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Erbschaftsannahme: Anfechtung wegen Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses

OLG Schleswig-Holstein, Az.: 3 Wx 120/14, Beschluss vom 31.07.2015

Der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Ahrensburg vom 28. November 2014 wird geändert. Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbschein als unrichtig einzuziehen.

Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe

I.

Am 26. Mai 2014 verstarb X. Sie stand in ihren letzten Lebensmonaten unter umfassender Betreuung. Betreuer war ein benachbarter Rechtsanwalt, der Zeuge Y. Die Erblasserin war geschieden. Der Beteiligte Z ist ihr einziger Sohn.

Erbschaftsannahme: Anfechtung wegen Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses
Foto: Kasia Bialasiewicz/ Bigstock

Der Beteiligte beantragte unter dem 23. Juli 2014 einen Erbschein für sich als gesetzlichem Alleinerben, der ihm am 24. Juli 2014 erteilt wurde. In den folgenden Wochen löste der Beteiligte die Wohnung der Erblasserin auf. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 21. August 2014, beim Nachlassgericht eingegangen am 26. August 2014, erklärte er die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist. Er erläuterte die Anfechtungserklärung auf Nachfrage des Nachlassgerichts mit weiterer notariell beurkundeter Erklärung vom 8. Oktober 2014 dahingehend, dass die Anfechtung der Annahme der Erbschaft gemeint gewesen sei. Zur Begründung der Anfechtung hat er vorgetragen, dass er erst nach Erhalt des Erbscheins am 25. Juli 2014 Einsicht bei der Postbank in die Bankunterlagen der Erblasserin erhalten habe. Hierdurch erst habe er von der Überschuldung des Nachlasses erfahren.

Mit Beschluss vom 28. November 2014 hat das Nachlassgericht entschieden, dass der Erbschein nicht als unrichtig eingezogen werde. Es hat die Entscheidung damit begründet, dass die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB nicht wirksam erfolgt sei. Der Erklärung des Beteiligten, dass er erst nach Erhalt des Erbscheins Kenntnis von der Zusammensetzung des Nachlasses erhalten habe, könne nicht gefolgt werden. Aus der Betreuungsakte sei ersichtlich, dass der Betreuer am 28. April 2014 ein Vermögensverzeichnis der Betreuten erstellt habe, in dem sowohl das Aktiv- als auch das Passivvermögen der Betreuten erfasst sei. Der Betreuer habe mit dem Beteiligten auch über die Frage einer Entlastungserklärung gesprochen. Diese habe der Beteiligte am 29. Mai 2014 unterzeichnet und es sei nicht anzunehmen, dass er dies getan und auf die förmliche Schlussrechnungslegung verzichtet hätte, wenn er nicht Kenntnis über den Vermögensbestand zu Beginn und Ende der Betreuung gehabt hätte. Auch habe es ihm als dem Sohn der Betreuten offen gestanden, vor der Erteilung der Entlastungserklärung und vor Beantragung eines Erbscheins Einsicht in die Betreuungsakte zu beantragen. Ein Irrtum liege jedoch dann nicht vor, wenn der Erbe sich der Möglichkeit bewusst sei, dass seine Vorstellung unrichtig sein könnte, er dies aber in Kauf nehme.

Der Beteiligte hat Beschwerde eingelegt. Er hat ausgeführt, dass er ein sehr gutes Verhältnis zu dem Betreuer gehabt und ihm vollumfänglich vertraut habe. Insofern habe er auch die Entlastungserklärung „blanko“ unterschrieben. Der Betreuer habe ihm erklärt, dass möglicherweise noch ein Kredit bei der Postbank bestünde. Er, der Beteiligte, sei davon ausgegangen, dass es sich hierbei um ein Altdarlehen handele, das die Erblasserin nach seiner Kenntnis zurückgezahlt habe. Erst nach Erhalt des Erbscheins sei die Postbank bereit gewesen, ihm Auskunft zu erteilen. Dabei habe er erstmals von dem zu Lasten des Nachlasses noch offenstehenden Kredit in Höhe von 3.721,78 € erfahren. Unverzüglich danach habe er die Erbschaft angefochten. Der Erbschein sei einzuziehen.

