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Erbscheinsantrag – Bindungswirkung

OLG Schleswig-Holstein, Az.: 3 Wx 45/16, Beschluss vom 15.05.2017

Der Beschluss des Amtsgerichts Elmshorn vom 05.08.2016 wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung – auch bezogen auf die Kostenentscheidung – an das Amtsgericht Elmshorn zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt 124.000,00 €.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob das Nachlassgericht zu Recht die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen festgestellt hat.

Der am 17.05.2015 verstorbene Erblasser hat insgesamt 4 Kinder hinterlassen, nämlich die Beteiligten zu 1 bis 4.

Es liegen zwei Testamente des Erblassers vor. Ein eigenhändiges Testament vom 08.06.2012 und ein notarielles Testament vom 03.02.2014.

Das handschriftliche Testament (Bl. 23 der BA 12 IV 418/15) lautet:

„Hiermit setze ich K-J U1 geb. 4.10.1935 meine Töchter D-B W1 geb. U1 8.02.1962 und B-B U1 geb. 13.6.1966 als Alleinerben ein. Wichtig ist mir, daß die Immobilie (Haus) und das Grundstück M. 18 … E1 zu gleichen Teilen in das alleinige Eigentum von D W1 und B-B U1 gehen.

H1 d. 8.6.2012

K-J U1“

Im Jahr 2014 ließ er zudem vor dem Notar D D1 am 03.02.2014 zur Urkundenrolle-Nr. 14/ 2… (Bl. 12 f. der BA 12 IV 418/15) das folgende Testament beurkunden:

㤠1 Widerruf

Alle Verfügungen von Todes wegen, die ich bisher errichtet habe, widerrufe ich hiermit, sodass nur die Regelungen in diesem Testament gültig sind.

§ 2 Erbeinsetzung

1) Ich setze hiermit meine beiden Töchter D-B W1, geb. U1 und B U1, zu meinen alleinigen und unbeschränkten Erben zu untereinander gleichen Teilen ein, ersatzweise deren Abkömmlinge.

2) Für den Fall, dass eine meiner Töchter, D-B W1 und B U1, sowie deren Abkömmlinge vor mir oder gleichzeitig mit mir versterben oder aus anderen Gründen nicht zur Erbfolge gelangen, setze ich meine Tochter A U1 zu meiner jeweiligen Ersatzerbin ein.

§ 3 Vermächtnis und Auflagen

Erbscheinsantrag - Bindungswirkung
Foto: strelok/Bigstock

Meine Erben werden mit folgenden Vermächtnissen und Auflagen beschwert:

a.) Auflagen

Für die aus meinen Erben bestehende Grundstücksgemeinschaft für das Haus M. 18 in E1 bestimme ich folgende Miteigentümervereinbarung im Sinne von § 745 Absatz 2 BGB zur Regelung der Verwaltung und Benutzung:

(1)

Meine Tochter D-B W1 geb. U1 erhält das alleinige Recht zur Verwaltung und Benutzung, insbesondere Vermietung, Gewinnziehung oder Nutzung als eigene Wohnung, der Wohnungen im Erdgeschoss links (Hochparterre) und 1. OG links im Hause M. 18 in E1 sowie an zwei Garagen, nämlich die äußerst links und rechts stehenden Garagen auf dem Grundstück M. 18 in E1.

(2)

Hinsichtlich der weiteren 3 Wohnungen und 1 Garage im Hause M. 18 in E1 sowie hinsichtlich sämtlicher Belange der äußeren Hülle des Hauses, des Grundstücks und der Garagen, also Instandhaltung und Instandsetzung, verbleibt es bei einer gemeinschaftlichen, gleichberechtigten Verwaltung und Benutzung meiner Erbinnen im Sinne von § 744 BGB.

(3)

Jede Erbin ist der anderen Erbin gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums hälftig zu tragen.

(4)

Diese Miteigentümervereinbarungen sind nur durch einstimmigen Beschluss sämtlicher Miteigentümer aufzuheben oder abänderbar.

(5)

Die Miteigentümervereinbarung ist im Grundbuch einzutragen.

b.) Vermächtnis

Meiner Tochter A U1 erlasse ich die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von ca. 15.000,00 Euro zum Kauf der Wohnung in der B. in E1.

