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Insolvenzverfahren – Erbschaftsannahme in Vorstellung der Nachlass sei überschuldet

Rechtliche Implikationen des OLG Karlsruhe-Urteils

Die rechtliche Landschaft ist ständig in Bewegung, und das OLG Karlsruhe hat kürzlich ein Urteil erlassen, das weitreichende Auswirkungen auf das Insolvenzverfahren und die Nachlassinsolvenz haben könnte. Dieses Urteil beleuchtet die komplizierten Aspekte der Erbschaftsannahme, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 14 W 144/21 (Wx) >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • OLG Karlsruhe befasst sich mit einem Fall rund um Insolvenzverfahren und Erbschaftsannahme.
  • Beteiligter Ziffer 1 pachtete die Gastwirtschaft seiner Eltern; später wurde über sein Vermögen und das der Erblasserin ein Insolvenzverfahren eröffnet.
  • Beteiligter Ziffer 1 reichte ein Nachlassverzeichnis ein und gab an, dass der Nachlass überschuldet sei. Kurz darauf nahm er die Erbschaft an und beantragte einen Erbschein.
  • Es gab Forderungen gegen das Universitätsklinikum F; der Beteiligte Ziffer 1 ging von einer Überschuldung des Nachlasses aus, obwohl ein Überschuss bestand.
  • Beteiligte Ziffer 1 erklärte später die Anfechtung der Erbschaftsannahme aufgrund eines Irrtums und schlug die Erbschaft aus.
  • Beteiligte Ziffer 2 widersprach der Einziehung des Erbscheins und argumentierte, dass kein berechtigender Irrtum des Beteiligten Ziffer 1 vorgelegen habe.
  • Der Senat war überzeugt, dass sich der Beteiligte Ziffer 1 zum Zeitpunkt der Annahme über den Bestand der Verbindlichkeiten geirrt hat und fälschlicherweise von einer Überschuldung des Nachlasses ausging.

Hintergrund des Falles

Insolvenzverfahren im Erbrecht
OLG Karlsruhe: Bedeutung des Urteils für überschuldete Nachlässe und Haftung im Fokus (Symbolfoto: DesignRage /Shutterstock.com)

Der Beteiligte Ziffer 1, der einzige Abkömmling der Erblasserin A. B., stand im Mittelpunkt dieses Falles. Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann betrieben ein Gasthaus, dessen Immobilie im Eigentum der Erblasserin stand. Nach einem medizinischen Eingriff im Jahr 1998, bei dem die Erblasserin schwere neurologische Schäden erlitt, erhob sie Klage gegen das Universitätsklinikum F. Trotz mehrerer Gerichtsverfahren wurde die Klage der Erblasserin abgewiesen.

Insolvenzverfahren und dessen Auswirkungen

Im Jahr 2015 wurde über das Vermögen des Beteiligten Ziffer 1, der das Gasthaus seiner Eltern gepachtet hatte, ein Insolvenzverfahren eröffnet. Kurz darauf wurde auch über das Vermögen der Erblasserin ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Das Gasthaus wurde schließlich verkauft, wobei nach Abzug aller Kosten ein Überschuss verblieb. Interessanterweise meldete die Beteiligte Ziffer 2 Forderungen in erheblicher Höhe für den Beteiligten Ziffer 1 an, die auf Investitionen für die Gaststätte zurückzuführen waren.

Das Urteil des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe entschied, dass der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Offenburg aufgehoben wird. Weiterhin wurde das Nachlassgericht angewiesen, den zuvor erteilten Erbschein einzuziehen. Dieses Urteil hebt die Bedeutung der Haftung und der Rolle des Gläubigers im Kontext von Nachlassschulden hervor. Es betont auch die Notwendigkeit, das Privatvermögen in solchen Fällen zu schützen und die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Bedeutung und Tragweite des Urteils

Das Urteil des OLG Karlsruhe unterstreicht die Komplexität des Erbschaftsrechts und die Herausforderungen, die sich bei überschuldeten Nachlässen ergeben können. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Rechte und Pflichten sowohl des Erben als auch des Gläubigers zu verstehen. Dieses Urteil könnte als Richtschnur für zukünftige Fälle dienen, in denen ähnliche rechtliche Fragen und Herausforderungen auftreten.

➨ Überschuldeter Nachlass: Was nun?

