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Gemeinschaftliches Testament – Herausgabe von Schenkungen gegenüber einem Dritten

LG Darmstadt – Az.: 2 O 351/09 – Urteil vom 23.02.2011

1. Der Beklagte wird verurteilt, das Grundstück […] in geräumtem Zustand an den Kläger herauszugeben und aufzulassen sowie alle zur Eigentumsumschreibung auf den Kläger erforderlichen Bewilligungen und Anträge abzugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Pkw Renault Kangoo Campus 1.2 Liter 16V, Fahrgestellnummer […], amtliches Kennzeichen […], an den Kläger herauszugeben.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.100,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.11.2009 zu zahlen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 220.000,00, in Ziffern 2 bis 4 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Der Kläger macht als Erbe des verstorbenen A die Herausgabe von Schenkungen geltend, die der Erblasser zu Lebzeiten seiner zweiten Ehefrau und dem Beklagten zugewendet hat.

Der Kläger wurde am 16.09.1945 als nicht eheliches Kind der B geboren. Die Mutter des Klägers heiratete im Jahre 1950 den Erblasser. Die Mutter des Klägers und der Erblasser erwarben im Jahre 1978 das Anwesen […] zu hälftigem Miteigentum. Die Mutter des Klägers und der Erblasser unterschrieben am 15.03.1982 ein Testament folgenden Inhalts:

„Wir, die Eheleute A und B, setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen Erben unseres gemeinsamen Nachlasses ein. Erbe des Letztversterbenden soll unser Sohn C sein. Erlebt unser Sohn sein Erbe nicht, dann erbt unser Enkelkind D.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Testaments vom 15.03.1982 Bezug genommen. Die Mutter des Klägers verstarb am 18.03.1982.

Der Erblasser heiratete am 04.05.1983 seine zweite Ehefrau E. Der am 10.03.1961 geborene Beklagte ist der Sohn der zweiten Ehefrau des Erblassers.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.05.1983 ließ der Kläger gegen den Erblasser als den Erben seiner verstorbenen Mutter Pflichtteilsansprüche geltend machen. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers führte in dem Schreiben unter anderem aus:

„Das von Ihnen und Ihrer verstorbenen Gattin gemeinsam errichtete Testament vom 15. März 1982 liegt mir vor. Da mein Mandant nur Schlußerbe ist und damit erst nach Ihrem Tode erben wird, hat er einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes seines gesetzlichen Erbteils. Er kann somit ein Viertel des Nachlaßwertes in Geld beanspruchen. Von der Geltendmachung des Anspruchs wurde bisher abgesehen. Da Sie inzwischen jedoch wieder geheiratet haben, ist es sicherlich für beide Seiten gut, wenn jetzt eine abschließende Regelung der Erbschaftsangelegenheit erfolgt. Weder Sie noch Ihre neue Ehefrau hätten dann künftige Ansprüche zu vergegenwärtigen.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das vorgelegte Anwaltsschreiben vom 10.05.1983, Blatt 61 und 62 der Akten verwiesen. In der Folge führten der Kläger und der Erblasser Vergleichsverhandlungen. Während der Kläger den Pflichtteilsanspruch auf mindestens DM 30.000,00 bezifferte, bezifferte der Erblasser diesen nur auf DM 14.009,80. Der Erblasser zahlte am 09.04.1984 den von ihm bezifferten Betrag in Höhe von DM 14.009,80 an den Kläger. Der Kläger erhob hinsichtlich des Differenzbetrages Klage zu dem Landgericht Darmstadt. Der Rechtsstreit wurde unter dem Aktenzeichen 9 O 407/84 geführt.

Mit notariellem Übergabevertrag vom 06.08.1984 (Blatt 16 bis 22 der Akten) übertrug der Erblasser das Eigentum an dem Anwesen […] auf seine zweite Ehefrau. Der Erblasser behielt sich ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht vor. Am 17.12.1984 fand in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Darmstadt zu dem Aktenzeichen 9 O 407/08 eine mündliche Verhandlung statt. Darin schlossen der Kläger und der Erblasser folgenden Prozessvergleich:

1. Der Beklagte zahlt zur Abgeltung aller gegenseitigen Forderungen an den Kläger DM 7.500.–.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Mit notariellem Übergabevertrag vom 20.03.2004 (Blatt 23 bis 29 der Akten) übertrug die zweite Ehefrau des Erblassers das Eigentum an dem Anwesen […] unter Zustimmung des Erblassers auf den Beklagten. Die zweite Ehefrau des Erblassers behielt sich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht vor. Mit Kaufvertrag vom 02.03.2006 (Blatt 37 der Akten) erwarb der Erblasser einen Pkw Renault Kangoo zum Preis von EUR 13.000,00. Der Pkw wurde auf den Beklagten zugelassen und fortan von diesem genutzt.

