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Grundbucheintragung  Miterbe und Testamentsvollstrecker nach Miterwerb Nachlassgrundstück

OLG München – Az.: 34 Wx 266/17 – Beschluss vom 16.11.2017

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 21. Juni 2017 aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, die beantragte Eintragung nicht aus den Gründen des Beschlusses vom 21. Juni 2017 zurückzuweisen.

Gründe

I.

Als Eigentümer eines Grundstücks war im Grundbuch der Erblasser als Alleinerbe nach seiner vorverstorbenen Ehefrau eingetragen. Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind die Kinder des Erblassers.

Mit seiner Ehefrau hatte der Erblasser am 20.6.2011 ein gemeinschaftliches Testament errichtet, nach dem nach seinem Tod die Kinder zu gleichen Teilen seine Erben sein sollten. Zudem hatten beide Ehegatten die Beteiligte zu 1 zur Testamentsvollstreckerin bestimmt mit der Aufgabe, den jeweiligen Nachlass abzuwickeln. Hierzu sollte sie alle gesetzlich zulässigen Befugnisse haben und – soweit zulässig – von allen gesetzlichen Beschränkungen, auch denjenigen des § 181 BGB befreit sein.

Nach dem Ableben des Vaters eröffnete das Nachlassgericht das Testament am 23.11.2015 und erteilte antragsgemäß der Beteiligten zu 1 ein Testamentsvollstreckerzeugnis und den Beteiligten zu 1 bis 4 einen Erbschein, wonach sie Erben zu je ¼ des Vaters geworden sind. Das Grundbuchamt hat am 16.12.2016 die Erbengemeinschaft bestehend aus den Beteiligten zu 1 bis 4 im Grundbuch eingetragen. Zudem enthält die Abteilung II unter lfd. Nr. 6 die Eintragung, dass Testamentsvollstreckung angeordnet ist.

Mit notarieller Urkunde vom 21.12.2016 übertrug die Beteiligte zu 1 das Grundstück auf sich und den Beteiligten zu 2. Als Kaufpreis war der Betrag von 345.000 € vereinbart. Diesen Kaufpreis entnahm die Beteiligte zu 1 einem vor Beurkundung erholten Wertgutachten vom 13.12.2016 zum Stichtag 7.12.2016 eines Diplom-Sachverständigen für die Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken. Dieses kommt zu einem Sachwert von 356.000 € abzüglich eines Betrags von 26.000 € für eingetragene Belastungen, sowie zu einem Ertragswert von 345.000 €. Es bewertet den Verkehrswert nach § 194 BauGB mit dem höheren ermittelten Betrag von 345.000 €.

Im Schreiben des Notars vom 23.1.2017 an das Grundbuchamt bewilligte dieser in Vollmacht die Eintragung des Eigentumsübergangs gemäß der Auflassung vom 21.12.2016 und beantragte die Eintragung der Auflassung und Löschung des Testamentsvollstreckervermerks. Das Grundbuchamt zog darauf die Nachlassakte bei und hörte die Beteiligten zu 2 und 3 an, die einwandten, dass der vereinbarte Kaufpreis dem Grundstückswert nicht entspreche. Mit Schreiben vom 21.5.2017 legten sie ein Wertgutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken zum Stichtag 21.12.2016 vor, nach dem der Wert der Immobilie zur Zeit der Beurkundung der Veräußerung bei 375.000 €, somit um 30.000 € höher liege als im Vertrag vom 21.12.2016 vereinbart. Der Sachwert wird darin beziffert auf 373.000 €, der Vergleichswert unter Berücksichtigung einer vergleichbaren Veräußerung aus dem Vorjahr auf 374.000 €.

Das Grundbuchamt hat daraufhin mit Beschluss vom 21.6.2017 den Antrag kostenpflichtig zurückgewiesen. Wegen des von dem Zweitgutachter ausgewiesenen Mehrwertes von 8,7 % bestünden beim Grundbuchamt jedenfalls Zweifel an der vollen Entgeltlichkeit der Verfügung der Testamentsvollstreckerin.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 12.7.2017. Dieser hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.

Der Senat hat die Nachlassakte beigezogen.

II.

Die gegen die Versagung der Eintragung gerichtete Beschwerde ist statthaft (§ 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Sie hat in der Sache Erfolg.