Das Nachlassgericht hat unter dem 22. Dezember 2014 die Nichtabhilfe vermerkt und die Beschwerde dem Oberlandesgericht übersandt. Der dort zuständige Senat, der die Sache dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen hat, hat den Beteiligten angehört und den ehemaligen Betreuer der Erblasserin als Zeugen schriftlich vernommen. Das Ergebnis ist dem Anhörungsvermerk vom 30. Juni 2015 (Bl. 86 – 90 d.A.), der schriftlichen Aussage des Zeugen vom 25. Juni 2015 (Bl. 98 f d.A.) und dem Telefonvermerk über ergänzende Erklärungen desselben (Bl. 100 d. A.) zu entnehmen.

II.

Die Beschwerde hat Erfolg.

Von einer Zurückverweisung der Sache zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abhilfeverfahrens hat der Senat abgesehen. Das Beschwerdegericht ist auch bei fehlerhaftem Abhilfeverfahren – hier wegen unterbliebener Auseinandersetzung mit der Beschwerdebegründung – zu eigener Entscheidung befugt (Keidel/Sternal, 18. Aufl. 2014, § 68 Rn. 34).

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Der Beteiligte ist beschwerdebefugt. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Einziehung eines Erbscheins steht jedem zu, dessen Recht infolge des öffentlichen Glaubens des Erbscheins durch dessen Unrichtigkeit beeinträchtigt wird. Auch derjenige, der den Erbschein selbst beantragt hatte, ist beschwerdebefugt, wenn er sich mittlerweile nicht mehr für den Erben hält (BGH NJW 1959, 1730, 1731; Keidel/Zimmermann, § 353 Rn. 25). Die Beschwerdebefugnis ist aber auch nicht davon abhängig, dass der Beteiligte formell die Einziehung des Erbscheins beantragt hatte. Da es für die Einziehung eines Erbscheins keines Antrags bedarf, gilt die Einschränkung der Beschwerdebefugnis aus § 59 Abs. 2 FamFG nicht (Keidel/Zimmermann, § 353 Rn. 24).

2.

Die Beschwerde ist begründet.

a)

Formelle Bedenken stehen dem Beschluss des Nachlassgerichts allerdings nicht entgegen. Zwar ist fraglich, ob der Beteiligte tatsächlich einen Antrag auf Einziehung des Erbscheins gestellt hatte, wovon das Nachlassgericht ausweislich der tenorierten Kostenentscheidung offenbar ausgegangen ist. Der Beteiligte hat nur ohne weitere Erklärungen seine Anfechtungserklärung zur Akte gereicht. Zum einen aber bedarf es für die Einziehung eines unrichtigen Erbscheins keines Antrags, sie hat ggf. auch von Amts wegen zu erfolgen. Zum anderen lässt sich der abschließende Satz in der Beschwerdebegründung als – nunmehr jedenfalls gestellter – Einziehungsantrag verstehen.

b)

Die Beschwerde ist begründet. Der Beteiligte ist zwar der an sich berufene gesetzliche Erbe nach der Erblasserin. Er hat die Erbschaft auch angenommen. Von einer Annahme ist sowohl aufgrund der Versäumung der Ausschlagungsfrist als auch wegen des Verhaltens des Beteiligten auszugehen. In beiderlei Hinsicht hat er die Annahme jedoch wirksam angefochten mit der Folge, dass der Anfall der Erbschaft an ihn nach § 1953 Abs. 1 BGB als nicht erfolgt gilt.

aa)

Die am 21. August 2014 gegenüber dem Nachlassgericht in notariell beglaubigter Urkunde abgegebene Erklärung genügt der Form (§§ 1945, 1955 BGB). Sie wäre – träfe seine Darstellung zu – fristgerecht, denn sie erfolgte innerhalb von sechs Wochen, nachdem er von der Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erhalten und hierdurch zur Ausschlagung der Erbschaft und Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist veranlasst worden sein will.

bb)

Die Anfechtungserklärung ist auch inhaltlich beachtlich. Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum des Beteiligten lag vor.

aaa)