§ 4 Pflichtteil

Soweit meine Tochter A U1 ihren Pflichtteil geltend machen sollte, entfällt das Vermächtnis zu ihren Gunsten und sie hat das von mir gewährte Darlehen zum Erwerb der Wohnung in der B. voll zurück zu zahlen.

§ 5 Enterbung

Meine Tochter C M schließe ich ausdrücklich, auch für den Fall einer Unwirksamkeit der übrigen Regelungen in diesem Testament, im Sinne von § 1938 BGB von der gesetzlichen Erbfolge aus.

§ 6 Kosten, Verwahrung, Sonstiges

Weitere Bestimmungen will ich heute nicht treffen.

Ich bin über die Bestimmungen des Pflichtteilsrechtes belehrt worden.

Der Notar hat darauf hingewiesen, dass eine steuerliche Beratung durch ihn nicht erfolgt.

Ich erkläre, noch nicht testiert zu haben und insbesondere nicht durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament an der vorstehenden letztwilligen Verfügung gehindert zu sein.

Ich trage die Kosten dieser Urkunde und ihrer amtlichen Verwahrung.“

Der Notar hatte sich vor der Beurkundung im Hinblick auf eine ihm bekannte Alkoholerkrankung des Erblassers vorsorglich ein ärztliches Attest über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers vorlegen lassen. Dieses ist ihm von dem Hausarzt des Erblassers Dr. L1 mit Schreiben vom 17.12.2013 (Bl. 36 d.A.) vorgelegt worden. Das ärztliche Attest lautet:

„Der oben genannte Patient befindet sich in unserer hausärztlichen Behandlung.

Es besteht nur ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, seine Geschäftsfähigkeit ist damit nicht eingeschränkt.“

Die Beteiligten zu 1 und 2 streiten sich darum, ob der Erblasser jeweils zur Zeit der Errichtung der Testamente testierunfähig war. Während die Antragstellerin Frau B-B U1 davon ausgeht, dass der Erblasser zur Zeit der Errichtung des notariellen Testamentes vom 03.02.2014 aufgrund seiner Demenz und eines beginnenden Korsakow-Syndroms nicht mehr testierfähig war, geht sie von einer Wirksamkeit des eigenhändigen Testaments vom 08.06.2012 aus. Die Beteiligte zu 2 geht demgegenüber davon aus, dass das handschriftliche Testament vom 08.06.2012 wegen vorübergehender Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam ist, demgegenüber jedoch das notariell errichtete Testament vom 03.02.2014 wirksam errichtet worden ist.