Die zweite Ehefrau des Erblassers verstarb am 03.08.2008. In dem Zeitraum vom 05.08.2008 bis zum 29.08.2008 hob der Beklagte von dem Konto des Erblassers mit der Nummer […] bei […] Barbeträge in Höhe von insgesamt EUR 3.100,00 ab. Am 27.02.2009 verstarb der Erblasser.

Der Kläger behauptet: Der Erblasser habe das Eigentum an dem Anwesen […] in der Absicht auf seine zweite Ehefrau übertragen, dem Kläger das Eigentum an dem Anwesen vorzuenthalten und diesen dadurch zu benachteiligen. Die Übertragung des Eigentums an dem Anwesen auf die zweite Ehefrau des Erblassers sei nicht durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers gerechtfertigt gewesen. Der Erblasser habe für die Übertragung des Eigentums an dem Anwesen keine Gegenleistung erhalten. Die Sanierung des streitgegenständlichen Anwesens sei bereits im Jahre 1980 abgeschlossen worden. Das Darlehen, das zur Finanzierung des Erwerbs des Anwesens aufgenommen worden sei, habe der Erblasser alleine getilgt. Der Erblasser habe über wesentlich höhere Rentenbezüge verfügt als seine zweite Ehefrau.

Soweit in der Überlassung des von dem Erblasser erworbenen Pkw Renault Kangoo an den Beklagten eine Schenkung zu sehen sei, sei diese in der Absicht erfolgt, den Kläger zu benachteiligen. Der Erblasser habe für die Überlassung des Pkw keine Gegenleistung erhalten.

Der Beklagte habe die in dem Zeitraum vom 05.08.2008 bis zum 29.08.2008 von dem Konto des Erblassers abgehobenen Beträge in Höhe von insgesamt EUR 3.100,00 abredewidrig für sich verwendet. Keinesfalls habe der Beklagte die Beträge an den Erblasser ausgehändigt. Deshalb habe der Erblasser die dem Beklagten erteilte Kontovollmacht mit Erklärung vom 02.09.2008 (Blatt 41 der Akten) widerrufen.

Der Kläger hat den Klageantrag zu 1 mit Schriftsatz vom 05.05.2010 (Blatt 91 der Akten) berichtigt. Der Kläger beantragt zuletzt zu erkennen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, das Grundstück von […] an den Kläger zu übergeben und aufzulassen und alle zur Eigentumsumschreibung auf den Kläger erforderlichen Bewilligungen und Anträge abzugeben.

2. Hilfsweise wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 200.000 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, das Anwesen von […] zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

4. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, den PKW Renault Kangoo Campus 1,2 Liter und 16 V, mit dem Kennzeichen […] an den Kläger herauszugeben, hilfsweise an den Kläger EUR 10.000 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

5. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger EUR 3.100 nebst 5 % Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Der Beklagte behauptet: Das gemeinschaftliche Testament der Mutter des Klägers und des Erblassers vom 15.03.1982 sei unwirksam. Die Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments setze voraus, dass einer der Ehegatten das Testament in der erforderlichen Form erstelle und der andere Ehegatte es mit dem Zusatz „Dies ist auch mein letzter Wille“ mit unterzeichne. Vorliegend sei unklar, wer das Testament verfasst habe. Der Zusatz „Dies ist auch mein letzter Wille“ sei nachträglich von einer dritten Person eingefügt worden. Soweit in dem Testament von „unserem“ Sohn gesprochen werde, sei dies unrichtig.

Jedenfalls aber habe der Kläger auf die Zuwendung aus dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 wirksam verzichtet. Das Anwaltsschreiben vom 10.05.1983 sei dahingehend zu verstehen, dass der Kläger seine Pflichtteilsansprüche unter Verzicht auf sein Erbrecht im Übrigen geltend mache. Auch durch den Prozessvergleich vom 17.12.1984 habe der Kläger wirksam auf sein Erbrecht verzichtet.