Die Prüfung eines Anfechtungsgrundes hat das Gericht nicht auf den in der Anfechtungserklärung ausdrücklich aufgeführten Sachverhalt zu beschränken. Eine wirksame Anfechtungserklärung bedarf nur der eindeutigen Kundgabe eines Anfechtungswillens, nicht der Angabe eines Anfechtungsgrundes. Der Anfechtende kann seine Beweggründe auch im Nachlassverfahren noch erläutern. Nachlass- und Beschwerdegericht haben sodann zu prüfen, ob die vorgebrachten Tatsachen zutreffen und ihn zur Anfechtung berechtigen (BayObLG DNotZ 1984, 408, 410). Dies ist hier der Fall.

bbb)

Entgegen dem ersten Anschein ergibt sich der Anfechtungsgrund allerdings nicht aus einem Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses (§ 119 Abs. 2 BGB). Ein solcher Irrtum liegt nur vor, wenn der Erbe von einer Werthaltigkeit des Nachlasses ausgegangen ist. Daran fehlt es, wenn dem Erben die Möglichkeit der Überschuldung bewusst war, weil er selbst keine genauen Vorstellungen vom Nachlassbestand hatte (OLG Düsseldorf, ErbR 2015, 91, 91 f; FamRZ 2011, 1171; Leipold in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2013, § 1954 Rn. 14). So war es hier. Auch wenn dem Beteiligten „klar (gewesen ist), dass nichts zu erben sei“, wie er in seiner mündlichen Anhörung erklärt hat, so hat er doch einen geringen Nachlasswert auch nicht ausschließen wollen. Er hielt es immerhin für denkbar, dass die Kosten der Wohnungsauslösung gedeckt wären und dass sogar noch etwas übrig bleiben könne, was dann sein Sohn hätte bekommen sollen.

ccc)

Der Beteiligte hat seine Anfechtung bei genauer Betrachtung aber auch nicht auf einen Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses gestützt. Aus seinem Vortrag ergibt sich vielmehr ein Irrtum über den Beginn der Ausschlagungsfrist. Die Ausschlagungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft und dem Berufungsgrund Kenntnis erlangt (§ 1944 Abs. 2 BGB). Dem Beteiligten war nach eigenem Bekunden zwar bekannt gewesen, dass er das Erbe nur binnen bestimmter, kurzer Frist ausschlagen könne. Er hat aber gemeint, dass diese Frist erst mit Erhalt des Erbscheins zu laufen beginne. In einem solchen Irrtum liegt nicht nur ein Irrtum über die Rechtsfolgen eines Verhaltens, der unbeachtlich wäre. Ein solcher Irrtum stellt sich vielmehr als Inhaltsirrtum dar.

§ 1943 BGB misst dem Verhalten des Erben nach Anfall der Erbschaft schlüssigen Erklärungswert zu. Lässt das Verhalten des Erben auf einen Annahmewillen schließen, dann gilt es auch als Annahme. Verhält sich der Erbe in entsprechender Weise, fehlt ihm tatsächlich jedoch der Wille, die Erbschaft endgültig zu behalten, so unterliegt er einem Irrtum über den Erklärungswert seines Verhaltens. Deshalb unterliegt derjenige, der trotz fehlenden Annahmewillens die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, weil er über ihr Bestehen, ihren Lauf oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs irrt, einem nach § 119 Abs. 1 BGB beachtlichen Irrtum über den Inhalt der von ihm durch schlüssiges Verhalten abgegebenen Erklärung (grundlegend RGZ 143, 419; Frieser/Schlünder, 4. Aufl. 2013, § 1954; Hausmann/Hohloch/Ruby/Uricher, Handbuch des Erbrechts, 2008, Kap. 2 Rnrn. 215 f; ebenso bei gänzlich fehlender Kenntnis vom Ausschlagungsrecht: BayObLGZ 1983, 153, 162 f; Damrau/Tanck, 3. Aufl. 2014, § 1954 Rn. 6; MüKoBGB/Leipold, § 1954 Rn. 6; Palandt/Weidlich, 74. Aufl. 2015, § 1954 Rn. 3; Staudinger/Otte, Bearb. 2008, § 1954 Rn. 4; anders bei ausdrücklicher Annahmeerklärung, BayObLG FamRZ 1996, 59, 61; BayObLG NJW 1988, 1270).

