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Geltendmachung eines Anspruchs aus testamentarischem Vermächtnis

Rechtsstreit um Testamentarisches Vermächtnis und Vorsorgevollmacht: Ein Dilemma zwischen Erbanspruch und Vollmachtsmissbrauch

Der Fall dreht sich um einen komplizierten Erbstreit, in dem der Kläger Ansprüche aus einem testamentarischen Vermächtnis geltend macht. Die Beklagten, die Töchter der verstorbenen Erblasserin, sind Alleinerbinnen und wurden durch eine Vorsorgevollmacht ermächtigt, in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu handeln. Der Hauptkonflikt entsteht durch die Auslegung dieser Vorsorgevollmacht und die Frage, ob die Beklagten diese missbraucht haben, um die Erfüllung des Vermächtnisses zu vereiteln.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 3962/1  >>>

Vollmacht und Testament: Ein Spannungsverhältnis

Die Erblasserin hatte ihren Töchtern eine Vorsorgevollmacht erteilt, die es ihnen erlaubte, in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu handeln. Diese Vollmacht sollte insbesondere dann zum Tragen kommen, wenn die Erblasserin aufgrund von körperlichen oder geistigen Gebrechen nicht mehr in der Lage wäre, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Gleichzeitig hatte die Erblasserin ein Testament verfasst, in dem sie dem Kläger ein Haus vermacht hatte.

Schenkung als Wendepunkt

Die Töchter der Erblasserin schlossen kurz vor dem Tod ihrer Mutter einen Schenkungsvertrag ab, durch den ein Grundstück, das ursprünglich dem Kläger vermacht worden war, an die Enkelin der Erblasserin ging. Dies geschah unter Nutzung der Vorsorgevollmacht. Der Kläger argumentiert, dass die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschäftsfähig war und die Voraussetzungen für die Aktivierung der Vorsorgevollmacht nicht gegeben waren.

Missbrauch der Vorsorgevollmacht?

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten die Vorsorgevollmacht missbraucht, um die Schenkung vorzunehmen und damit die Erfüllung des testamentarischen Vermächtnisses zu vereiteln. Er argumentiert, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Schenkung ihren Willen nicht mehr äußern konnte und die Bedingungen für die Aktivierung der Vorsorgevollmacht nicht erfüllt waren.

Urteil und Rechtsfolgen

Das Landgericht München I entschied, dass die Beklagten dem Kläger einen Betrag von € 105,26 zahlen müssen, wies jedoch den Großteil der Klage ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Kläger auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings nur gegen eine Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages durch die Beklagten.

Der Fall wirft wichtige Fragen zur Auslegung und zum möglichen Missbrauch von Vorsorgevollmachten im Kontext von Erbstreitigkeiten auf. Er zeigt die Notwendigkeit einer klaren Regelung und Kommunikation, insbesondere wenn mehrere Rechtsinstrumente wie Testamente und Vollmachten parallel existieren.

Testamentarisches Vermächtnis –  kurz erklärt


Ein testamentarisches Vermächtnis ist eine spezielle Form der letztwilligen Verfügung, die es ermöglicht, einer Person einen bestimmten Vermögensvorteil zuzuwenden, ohne diese als Erben einzusetzen. Der Erblasser kann beispielsweise eine bestimmte Person mit einer wertvollen Antiquität oder einer Geldsumme bedenken. Die Person, die durch das Vermächtnis begünstigt wird, wird als Vermächtnisnehmer bezeichnet.

Das Vermächtnis ist bindend, wenn es in einem Testament oder Erbvertrag festgelegt ist. Es muss schriftlich fixiert sein, entweder in einem handschriftlichen oder notariellen Testament oder in einem Erbvertrag. Existiert keine schriftliche Verfügung, kann es kein Vermächtnis geben.