Der Erblasser habe das Eigentum an dem Anwesen […] nicht in der Absicht auf seine zweite Ehefrau übertragen, den Kläger zu benachteiligen. Der Erblasser habe ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Eigentumsübertragung gehabt. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass seine zweite Ehefrau Aufwendungen in Höhe von etwa EUR 100.000,00 für das Anwesen erbracht habe. Insbesondere habe die zweite Ehefrau des Erblassers das zur Finanzierung des Anwesens aufgenommene Darlehen getilgt. Auch sei das Interesse des Erblassers anerkennenswert, seiner zweiten Ehefrau eine Alterssicherung zu verschaffen. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass das Vermögen des Erblassers in dem Zeitpunkt der Eigentumsübertragung keineswegs nur in dem Anwesen bestanden habe. Der Erblasser habe über erhebliches weiteres Vermögen wie etwa Bankguthaben, wertvolles Inventar und einen fast neuen Pkw verfügt.

Der Beklagte habe auftragsgemäß die Bankgeschäfte des Erblassers geführt. Der Erblasser habe dem Beklagten hierzu die Geheimzahl seiner Bankkarte mitgeteilt und dem Erblasser Kontovollmacht erteilt. Der Beklagte habe wunschgemäß Barabhebungen vorgenommen. Die Zeugin G habe hierüber sogar Buch geführt.

Selbst wenn der Erblasser gegenüber dem Beklagten Schenkungen getätigt hätte, seien diese als Pflicht- bzw. Anstandsschenkungen gerechtfertigt. Denn ausschließlich der Beklagte habe den Erblasser und dessen zweite Ehefrau, seine Mutter, betreut. Der Beklagte habe etwa Besorgungen gemacht und den Erblasser sowie dessen zweite Ehefrau zum Arzt oder in das Krankenhaus gefahren.

Im Übrigen wird auf die Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.05.2010 und vom 26.01.2011, die von den Parteien eingereichten Schriftsätze sowie alle sonstigen Bestandteile der Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, die örtliche Zuständigkeit aus §§ 12, 13 ZPO.

II.

Die Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe des streitgegenständlichen Anwesens in geräumtem Zustand, auf Auflassung des streitgegenständlichen Anwesens sowie auf Abgabe aller zur Eigentumsumschreibung auf den Kläger erforderlichen Bewilligungen und Anträge aus § 2287 Abs. 1 BGB.

a) Zwar ist die Vorschrift des § 2287 BGB nach ihrem Wortlaut nur auf den Vertragserben anwendbar. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Vorschrift des § 2287 BGB jedoch wegen der gleichen Interessenlage auf unwiderruflich gewordene wechselbezügliche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden (BGHZ 26, 274; Musielak, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 2269, Rdnr. 36).

aa) Die Mutter des Klägers und der Erblasser haben am 15.03.1982 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Das gemeinschaftliche Testament ist formwirksam im Sinne der §§ 2247, 2267 BGB. Der Kläger hat dargelegt, dass das Testament von dem Erblasser handschriftlich verfasst und sodann von dem Erblasser und der Mutter des Klägers unterschrieben worden sei. Dies ist auf Grund der vorgelegten Kopie des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.03.1982 nachvollziehbar. Die Schrift, mit der das Testament geschrieben wurde, und die Unterschrift des Erblassers erscheinen gleich. Der Einwand des Beklagten, der Zusatz „Dies ist auch mein letzter Wille“ sei nachträglich von einer dritten Person eingefügt worden, ist nicht nachvollziehbar. Denn die Schrift, mit der dieser Zusatz geschrieben wurde, und die Unterschrift der Mutter des Klägers erscheinen gleich. Im Übrigen ist dieser Einwand auch unerheblich, denn die formwirksame Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments setzt nicht voraus, dass der Ehegatte, der das Testament nicht errichtet hat, dieses mit dem Zusatz „Dies ist auch mein letzter Wille“ unterzeichnet. Ausreichend ist die bloße Unterschrift. Unerheblich ist letztlich auch der Einwand des Beklagten, in dem Testament sei unzutreffender Weise von dem Kläger als gemeinsamem Sohn die Rede. Denn etwaige inhaltliche Unrichtigkeiten des Testaments vermögen nicht dessen Formunwirksamkeit zu begründen.

bb) Die Mutter des Klägers und der Erblasser haben sich in dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 gegenseitig als Alleinerben und den Kläger als Schlusserben eingesetzt. Die Verfügung der Mutter des Klägers, den Erblasser als Alleinerben einzusetzen, und die Verfügung des Erblassers, den Kläger als Schlusserben einzusetzen, sind wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB. Es ist nicht anzunehmen, dass die Mutter des Klägers den Erblasser als Alleinerben eingesetzt hätte, wenn nicht dieser zugleich den Kläger als Schlusserben eingesetzt hätte. Die im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehenden Verfügungen sind gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem Tod der Mutter des Klägers am 18.03.1982 bindend geworden.