Einem derartigen Irrtum unterlag der Beteiligte. Er habe, so hat er behauptet, von Anfang an gegenüber dem Nachlassgericht deutlich gemacht, dass er nur zur Auflösung der Wohnung bereit sei, wenn es für ihn „mehr oder weniger bei ‚0‘“ bliebe. Um dies beurteilen zu können, habe er aber zunächst den Erbschein benötigt, denn erst danach habe der ehemalige Betreuer der Erblasserin ihm den Wohnungsschlüssel ausgehändigt. Nun erst habe er sich umfassend Auskunft darüber verschaffen können, was genau an Vermögen vorhanden gewesen sei. Diese Darstellung ist glaubhaft. Sie ist in sich stimmig und wird durch die Aussage des Zeugen Y insoweit, als es seine Person betrifft, bestätigt. Der Zeuge hat im Freibeweisverfahren gegenüber dem Senat auf telefonische Nachfrage hin erklärt, dass er vom Betreuungsgericht nachdrücklich angehalten worden sei, die Wohnungsschlüssel nur gegen Vorlage des Erbscheins herauszugeben.

Bei der Würdigung der Glaubhaftigkeit der Erklärungen des Beteiligten fällt ins Gewicht, dass ihm sein Vortrag über die Unkenntnis von der Überschuldung vor Erteilung des Erbscheins geglaubt werden kann. Ein erster Anhaltspunkt dafür, dass der Beteiligte tatsächlich erst am 25. Juli 2014 von dem offenen Kreditbetrag erfahren hat, ergibt sich schon aus dem Akteninhalt. Einem Vermerk auf Bl. 31 d.A. ist zu entnehmen, dass der Beteiligte am 18. August 2014 telefonisch gegenüber dem Nachlassgericht mitgeteilt hat, dass er mit einem Erbschein zur Bank gegangen sei und dort von dem Kredit erfahren habe. Er wolle diese Schulden nicht erben und die Erbschaft ausschlagen. Auch findet sich ein Telefonvermerk über den Anruf des Vermieters der Erblasserin bei dem Nachlassgericht in der Akte, demzufolge dieser von einem Telefonat mit dem Beteiligten berichtet hat, indem dieser ihm wiederum die Ausschlagung der Erbschaft wegen neuer Erkenntnisse angekündigt habe (Bl. 35 d.A.). Diese spontanen Erklärungen des Beteiligten sprechen bereits dafür, dass er tatsächlich erst durch den Gang zur Bank von dem Kredit erfahren hat. Jedenfalls nach Anhörung des Beteiligten bleiben daran keine Zweifel.

Zweifel an der Richtigkeit der Schilderung des Beteiligten ergeben sich nicht daraus, dass er dem Betreuer die Entlastung erteilt und auf die Erstellung einer Schlussrechnung verzichtet hat, ohne von diesem eine genaue Aufstellung der Verbindlichkeiten erhalten zu haben. Der Beteiligte hat nachvollziehbar geschildert, dass er dem Betreuer vollen Umfangs vertraut habe. Dies hält der Senat entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts keineswegs für völlig lebensfremd. Anlass dafür konnte für den Beteiligten schon sein, dass es sich bei dem Betreuer nicht um einen beliebigen Anwalt handele, den das Nachlassgericht ausgesucht hatte, sondern um einen Nachbarn der Betreuten, die sich ihn als Betreuer gewünscht hatte. Der Betreuer war sogar zu ehrenamtlicher Tätigkeit bereit gewesen. Überdies ging der Beteiligte davon aus, dass die Erblasserin ohnehin nicht über nennenswertes Vermögen verfügt hatte. Vor Allem aber hat der Zeuge in seiner schriftlichen Aussage die Darstellung des Beteiligten bestätigt.