Das OLG Karlsruhe hat kürzlich ein Urteil gefällt, das die Landschaft des Erbschaftsrechts und der Nachlassinsolvenz beeinflusst. Sind Sie unsicher, wie Sie bei einem möglicherweise überschuldeten Nachlass vorgehen sollen? Oder fragen Sie sich, welche Rechte und Pflichten Sie als Erbe oder Gläubiger haben? Wir bieten Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung zu Ihrer individuellen Situation und unterstützen Sie anschließend mit einer umfassenden Beratung. Gemeinsam finden wir den besten Weg für Sie. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen Sie uns Ihre Fragen klären.

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Insolvenzverfahren im Erbrecht – kurz erklärt


Wenn ein Schuldner während eines laufenden Insolvenzverfahrens erbt, fällt das Erbe vollständig in die Insolvenzmasse. Das bedeutet, dass der Schuldner selbst keinen Zugriff auf das Erbe hat, sondern dieses den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter zugutekommt. Dies kann für den Schuldner von Vorteil sein, da durch das Erbe die Gläubiger befriedigt werden können und somit die Schuldenlast verringert wird. Bei einer Privatinsolvenz hat das Erben von Schulden ebenfalls Konsequenzen. Wenn Erben während einer laufenden Insolvenz eine Erbschaft annehmen, wird diese automatisch Teil der Insolvenzmasse. Es gibt auch das Nachlassinsolvenzverfahren, welches sicherstellt, dass die Nachlassgläubiger gleichmäßig aus dem Nachlass befriedigt werden, während die Erben nur mit dem Nachlass und nicht mit ihrem gesamten Vermögen haften.



Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 144/21 (Wx) – Beschluss vom 23.08.2023

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Offenburg (Az. 904 VI 1149/20) vom 17.08.2021 aufgehoben.

2. Das Nachlassgericht wird angewiesen, den am 28.09.2018 erteilten Erbschein (904 VI 1032/18) einzuziehen.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 294.100 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Nachlassgerichts Offenburg, mit dem die Einziehung eines erteilten Erbscheins abgelehnt wurde.

Der Beteiligte Ziffer 1 ist der einzige Abkömmling der am 05.07.1941 geborenen und am 21.07.2018 verstorbenen Erblasserin A. B. und ihres am 10.10.2005 vorverstorbenen Ehemanns H. B.. Die Eheleute B. betrieben ein Gasthaus in O; die Erblasserin war Eigentümerin der Immobilie. Der Beteiligte Ziffer 1 hat drei volljährige Kinder.

Bei der Erblasserin wurde am 10.08.1998 in der Universitätsklinik F wegen des Verdachts auf einen Gehirntumor eine Biopsie durchgeführt. In deren Folge erlitt die Erblasserin schwere, irreversible neurologische Gesundheitsschäden, fiel ins Koma und musste seither intensiv betreut und gepflegt werden, was bis zum Jahr 2009 in häuslichem Rahmen erfolgte.

Die Erblasserin erhob – zunächst vertreten durch ihren zum Betreuer bestellten Ehemann – am 24.09.2004 Klage gegen das Universitätsklinikum F (Landgericht Freiburg, Az. 6 O 388/04) und machte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 200.000 € sowie weiteren Schadensersatz geltend. Nach dem Tod ihres Ehemanns übernahm zunächst der Beteiligte Ziffer 1 als Betreuer die gesetzliche Vertretung der Erblasserin, ab dem Jahr 2009 die für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge eingesetzten Berufsbetreuer. Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 20.06.2007 wurde die Schadensersatzklage der Erblasserin abgewiesen. Ihre Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.10.2008 – 13 U 99/07). Mit Urteil des Landgerichts Freiburg vom 12.10.2011 – 1 O 312/09 wurde die Klage der Erblasserin erneut abgewiesen. In dem darauffolgenden Berufungsverfahren (13 U 227/11) wurde ein Obergutachten eingeholt, das am 29.07.2015 erstattet wurde.

Am 30.04.2015 wurde über das Vermögen des Beteiligten Ziffer 1, der ab 01.07.2000 die Gastwirtschaft seiner Eltern als Pächter betrieben hatte, das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beteiligte Ziffer 2 zur Insolvenzverwalterin bestellt (Amtsgericht Offenburg, 30 IN …).

