefährtin als Miterbin an und weist den Erbscheinsantrag des Sohnes zurück. Es stellt klar, dass es nicht darauf ankommt, was die verstorbene Ehefrau gewollt hätte – die Ehegatten hatten sich 1999 ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, das Testament bei Zerwürfnis zu ändern.

Schwere familiäre Verfehlung rechtfertigt Enterbung

Das Urteil zeigt, dass eine Enterbung klare Voraussetzungen braucht. Ein bloßes Zerwürfnis oder emotionale Entfremdung genügen nicht. Hier lag mit dem vollständigen Kontaktabbruch trotz des Leidens des Vaters jedoch eine schwere Verfehlung vor, die den Ausschluss aus dem Erbe rechtfertigt. Das Gericht musste abwägen zwischen dem Schutz des ursprünglichen Testaments und der Berücksichtigung schwerwiegender familiärer Zwistigkeiten. Im Ergebnis stellt es auf die im Testament selbst eingeräumte Klausel zur Aufhebung ab und erkennt die Lebensgefährtin als Miterbin an.

Gemeinschaftliches Testament – kurz erklärt


Ein gemeinschaftliches Testament ist ein Testament, das von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam erstellt wird. Es ermöglicht ihnen, ihre Vermögensnachfolge nach dem Tod eines Partners gemeinsam zu regeln. Ein gemeinschaftliches Testament bietet mehrere Vorteile:

  • Wechselseitige Absicherung: Durch das gemeinschaftliche Testament setzen sich die Partner gegenseitig als Alleinerben ein. Dadurch wird sichergestellt, dass der überlebende Partner das gesamte Vermögen erbt und abgesichert ist.
  • Enterbung der Kinder: Im gemeinschaftlichen Testament können die Partner bestimmen, dass ihre Kinder zunächst enterbt werden. Dadurch wird vermieden, dass die Kinder sofort erben und der überlebende Partner möglicherweise finanziell benachteiligt wird.
  • Flexibilität: Das gemeinschaftliche Testament kann in der Regel jederzeit widerrufen oder geändert werden, solange beide Partner noch leben. Dies ermöglicht es den Partnern, ihre Vermögensnachfolgepläne bei Bedarf anzupassen.

Ein gemeinschaftliches Testament kann in verschiedenen Formen erstellt werden:

  • Eigenhändiges Testament: Beide Partner können ein eigenhändiges Testament erstellen, indem sie es eigenhändig schreiben, unterschreiben und datieren. Es ist wichtig, dass beide Partner das Testament gemeinsam erstellen und ihre Absicht klar zum Ausdruck bringen.
  • Notarielles Testament: Die Partner können auch ein gemeinschaftliches Testament bei einem Notar erstellen lassen 1. Der Notar beurkundet das Testament und bewahrt eine Kopie auf. Dies stellt sicher, dass das Testament formell korrekt ist und im Todesfall leicht nachgewiesen werden kann.

Es ist wichtig zu beachten, dass das gemeinschaftliche Testament nur gültig ist, wenn beide Partner es gemeinsam erstellt haben und ihren Willen klar zum Ausdruck bringen. Es ist ratsam, sich bei der Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments von einem Anwalt oder Notar beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

Ein gemeinschaftliches Testament kann jederzeit von beiden Partnern gemeinsam widerrufen oder geändert werden 2, solange beide noch leben 13. Der Widerruf kann entweder durch Vernichtung des Testaments oder durch die Erstellung eines neuen Testaments erfolgen.

Es ist auch möglich, dass nur einer der Partner das Testament widerruft. In diesem Fall muss der Widerruf jedoch notariell beurkundet werden und dem anderen Partner mitgeteilt werden.

Es ist ratsam, im Falle einer Änderung oder eines Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass alle erforderlichen Schritte korrekt durchgeführt werden.

Ein gemeinschaftliches Testament ermöglicht es Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern, ihre Vermögensnachfolge gemeinsam zu regeln und sich gegenseitig abzusichern. Es bietet Vorteile wie wechselseitige Absicherung und Flexibilität bei der Änderung der Vermögensnachfolgepläne. Es ist wichtig, das Testament korrekt zu erstellen und bei Bedarf rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind.

Relevante Rechtsbereiche sind unter anderem:

  • [Erbrecht]: In diesem Fall geht es um erbrechtliche Fragen bzgl. der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments und der Möglichkeit der Enterbung.
  • [Familienrecht]: Der familiäre Konflikt zwischen Vater und Sohn ist relevant für die erbrechtliche Beurteilung der „familiären Zuwiderhandlung“.
  • [Zivilprozessrecht]: Für das Verfahren zur Klärung der Erbfolge, u.a. Zeugenbefragung, sind zivilprozessuale Normen anwendbar.
  • [Testierfähigkeit]: Die Frage der Testierfähigkeit des Erblassers beim neuen Testament ist für dessen Wirksamkeit relevant.