1. Gemäß § 20 GBO darf die Auflassung eines Grundstücks im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Rechtsübergang (§ 925 Abs. 1 BGB) und daneben gemäß § 19 GBO die Bewilligung des in seinem Recht Betroffenen erklärt sind. Dabei korrespondiert die Befugnis zur Abgabe der Eintragungsbewilligung mit der materiellen Verfügungsbefugnis. Erklärt ein Testamentsvollstrecker bzw. für diesen in Vollmacht der Notar Auflassung und Bewilligung, hat daher das Grundbuchamt die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zu prüfen (Senat vom 10.6.2016, 34 Wx 390/15 = FamRZ 2017, 147/148; vom 18.11.2013, 34 Wx 189/13 = FamRZ 2014, 1066/1067; BayObLGZ 1986, 208/210; BayObLG NJW-RR 1989, 587; Demharter GBO 30. Aufl. § 52 Rn.18 und 23).

a) Zum Nachweis der Verfügungsbefugnis ist regelmäßig die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich, § 35 Abs. 2 Halbs. 1 GBO (Demharter § 35 Rn. 57, 59, 61 sowie § 52 Rn. 18), aber auch ausreichend. Ist ein solches erteilt, wird im Grundbucheintragungsverfahren die Verfügungsbefugnis allein durch das Zeugnis nachgewiesen, da sich mögliche Beschränkungen infolge von Anordnungen des Erblassers (§§ 2208 bis 2210, §§ 2222 bis 2224 Abs. 1 Satz 3 BGB) daraus ergeben (Palandt/Weidlich BGB 76. Aufl. § 2368 Rn. 2; Demharter § 35 Rn. 59).

Sind im Testamentsvollstreckerzeugnis – wie hier – keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse nach §§ 2203 bis 2206 BGB angegeben, hat das Grundbuchamt regelmäßig von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis gemäß § 2205 Sätze 2 und 3 BGB auszugehen; denn die Vermutungswirkung des § 2368 Abs. 3, § 2365 BGB (Palandt/Weidlich § 2368 Rn. 8) gilt auch gegenüber dem Grundbuchamt (Meikel/Böhringer GBO 11. Aufl. § 52 Rn. 20; Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 52 Rn. 21). Die Prüfungspflicht und das Prüfungsrecht des Grundbuchamts (Demharter § 52 Rn. 23; Meikel/Böhringer § 52 Rn. 63) sind in diesen Fällen deshalb darauf beschränkt, ob der Testamentsvollstrecker die gesetzlichen Schranken seiner Verfügungsmacht eingehalten, insbesondere nicht über das zulässige Maß hinaus unentgeltlich über Nachlassgegenstände verfügt hat, § 2205 Satz 3 BGB.

Ebenso muss das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Verfügung prüfen und sich nachweisen lassen, wenn der Testamentsvollstrecker über ein Grundstück zu seinen eigenen Gunsten verfügt und deshalb grundsätzlich der Verfügungsbeschränkung nach § 181 BGB unterliegt (BGH NJW 1981, 1271; Senat vom 28.04.2011, 34 Wx 72/11 = MittBayNot 2012, 46; Palandt/Weidlich § 2205 Rn. 25; Meikel/Böhringer § 52 Rn. 52). Dieser Nachweis muss ebenfalls nicht in der Form nach § 29 Abs. 1 GBO geführt werden (OLG Köln FGPrax 2013, 105 mit Nachweisen). Liegt – wie hier – ein privatschriftliches Testament vor, genügt daher eine beglaubigte Abschrift des Testaments und des Eröffnungsvermerks (MüKo/Zimmermann BGB 6. Auflage § 2205 Rn. 101) bzw. auch die Bezugnahme auf die Nachlassakten beim gleichen Gericht, in der die Unterlagen zu finden sind (vgl. Hügel/Zeiser GBO 3. Aufl. § 52 Rn. 28 sowie Hügel/Wilsch § 35 Rn. 142 und 98). Ein praktisches Bedürfnis hierfür besteht vor allem deswegen, weil der Nachweis mit Hilfe eines Testamentsvollstreckerzeugnisses gemäß § 2368 BGB nicht möglich ist. Die Befreiung des Testamentsvollstreckers von der Einschränkung des § 181 BGB ist nämlich nicht in dieses Zeugnis aufzunehmen (OLG Hamm NJW-RR 2004, 1448; Palandt/Weidlich § 2368 Rn. 2).

b) Das Testament sowie die Eröffnungsniederschrift wie auch das Testamentsvollstreckerzeugnis haben dem Grundbuchamt vorgelegen und ergeben sich aus den vom Senat beigezogenen Nachlassakten, so dass die grundsätzliche Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1 in den Grenzen des § 2205 BGB wie auch die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB feststehen.