Im Gegensatz zum Erben hat der Vermächtnisnehmer keinen Anspruch auf einen Anteil am gesamten Nachlass, sondern nur auf den konkret zugewendeten Vermögensvorteil. Das Vermächtnis wird aus dem Nachlass erfüllt, bevor die Erben ihren Anteil erhalten.

Es ist wichtig, das Vermächtnis im Testament klar und eindeutig zu formulieren, um Missverständnisse und Streitigkeiten zu vermeiden. Zudem sollte bedacht werden, dass auf Vermächtnisse Erbschaftsteuer anfallen kann, abhängig vom Wert des Vermächtnisses und dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 3 O 3962/1 – Endurteil vom 23.02.2021

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 105,26 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.04.2019 zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

IV.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch den Kläger in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt bis zum 24.09.2020 auf € 1,2 Mio., ab dem 24.09.2020 auf € 2,5 Mio.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus testamentarischem Vermächtnis geltend.

Die Beklagten sind Alleinerbinnen nach der am 25.08.2017 verstorbenen Frau ….

Die Erblasserin hatte unter dem 17.12.2012 eine notarielle „Vorsorgevollmacht“ (ausschließlich für vermögensrechtliche Angelegenheiten und unternehmensbezogene Vollmacht) zu Gunsten ihrer Töchter, den hiesigen Beklagten erteilt (K6). Diese Vollmacht umfasste gemäß Ziffer 2. b das Recht, über Vermögensgegenstände jeder Art, insbesondere über Grundstücke zu verfügen. In der Vollmacht heißt es auszugsweise:

„Die Vollmacht gilt gegenüber jedermann, insbesondere gegenüber Gerichten und Behörden, Krankenkassen und Versicherungen, Pflege- und sonstigen Heimen, Ärzten und Krankenhäusern, Banken, Sparkassen und sonstigen Kreditinstituten.

Sollte ich künftig geschäftsunfähig werden oder in meiner Geschäftsfähigkeit beschränkt sein, hat dies auf den Fortbestand der Vollmacht keinen Einfluss.

Ich erteile die Vollmacht als Vorsorge für den Fall, dass ich künftig aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage sein sollte, meine vermögensrechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise selbst zu besorgen, und dass deswegen ohne diese Vollmacht ein Betreuer für mich bestellt werden müsste.

Den Bevollmächtigten beauftrage ich daher, von dieser Vollmacht erst Gebrauch zu machen, wenn ich wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außer Stande bin, meine vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst zu regeln und meinen Willen zu äußern.

Diese Einschränkung ist aber nur an den Bevollmächtigten gerichtet. Im Außenverhältnis, also gegenüber denjenigen, gegenüber denen von den Vollmacht Gebrauch gemacht wird, ist die Vollmacht uneingeschränkt; dies gilt auch und insbesondere für die unter nachfolgende 5. formulierten Abstimmungs- und Ermächtigungserfordernisse.

Der Notar hat mich darüber informiert, dass der Bevollmächtigte mich wirksam vertreten kann, sobald er eine Ausfertigung dieses Dokuments in der Hand hält, auch wenn der vorsorgefall noch nicht eingetreten ist. Bei einem Missbrauch der Vollmacht macht sich der Bevollmächtigte aber schadensersatzpflichtig, u.U. sogar strafbar.“

Weiterhin enthielt die Vollmacht eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (Ziffer 6).

Am 24.03.2015 errichtete die Erblasserin vor dem Notar Dr. … ein notarielles Testament, wobei sie als Entwurf ein früheres Testament vom 16.10.2013 benutzte (K3). Mit diesem Testament setzte sie ihre beiden Töchter, die Beklagten, als Alleinerbinnen ein. Weiter verfügte sie Vermächtnisse. Zu Gunsten des Klägers enthält dieses Testament folgende Anordnungen:

„5. Mein Haus in der …straße 19 erhält mein Patenkind, …, mit der Auflage Frau … so lange sie will darin wohnen zu lassen.“

12. Mein vorhandenes Bargeld wird in 19 Teile aufgeteilt. Es erhalten:

1. Teil … …“

Ebenfalls am 24.03.2015 erteilte die Erblasserin der Beklagten zu 2) eine Schenkungsvollmacht zu Gunsten eines nicht streitgegenständlichen Anwesens in der …straße 6 und 8 in …; unter dem 17.04.2015 errichtete die Erblasserin einen Nachtrag zum vorgenannten Testament mit Verfügungen in Bezug auf die Immobilie …traße 6 und 8 in ….

