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Erbeinsetzung bei Vermögensaufteilung nach Einzelgegenständen

OLG Oldenburg – Az.: 3 W 76/19 (NL) – Beschluss vom 01.10.2019

1. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 22.07.2019 aufzuheben.

2. Den Beteiligten wird Gelegenheit gegeben, binnen 2 Wochen zu dem Hinweisbeschluss Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Der am TT.MM.1926 geborene AA verstarb am TT.MM.2017. Nur kurz zuvor – zwischen dem TT.MM.2017 und dem TT.MM.2017 – verstarb seine Ehefrau QQ, geb. (…). Beide waren Lehrer und hatten keine Abkömmlinge.

Die Geschwister des Erblassers, RR und SS sowie TT sind ebenfalls vorverstorben. Bei den Beteiligten zu 4. – 6. handelt es sich insoweit um die Kinder des RR, bei den Beteiligten zu 7. – 11. um die Kinder der SS und bei den Beteiligten zu 12. – 14. um die Abkömmlinge des TT. Ein weiterer Sohn des TT, der 1957 geborene UU, ist gleichfalls im Jahr 1983 vorverstorben. Insoweit geht der Senat davon aus, dass UU keine Abkömmlinge hat.

Die Ehefrau des Erblassers war die Schwester des VV. Dieser ist am TT.MM.2018 nachverstorben und wurde von seiner Ehefrau BB, der Beteiligten zu 1., beerbt. Bei den Beteiligten zu 2. und 3. handelt es sich um die Enkel des VV.

Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hinterließen unter dem TT.MM.1997 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament u.a. folgenden Inhalts:

„[…]

I. Wir, setzen uns gegenseitig zu unseren alleinigen Erben ein. Der Längerlebende kann zu seinen Lebzeiten über das Gesamtvermögen frei verfügen.

Die Häuser

1. Straße1 in Ort13 und

2. Straße2 in Ort14

sollten jedoch zu unseren Lebzeiten möglichst nicht veräußert werden.

II. Nach dem Tod des Längerlebenden soll das Haus samt Inventar und Grundstück zu 1. an meine Nichten und Neffen:

[im Folgenden werden die Beteiligten zu 4. – 14. aufgeführt; Anm.]

jeweils zu gleichen Teilen fallen.

Das Haus mit Grundstück zu 2. soll an meinen Schwager VV und dessen Enkel CC und DD [Beteiligte zu 2. und 3.]

jeweils zu gleichen Teilen übergehen.

Falls unsere Mutter, bzw. Schwiegermutter, Frau WW, geb. (…), uns überlebt, behält sie, wie im Übergangsvertrag vom 7. Dez. 73 bestimmt, den lebenslangen Nießbrauch des Hauses zu 2.. Im Übrigen tritt die Erbfolge wie oben festgelegt ein.

III. Das Barvermögen, Konten und Wertpapiere sollen unter meinen Geschwistern RR und TT und SS geb. (…), sowie allen ihren Kindern

gleichmäßig aufgeteilt werden.

Ort13, den TT. MM 1997

AA

Das vorstehende Testament meines Mannes soll auch als mein Testament gelten.

Ort13, den TT. MM 1997

QQ“

Bei dem Haus „Straß1“ in Ort14 handelt es sich um das Elternhaus der Ehefrau des Erblassers. Es stand in deren Alleineigentum und wurde im Juli 2014 von ihr zu einem Kaufpreis in Höhe von 80.000 € verkauft. Im Vorfeld stand die Erhebung von Anliegerkosten in Höhe von 13.500 € für die Erstellung bzw. Sanierung der Straße im Raum. Dem notariellen Kaufvertrag vom 26.07.2014 zufolge war der Kaufpreis auf ein Konto der Ehefrau bei der Bank Ort15 zu zahlen. Im Anschluss kam es – nicht zuletzt ausweislich der Aussage der Tochter der Beteiligten zu 1. in der Sitzung des Amtsgerichts vom 03.04.2019 – zu Unstimmigkeiten zwischen der Ehefrau des Erblassers und ihrem Bruder VV über diesbezügliche Erbausgleichszahlungen.

