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Einsichtsrecht in Grundbuch von früheren Immobilien des Erblassers

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 58/21 – Beschluss vom 03.11.2021

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken – Grundbuchamt – vom 7. September 2021 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Auskunft zum Inhalt der Grundakten des im Grundbuch von Malstatt-Burbach, Blatt…, eingetragenen Grundbesitzes in Gestalt der Übersendung von Kopien hinsichtlich eines Verkaufsvorganges. Zur Begründung ihres Antrages vom 30. Dezember 2020 (Bl. 130 d.A.), dem Abschriften eines notariellen Erbvertrages und der Eröffnungsniederschrift sowie der Geburts- und der Heiratsurkunde der Antragstellerin beigefügt waren, führte sie im Wesentlichen an, aufgrund erbvertraglicher Schlusserbeneinsetzung nach dem Tode der am 3. August 2019 zuletzt verstorbenen Mutter nunmehr neben ihrer Schwester Miterbin geworden und über den Nachlass nicht vollständig informiert zu sein. Ihre Mutter sei Eigentümerin des vorbezeichneten Grundbesitzes gewesen, den sie im Zeitraum zwischen 2005 und 2010, vermutlich im Jahr 2008, verkauft habe (Bl. 130 d.A.).

Mit Schreiben vom 17. Februar 2021 wurde der Antragstellerin zunächst mitgeteilt, dass die Verkaufsurkunde nicht übersandt werden könne, da die Eigentümerin selbst verfügt habe (Bl. 151 d.A.). Nach Erneuerung ihres Anliegens wurde sie mit Verfügung vom 4. August 2021 um Vorlage eines Erbscheines gebeten mit dem Hinweis, unter dieser Voraussetzung sei die Mitteilung des aus der Urkunde ersichtlichen Kaufpreises möglich, wegen der Betroffenheit mehrerer Verkäufer jedoch nicht des gesamten Kaufvertrages (Bl. 161 d.A). Daraufhin vertrat die Antragstellerin die Ansicht, ihr stünden dieselben Einsichtsrechte zu wie der Erblasserin zu Lebzeiten zugestanden hätten. Außerdem trug sie vor, zur Klärung von Ausgleichspflichten (§§ 2055 ff. BGB) stehe einem Miterben ein umfassendes Einsichtsrecht in die Grundakten auch an früheren Immobilien des Erblassers zu. Ein erbrechtlicher Nachweis bedürfe nicht der Form des § 35 GBO.

Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 174 d.A.) hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes den Antrag zurückgewiesen, weil ein berechtigtes Interesse an der Einsicht nicht bestehe; entsprechendes gelte aus Datenschutzgründen auch für die Kaufvertragsurkunde, weil mehrere Verkäufer betroffen seien. Hiergegen richtet sich die mit Schreiben vom 23. September 2021 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin, mit der diese unter Wiederholung ihres früheren Vorbringens weiterhin auf die beantragte „Auskunft“ anträgt, und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 1. Oktober 2021 nicht abgeholfen hat.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Gegen die im Erinnerungsverfahren ergangene ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) über die beantragte Grundbucheinsicht ist die Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO i. V. m. § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO statthaft, über die gemäß § 72 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Mit ihrem Rechtsmittel beruft sich die Antragstellerin auf ein eigenes berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO) sowie die Grundakten (vgl. § 46 Abs. 1 GBV), so dass ihre Beschwerdebefugnis zu bejahen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 1981 – V ZB 18/80, BGHZ 80, 126; OLG München, MDR 2017, 30).

2.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hat den (wörtlich) auf „Übersendung von Kopien hinsichtlich eines Verkaufsvorganges“ gerichteten Antrag, bei dem es sich der Sache nach um ein Einsichtsgesuch in die Grundakten handelt, mangels nachprüfbarer Darlegung eines berechtigten Interesses zu Recht abgelehnt.

a)

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO und § 12 Abs. 3 GBO i. V. m. § 46 Abs. 1 GBV ist die Einsicht des Grundbuchs und der Grundakten jedem gestattet, der ein „berechtigtes Interesse“ darlegt. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dafür, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes – also nicht unbedingt rechtliches, sondern auch tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches – Interesse verfolgt (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 5 W 84/19, NJW-RR 2020, 713; OLG Düsseldorf, FGPrax 2018, 56; OLG München, ZfIR 2018, 531; Demharter, GBO 31. Aufl. § 12 GBO Rn. 7). Das setzt voraus, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit der Einsichtnahme Erkenntnisse gesammelt werden, die für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen; das Interesse des Eigentümers oder sonstigen Berechtigten am Schutz persönlicher und wirtschaftlicher Geheimnisse ist dabei in jedem Einzelfall gegen das Interesse des Antragstellers an der Kenntnisgewinnung abzuwägen (Senat, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 5 W 84/19, NJW-RR 2020, 713; Böttcher, in: Meikel, GBO 11. Aufl., § 12 GBO Rn. 6). Die das Einsichtsverlangen stützenden Sachgründe sind hierzu von dem Antragsteller darzulegen und zu erläutern. Dieser muss durch nachvollziehbares Tatsachenvorbringen einen Sachverhalt glaubhaft beschreiben, aus dem sich für das Grundbuchamt – und in der Beschwerdeinstanz für das Beschwerdegericht – die Verfolgung eines berechtigten Interesses erschließt und unberechtigte Zwecke oder bloße Neugier bzw. nur irgendein bloß beliebiges Interesse ausgeschlossen erscheinen lässt (Senat, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 5 W 84/19, NJW-RR 2020, 713; Beschluss vom 25. September 2018 – 5 W 73/18; vgl. OLG München, ZfIR 2018, 247; OLG Düsseldorf, FGPrax 2018, 56; KG, ZWE 2014, 310; Demharter, a.a.O., § 12 GBO Rn. 7; Böttcher, in: Meikel, a.a.O., § 12 GBO Rn. 10).