Die Beklagtenseite legte im Laufe des Rechtsstreits ein privatschriftliches Schreiben (B1) mit folgendem Text vor:

„Schenkung der Miteigentumsanteile …straße 19 an meine Enkelin …

Ich, Frau …, möchte meine Miteigentumsanteile an dem Grundstück …straße 19 in …, meiner Enkelin …, geboren am 27. Juli 1997, schenken. Meine Töchter … und … bitte ich, die Schenkung unter Nutzung der von mir erteilten Vollmachten zu vereinbaren und zu vollziehen. Ich bin mir darüber im Klaren und es ist mein Wunsch, dass aufgrund der Schenkung der Miteigentumsanteile an dem Grundstück …straße 19 an meine Enkelin das in meinem Testament vom 24. März 2015 vorgesehene Vermächtnis über dieses Grundstück ersatzlos entfällt.

…, den 12. Juli 2017 …“

Es folgt eine Unterschrift.

Weiter legt die Beklagtenseite ein wortgleiches Schreiben vom 12.07.2017 (B2) vor, das eine weitere Schenkung von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück in der …straße in … zu Gunsten einer anderen Enkelin beinhaltet.

Unter dem 12.07.2017 wurde vor dem Notariat … in … ein notarieller „Schenkungsvertrag und Auflassung“ errichtet (K7). Diese Urkunde beinhaltet einen Schenkungsvertrag zwischen der Erblasserin sowie ihrer Enkelin …, wobei die Erblasserin mit dieser Urkunde ihrer Enkelin als Schenkungsgegenstand den vorliegend streitgegenständlichen Grundbesitz in der …straße 19 in … schenkt. Vor dem Notar anwesend war die Beklagte zu 1) „handelt nicht für sich persönlich, sondern … aufgrund deren Ausfertigung noch nachzureichenden und dieser Urkunde in beglaubigter Abschrift beizufügenden Vorsorgevollmacht des Notars Dr. … … vom 17. Dezember 2012 als einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte ihrer Mutter, Frau … …“. Weiter anwesend war die Beklagte zu 2), ebenfalls „handelnd nicht für sich persönlich, sondern aufgrund der in Ausfertigung noch nachzureichenden und dieser Urkunde in beglaubigter Abschrift beizufügenden Vorsorgevollmacht des Notars … … vom 17. Dezember 2012 als einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte ihrer Mutter Frau … …“

Die Enkelin … ist als Eigentümerin für den streitgegenständlichen Grundbesitz in der …straße 19 in … eingetragen (K8).

Der Kläger trägt vor, er sei anspruchsberechtigt hinsichtlich des durch die Erblasserin angeordneten testamentarischen Vermächtnisses im notariellen Testament vom 24.03.2015. Die Erblasserin habe das Anwesen …straße 19 dem Kläger vermächtnisweise zugedacht; die Beklagten vereitelten rechtswidrig die Vermächtniserfüllung. Die Schenkung der Immobilie sei angesichts des nahe erwartbaren Todes der Erblasserin erfolgt. Diese sei am 12.07.2017 außerstande gewesen, ihren rechtsgeschäftlichen Willen zu äußern. Die Vorsorgevollmacht vom 17.12.2012 sei missbraucht. Die Bedingungen für die Vorsorgevollmacht seien nicht eingetreten. Der Beklagten zu 1) sei es offenbar darum gegangen, unter formaler Ausnutzung der Vorsorgevollmacht eine Schenkung zum Nachteil der Erblasserin vorzunehmen. Die einschränkende aufschiebende Bedingung der Vorsorgevollmacht sei am 12.07.2017 noch nicht eingetreten gewesen. Grundstücksschenkungen seien überdies nicht von der Vorsorgevollmacht umfasst gewesen. Insoweit hätten die Beklagten mit ihrer Enkelin kollusiv zum Nachteil der Erblasserin zusammengewirkt.