Bei dem Haus „Straße1“ in Ort13 handelt es sich um das Elternhaus des Erblassers, an welchem sowohl er als auch seine Ehefrau jeweils zu ½ Miteigentum besaßen. Ausweislich eines Gutachtens hatte dieses Objekt zum 12.01.2018 einen Verkehrswert in Höhe von 240.000 €.

Laut den vorliegenden Kontoauszügen verfügten der Erblasser und seine Ehefrau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung über ein Kontovermögen von etwa umgerechnet 20.000 €; im notariell beurkundeten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 4. vom 06.03.2018 wird das gesamte Bar-, Spar- und Depotvermögen, welches dem Erblasser und seiner Ehefrau jeweils zu ½ zuzuordnen ist, mit insgesamt 119.351 € (Stichtag: TT.MM.2017) bzw. 102.972 € (Stichtag: TT.MM.2017) angegeben.

Im Verfahren 79 VI 470/18 wurde auf Antrag des Beteiligten zu 4. am 28.08.2018 ein Erbschein erteilt, der den Erblasser als Alleinerben nach seiner Ehefrau ausweist.

Im hiesigen Verfahren hat der Beteiligte zu 4. die Erteilung eines Erbscheins des Inhalts beantragt, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 4. – 14. beerbt worden ist. Die Beteiligten zu 5. – 14. haben dem Erbscheinsantrag zugestimmt.

Der Beteiligte zu 4. beruft sich auf das handschriftliche, gemeinschaftliche Testament vom 24.05.1997. Er ist der Ansicht, dass die testamentarisch bedachten Beteiligten zu 1. – 3. aus der Erbfolge ausgeschieden seien, da sich der ihnen zugedachte Grundbesitz „Straße2“ in Ort14 nicht mehr im Nachlass des Längerlebenden befinde.

Die Beteiligten zu 1. – 3. widersprechen der Erteilung des beantragten Erbscheins. Sie sind der Auffassung, bei der Zuwendung des Hauses in Ort14 handele es sich nicht um eine Vermächtnisanordnung. Vielmehr seien alle im Testament benannten Personen als Erben eingesetzt werden, so dass sie den Erlös des Hauses erhalten bzw. mit einer entsprechenden Quote am Erbe zu beteiligen seien.

Das Amtsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Tatsachen, die die Erbenstellung der Beteiligten zu 4. – 14. begründen, für erwiesen erachtet. Allein die Nichten und Neffen des Erblassers seien als Erben anzusehen. Hinsichtlich des Hauses in Ort14 sei demgegenüber von den Eheleuten AA und QQ in ihrem Testament vom 24.05.1997 lediglich ein Vermächtnis verfügt worden.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrer Beschwerde unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens.

II.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1. dürfte im Ergebnis Erfolg haben. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist hinsichtlich des Hauses in Ort14 von einer Erbeinsetzung auszugehen (dazu 1.), welche durch die zwischenzeitliche Veräußerung dieses Objekts nachträglich auch nicht entfallen ist (dazu 2.).

1.