Das Amtsgericht Elmshorn hat mit Beschluss vom 05.08.2016 festgestellt, dass die zur Erteilung eines Erbscheins, der Frau B-B U1 und Frau D-B W1 als Erben zu je 1/2 ausweist, erforderlichen Tatsachen festgestellt sind. Die Richterin begründet den Beschluss im Wesentlichen wie folgt: Ein Erbschein weise aus, wer Erbe geworden ist. Vermächtnisse und sonstige Auflagen, die nicht die Anordnung einer Nacherbschaft oder Testamentsvollstreckung beträfen, seien in einem Erbschein nicht mit aufzunehmen. Das gleiche gelte für die Angabe des Testaments, aufgrund dessen die Erbfolge ausgewiesen werde. Zunächst sei zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorlägen, die Testierfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments vom 03.02.2014 anzuzweifeln. Die Antragstellerin trage dazu vor, dass ihr Vater aufgrund einer Demenz und eines beginnenden Korsakow-Syndroms nicht mehr in der Lage gewesen sei, die Bedeutung einer Verfügung von Todes wegen hinreichend zu erfassen. Demgegenüber stünden die Aussagen der weiteren Erben und des Notars, welcher ein Attest der behandelnden Hausärzte angefordert habe, ehe er das Testament beurkundet habe. Vorliegend bestünden keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser bei Verfassen des notariellen Testaments nicht testierfähig gewesen sei. Der beurkundende Notar habe dargelegt, welche Überprüfungen er zum Vorliegen der Testierfähigkeit unternommen habe, bevor er die Beurkundung vorgenommen habe. Dem Testament lasse sich entnehmen, dass sich der Erblasser sehr viele Gedanken gemacht habe, wie sein Nachlass aufzuteilen sei. Dies bestätige auch der Notar, der berichte, dass es vor der Beurkundung mehrere Gespräche und Entwürfe gegeben habe. Der Erblasser habe nach Erinnerung des Notars eigene konkrete Vorstellungen geäußert. Die Antragstellerin trage im Wesentlichen Vorgänge aus dem Frühjahr 2013 vor. In jener Zeit scheine der Erblasser tatsächlich in einem schlechteren Zustand gewesen zu sein. Dies belegten auch die Arztberichte vom 06.03.2013 und 05.06.2013. Allerdings ließen diese Arztberichte eher Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments vom 08.06.2012 aufkommen. Auf die Wirksamkeit des Testaments vom 08.06.2012 komme es hingegen gar nicht an. Im Jahr 2015 sei bei dem Erblasser eine leichte kognitive Störung attestiert worden. Im Mini Mental Test habe er 27 von 30 Punkten erhalten. Die Einsichts- und Urteilsfähigkeit sei als gegeben angesehen worden. Der mentale Zustand des Erblassers habe sich somit nicht seit Ende 2012 verschlechtert, sondern nach einer Stabilisierung wieder verbessert. Dem Gericht lägen ausreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erblasser bei Beurkundung des Testaments am 03.02.2014 testierfähig gewesen sei. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es nicht. Hinzu komme, dass bei beiden Testamenten die Erbinnen als Erben zu je 1/2 benannt worden seien. Die Frage der Wirksamkeit von Vermächtnissen habe demgegenüber mit dem Erbscheinsverfahren nichts zu tun sondern wäre ggf. durch die Berechtigten in einem streitigen Verfahren zu klären.

Der Beschluss ist der Beschwerdeführerin zu Händen ihres Rechtsanwalts am 09.08.2016 zugestellt worden (Bl. 54). Mit Schreiben vom 07.09.2016 (Eingang per Fax beim Amtsgericht Elmshorn am 08.09.2016) wendet sich die Beteiligte zu 1 gegen den Beschluss. Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass das Amtsgericht seine Entscheidung auf das Testament vom 03.02.2014 und nicht auf das Testament vom 08.06.2012 gestützt habe.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht Elmshorn offen gelassen, ob auf der Grundlage des Testaments vom 08.06.2012 ein Erbschein zu erteilen war.

Es trifft zwar zu, dass im Erbschein selbst der Berufungsgrund in der Regel nicht enthalten ist. Anderes gilt jedoch für den Erbscheinsantrag. Das Nachlassgericht ist nach herrschender Meinung streng an den gestellten Antrag gebunden (Keidel, 18. Aufl., FamFG, § 352 Rn. 106).

Im Unterschied zum Erbschein selbst ist die Angabe des Berufungsgrundes im Erbscheinsantrag erforderlich (Herzog in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2016, § 2353 Rn. 67).

Das Nachlassgericht kann nur entweder dem Antrag, einen Erbschein zu erteilen, so wie er gestellt ist, stattgeben oder ihn abweisen. Es ist nicht berechtigt, einen Erbschein mit einem anderen als dem beantragten Inhalt zu erteilen. Hierzu gehört auch die Angabe des Berufungsgrundes. Aus dieser Rechtslage folgt, dass auf einen Antrag, mit dem ein Erbrecht nur aufgrund einer letztwilligen Verfügung geltend gemacht wird, nicht ein Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt werden darf, selbst dann nicht, wenn der Erbe in beiden Fällen zu gleicher Quote berufen ist. Es ergibt sich daraus weiter, dass der Antrag des sowohl kraft Gesetzes wie letztwillig berufenen Erben, den Erbschein aufgrund der gesetzlichen Erbfolge oder der Verfügung von Todes wegen zu erteilen, grundsätzlich unzulässig ist. Nur wenn der Erbe bei Zweifeln über die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung durch das Gesetz in gleichem Umfang wie durch das Testament berufen erscheint, ist eine alternative Angabe des Berufungsgrundes im Rahmen eines Hilfsantrages, der auch im Wege der Auslegung festgestellt werden kann, erforderlich und gestattet. Der Erbscheinsantrag kann dann ausnahmsweise dahingestellt lassen, ob der Erbschein aufgrund der letztwilligen Verfügung oder Kraft Gesetzes zu erteilen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.9.1977, 20 W 359/77, Rechtspfleger 1978, 17; Bayrisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 11.4.1996 , 1 Z BR 163/95, NJW RR 1996, 1160 f.). Nichts anderes kann gelten, wenn verschiedene Testamente vorhanden sind, und sich ein Erbe entschließt, sein Erbrecht ausschließlich auf ein Testament zu stützen. Unter diesen Umständen ist die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage eines anderen Testaments nur dann möglich, wenn sicher feststeht, dass der Erbe die Erbschaft auch aus dem anderen Berufungsgrunde angenommen hat (Herzog in Staudinger, a.a.O., § 2353 Rn 67).