Weiter trägt der Kläger vor, die Erblasserin habe den Inhalt des Dokuments am 12.07.2017 kognitiv nicht mehr erfassen können. Die vollständige Authentizität der Ermächtigung vom 12.07.2017 wird bestritten, insbesondere die Urheberschaft der Erblasserin. Möglicherweise liege eine Blankounterschrift vor. Im Übrigen sei der Auftrag vom 12.07.2017 wegen tatsächlicher Bindungswirkungen unwirksam und formnichtig. Im Übrigen stelle die testamentarische Regelung ein Verschaffungsvermächtnis zu Gunsten des Klägers dar.

Weiter trägt der Kläger vor, die Erblasserin habe unter dem Begriff „Bargeld“ ihr gesamtes Geldvermögen gemeint, das private Bankkonten, Scheine und Münzen, und eben auch Buchgeld umfasse. Gemeint seien nicht nur zuhause aufbewahrte Scheine und Münzen.

Der Kläger beantragt daher zuletzt,

1. Die Beklagten werden verurteilt an den Kläger den Grundbesitz, bestehend aus

a. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen …straße 19, vorgetragen im Grundbuch von … beim Amtsgericht …, Band …, Blatt …, lfd. Nr. x, Flurstück …/xx, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung samt vier Kellerräumen und Garage Nr. 1 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit Benützungsrecht für die Stadt …, Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt … und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück …, und

b. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen …straße 19, vorgetragen im Grundbuch von … beim Amtsgericht …, Band …, Blatt …, lfd. Nr. x, Flurstück …/xx, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung, Keller Nr. 2 lt. Aufteilungsplan lediglich belastet in Abteilung II, mit Benützungsrecht für die Stadt …, Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt … und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück 298a und Warmwasserboilernutzungsrecht für den jeweiligen Inhaber des Wohneigentums Nr. 1, und

c. 1/3 Miteigentumsanteil am Anwesen …straße 19, vorgetragen im Grundbuch von … beim Amtsgericht …, Band …, Blatt …, lfd. Nr. x, Flurstück …/xx, verbunden mit dem Sondereigentum an Wohnung, Speicher Nr. 3 lt. Aufteilungsplan, lediglich belastet in Abteilung II mit Benützungsrecht für die Stadt …, Reallast – Straßenunterhaltungs- und Beleuchtungsverpflichtung – für die Stadt … und Bau- und Gewerbebetriebs- und Benützungsbeschränkung für den jeweiligen Eigentümer von Flurstück …

mit Ausnahme der vorgenannten Lasten lastenfrei aufzulassen, die Eintragung des Eigentumsübergangs auf die Kläger zu bewilligen und herauszugeben.

2. Die Beklagten werden im Wege der Stufenklage verurteilt:

a. Auskunft über (i) den Bestand des Bargelds (verkörpertes Geld, d.h. Banknoten/Geldscheine und Geldmünzen sowie des Buchgelds, d.h. Forderungen gegenüber einer Bank auf Geldauszahlung) und (ii) die Höhe der Verfügungen über dieses zu Lebzeiten, insbesondere durch Banküberweisungen, unter Ausnutzung der zu Urkunde des Notars Dr. …, …, vom 17. Dezember 2017 (UR-Nr. … / …) erklärten Vorsorgevollmacht der am 25.08.2017 verstorbenen Frau … zum Todeszeitpunkt durch Vorlage eines Verzeichnisses zu erteilen.