Auch in anderer Hinsicht hat sich die Darstellung des Beteiligten bei seiner Anhörung und durch Befragung des Zeugen als richtig erwiesen. Der aktenkundigen Entlastungserklärung des Beteiligten für den Betreuer zufolge hätte der Beteiligte bereits am 29. Mai 2014 mit dem Betreuer gesprochen und ihm die Entlastung erteilt. Der Beteiligte hat dies in seiner Anhörung bestritten. Er hat im Einzelnen dargelegt, dass er erst Ende Juli 2014 im Rahmen der Wohnungsauflösung mit dem Betreuer über die Entlastung gesprochen und sie ihm erteilt habe. Der Zeuge Y hat dies auf telefonische Nachfrage des Senats als wohl richtig bestätigt. Er könne sich, so der Zeuge, nicht mehr mit Gewissheit erinnern, gehe aber wie der Beteiligte davon aus, dass das Datum der Entlastungsurkunde den Tag wiedergebe, an dem er sie vorbereitet habe. Er meine aber, er habe dann tatsächlich erst viel später mit dem Beteiligten darüber gesprochen, als er ihm gegen Vorlage des Erbscheins die Wohnungsschlüssel ausgehändigt habe. Eine frühere Entlastungserklärung durch den Beteiligten wäre nach Auffassung des Senats auch kaum sinnvoll gewesen. Erst nach dokumentierter Erbenstellung war eine Entlastungserklärung des Beteiligten für den Betreuer von Wert.

Die Schilderung des Beteiligten erweist sich nach Allem als in sich stimmig und, soweit überprüfbar, richtig. Ihr kann deshalb geglaubt werden.

ddd)

Die Ausschlagung ist dem Beteiligten nicht nach § 1943 BGB durch die bereits erfolgte Annahme der Erbschaft verwehrt. Allerdings hat der Beteiligte die Erbschaft angenommen. Er hat einen Erbschein beantragt und die Wohnung der Erblasserin aufgelöst. Mit beidem hat er den Willen zur Annahme der Erbschaft zum Ausdruck gebracht. Jedoch ist auch ein Verhalten, das auf einen Annahmewillen schließen lässt – wie etwa die Beantragung eines Erbscheins oder der Verbrauch von Nachlassgegenständen oder die Verfügung darüber – als Inhaltsirrtum anfechtbar, wenn dem Erben ein solcher Wille fehlte (Damrau/Tanck, § 1954 Rn. 6; MüKO BGB/Leipold, § 1954 Rn. 5; Palandt/Weidlich, § 1954 Rn. 3; Hausmann/Hohloch/Ruby/Uricher, Kap. 2 Rnrn. 235 – S. 189 -).

Auch einen solchen Irrtum hat der Beteiligte glaubhaft gemacht. Soweit es die Annahme durch Beantragung des Erbscheins angeht, folgt der Irrtum schon zwangsläufig aus dem oben behandelten Irrtum über den Beginn der Ausschlagungsfrist. Für den Beteiligten war der Erbschein nur die vermeintlich notwendige Voraussetzung für den Beginn der Ausschlagungsfrist. Es ist in diesem Zusammenhang hervorzuheben, dass die Niederschrift über den Erbscheinsantrag nicht den Satz enthält, dass der Beteiligte die Erbschaft angenommen habe. Dies passt zu seiner Erklärung, dass er sich zu diesem Zeitpunkt eben noch nicht entschieden habe. Der Beteiligte hat aber auch nachvollziehbar erklären können, weshalb er sich um die Auflösung der Wohnung gekümmert hat, bevor er sich über die Erbenstellung klar geworden ist. Er stand wegen der Beendigung des Mietverhältnisses unter Zeitdruck. Die finanzielle Belastung war gering; sie erschöpfte sich im Wesentlichen in den Entsorgungsgebühren in Höhe von 31,50 € und 13,50 €, die der Beteiligte seiner Darstellung in der Anhörung zufolge übernommen hat. Ein Kostenrisiko in dieser Höhe konnte er eingehen. Außerdem war ihm bekannt, dass seine Mutter eine Lebensversicherung zu seinen Gunsten in Höhe von 5.000,00 € abgeschlossen hatte, mit der er – so sein Verständnis – ihre Beerdigung habe bezahlen sollen. Zumindest mit dem hierbei zu erwartenden Restbetrag konnte er sich schadlos halten. Im Übrigen kann auf die oben dargestellte Würdigung zur Glaubhaftigkeit der Darstellung des Beteiligten verwiesen werden.

Der Erbschein ist nach allem als unrichtig einzuziehen. Da hierzu nur das Nachlassgericht befugt ist (§ 2361 BGB), war es entsprechend anzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts auf den §§ 61, 40 FamFG. Sie entspricht dem niedrigsten nach der Anlage 2 zum GNotKG anzusetzenden Wert.

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