b) Der Kläger ist entsprechend dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 mit dem Tod des Erblassers am 27.02.2009 dessen Alleinerbe geworden. Der Kläger hat weder durch das Anwaltsschreiben vom 10.05.1983 noch durch den Prozessvergleich vom 17.12.1984 auf die Zuwendung verzichtet, die ihm von dem Erblasser durch die Einsetzung als Erben in dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 gemacht wurde. Durch das Anwaltsschreiben vom 10.05.1983 kann schon deshalb nicht wirksam ein Erbverzicht erklärt worden sein, weil der Erbverzichtsvertrag gemäß §§ 2352 S. 3, 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf.

Der Prozessvergleich vom 17.12.1984 beinhaltet keinen Erbverzicht im Sinne des § 2352 BGB. Zwar wäre ein in dem Prozessvergleich enthaltener Erbverzichtsvertrag nicht schon formunwirksam, da die notarielle Beurkundung gemäß § 127a BGB durch die Aufnahme der Erklärungen in einen nach den Vorschriften der ZPO protokollierten gerichtlichen Vergleich ersetzt werden kann. Der Prozessvergleich vom 17.12.1984 enthält aber keine Einigung des Klägers und des Erblassers darüber, dass der Kläger auf die Zuwendung verzichtet, die ihm von dem Erblasser durch die Einsetzung als Erben in dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 gemacht wurde. Der Kläger und der Erblasser haben in dem Prozessvergleich vom 17.12.1984 vereinbart, dass der Erblasser zur Abgeltung aller gegenseitigen Forderungen DM 7.500,00 an den Kläger zahlt. Bei der Zuwendung, die der Erblasser dem Kläger durch die Einsetzung als Erben in dem gemeinschaftlichen Testament vom 15.03.1982 gemacht hat, handelt es sich nicht um eine Forderung des Klägers gegen den Erblasser. Auch begründet die Zuwendung keine Forderung des Klägers gegen den Erblasser. Dem entsprechend konnte die Zuwendung auch nicht durch die vergleichsweise Zahlung des Betrages in Höhe von DM 7.500,00 abgegolten werden. Hätten der Kläger und der Erblasser in dem Prozessvergleich vom 17.12.1984 einen Erbverzichtsvertrag schließen wollen, hätten sie die darauf gerichteten Erklärungen ausdrücklich in den Prozessvergleich aufnehmen müssen.

c) Der Erblasser hat seiner zweiten Ehefrau das streitgegenständliche Anwesen mit notariellem Übergabevertrag vom 06.08.1984 geschenkt. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei der Übergabe des streitgegenständlichen Anwesens um eine sog. unbenannte Zuwendung unter Ehegatten gehandelt hat. Denn nach der Rechtsprechung des BGH sind unentgeltliche unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten als Schenkungen im Sinne des § 2287 BGB zu behandeln (BGHZ 116, 167). Bei der Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens hat es sich jedenfalls um eine unentgeltliche unbenannte Zuwendung unter Ehegatten gehandelt. Denn die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens war weder unterhaltsrechtlich geschuldet noch stand ihr eine konkrete Gegenleistung der zweiten Ehefrau des Erblassers gegenüber.

d) Durch die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens auf seine zweite Ehefrau hat der Erblasser entgegen den Bindungen gehandelt, die er durch das gemeinschaftliche Testament vom 15.03.1982 eingegangen war. Denn durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments vom 15.03.1982 sollte erreicht werden, dass das streitgegenständliche Anwesen letztlich im Wege der Schlusserbfolge auf den Kläger übergeht. Diese Intention wurde durch die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens auf die zweite Ehefrau des Erblassers gerade vereitelt.