b. Für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die Beklagten im dem Verzeichnis den Bestand des Bargelds so vollständig und richtig angeben, als sie dazu in der Lage sind.

c. Nach Auskunftserteilung an den Kläger den Anteil hieraus von 1/19 des sich nach dem Klageantrag lit. a. ergebenden Bestands an Bargeld (nebst aller lebzeitigen Verfügungen hierüber, insbesondere unter Ausnutzung der Vorsorgevollmacht), höchstens jedoch 1.000.000,00 nebst 5% Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Erblasserin sei unerwartet verstorben. Die Erblasserin habe ihre Töchter, die Beklagten, ausdrücklich angewiesen, mithilfe der erteilten Vollmachten, die streitgegenständlichen Immobilienanteile auf die Enkelin … zu übertragen. Diese sei sich vollständig darüber im Klaren gewesen, dass das dem Kläger zugewandte Vermächtnis entfallen würde; dies stelle kein Verschaffungsvermächtnis dar. Die abgegebenen Erklärungen hätten dem geäußerten Willen der Erblasserin entsprochen. Vollmachten seien nicht überschritten worden. Die Unterschrift unter dem Schreiben vom 12.07.2017 stamme von der Erblasserin und sei in vollem Bewusstsein in Deckung des vorstehenden Textes erfolgt. Diese schriftlich dokumentierte Weisung modifiziere lediglich die notarielle Vorsorgevollmacht. Formunwirksamkeiten lägen keine vor.

Hinsichtlich des Geldvermächtnisses führen die Beklagten aus, die Formulierung „Mein vorhandenes Bargeld“ umfasse den aufgefundenen Bargeldbetrag in Scheinen und Münzen in Höhe von – im Folgenden unbestritten – „aufgerundet 2.000,00 €“, wobei dem Kläger 1/19, also der Betrag in Höhe von 105,26 € zustehe. Gemeint seien nicht Konten oder weitere Depotvermögen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 21.05.2019 (Bl. 40/42 d. A.), vom 24.09.2019 (Bl. 77/82 d.A.) sowie vom 12.01.2021 Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 02.07.2019 (Bl. 65/68 d.A.) durch Einvernahme des Notars Dr. … sowie des Zeugen ….

Das Gericht hat weiter Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 22.10.2019 (Bl. 92/94 d. A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Echtheit der Unterschrift der Erblasserin unter das Schriftstück vom 12.07.2017 (B1). Das Gutachten vom 30.07.2020 befindet sich auf Bl. 116/138 d.A., die ergänzende Stellungnahme vom 02.10.2020 auf Bl. 156/157 d.A.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich, mit Ausnahme des zuzusprechenden Bargeldbetrages, als unbegründet.

I. Wirksamkeit der Immobilienübertragung mit Vertrag vom 12.07.2017; kein Vermächtnisanspruch

Gemäß § 2174 BGB wird durch das Vermächtnis für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten, also vorliegend den Beklagten, die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern.

Vorliegend besteht der Anspruch auf Übertragung der begehrten Immobilien in der …strasse in … nicht, da die Erblasserin sich zu deren Veräußerung verpflichtet hatte (§ 2169 Abs. 4 BGB). Die Immobilien waren daher nicht mehr als zum Nachlass gehörend anzusehen. Dies bezieht sich auch auf einen verkauften und nur noch nicht übergebenen Gegenstand, da er der Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr wirtschaftlich gehört hatte (vgl. Palandt, BGB, § 2169, Rdzi. 8).

1. Das Gericht geht nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die Erblasserin selbst ihre Unterschrift in kognitiver Erfassung der Handlung bewusst unter dem Text der Weisung vom 12.07.2017 (B1) setzte. Es hat sich insbesondere nicht um eine Blankounterschrift gehandelt. Die Unterschrift stammte von der Erblasserin, die offenkundig ihre Handlungen so wollte.