Wenige Monate später, am 09.09.2015, wurde auch über das Vermögen der Erblasserin das Insolvenzverfahren eröffnet (Amtsgericht Offenburg, 10 IN …) und C. als Insolvenzverwalter eingesetzt. Das Gasthaus wurde am 11.04.2016 veräußert; nach Abzug der Belastungen und Kosten ergab sich ein Überschuss von 39.136,25 €. Die Beteiligte Ziffer 2 meldete für den Beteiligten Ziffer 1 mit Schreiben vom 07.10.2015 Forderungen in Höhe von insgesamt 391.647 € zur Tabelle an, für deren Begründung Investitionen des Beteiligten Ziffer 1 für die Gaststätte in Höhe von 279.847,07 €, Arbeitsleistungen im Wert von 30.000 €, Verfahrenskosten von 50.000 €, ein Betreuungsaufwand von 16.800 € und ein Aufwand für den Schadensersatzprozess von 15.000 € genannt wurden.

Nach dem Tod der Erblasserin am 21.07.2018 wurde das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt. Unter dem 24.09.2018 reichte der Beteiligte Ziffer 1 beim Amtsgericht Offenburg ein Nachlassverzeichnis ein, in dem ein Vermögen der Erblasserin in Höhe von 444,39 € angegeben wurde mit der Bemerkung „Der Nachlass ist überschuldet.“. Vier Tage später, am 28.09.2018, erklärte der Beteiligte Ziffer 1 zu Protokoll der Rechtspflegerin am Nachlassgericht Offenburg, dass er die Erbschaft nach seiner Mutter angenommen habe und beantragte die Erteilung eines Erbscheins für ihn als Alleinerben. Der Erbschein wurde antragsgemäß am selben Tag erteilt.

Im Schadensersatzprozess der Erblasserin gegen das Universitätsklinikum F, den der Nachlassinsolvenzverwalter C. in enger Abstimmung mit dem Beteiligten Ziffer 1 fortführte, kam es nach zwei Ergänzungen des Obergutachtens ab dem Jahr 2018 zu Gesprächen über eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits. Mit Schriftsatz vom 30.04.2019 stellte die Klägerseite eine Gesamtforderung von 1.764.896,89 € dar. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht am 19.02.2020 schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem sich das beklagte Universitätsklinikum F zur Zahlung von 1.500.000 € verpflichtete. Ein bis 08.04.2020 möglicher Widerruf des Vergleichs erfolgte nicht; am 28.04.2020 wurde die Vergleichssumme auf das Anderkonto des Nachlassinsolvenzverwalters überwiesen. Bis dahin wurde die gegen das Universitätsklinikum F eingeklagte Forderung mit einem Erinnerungswert von 1 € in der Aufstellung der Masseaktiva eingestellt.

Im Bericht des Nachlassinsolvenzverwalters vom 28.05.2020 (10 IN 98/15) wird ausgeführt, dass nach der erfolgten Zahlung der 1.500.000 € die Masse ausreichen werde, um die erstrangigen Forderungen der Gläubiger der Erblasserin voll zu befriedigen. Von den angemeldeten Forderungen in Höhe von 1.850.355,90 € seien solche in Höhe 919.120,05 € festgestellt, in Höhe von 391.647,07 € bestritten und in Höhe von 539.588,78 € zurückgenommen worden. Die Gläubiger der Erblasserin wurden infolgedessen zur Anmeldung ihrer nachrangigen Forderungen gemäß § 39 InsO aufgefordert.

Mit Schreiben vom 27.07.2020 bekräftigte die Beteiligte Ziffer 2 die Forderungen des Beteiligten Ziffer 1 gegen die Erblasserin und meldete gemäß § 39 InsO Verzugszinsen in Höhe von 95.645,19 € an. Nachdem diese Forderungen schließlich nicht hinreichend belegt werden konnten, wurden sie – mit Ausnahme des Betreuungsaufwands – vom Nachlassinsolvenzverwalter C. endgültig bestritten und seitens der Beteiligten Ziffer 2 nicht mehr geltend gemacht.

Am 11.08.2020 teilte der Nachlassinsolvenzverwalter C. dem Insolvenzgericht Offenburg mit, es seien nachrangige Forderungen in Höhe von 175.478,91 € angemeldet und in Höhe von 79.842,72 € festgestellt worden. Auf seinen Bericht vom 11.08.2020 sowie den Schlussbericht vom 07.10.2020 (10 IN 98/15) wird verwiesen. Nach der Verteilung ergab sich nach Abzug aller Kosten ein Überschuss von 294.100 €, den der Nachlassinsolvenzverwalter am 12.08.2021 beim Amtsgericht Offenburg hinterlegt hat.