Das vorliegende Urteil

AG Bamberg – Az.: 57 VI 1885/18 – Beschluss vom 19.07.2019

1. Die zur Begründung des Antrags der Beteiligten K. vom 02.04.2019 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

2. Der Erbscheinsantrag vom 12.04.2019 des Beteiligten Ha. R. L. wird zurückgewiesen.

3. Die sofortige Wirksamkeit von Ziffer 1 dieses Beschlusses wird ausgesetzt.

Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.

4. Die Beteiligten R. L. und G. K. tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Aufwendungen tragen die Beteiligten jeweils selbst.

5. Der Nachlasswert wird auf 222.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Am …2018 verstarb L. Ro. J., geboren am …, letzte Anschrift: …, B.

Der Verstorbene war deutscher Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort.

Er hatte keine außerhalb einer Ehe geborenen Kinder und niemanden für ehelich erklärt oder als Kind angenommen.

Der Verstorbene war verheiratet in einziger Ehe mit L. Ch., geb. …, geboren am … verstorben am …2013, letzte Anschrift …, Gu., Az.: … AG Bamberg.

Aus der Ehe ging hervor:

L. Ro., geboren am …, H.

An Testamenten liegen vor:

aus …13 bezüglich des 2. Sterbefalls entnommenes eigenhändiges gemeinschaftliches Testament der Eheleute L. Ro. J. und L. Ch. vom 18.08.1999. In diesem Testament setzten die beiden Ehegatten den gemeinsamen Sohn R. L. zum Alleinerben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten ein. Es enthält die Klausel: „Auch im Falle, dass es mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte, sind wir berechtigt das Testament zu annulieren.

notarielles Testament vom 07.01.2014 beurkundet durch Notar Dr. R. G. Bamberg, URNr. R …/2014

In diesem Testament wurden die Beteiligten K. und L. je zur Hälfte als Erben eingesetzt.

Mit Antrag vom 02.04.2019 beantragte die Beteiligte K. die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von

L. Ha. R.,

geboren am … H.

allein.

Am 12.04.2019 beantragte der Beteiligte L. Ha. R. … die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von

L. Ha. R.,

geboren am … H.

allein.

Die Beteiligte K. Ge. A. begründet dieses Erbrecht wie folgt: Die Erbfolge richte sich nach dem notariellen Testament vom 07.01.2014. Der Erblasser habe das gemeinschaftliche Testament vom 18.08.1999 abändern dürfen, weil es von Seiten des Beteiligten Ha. R. L. zu familiären Verfehlungen gekommen sei. Der Sohn habe den Vater in den letzten zwei Jahren vor Errichtung des Testaments von 2014 nur viermal besucht und sich ansonsten nicht um ihn gekümmert. Der Erblasser habe im Jahr 2008 einen Schlaganfall erlitten, habe unter Betreuung gestanden und sei zuletzt im … Heim in B. untergebracht gewesen. Der Sohn habe den Vater weder zum 90. Geburtstag besucht, noch zu Weihnachten oder anderen Feiertagen. Dies sei auch nach dem Tod der Mutter im Jahr 2013 so gewesen.

Der Beteiligte L. Ha. R. bestreitet dieses Erbrecht mit der Begründung, dass das gemeinschaftliche Testament vom 18.08.1999 für den Erblasser bindend gewesen sei und seine. Ehefrau nicht einverstanden gewesen wäre, dass nach Ihrem Tod die Beteiligte K. Miterbin werde, weil diese die Ehe zwischen den Eheleuten L. gestört habe. Der Sohn habe aufgrund der Differenzen zwischen den Eheleuten Partei für die Mutter ergriffen und sei täglich mit der Mutter in Kontakt gewesen.

Der Erblasser sei bei der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen, weil er einen schweren Schlaganfall verbunden mit einer Himschädigung erlitten hatte.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die Schriftsätze von Rechtsanwalt K. vom 09.01.2019 und 18.02.2016 und von Rechtsanwalt K. vom 22.01.2019 verwiesen.

Das Gericht hat die Betreuungsakte für den Erblasser … und die Nachlassakte der Ehefrau des Erblassers … beigezogen. Hier wird insbesonder auf das Anhörungsprotokoll vom 04.12.2013 verwiesen.

Es hat die Zeugen P., P., O., Mü. Mo. und D., S., K. H. vernommen. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 25.06.2019 verwiesen.