Das gemeinschaftliche Testament enthält – anders als die gegenseitige Einsetzung des überlebenden Ehegatten zum Alleinerben – keine ausdrückliche Einsetzung von Schlusserben. Die Ehegatten haben vielmehr bestimmt, dass aus ihrem Gesamtvermögen bestimmte Personen einzelne Gegenstände bzw. Vermögensgruppen erhalten sollen. Die testamentarische Zuwendung bestimmter Gegenstände oder bestimmter Gruppen von Gegenständen ist zwar gem. § 2087 Abs. 2 BGB im Zweifel als Vermächtnisanordnung und nicht als Erbeinsetzung anzusehen. Diese Auslegungsregel greift jedoch nicht ein, wenn ein anderer Wille des Erblassers festgestellt werden kann. Die Auslegung, für die der gesamte Inhalt der letztwilligen Verfügung einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, zu würdigen ist, kann daher dazu führen, dass nur scheinbar die Zuwendung einzelner Gegenstände vorliegt, der Erblasser indessen mit den einzelnen aufgeführten Gegenständen einen Bruchteil seines Vermögens, eine Vermögensgruppe oder sogar sein ganzes Vermögen zuwenden wollte. Im vorliegenden Fall haben der Erblasser und seine Ehefrau durch letztwillige Verfügung ihr gesamtes Vermögen nach Einzelgegenständen (Haus in Ort13 und Ort14) bzw. Gruppen von Gegenständen (Geldvermögen in Form von Bankguthaben, Barvermögen und Wertpapiere) unter den bedachten Personen aufgeteilt. In einem solchen Fall ist in der Regel anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt hat, da nicht unterstellt werden kann, dass er überhaupt keinen Erben berufen und seine Verwandtschaft als gesetzliche Erben ausschließen wollte (vgl. BGH DNotZ 1972, 500; Urteil vom 19.01.2000 – IV ZR 157/98, juris Rn. 10; Beschluss vom 12.07.2017 – IV ZB 15/16, juris Rn. 29). Eine solche testamentarische Aufteilung des Nachlasses kann als mit einer Teilungsanordnung nach § 2048 BGB verbundene Erbeinsetzung angesehen werden, weil sich die jeweilige Erbquote aus dem Verhältnis der Werte der zugedachten Vermögensteile zum Gesamtwert dieser Teile ergibt. Aus der Verteilung des gesamten Nachlasses folgt jedoch noch nicht, dass alle bedachten Personen zu Erben berufen sind. Vielmehr kann die Auslegung unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse ergeben, das nur einer oder einzelne der bedachten Personen zu Erben eingesetzt sind, während den anderen lediglich Vermächtnisse zugewendet sind. So liegt es nahe, eine Person, der der Hauptnachlassgegenstand zugewiesen ist, als Alleinerben anzusehen, und andere, die nur Gegenstände von geringem Wert erhalten sollen, als Vermächtnisnehmer. Denn die Zuwendung eines Vermögensgegenstandes ist als Erbeinsetzung anzusehen, wenn dieser die anderen Vermögensgegenstände an Wert so sehr übersteigt, dass anzunehmen ist, der Erblasser habe im Wesentlichen in diesem Gegenstand seinen Nachlass erblickt. Auszugehen ist von den Vorstellungen, die der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte, wobei ferner zu berücksichtigen ist, ob ein in dieser Weise Bedachter nach den Vorstellungen des Erblassers in die wirtschaftliche Stellung des Verstorbenen eintreten soll (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 1096 (1097); NJW-RR 1997, 517 (518); NJW-RR 1998, 1230; Beschluss vom 15.05.1998 – 1Z BR 22/98, juris Rn. 22 f.; Beschluss vom 08.05.2003 – 1Z BR 124/02, juris Rn. 39).