Dem Beteiligten Ziffer 1 wurde mit Beschluss vom 13.07.2020 (30 IN 67/15) vorzeitig Restschuldbefreiung unter Entfallen der Wohlverhaltensperiode gewährt. Die Beteiligte Ziffer 2 hat nach ihrem Bericht vom 14.02.2022 auf der Grundlage einer Quote von 33 % eine Abschlagsverteilung vorgenommen.

Am 29.10.2020 hat der Beteiligte Ziffer 1 in notariell beglaubigter Form die Anfechtung der Erbschaftsannahme auf Ableben seiner Mutter wegen Irrtums erklärt und die Erbschaft ausgeschlagen. Zur Begründung führte er aus, wenn er gewusst hätte, dass der Nachlass seiner Mutter werthaltig sei, hätte er die Erbschaft ausgeschlagen, damit der Nachlass nicht in seine Insolvenzmasse fallen, sondern seinen Kindern zugutekommen würde. Auf die am 30.10.2020 beim Amtsgericht Offenburg eingegangene Erklärung des Beteiligten Ziffer 1 vom 29.10.2020 wird Bezug genommen.

Mit Anwaltsschreiben vom 21.12.2020, auf dessen Inhalt verwiesen wird, beantragte der Beteiligte Ziffer 1 die Einziehung des Erbscheins. Der Beteiligte Ziffer 1 habe sich falsche Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses gemacht und sei wegen dieses Irrtums zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft berechtigt. Bei der Stellung des Erbscheinsantrags sei er von Forderungen gegen den Nachlass seiner Mutter in Höhe von ca. 1.900.000 € ausgegangen. Erst mit am 01.10.2020 zugegangenem Schlussverzeichnis habe er erkannt, dass Forderungen (nur) in Höhe von 1.013.652,43 € festgestellt worden seien. Forderungen in Höhe von 470.492,26 € seien bestritten und in Höhe von weiteren 542.191,78 € zurückgenommen worden. Über das Bestehen der nicht begründeten Forderungen habe sich der Beteiligte Ziffer 1 geirrt. Die Forderungen der Erblasserin gegen das Universitätsklinikum F hätten sich nach der Klageschrift vom 24.09.2004 auf 1.121.412 € belaufen, wobei der Beteiligte Ziffer 1 lediglich von der Realisierbarkeit in Höhe eines Bruchteils ausgegangen sei. Die Beendigung des Schadensersatzprozesses mit einem Vergleich über 1.500.000 € sei für ihn völlig überraschend gewesen. Deshalb sei der Beteiligte Ziffer 1 bei der Annahme der Erbschaft im September 2018 von einer Überschuldung des Nachlasses in Höhe von ca. 670.000 € ausgegangen, obwohl tatsächlich ein Überschuss in Höhe des hinterlegten Betrages bestanden habe.

Die Beteiligte Ziffer 2 ist einer Einziehung des Erbscheins entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, dass ein zur Anfechtung der Erbschaftsannahme berechtigender Irrtum des Beteiligten Ziffer 1 nicht vorgelegen habe. Die wertbestimmenden Faktoren für den Nachlass seien ihm bekannt gewesen. Der Beteiligte Ziffer 1 habe vielmehr darüber geirrt, dass der Nachlass nach der am 13.07.2020 erteilten Restschuldbefreiung gleichwohl in seine Insolvenzmasse fließen würde. Die Anfechtung sei ferner verfristet. Denn der Beteiligte Ziffer 1 sei in den Verhandlungen des Oberlandesgerichts über den Schadensersatzanspruch gegen das Universitätsklinikum anwesend gewesen. Aus dem Bericht des C. vom 28.05.2020, der dem Beteiligten Ziffer 1 im Juni 2020 bekannt gewesen sei, ergebe sich die fehlende Überschuldung des Nachlasses. Zudem habe die Beteiligte Ziffer 2 dem Beteiligten Ziffer 1 am 08.07.2020 erklärt, dass die für ihn im Nachlassinsolvenzverfahren der Erblasserin geltend gemachten Forderungen nicht durchzusetzen seien.