Da dem eingetragenen Grundstückseigentümer gegen die Gewährung der Grundbucheinsicht an einen Dritten ein Beschwerderecht nicht zusteht (BGH, Beschluss vom 6. März 1981 – V ZB 18/80, BGHZ 80, 126), ist das Grundbuchamt gehalten, die Darlegung eines berechtigten Interesses an der begehrten Grundbucheinsicht in jedem Einzelfall genau nachzuprüfen, um Einsichtnahmen zu verhindern, durch die das schutzwürdige Interesse Eingetragener daran verletzt werden könnte, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren (Senat, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 5 W 84/19, NJW-RR 2020, 713; OLG München, ZfIR 2018, 531; BayObLG, NJW 1993, 1142; Böttcher, in: Meikel, a.a.O., § 12 Rn. 10). Da das Einsichtsrecht begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert ist, erfordert es – von hier nicht einschlägigen Sonderfällen abgesehen – grundsätzlich ein hierauf bezogenes Interesse; das gilt erst recht für die „erweiterte“ Einsicht in die Grundakten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, § 46 Abs. 1 GBV, die – wie hier – auf eine Kenntniserlangung der schuldrechtlichen Vereinbarungen, etwa der Höhe eines Kaufpreises oder von Modalitäten des Kaufvertrages, abzielt; denn derartige Informationen gehören nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt, dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO sicherstellen will (Senat, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 5 W 84/19, NJW-RR 2020, 713; vgl. OLG München, FGPrax 2019, 3; MDR 2017, 30; Düsseldorf, FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg, FGPrax 2014, 18; OLG Dresden, FGPrax 2010, 66; Böttcher, in: Meikel, a.a.O. § 12 Rn. 1 ff.).

b)

Wie das Grundbuchamt in dem angefochtenen Beschluss zu Recht annimmt, hat die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der begehrten Einsicht – hier: in Gestalt der beantragten Überlassung von Kopien eines Verkaufsvorganges – nicht dargelegt. Ihr ursprünglich alleiniger Hinweis auf die Gesamtrechtsnachfolge und die daraus erworbenen Auskunftsansprüche der Erblasserin (Bl. 158 d.A.) war dafür nicht ansatzweise ausreichend, nachdem diese schon seit längerem nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks war und deshalb ihrerseits ein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht im Sinne der oben dargestellten Grundsätze hätte dartun müssen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2016, 338; NotBZ 2021, 55; OLG München, NJW-RR 2017, 266; Wilsch, in: BeckOK GBO 43. Ed. 1.8.2021, § 12 Rn. 92), zu dem hier nichts ersichtlich ist.

Auch aus dem Vortrag zur vermeintlichen Rechtsstellung der Antragstellerin als Teil einer Erbengemeinschaft folgt nichts Anderes. Zwar kann ein Miterbe nach verbreiteter Ansicht ein Recht auf Einsicht in das Grundbuch bzw. – wie hier – in den Grundakten enthaltene Veräußerungsverträge haben, wenn sein Gesuch der Klärung von Ausgleichspflichten nach §§ 2050 ff. BGB dient (OLG Braunschweig, FamRZ 2020, 639; OLG München, NJW-RR 2018, 335; BeckOK GBO/Wilsch, a.a.O., § 12 Rn. 58; ähnlich bei möglichen Pflichtteilsansprüchen OLG München, FamRZ 2012, 147; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2016, 338; OLG Frankfurt, ErbR 2021, 138). Besondere Anforderungen an die Substantiierung werden hier im Allgemeinen zwar nicht gestellt; Voraussetzung ist aber, dass aufgrund einer nachvollziehbaren Darlegung solche Ansprüche zumindest „möglich“ erscheinen (OLG Braunschweig, FamRZ 2020, 639; OLG München, NJW-RR 2018, 335; vgl. auch OLG Naumburg, Beschluss vom 18. März 2020 – 12 Wx 11/20, juris). Daran fehlt es hier, wie die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zu Recht annimmt; denn nachdem die Antragstellerin ihr Gesuch zunächst – nur – damit begründet hatte, dass sie über den Nachlass ihrer verstorbenen Eltern „nicht vollständig informiert“ sei (Bl. 130 d.A.), beschränken sich ihre späteren Ausführungen und die gleichlautende Beschwerdeschrift auf eine abstrakte Wiedergabe des in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatzes, wonach „zur Klärung von Ausgleichspflichten nach § 2055 ff. BGB … einem Miterben ein umfassendes Einsichtsrecht (alle Abteilungen des Grundbuches) auch an früheren Immobilien des Erblassers“ zustehe. Das ist kein hinreichender Tatsachenvortrag, der solche Ansprüche der Antragstellerin zumindest möglich erscheinen lässt und ausreicht, um im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung mit den schützenswerten Belangen des Grundstückseigentümers ein Einsichtsrecht der Antragstellerin in die Grundakten – und das Überlassen von Abschriften daraus, vgl. § 12 Abs. 2 GBO, § 46 Abs. 3 GBV – zu begründen.

Andere Gründe, die ein Einsichtsrecht der Antragstellerin rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar und werden auch nicht geltend gemacht. Die seitens des Grundbuchamtes zwischenzeitlich in Aussicht gestellte Möglichkeit, Auskunft zur Höhe des Kaufpreises zu erhalten (Bl. 161 d.A.), ist nicht Gegenstand des Begehrens der Antragstellerin im vorliegenden Beschwerdeverfahren.

3.

Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf die gesetzlich geregelte Kostenfolge (§ 22 Abs. 1 GNotKG) nicht. Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) nicht zuzulassen.

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