II.

Die Erbfolge richtet sich nach dem Testament vom 07.01.2014. Die Bindungswirkung das gemeinschaftlichen Testaments vom 18.08.1999 gemäß § 2271 Abs. 2 BGB bestand zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mehr.

1. Das Testament vom 18.08.1999 wurde formwirksam gemäß § 2267 BGB errichtet. Es wurde vom Erblasser eigenhändig geschrieben und von seiner Ehefrau unterschrieben.

Die Klausel, dass das Testament bei „familiären Zuwiderhandlungen“ des Sohnes annuliert werden dürfe, ist auslegungsbedürftig. Sie ist so zu verstehen, dass bei einem ernsthaften Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt das Testament geändert werden dürfe.

2. Das Gericht sieht zumindest in dem Verhalten des Beteiligten R. L. nach dem Tod der Mutter am 19.05.20113 diese Klausel als erfüllt an.

Dies konnte das Gericht zwar nicht aus der Aussage der zahlreich vernommenen Zeugen, mit Ausnahme der Zeugin H. K. entnehmen. Die Zeugen außer Frau K. wussten wenig aus eigener Anschauung darüber, wie sich der Beteiligte R. L. gegenüber dem Erblasser verhalten hat.

Die frühere Betreuerin des Erblassers P. sagte aus, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sei nicht zerrüttet gewesen. Sie wisse nicht, ob der Sohn den Vater im Heim besucht habe. Der Sohn sei auf den Vater „sauer“ gewesen, weil er wegen Frau K. die Mutter verlassen habe. Der Sohn habe seine Mutter täglich besucht. Der Erblasser habe sich gewünscht den Sohn zu sehen. Sie habe aber keinen Kontakt zu dem Sohn aufgenommen.

Die Zeugen Mü., früherer Heimleiter des Altenheims und O., Pflegedienstleiter im Altenheim und die Zeugen W. und D. Mo., Bekannte des Erblassers wussten nichts über das Vater-Sohn-Verhältnis auszusagen.

Der Zeugen P. ein weiter Verwandter des Erblassers gab an, dass dem Erblasser bei Fragen nach dem Sohn die Tränen in die Augen stiegen. Deswegen habe er das Thema nicht mehr angesprochen. Bei seinen Besuchen beim Erblasser, auch am 90. Geburtstag, sei der Sohn nicht anwesend gewesen.

Die Zeugin S. die den Erblasser über die Beteiligte K. und deren Tochter kennengelernt hatte, gab an, sie kenne den Sohn nicht. Der Erblasser habe zu ihr gesagt, das Verhältnis zum Sohn sei schlecht, er habe ihn noch nicht besucht.

Die Zeugin H. K. Tochter der Beteiligten K. sagte aus, dass sich der Erblasser den Besuch seines Sohnes sehr gewünscht habe. Zwar sei ihre Mutter täglich bei dem Erblasser im Pflegeheim gewesen, man hätte es aber so machen können, dass ihre Mutter nicht da ist, wenn der Sohn kommt. Sie habe keinen Kontakt zum Sohn aufgenommen, weil der Sohn keinen Kontakt aufgenommen habe.

Zur Beziehung des Erblassers mit ihrer Mutter sagte die Zeugin aus, der Erblasser habe zu Hause noch gewohnt und ein Zimmer gehabt, habe seiner Frau das Haushaltsgeld gegeben, geputzt und dafür gesorgt, „dass alles läuft“. Er sei aber mit ihrer Mutter in Urlaub gefahren. Erst nach dem Schlaganfall habe sich das geändert. Der Erblasser lebte danach im Altenheim.

Zudem klangen im Verfahren noch Gesichtspunkte an, dass der Beteiligte R. L. einfach strukturiert ist. Deshalb hielt die Rechtspflegerin nach der Aufnahme des Erbscheinsantrags in einem Vermerk fest, dass er diverse Angaben zu Verwandtschaftsverhältnissen machen konnte und auch die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung zu verstehen schien. Dazu erklärte Rechtsanwalt K., der mit dem Beteiligten verwandt ist, er stehe nicht unter Betreuung und komme im Alltag zurecht. Die Zeugin K. gab an, dass der Beteiligte R. L. den Führerschein habe und Auto fahre.

Das Gericht ist der Ansicht, dass die Reaktion des Sohnes auf die Liebesbeziehung, die der Erblasser zur Beteiligten K. aufgenommen hatte, für sich genommen, noch keine familiäre Verfehlung darstellt. Es ist bei der geschilderten Sachlage wie die Beziehung zwischen dem Erblasser und der Ehefrau gelebt wurde, gut nachvollziehbar, dass sich der Sohn auf die Seite seiner Mutter stellte, die, wie auch Rechtsanwalt K. angab, unter der Beziehung des Erblassers zur Beteiligten K. sehr stark litt.