Mit Beschluss vom 17.08.2021 hat das Nachlassgericht Offenburg die Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Zur Begründung führt das Nachlassgericht aus, ein Irrtum des Beteiligten Ziffer 1 über die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten sei zwar anzunehmen. Dieser sei aber nicht kausal geworden, denn die Annahme der Erbschaft habe für den Beteiligten Ziffer 1 keinen wirtschaftlichen Nachteil gebracht. Die Erfüllung von in der Vergangenheit eingegangenen Verbindlichkeiten habe Vorrang vor der Weitergabe des Vermögens in der Familie. Auf die Einhaltung der Anfechtungsfrist komme es daher nicht an. Auf den Beschluss des Nachlassgerichts wird Bezug genommen.

Gegen diesen – ihm am 20.08.2021 zugestellten – Beschluss hat der Beteiligte Ziffer 1 mit am 27.08.2021 beim Amtsgericht Offenburg eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, für die Kausalität sei nicht auf den höchsten moralischen Standard abzustellen, es komme vielmehr auf wirtschaftliche Vor- und Nachteile nicht nur für ihn, sondern auch seine Familie an.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 mit Beschluss vom 21.10.2021 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Der Senat hat die Beteiligten Ziffer 1 und Ziffer 2 am 27.06.2023 persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen C.. Auf den Inhalt des Sitzungsvermerks wird Bezug genommen.

Die Akten betreffend den Schadensersatzprozess der Erblasserin gegen das Universitätsklinikum F (LG F 6 O 388/04; OLG Karlsruhe 13 U 99/07; LG F 1 O 312/09; OLG Karlsruhe 13 U 227/11) sowie die Insolvenzakten des Amtsgerichts Offenburg 30 IN …. und 10 IN …..wurden beigezogen.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten Ziffer 1 ist zulässig und begründet. Der dem Beteiligten Ziffer 1 erteilte Erbschein vom 28.09.2018 ist gemäß § 2361 BGB einzuziehen. Die Erbschaft gilt nach der wirksamen Anfechtung der Annahme durch den Beteiligten Ziffer 1 gemäß § 1957 Abs. 1 BGB als ausgeschlagen, weshalb der Erbschein unrichtig ist.

1. Der Beteiligte Ziffer 1 befand sich bei der Annahme der Erbschaft in einem Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB.

a) Eine Erbschaft stellt eine „Sache“ im Sinne dieser Vorschrift dar (vgl. RGZ 103, 21, 22, juris; MüKo/Leipold, BGB, 9. Aufl. 2022, § 1954 Rn. 11). Zu den Eigenschaften der Erbschaft gehört die Zusammensetzung des Nachlasses, so dass ein Irrtum über die Zugehörigkeit bestimmter wesentlicher Rechte zum Nachlass zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung berechtigen kann (MüKo/Leipold, a. a. O., § 1954 Rn. 11). Eine fehlerhafte Vorstellung über den Wert des gesamten Nachlasses scheidet hingegen als Anfechtungsgrund aus.

Die Überschuldung des Nachlasses stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft dar (BGH, Urteil vom 08.02.1989 – IVa ZR 98/87, NJW 1989, 2885; BayObLG, Beschluss vom 14.02.1997 – 1Z BR 254/96, beck-online; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1954 Rn. 6). Fehlvorstellungen darüber, dass die Verbindlichkeiten den Wert der Nachlassgegenstände übersteigen, berechtigen jedoch nur dann zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB, wenn sie sich auf die Zusammensetzung des Nachlasses beziehen, etwa auf das Vorhandensein wesentlicher Aktiva und/oder das Nichtvorhandensein wesentlicher Passiva (BGH, Urteil vom 08.02.1989 – IVa ZR 98/87, NJW 1989, 2885; BayObLG, Beschluss vom 14.02.1997 – 1Z BR 254/96, beck-online; BayObLG, Beschluss vom 11.01.1999 – 1Z BR 113/98, beck-online; OLG Düsseldorf vom 19.12.2018 – I-3 Wx 140/18, FGPrax 2019, 81; OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.07.2019 – 3 W 55/19, Rn. 9, beck-online; Grüneberg/Weidlich, a. a. O., § 1954 Rn. 6; MüK/Leipold, a. a. O., § 1954 Rn 11 f.; juris-PK-BGB/Hönninger, 9. Aufl., Stand: 03.04.2020 § 1954 Rn. 11; Burandt/Rojahn/Najdecki, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 1954 Rn. 11; a.A. BeckOGK/Heinemann, BGB, Stand: 15.12.2022, § 1954 Rn. 62 sowie Staudinger/Otte, BGB, 2017, BGB § 1954 Rn. 15, die in der Überschuldung des Nachlasses generell eine verkehrswesentliche Eigenschaft sehen). Ein Irrtum über die Bewertung der Höhe einer zum Nachlass gehörenden Forderung oder Verbindlichkeit berechtigt hingegen nicht zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB, da der Wert der Nachlassgegenstände – ebenso wenig wie der Wert des Nachlasses selbst – keine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB darstellt (RGZ 103, 21, 22; OLG München, Beschluss vom 28.07.2015 – 31 Wx 54/15, Rn. 9, juris; MüKo/Leipold, a. a. O., § 1954 Rn. 14).