2. Auch § 2205 Satz 3 BGB steht hier der Verfügung nicht entgegen.

Unentgeltlich ist die Verfügung über einen Nachlassgegenstand dann, wenn dem aus dem Nachlass hingegebenen Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und der Testamentsvollstrecker subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen (BGH NJW-RR 2016, 457 Rn. 9; Senat vom 10.6.2016, 34 Wx 390/15 = FamRZ 2017, 147/148; vgl. für entsprechende Verfügungen des Vorerben: Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 10; Staudinger/Avenarius BGB Bearb. 2013 § 2113 Rn. 61).

a) Ein Nachweis der Entgeltlichkeit als Eintragungsvoraussetzung ist jedoch in der Regel nicht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO zu führen. Die Rechtsprechung hat daher den allgemeinen Satz aufgestellt, dass eine entgeltliche Verfügung anzunehmen ist, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (vgl. Demharter § 52 Rn. 23 m.w.N.). Dabei besteht bei einem Insichgeschäft bzw. einem Näheverhältnis des Testamentsvollstreckers zum Erwerber für das Grundbuchamt regelmäßig Anlass zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung (OLG Düsseldorf FGPrax 2008, 94/96). Andererseits schließt ein Näheverhältnis aber die Annahme der Entgeltlichkeit insbesondere dann nicht aus, wenn keine Anhaltspunkte für eine mögliche Absicht des Testamentsvollstreckers bestehen, die übrigen Erben zu benachteiligen (OLG München FGPrax 2005, 193/194; OLG Frankfurt ZEV 2012, 325/326). Im Rahmen der Prüfung des Grundbuchamts kann auch ein von den Beteiligten erholtes Wertgutachten berücksichtigt werden (vgl. OLG Frankfurt ZEV 2012, 325/327; OLG Düsseldorf FGPrax 2008, 94/96; Hügel/Zeiser § 52 Rn. 82).

b) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob von einem Verkehrswert des Grundstücks von 375.000 € auszugehen ist, wie das von den Beteiligten zu 2 und 3 vorgelegte Privatgutachten darlegt, oder von dem Betrag von 345.000 € gemäß Privatgutachten, das von der Beteiligten zu 1 erholt wurde. Zu einer objektiven Wertdifferenz hinzukommen muss nämlich immer auch subjektiv, dass der Testamentsvollstrecker von der Teilunentgeltlichkeit der Verfügung weiß oder erkennen musste, dass die Gegenleistung unzulänglich war (BGH NJW 1991, 842/843; MüKo/Zimmermann § 2205 Rn. 72).

Die Beteiligte zu 1 hat allerdings zur Bewertung des Nachlassgegenstandes ein Gutachten eines Diplom-Sachverständigen für die Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken erholt und den von diesem ausgewiesenen Verkehrswert mit Stichtag kurz vor Abschluss des Kaufvertrags diesem zugrunde gelegt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 1 bei Errichtung des Kaufvertrags und Erklärung der Auflassung davon wusste, dass die Gegenleistung nicht dem Wert des Grundstücks entsprechen könnte.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Beteiligten zu 1 ein angeblicher Unterwertverkauf aufgedrängt hätte und sie bei ordnungsgemäßer Verwaltung dies hätte erkennen müssen. Das Gegengutachten der Beteiligten wurde erst im Mai 2017 erstattet. Es weist bei der Ermittlung des Sachwerts ohne Berücksichtigung von Belastungen des Grundstücks einen nur um 17.000 € höheren Betrag aus als der von der Beteiligten zu 1 beauftragte Gutachter. Bei einem derartig geringen Unterschied kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Laie erkennen könnte, dass das Grundstück einen (angeblich) höheren Wert hat, zumal in den Nachlassakten der Wert des Grundstücks mit nur 279.000 € beziffert ist.

III.

Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Für die gerichtlichen Kosten gilt dann nach § 25 Abs. 1 GNotKG, dass die nach § 22 Abs. 1 GNotKG begründete Kostenhaftung des obsiegenden Rechtsmittelführers erlischt. Da die übrigen Beteiligten im Verfahren nicht mit Gegenanträgen aufgetreten sind, sieht der Senat im Rahmen seines Ermessens auch keinen Anlass, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, § 81 FamFG.

Zwar beschwert die Entscheidung die Beteiligten zu 2 und 3, so dass sie berechtigt sein könnten, Rechtsbeschwerde einzulegen (Hügel/Kramer § 78 Rn. 80). Allerdings sind die Rechtsgrundsätze, nach denen sich die Frage der Teilunentgeltlichkeit einer Verfügung beurteilt, höchstrichterlich geklärt, so dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) nicht vorliegen.

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