Die beeinträchtigende Wirkung der Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens auf die zweite Ehefrau des Erblassers entfällt auch nicht dadurch, dass die zweite Ehefrau des Erblassers im Falle des Vorversterbens pflichtteilsberechtigt gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des BGH haben Schenkungen des Erblassers an einen Pflichtteilsberechtigten keine den Schlusserben beeinträchtigende Wirkung, wenn die Schenkungen dem Pflichtteil wertmäßig entsprechen. Denn der Schlusserbe muss bei seiner Erberwartung mit der Pflichtteilslast rechnen (BGHZ 88, 269). Im vorliegenden Falle aber ist ein Pflichtteilsanspruch der zweiten Ehefrau des Erblassers überhaupt nicht entstanden, da sie vor dem Erblasser verstorben ist. Dem entsprechend brauchte der Kläger mit Pflichtteilsansprüchen der zweiten Ehefrau des Klägers nicht zu rechnen. Auch hätte der Kläger in dem Falle, dass der Erblasser das streitgegenständliche Anwesen nicht auf seine zweite Ehefrau übertragen hätte, keine Pflichtteilsansprüche der zweiten Ehefrau des Erblassers vorab erfüllen müssen. Denn solche sind, wie bereits dargelegt, auf Grund des Vorversterbens der zweiten Ehefrau des Erblassers nicht entstanden.

e) Der Erblasser hat das streitgegenständliche Anwesen in der Absicht auf seine zweite Ehefrau übertragen, den Kläger zu beeinträchtigen. Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung, ob der Erblasser in Beeinträchtigungsabsicht gehandelt hat, maßgeblich darauf abzustellen, ob ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an seiner Vermögensdisposition anzuerkennen ist oder ob die Verfügung allein darauf angelegt ist, dass ein anderer als der durch das gemeinschaftliche Testament berufene Erbe wesentliche Vermögensteile des Erblassers erhält, ohne dafür diesem eine angemessene Gegenleistung zu erbringen. Es soll auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen sein, der darüber zu befinden hat, ob die vom Erblasser vorgenommene Schenkung unter Berücksichtigung seiner testamentarischen Bindung als billigenswert und gerecht erscheint (BGHZ 59, 350; Musielak, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 2287 BGB, Rdnr. 12).

Das streitgegenständliche Anwesen stellte zum Zeitpunkt, als der Erblasser das Anwesen auf seine zweite Ehefrau übertrug, einen wesentlichen Bestandteil des Vermögens des Erblassers dar. Zwar hat der Beklagte dargelegt, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens über weitere Vermögenswerte verfügt hat, wie etwa Bankguthaben, Wertpapiere, Inventar und einen neuwertigen Pkw. Die Vermögenswerte, die der Beklagte dargelegt hat, sind aber nicht so erheblich, dass das streitgegenständliche Anwesen dagegen als unwesentlicher Bestandteil des Vermögens erscheinen würde. Das streitgegenständliche Anwesen machte auch nach dem Vorbringen des Beklagten weit über die Hälfte des Vermögens des Erblassers aus.

Der Erblasser hat für die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens keine angemessene Gegenleistung von seiner zweiten Ehefrau erhalten. Der Beklagte behauptet, die zweite Ehefrau des Erblassers habe Aufwendungen in Höhe von etwa EUR 100.000,00 für das streitgegenständliche Anwesen erbracht. Insbesondere habe sie das Darlehen, das zur Finanzierung des Erwerbs des streitgegenständlichen Anwesens aufgenommen worden sei, getilgt. Das Vorbringen des Beklagten, der Erblasser habe seiner zweiten Ehefrau das streitgegenständliche Anwesen als Gegenleistung für die von dieser erbrachten Aufwendungen in Höhe von EUR 100.000,00 übertragen, ist schon insofern nicht nachvollziehbar, als die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens bereits im August 1984 erfolgt ist. Da der Erblasser seine zweite Ehefrau erst im Mai 1983 geheiratet hatte, kann die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens keine Gegenleistung für etwaige im Laufe der Ehe von der zweiten Ehefrau des Erblassers erbrachte Aufwendungen darstellen. Überdies hat der Beklagte lediglich pauschal behauptet, die zweite Ehefrau des Erblassers habe Aufwendungen in Höhe von EUR 100.000,00 erbracht. Der Beklagte hat aber in keiner Weise dargelegt, wann die zweite Ehefrau des Erblassers die Aufwendungen erbracht haben und wofür diese verwendet worden sein sollen. Es ist nicht nachvollziehbar, wann und wofür die zweite Ehefrau des Erblassers einen derart hohen Betrag aufgewendet haben soll. Dies gilt umso mehr als der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Sanierung des streitgegenständlichen Anwesens bereits vor der Heirat des Erblassers und seiner zweiten Ehefrau abgeschlossen war und der Erblasser über höhere Rentenbezüge verfügte als seine zweite Ehefrau.