In Ansehung dieser Maßstäbe und unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, mit der das Amtsgericht die Zuwendung an die Beteiligten zu 1. – 3. als Vermächtnis qualifiziert. Zwar folgt aus der Verteilung des gesamten Nachlasses nicht, dass alle bedachten Personen zu Erben berufen sind. Zu dem für die Ermittlung ihrer damaligen Vorstellung maßgeblichen Zeitpunkt der Testamentserrichtung umfasste das Vermögen des Erblassers und seiner Ehefrau das Hausgrundstück in Ort13 (240.000 €), das Hausgrundstück in Ort14 (80.000 €) sowie das – bislang als Kontoguthaben nachgewiesene – Geldvermögen (20.000 €). Auch wenn die Werte für die Immobilien auf einem Wertgutachten aus dem Jahr 2018 bzw. auf dem Verkaufspreis im Jahr 2014 basieren, so machen diese jedenfalls deutlich, dass das Wertverhältnis zwischen diesen Objekten 1 : 3 betrug, mithin das Objekt in Ort13 12/17, das Objekt in Ort14 4/17 und das Geldvermögen 1/17 des Gesamtnachlasses ausmachte. Bei diesen Wertverhältnissen mag allenfalls in der Zuwendung des – bislang nachgewiesenen – Kontoguthabens die Anordnung eines Vermächtnisses erblickt werden. Jedoch ist im Verhältnis der in Rede stehenden Hausgrundstücke zueinander keine derart signifikante Wertdifferenz erkennbar, dass sich daraus eine unterschiedliche Einordnung als Erbeinsetzung einerseits und Vermächtnis andererseits rechtfertigen ließe. Hinzu kommt, dass im Rahmen der vorrangigen individuellen Auslegung auf den einzelnen Bedachten abzustellen und somit in den Blick zu nehmen ist, dass die Vermögensgegenstände zugleich mehreren Personen zugewandt wurden, mit der Folge, dass im Ergebnis den Beteiligten zu 1. – 3. wertmäßig aus dem Hausgrundstück in Ort14 jeweils ein größerer Anteil zugewandt wurde als den Beteiligten zu 4. – 14. im Hinblick auf das Objekt in Ort13 (vgl. OLG München, NJW-RR 2007, 1162 (1163)).

Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass den Beteiligten zu 4. – 14. ferner das Kontoguthaben zuzurechnen ist. Denn der Wert des den Beteiligten zu 4. – 14. zugewandten Gesamtvermögens würde den Wert des den Beteiligten zu 1. – 3. allein zugewandten Objekts in Ort14 nicht derart übertreffen, als dass der Erblasser und seine Ehefrau darin offensichtlich einen wesentlichen Nachlass erblickt hätten – dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beteiligten zu 4. – 14. jeweils nur zu 1/11 an der Immobilie in Ort13 beteiligt werden sollten (vgl. LG Mönchengladbach, Urteil vom 07.11.2017 – 3 O 99/15, juris Rn. 53).

Nach alledem kann aus der Art und Weise der Zuwendung nicht zweifelsfrei abgeleitet werden, dass zugunsten bestimmter Personen Erbeinsetzungen und zugunsten anderer nur Vermächtnisanordnungen getroffen worden sind. Insbesondere wenn man bedenkt, dass sowohl die Verwandtschaftsseite des Erblassers als auch diejenige der Ehefrau jeweils ein Hausgrundstück erhalten sollten, lässt jede Differenzierung dieser beiden Gruppen nach Erben und Vermächtnisnehmern willkürlich erscheinen.

2.

Das Grundstück in Ort14 ist noch zu Lebzeiten des Erblassers und seiner Ehefrau durch Letztere zu einem Kaufpreis von 80.000 € veräußert worden. Dem stand das gemeinschaftliche Testament der Eheleute AA und QQ nicht entgegen. Zum einen stand dieses Grundstück im Alleineigentum der Ehefrau und ging damit – solange sie nicht vorverstarb – nicht in der Verfügungsbefugnis des Erblassers über (vgl. BayObLG, Beschluss vom 08.05.2003 – 1Z BR 124/02, juris Rn. 43). Zum anderen unterliegen Teilungsanordnungen – wie hier bezüglich der Grundstücke (s.o.) – in einem gemeinschaftlichen Testament nicht der Bindungswirkung des § 2271 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19.10.1994 – 17 U 207/93, juris Rn. 13), zumal hier die Eheleute aufgrund der gewählten Formulierung („möglichst nicht“) sehr wohl die Möglichkeit lebzeitiger Veräußerung in den Blick genommen und diese gerade nicht mit letztwilliger Verfügung ausgeschlossen haben.