Für Formunwirksamkeiten oder Fälschungen ist derjenige beweispflichtig, der sich darauf beruft. Die Klageseite hat hier schon nach Verfahrensständen unterschiedlich vorgetragen. So führt sie im Schriftsatz vom 21.03.2019 (Bl. 13 d.A.) aus, es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Erblasserin am 12.07.20217 außerstande gewesen sei, ihren (rechtsgeschäftlichen) Willen zu äußern. Im späteren Verlauf des Rechtsstreits führte sie mit Schriftsatz vom 11.06.2019 (Bl. 49 d.A.) aus, am 12.07.2017 habe die Erblasserin den Inhalt des Dokuments kognitiv nicht mehr erfassen können, diese sei bereits so schwer erkrankt gewesen, dass mit ihrem zeitnahen Versterben jederzeit habe gerechnet werden müssen.

Das Gericht hat hierzu den Zeugen … gehört. Der Zeuge … führte aus, er sei bei der Unterschriftssituation selbst nicht anwesend gewesen. Er könne sich nicht vorstellen, dass seine verstorbene Frau, die Erblasserin, Blankounterschriften erteilt hätte. Der Zeuge … gab an, die Unterschrift seiner verstorbenen Frau habe jeweils anders ausgeschaut.

Im Übrigen kam die Sachverständige Dipl.-Psychologin … in ihrer gutachterlichen Stellungnahme nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die fragliche Unterschrift mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Erblasserin selbst gefertigt worden war. Die Sachverständige hatte hierbei 18 Vergleichsunterschriften zur Verfügung und erkannte in der späteren Folge eine deutliche Beeinträchtigung der Schreibfertigkeit. Dies erklärt wiederum die Schwankungen im Unterschriftsbild der Erblasserin, wie sie in verschiedenen Dokumenten, so vom 10.07.2017 zur Zustimmung einer Darlehensaufnahme durch die … GmbH & Co. Verwaltungs KG, der weiteren Schenkung an die Enkelin … (B2) sowie das weitere, den hiesigen Streitgegenstand betreffende Dokument vom 12.07.2017 (B1) betreffen. Unterschriftenschwankungen sind hierbei in der letzten Lebensphase, zumal im Rahmen einer Parkinsonerkrankung, nicht außergewöhnlich. Daher geht das Gericht von der Echtheit der Unterschrift aus.

Hinsichtlich der Situation einer behaupteten Blankounterschrift bzw. der kognitiven Fähigkeiten der Erblasserin kommt dem Klagevortrag keine überwiegende Glaubwürdigkeit zu. Die Klagepartei selbst behauptet hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten situativ Unterschiedliches. Selbst ein naher Tod würde für sich genommen noch nicht bedeuten, dass krankheitsbedingt die Erblasserin nicht erfasst haben sollte, was sie unterschrieben hat. Vorliegend waren im Übrigen zwischen der Errichtung der privatschriftlichen Urkunde vom 12.07.2017 und dem Todeseintritt am 25.08.2017 sechs Wochen. Dies ist kein ganz kurzer Zeitraum. Im Übrigen hat die Erblasserin offensichtlich ab Ende 2016 noch Überweisungen getätigt, am Geschäftsleben teilgenommen und diverse Unterschriften geleistet. Dies ergibt sich aus zur Begutachtung der Sachverständigen … beigefügten eingeholten Überweisungsträgern und weiteren Urkunden. Weiter hat sich der Hausarzt, der die Erblasserin ab dem 01.08.2017 nach Unterschriftsleistung behandelte, notiert, dass die Patientin „im Kopf vollkommen klar ist“. Der Hausarzt erklärt im Übrigen die Veränderung der Unterschrift durch Morbus Parkinson (Stellungnahme vom 11.05.2020 an die Gutachterin …). Hierzu liefert die Klageseite keine weiteren Anknüpfungstatsachen, die auf eine Situation substantiiert hindeuten würde, dass die Erblasserin am 12.07.2017 nicht orientiert gewesen sei.