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, durfte das Nachlassgericht seine Entscheidung nicht auf das Testament vom 03.02.2014 stützen. Es wäre vielmehr gehalten gewesen, sich streng an den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 11.03.2016 zu halten und zu prüfen, ob auf der Grundlage dieses Erbscheinsantrages der begehrte Erbschein erlassen werden kann. Die Beteiligte zu 1 hat sich in ihrem Erbscheinsantrag ausdrücklich auf das eigenhändige Testament vom 08.06.2012 berufen und erklärt, der Auffassung zu sein, dass das notarielle Testament aufgrund der Testierunfähigkeit des Erblassers zu dem Zeitpunkt der Errichtung unwirksam ist. Hieraus und aus der Tatsache, dass sie sich mit ihrer Beschwerde gegen die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage des Testaments vom 03.02.2014 wendet, ist erkennbar, dass die Beteiligte zu 1 (zumindest derzeit) die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage des Testaments vom 03.02.2014 ablehnt. Eine Feststellung darüber, ob die Beteiligte zu 1 das Erbe aus dem Berufungsgrund (Testament vom 03.02.2014) angenommen hat bzw. ob sie überhaupt bereit ist, es anzunehmen, ist nach alledem nicht möglich.

Den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 11.03.2016 hat das Nachlassgericht somit bislang noch nicht beschieden. Unter Berücksichtigung auch der folgenden Gesichtspunkte erscheint dem Senat ermessensgerecht das Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.

Das Nachlassgericht wird sich mit der zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 umstrittenen Frage zu beschäftigen haben, ob der Erblasser testierunfähig war. Dazu weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

Grundsätzlich spricht eine Vermutung dafür, dass ein Erblasser testierfähig war. Um zu einer Unwirksamkeit des Testaments zu gelangen, muss eine Testierunfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Errichtung des Testaments sicher festgestellt werden können. Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist für die Feststellung der Testierunfähigkeit zunächst auf einer ersten Beurteilungsebene eine Krankheitsdiagnose erforderlich (vgl. Cording, ZEV 2010, 115 f), nämlich eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, eine Geistesschwäche oder eine Bewusstseinsstörung. Auf einer zweiten Beurteilungsebene muss festgestellt werden, dass diese psychische Erkrankung bzw. Störung dazu geführt hat, dass im Testierzeitpunkt ein Ausschluss der freien Willensbestimmung vorliegt, der Erblasser also nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Dafür müssen psychopathologische Funktionsdefizite festgestellt werden, die in ihrer Gesamtschau die Überzeugung von dem Ausschluss der freien Willensbestimmung zulassen.