Allerdings nahm der Beteiligte R. L. auch nach dem Tod der Mutter im Mai 2013 keinen Kontakt mehr zum Erblaser auf. Dies hätte bei Würdigung der Gesamtsituation von dem Beteiligten R. L. erwartet werden können. Zwar ist hier zu berücksichtigen, dass keine der Personen, die sich um den Erblasser kümmerten, auf die Idee gekommen ist, dem Erblasser seinen Herzenswunsch zu erfüllen und Kontakt mit dem Sohn R. aufzunehmen. Dennoch wäre der Kontaktaufnahme nach dem Tod der Mutter nichts im Wege gestanden.

Der Beteiligte R. L. wusste seit der Anhörung im Nachlassverfahren nach seiner Mutter am 04.12.2013, dass sein Vater davon ausging, dass das Verhältnis zerrüttet ist. Bei der damaligen Anhörung schilderte der Erblaser, der Sohn habe ihn in den letzten 2 Jahren nur viermal besucht. Das Verhältnis sei 1999 noch gut gewesen, jetzt nicht mehr. Auch die Formulierung der „familiären Zuwiderhandlung“ wurde im Beisein des Sohnes erörtert. Es lag in seiner Hand, das Verhältnis zu verbessern, das Gespräch mit dem Erblasser zu suchen, eine Änderung der Einstellung des Erblassers zu bewirken. Trotzdem entschied sich der Sohn dafür, den Kontakt zum Erblasser nicht mehr aufzunehmen und auch den 90 Geburtstag des Erblassers am 27.12.2014 ohne ein Zeichen der Verbundenheit verstreichen zu lassen. Für das Gericht ist des zwar aufgrund der Vorgeschichte eine verständliche Reaktion. Der Beteiligte R. L. muss dann aber auch die Konsequenzen seines Verhaltens tragen. Dass er hierzu intellektuell in der Lage war, entnimmt das Gericht den Angaben, dass der Beteiligte R. L. nicht unter Betreuung steht und seinen Alltag normal regeln kann.

3. Das Testament vom 07.01.2014 wurde wirksam errichtet. Der Erblasser war zum Errichtungszeitpunkt testierfähig. Das Gericht sieht es nicht für erforderlich an, insoweit noch weitere Ermittlungen anzustellen. Die erkennende Richterin hat noch gute Erinnerung an die Anhörung des Erblassers im Nachlassverfahren nach der Ehefrau am 04.12.2013. Der Erblasser litt zwar unter Sprachstörungen und war schwer zu verstehen. Es war aber, wie sich auch aus dem Protokoll über die Anhörung ergibt, nicht etwa so, dass ihm alle Antworten vorgesagt wurden und er nur mit ja oder nein antwortete. Er sprach vielmehr von sich aus und nur um Missverständnisse auszuschließen, wurde von mir die Antwort wiederholt. In einem Fall wurde das, was ich verstanden hatte auch berichtigt (ich hatte verstanden, der Sohn sei im letzten Jahr nur vier Mal da gewesen, ich wurde verbessert auch die letzten zwei Jahre). Auch der Notar hatte bei der Errichtung des Testaments keine Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers.

4. Keine Rolle bei der Entscheidung spielt, dass es nicht im Sinne der Ehefrau gewesen ist, das Testament so zu ändern, wie geschehen. Die Ehegatten hatten bei der Errichtung des Testaments vom 18.08.2019 eindeutig formuliert, dass das Testament im Falle familiärer Zuwiderhandlungen annulliert werden könne. Damit gaben sie dem überlebenden Ehegatten das Recht völlig neu zu testieren.

Nach allem stehen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins nach dem Antrag der Beteiligten K. fest.

II.

Der Erbscheinsantrag des Beteiligten R. L., ihn als Alleinerben festzustellen, ist daher zurückzuweisen.

III.

Da Ziffer 1 des Beschlusses dem erklärten Willen des Beteiligten R. L. widerspricht, wurde die Wirksamkeit ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis nach der Rechtskraft zurückgestellt (§ 352 Abs. 2 FamFG).

IV.

Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligte die Gerichtskosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen. Die außergerichtlichen Aufwendungen tragen dagegen die Beteiligten jeweils selbst (§ 81 Abs. 1 FamFG).

V.

Die Festsetzung des Nachlasswertes beruht auf der Abrechnung der Betreuerin, die im Betreuungsverfahren das Endvermögen mit 222.011,46 € mitgeteilt hat.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!