Das Gericht geht damit davon aus, dass in tatsächlicher Hinsicht die Unterschrift von der Erblasserin unter ein von ihr erfasstes Dokument selbst gesetzt wurde.

2. Die Übertragung des Grundbesitzes auf die Enkelin ist formwirksam erfolgt, sie war insbesondere von der notariellen Vollmacht (K6) vom 17.12.2012 getragen, wobei die Erblasserin selbst im Rahmen dieser Vollmacht eine formfrei mögliche schriftliche Weisung erteilt hat.

Die sogenannte „Vorsorgevollmacht“ vom 17.12.2012 umfasste insbesondere das Recht, über Vermögensgegenstände jeder Art, insbesondere über Grundstücke, zu verfügen (Ziffer 2 b). Eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ist erteilt (Ziffer 6). Die Vollmacht selbst ist nach notarieller Belehrung umfassend, wobei Beschränkungen hinsichtlich der Vorsorge, für den Fall, dass die Erblasserin künftig aufgrund einer psychischen Erkrankung oder körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderungen nicht mehr in der Lage sein sollte, ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, nur an den Bevollmächtigten gerichtet ist. Im Außenverhältnis ist die Vollmacht uneingeschränkt, wobei eine notarielle Belehrung darüber erfolgt ist, dass der Bevollmächtigte die Erblasserin wirksam vertreten konnte, sobald er eine Ausfertigung dieses Dokuments in der Hand hält, auch wenn der Vorsorgefall noch nicht eingetreten ist. Diese Vollmacht lag ausweislich des notariellen Vertrages vom 12.07.2017 (K7) zur Schenkung und Auflassung des streitgegenständlichen Grundstücks vor.

Dem gegenüber ist eine Einzelweisung, wie das Schriftstück vom 12.07.2017, im Rahmen dieser Vollmacht formfrei möglich. Nach § 182 Abs. 2 BGB bedarf die Zustimmung, also Einwilligung und Genehmigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form. Sie ist grundsätzlich formfrei und bedarf nicht der für das Hauptgeschäft bestimmten Form. Formfrei sind daher Zustimmungen zur Auflassung oder zu einem gemäß § 311 b Abs. 1 BGB formbedürftigen Vertrag, wobei die Zustimmung auch dann formfrei ist, wenn eine Vollmacht formbedürftig wäre (vgl. Palandt, a.a.O., § 182, Rdzi. 2).

Das Grundstücksgeschäft war gemäß § 311 b Abs. 1 BGB formbedürftig; auch die Vollmacht zu diesem formbedürftigen Geschäft war formbedürftig. Die Form der Vollmacht ist jedoch durch die notarielle Vorsorgevollmacht gewahrt. Bei dem Schreiben vom 12.07.2017 handelt es sich lediglich um eine formfreie Einzelweisung. Weisung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Auftraggebers, durch die er im Rahmen des Auftragsverhältnisses einseitig einzelne Pflichten des Beauftragten bei Ausführung des Auftrags für diesen bindend konkretisiert (vgl. Palandt, a.a.O., § 665, Rdzi. 2). Diese Einzelweisung war jedoch gemäß § 182 Abs. 2 BGB formfrei.

3. Im Übrigen begründet die testamentarische Vermächtnisanordnung kein Verschaffungsvermächtnis im Sinne von § 2170 BGB. Ein Verschaffungsvermächtnis ist auf einen Gegenstand gerichtet, der nicht zum Nachlass gehört, wobei der Beschwerte dann den Gegenstand anzuschaffen hat oder gegebenenfalls Wertersatz leisten muss. Es kommt damit darauf an, ob die Erblasserin den nicht mehr zur Erbschaft gehörenden Gegenstand, also die Immobilie, an den Vermächtnisnehmer auch für den Fall der Nichtzugehörigkeit zum Nachlass zuwenden wollte (vgl. Palandt, a.a.O., § 2169, Rdzi. 2). Vorliegend hatte die Erblasserin aber ausdrücklich in ihrem Schreiben vom 12.07.2017 verfügt, dass das vorgesehene Vermächtnis über dieses Grundstück ersatzlos entfällt. Damit ist insoweit der Erblasserwille klar. Der Gegenstand ist damit nicht mehr Nachlassgegenstand (§ 2169 Abs. 4 BGB).