Diese Feststellungen müssen sich konkret auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung beziehen. Dies bedeutet zwar nicht, dass Testierunfähigkeit nur festgestellt werden kann, wenn konkret für den Tag der Errichtung des Testamentes eine entsprechende Symptomatik bei dem Erblasser durch einschlägige Beweismittel nachgewiesen werden kann. Es ist nicht selten so, dass sich für den genauen Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine psychiatrisch verwertbaren Angaben finden. Das schließt die Feststellung von Testierunfähigkeit indes nicht unbedingt aus. Es kommt nämlich durchaus in Betracht, dass der Zustand des Erblassers zum relevanten Zeitpunkt anhand von vor und nach dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung dokumentierten Befunden bzw. Verhaltensbeobachtungen interpolierend erschlossen wird, wozu Sachverständige dem Gericht Hilfestellung leisten können. Eine solche Interpolation ist möglich, wenn mindestens zu einem Zeitpunkt vor und mindestens zu einem Zeitpunkt nach der fraglichen Testamentserrichtung krankheitswerte Zustände belegt sind, bei denen die Voraussetzungen für eine freie Willensbestimmung nicht mehr gegeben sind und wenn der Krankheitsverlauf in diesem Krankheitsabschnitt konstant oder ansteigend verschlechternd gewesen ist, wobei evtl. Schwankungen des Zustandsbildes unerheblich sind, solange sie nicht die Schwelle rechtserheblicher Besserungen überschreiten. Geht es um chronisch verlaufende Störungen wie insbesondere demenzielle Syndrome, müssen die im fraglichen Zeitraum vorhandenen Dauerveränderungen festgestellt werden. Sind im Rahmen einer derartigen Erkrankung ihrem Wesen nach chronische, psychopathologische Symptome belegt, die Testierunfähigkeit bedingen, so sind kurzfristige, Stunden oder auch Tage dauernde luzide Intervalle mit der Wiedererlangung der Urteilsfähigkeit von demjenigen zu beweisen, der sie behauptet (Senat Beschluss vom 09.07.2014, 3 Wx 7/14; BayObLG FamRZ 1991, 990 f; Cording, ZEV 2010, 115, 120).

Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat der Senat Bedenken, ob auf der derzeitigen Aktenlage mit den derzeit bekannten Gutachten, Attesten und Dokumentationen ausreichend Anknüpfungstatsachen für die Einholung eines Gutachten vorhanden sind.

Das erste Testament ist am 08.06.2012 errichtet worden. Die erste in der Akte befindliche ärztliche Stellungnahme ist der Arztbericht des Zentrums für Psychiatrie und Psychotherapie des A1 Krankenhauses (Prof. Dr. med. H. B1) vom 06.03.2013, in dem eine demenzielle Entwicklung und ein (beginnendes) Korsakow-Syndrom diagnostiziert wird. Zwischen Abfassung des Testaments und Arztbericht liegen damit rund 9 Monate.

Auch das Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vom 04.04.2013 spricht von einer Korsakow-Demenz.

Die beiden Atteste des Herrn P1 – praktischer Arzt – von Juni 2013 Blatt 11 und post Mortem von Mai 2016, Bl. 70, knüpfen im Ausgangspunkt an diesen ausführlichen Arztbericht an und lassen nicht erkennen, dass dort eigene zusätzliche Erkenntnisse vorlagen.

Das notarielle Testament ist am 03.02.2014 errichtet worden. Der beurkundende Notar hatte sich vor der Beurkundung eine ärztliches Attest vom 17.12.2013 vorlegen lassen, in dem der behandelnde Arzt Dr. L1 dazu kommt, dass beim Erblasser nur ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom vorliegt, das seine Geschäftsfähigkeit nicht einschränkt.

Eine spätere Untersuchung des Erblassers im April 2015 – psychiatrisches Konsil – vom 13.04.2015 hat nur leichte kognitive Störungen ergeben. Der Erblasser hat dort einen Minimal-Mental Test abgelegt, der 27 von 30 Punkten ergeben hat. 30 Punkte stehen für uneingeschränkte kognitive Funktionen.

Weitere Erkenntnisse liegen bislang nicht vor. Damit aber fehlt es derzeit wohl an ausreichenden Anknüpfungstatsachen, insbesondere an psychopathologischen Umständen, die die Testierunfähigkeit belegen könnten und zu denen ein Gutachter befragt bzw. an die er anknüpfen könnte. Solche ergeben sich auch nicht aus den Schriftsätzen der Beteiligten zu 1, einschließlich ihrer Telefonat-Abschriften. Die Beteiligte zu 1 will sich wohl hauptsächlich darauf stützen, dass ihr der Erblasser aber doch eine bestimmte Wohnung aus dem Haus zugesagt habe.

Über die Kosten hatte der Senat nicht zu entscheiden. Vielmehr hat das Amtsgericht über die Kosten – und zwar auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens – zu entscheiden (Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 69 Rn. 39 a).

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