Hat demnach – wie hier – der Erblasser bzw. seine vorverstorbene Ehefrau über einen testamentarisch zunächst zugewandten Gegenstand verfügt, so dass dieser beim Erbfall nicht mehr zum Nachlass gehört, ist die Verfügung arg. e. § 2169 Abs. 1 Hs. 1 BGB gegenstandslos und damit unwirksam (vgl. BayObLG, Beschluss vom 14.12.2001 – 1Z BRH 1/01, juris Rn. 20 f.; Rudy, in MüKo-BGB7, § 2087 Rn. 12); für eine Abgrenzung von Erbeinsetzung und Vermächtnis bleibt insoweit kein Raum (vgl. Gierl, in BeckOK-BGB, § 2087 Rn. 41). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erblasser eine dem Wert des Gegenstands entsprechende Erbquote unabhängig vom Vorhandensein dieses Gegenstands im Nachlass zum Zeitpunkt seines Todes hätte zuwenden wollen (vgl. BayObLG a.a.O.; Beschluss vom 16.03.2005 – 1Z BR 77/04, juris Rn. 29; Rudy a.a.O.). Dies ist dann der Fall, wenn der Erblasser mit der Zuwendung des Nachlassgegenstandes lediglich die dem Bedachten angedachte Erbquote zum Ausdruck bringen wollte und ihm weniger an dem Schicksal des Gegenstandes gelegen war (Gierl a.a.O.). Kam es dem Erblasser demgegenüber gerade darauf an, dem Bedachten bestimmte Gegenstände unabhängig von deren Wertveränderung ohne Ausgleichszahlungen zukommen zu lassen, sind maßgeblich für die Auslegung des letzten Willens die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls (vgl. BGH NJW 1997, 392 (393); Rudy, in MüKo-BGB7, § 2087 Rn. 11; Czubayko, in Burandt/Rojahn, ErbR3, § 2087 Rn. 10). Dies kann zur Folge haben, dass die Veräußerung der zugedachten Gegenstände die Erbquote reduziert (vgl. BGH a.a.O.) bzw. gar auf „null“ zurückführt und somit die Erbeinsetzung gänzlich entfallen lässt (vgl. Otte, in Staudinger, BGB (2013), § 2087 Rn. 31; Rudy, in MüKo-BGB7, § 2087 Rn. 12; Gierl, in BeckOK-BGB, § 2087 Rn. 50).

In Ansehung dieser Maßstäbe überwiegen bei der Auslegung des Testaments gemäß §§ 133, 2084 BGB die Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Erblasser und seine Ehefrau den Beteiligten zu 1. – 3. für den Fall, dass der dort genannte Grundbesitz im Erbfall nicht mehr zum Nachlass gehört, gleichwohl eine quotale Miterbenstellung am übrigen Nachlass einräumen wollten.

In ihrem gemeinschaftlichen Testament haben die Eheleute nicht zwischen dem Vermögen des Erblassers und seiner Ehefrau differenziert, sondern eine Gesamtbetrachtung gewählt und eine Gesamtregelung bezüglich des Vermögens beider Eheleute getroffen. Hierbei haben sie – durch die Bezifferung und optische Absetzung im Testament untermauert – drei Vermögensgruppen unterschieden: das Haus in Ort13, das Haus in Ort14 sowie das Bar- und Sparvermögen. Dies und der Umstand, dass insbesondere die beiden Objekte ohne Rücksicht auf die bestehenden Eigentumsverhältnisse verschiedenen Stämmen zugeordnet worden sind, macht deutlich, dass der treibende Wunsch für die testamentarische Regelung war, die Häuser den jeweiligen (Herkunfts-)Familien zu erhalten (vgl. Gierl, in BeckOK-BGB, § 2087 Rn. 42.4) – und zwar das Elternhaus des Erblassers den Abkömmlingen der Linie AA und das Elternhaus der vorverstorbenen Ehefrau der Linie QQ. Dementsprechend kam es dem Erblasser und seiner Ehefrau durchaus (auch) auf das weitere Schicksal dieser Objekte an, was durch die Verfügung indiziert wird, dass diese zu Lebzeiten „möglichst nicht“ veräußert werden sollten. Dies spricht zwar – bei vordergründiger Betrachtung – zunächst für eine „gegenständliche“ Erbeinsetzung, mit der Folge das mit der Veräußerung des Objekts die Erbenstellung der Beteiligten zu 1. bis 3. in Wegfall geraten ist.