Schließlich erscheint die Übertragung des streitgegenständlichen Anwesens durch den Erblasser auf seine zweite Ehefrau auch nicht deshalb als billigenswert und gerecht, weil er damit bezweckt haben mag, seiner zweiten Ehefrau eine Alterssicherung zu verschaffen. Zur Alterssicherung hätte es völlig ausgereicht, wenn der Erblasser seiner zweiten Ehefrau ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht bestellt hätte. Da sich der Erblasser selbst ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht vorbehalten hat, muss ihm durchaus bewusst gewesen sein, dass dies ein geeignetes Mittel zur Alterssicherung darstellt.

f) Der Kläger kann von dem Beklagten in entsprechender Anwendung von 822 BGB die Herausgabe des streitgegenständlichen Anwesens in geräumtem Zustand, die Auflassung und die Abgabe aller zur Eigentumsumschreibung auf den Kläger erforderlichen Bewilligungen und Anträge verlangen. Die Vorschrift des § 822 BGB ist im Rahmen des § 2287 BGB entsprechend anwendbar, da auch in den Fällen des § 2287 BGB der unentgeltliche Erwerb des Dritten weniger schutzwürdig erscheint als das Interesse des testamentarisch bestimmten Schlusserben an der Herausgabe des Geschenkes (Musielak, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 2287 BGB, Rdnr. 22). Die zweite Ehefrau des Erblassers hat dem Beklagten das streitgegenständliche Anwesen mit notariellem Vertrag vom 20.03.2004 unentgeltlich übertragen. Hierdurch ist die Verpflichtung der zweiten Ehefrau des Erblassers bzw. ihrer Erben zur Herausgabe des streitgegenständlichen Anwesens ausgeschlossen.

2. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Herausgabe des streitgegenständlichen Pkw Renault Kangoo aus § 2287 Abs. 1 BGB.

a) Der Erblasser hat dem Beklagten den streitgegenständlichen Pkw Renault Kangoo geschenkt. Zwar ist der Vortrag der Parteien dazu, welche Abreden der Erblasser und der Beklagte bezüglich des streitgegenständlichen Pkw getroffen haben, lückenhaft. Doch tragen beide Parteien zu der Wirksamkeit einer Schenkung vor. Damit gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass der Erblasser dem Beklagten den streitgegenständlichen Pkw schenkweise übereignet hat. Hierfür spricht auch, dass der Erblasser den streitgegenständlichen Pkw in hohem Alter erworben hat, dieser auf den Beklagten zugelassen und ausschließlich von diesem genutzt wurde.

b) Der Erblasser hat dem Beklagten den streitgegenständlichen Pkw in der Absicht geschenkt, den Kläger zu benachteiligen. Der Kaufpreis des Pkw in Höhe von EUR 13.000,00 stellte zum Zeitpunkt der Schenkung einen wesentlichen Teil des Vermögens des Erblassers dar. Hierbei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Erblasser zu dem Zeitpunkt der Schenkung nicht mehr Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens war. Der Erblasser hat für die Schenkung des streitgegenständlichen Pkw keine angemessene Gegenleistung von dem Beklagten erhalten. Der Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, dass er ausschließlich den Erblasser und dessen zweite Ehefrau versorgt habe. Der Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, in welchem Zeitraum er welche Pflege- und sonstige Leistungen erbracht haben will. Insofern kann nicht angenommen werden, dass die Schenkung des streitgegenständlichen Pkw als Ausgleich für erbrachte Leistungen des Beklagten bzw. zur Sicherung zukünftiger Leistungen des Beklagten erfolgte.

3. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung in Höhe von EUR 3.100,00 aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Der Beklagte hat in dem Zeitraum vom 05.08.2008 bis zum 29.08.2008 Bargeldbeträge in Höhe von EUR 3.100,00 von dem Konto des Erblassers abgehoben. Der Beklagte hätte einen Rechtsgrund für die Bargeldabhebungen darlegen und beweisen müssen (Sprau, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 812 BGB, Rdnr. 79). Der Beklagte hat lediglich pauschal behauptet, dass er die Bankgeschäfte des Erblassers auftragsgemäß geführt habe. Für den Fall, dass eine Schenkung vorliege, sei diese als Pflicht- bzw. Anstandsschenkung anzusehen. Der Beklagte hätte im Einzelnen darlegen müsse, welche Abreden zwischen ihm und dem Erblasser hinsichtlich der einzelnen Abhebungen getroffen wurden. Dies hat er nicht getan.

III.

1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 3.100,00 seit Rechtshängigkeit, die am 27.11.2009 eingetreten ist, folgt aus § 291 BGB.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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