II. Bargeld

Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht das Gericht davon aus, dass die Erblasserin den aus dem Vermächtnis berechtigten Kläger das aufgefundene Bargeld in Scheinen und Münzen zu 1/19 vermachen wollte. Ziel einer Testamentsauslegung ist es, den wirklichen und realen Willen des Erblassers zu erforschen. Die Testamentsauslegung soll klären, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte, wobei stets auf den Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen ist (Palandt, a.a.O., § 2084, Rdzi. 1 ff).

Hierzu konnte der als Zeuge vernommene Notar Dr. … Angaben machen. Dieser äußerte, er erinnere sich an den Testiervorgang, er sei am 24.03.2015 herausgefahren. Es sei sehr selten, dass außerhalb des Gerichtsbezirks ein Testament aufgenommen werde. Aus seiner Sicht habe es keinen Anlass gegeben, den Begriff „Bargeld“ zwischen der Erblasserin und ihm zu erörtern. Der Begriff des „Bargeldes“ habe sich bereits im vorigen Testament vom 16.10.2013 befunden. Der Zeuge gab seine Interpretation dahingehend an, dass die Erblasserin einer Generation angehörte, die Geld durchaus noch zuhause aufbewahrte. Vor diesem Hintergrund gab der Zeuge an, dass er meine, dass physisches Geld, was zuhause vorhanden war, gemeint war. Die Erblasserin sei im Übrigen schwach, aber orientiert gewesen, der Beurkundungsvorgang habe mindestens 60 Minuten, eher 90 Minuten, gedauert. Die Erblasserin habe gewusst, was sie tat.

Innerhalb der Testamentsurkunde fällt auf, dass die Erblasserin durchaus kleinräumige Verfügungen traf, darunter Losverfahren über Verteilung des Schmucks, den Verbleib von Möbeln und das Testament auch Leerstellen (Ziffern 8, 9) enthält. Auch spricht das Testament von „vorhandenes Bargeld“. Unter „vorhanden“ ist regelmäßig ein physischer Zustand gemeint, die körperliche Anwesenheit. Dies ist regelmäßig bei Münzen und Scheinen gegeben, nicht bei depotoder bankgelagerten weiteren Vermögenswerten. Systematisch wird im Testament die Aufteilung des Bargeldes unter Ziffer 12 vorgenommen. Die vorhergehenden Ziffern befassen sich in Immobilien, also größeren Wertgegenständen, die Ziffer 11 mit Vermächtnissen von jeweils 20.000,00 €. Dies spricht weiter dafür, dass die Erblasserin physisch vorhandenes Bargeld meinte, nicht ihre erheblichen auf Konten und Depots befindlichen Vermögenswerte.

Es blieb im Verlauf des Rechtsstreits unbestritten, dass die Bargeldsumme aufgerundet 2.000,00 € betrug. Der 19. Betrag zu Gunsten des Klägers beträgt daher 105,26 €.

Insoweit legt das Gericht den Antrag im Rahmen der Auskunftsstufenklage dahingehend aus, dass bereits jetzt die Zahlung zugesprochen werden konnte. Die aufgefundene Geldsumme war im Folgenden nicht bestritten und die Auskunft damit erteilt. Für den Fall der Voraussetzungen einer abzugebenden eidesstattlichen Versicherung ist weiter nichts vorgetragen.

III. Nebenforderungen

Der Zinsausspruch beruht auf § 291 ZPO.

IV. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Obsiegen des Klägers war marginal.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 709 Sätze 1 und 2, 711 ZPO.

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