Gegen eine derartige Auslegung spricht jedoch der Umstand, dass sich dem Testament gerade nicht entnehmen lässt, dass der Erblasser und seine Ehefrau die Beteiligten zu 1. – 3. von der gesetzlichen Erbfolge gänzlich ausschließen wollten (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2000 – IV ZR 157/98, juris Rn. 11). Im Gegenteil: Aufgrund des Umstandes, dass der Erblasser im Zusammenhang mit dem Nießbrauch an dem Objekt in Ort14 davon spricht, dass im Übrigen die „Erbfolge“ eintritt, legt mehr als nahe, dass auch VV bzw. die Beteiligte zu 1. sowie die Beteiligten zu 2. und 3. nicht nur eine Erbenstellung erhalten, sondern diese auch behalten sollten. Für eine wertmäßige Ausgleichsverpflichtung bzw. gegen den Umstand, dass es den Eheleuten von vornherein ausschließlich auf die Zuwendung von bestimmten Vermögensgegenständen ankam, streitet aber vor allem der im Testament angelegte Umstand, dass – unter Zugrundelegung einer vorrangig auf den einzelnen Bedachten abzustellenden Sichtweise (vgl. OLG München, NJW-RR 2007, 1162 (1163) – jeder Bedachte hier einen in etwa gleich großen Anteil zugesprochen bekommen hat. Geht man nämlich – wie bereits ausgeführt – davon aus, dass zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung das Objekt in Ort13 12/17, das Objekt in Ort14 4/17 und das Geldvermögen 1/17 des Gesamtnachlasses ausmachte, so ergibt sich hieraus, dass auf die Beteiligten zu 1. bis 3. (Linie QQ) jeweils knapp 8 % des Nachlasses und auf die Beteiligten zu 4. bis 14. (Linie AA) jeweils gut 6 % des Nachlasses entfallen. Würden mithin die Beteiligten zu 1. bis 3. ohne Ausgleichszahlung gänzlich von der Erbfolge ausgeschlossen, würde der von dem Erblasser und seiner Ehefrau durch die Verteilung der Nachlassgegenstände zum Ausdruck gebrachte Wille einer in etwa gleichmäßigen Bedenkung geradezu ins Gegenteil verkehrt, indem die im Vergleich zu den Beteiligten 1. bis 3. sogar geringer bedachten Beteiligten zu 4. bis 14.nunmehr einen – nicht zuletzt durch die Beteiligung am Veräußerungserlös bzw. am Surrogat aus dem Verkauf des Objekts in Ort14 – ungleich höheren Anteil am Gesamtnachlass erhielten. Vor diesem Hintergrund bestand der wirkliche Willen des Erblassers und seiner Ehefrau zwar vordergründig zunächst dahin, den Beteiligten zu 1. bis 3. das Objekt in Ort14 „möglichst“ zu erhalten. Da diesem Objekt jedoch nicht allein ein rein ideeller Wert („Elternhaus“) zukommt, sondern diese Immobilie zugleich einen nicht unerheblichen Anteil am Nachlass ausmacht und insofern einen wertbildenden Faktor darstellt, sollte mit dieser „gegenständlichen“ Erbeinsetzung zumindest eine Erbquote zum Ausdruck gebracht werden, mit der die Beteiligten zu 1. bis 3. am Gesamtnachlass beteiligt werden sollten.

 

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