b) Nach diesen Maßstäben kann sich der Beteiligte Ziffer 1 auf einen Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB berufen. Der Senat ist aufgrund der Anhörung der Beteiligten, der Vernehmung des Zeugen C. sowie aufgrund des gesamten Inhalts der Nachlassakten und der beigezogenen Akten davon überzeugt, dass sich der Beteiligte Ziffer 1 zum Zeitpunkt der (konkludenten) Annahmeerklärung – nach Ablauf der Ausschlagungsfrist am 02.09.2018 – über den Bestand der einzelnen vom Insolvenzverwalter C. mitgeteilten Verbindlichkeiten geirrt hat und infolgedessen unzutreffend von der Überschuldung des Nachlasses seiner Mutter ausgegangen ist.

aa) Der Beteiligte Ziffer 1 wusste bei Annahme der Erbschaft im September 2018 aufgrund der ihm zugeleiteten Berichte des Insolvenzverwalters C. vom 07.12.2017 und 05.06.2018 (10 IN 98/15), dass Forderungen in Höhe von 1.793.355,90 € zur Insolvenztabelle angemeldet waren. Dies bestätigte der Beteiligte Ziffer 1 im Rahmen seiner Anhörung am 27.06.2023 vor dem Senat und schilderte überzeugend, dass er anlässlich eines am 11.04.2018 geführten ausführlichen Gesprächs, an dem auch C. als Insolvenzverwalter sowie Herr P als gesetzlicher Betreuer der A. B. teilgenommen haben, davon ausgegangen sei, dass die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen grob zwei Millionen Euro betragen würden. Dass sich ein Teil dieser Forderungen etwa durch Rücknahmen erledigen könnte, sei nicht besprochen worden oder naheliegend gewesen. Er habe deshalb angenommen, dass selbst bei einer zu diesem Zeitpunkt bereits angedachten vergleichsweisen Erledigung des Schadensersatzprozesses vor dem Oberlandesgericht der erzielte Schadensersatz nicht ausreichen würde, um die Schulden seiner Mutter zu bezahlen.

Diese Annahme des Beteiligten Ziffer 1 ist plausibel. Der Insolvenzverwalter C. führt in seinem späteren Schlussbericht vom 07.10.2020 aus, dass insgesamt Forderungen in Höhe von 2.026.336,47 € – mithin die vom Beteiligten Ziffer 1 genannten „grob zwei Millionen Euro“ – angemeldet waren. Der Schadensersatzanspruch gegen das Universitätsklinikum F einschließlich Zinsen wurde (mit Schriftsatz der Klägerseite vom 30.04.2019 im Verfahren 13 U 227/11) auf insgesamt 1.764.896,89 € beziffert. In Hinblick auf die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen konnte der Beteiligte Ziffer 1 davon ausgehen, dass die gegen den Nachlass gerichteten Verbindlichkeiten die Aktiva auch dann übersteigen würden, wenn die geltend gemachte Schadensersatzforderung – selbst in der angedachten Höhe – realisiert werden würde.

bb) Diese Annahme des Beteiligten Ziffer 1 war tatsächlich unzutreffend. Die vorhandenen Verbindlichkeiten überstiegen die Aktiva des Nachlasses nicht; der Nachlass war mithin werthaltig und nicht überschuldet. Denn einzelne, gegen den Nachlass gerichtete und zur Insolvenztabelle angemeldete Forderungen wurden von den Gläubigern nicht weiterverfolgt oder blieben aus Rechtsgründen unberücksichtigt.

Von den insgesamt angemeldeten Forderungen in Höhe von 2.026.336,47 € wurden ausweislich des Schlussberichts des Insolvenzverwalters vom 07.10.2020 Forderungen in Höhe von (nur) 1.013.652,43 € festgestellt. Ein Teil der zunächst angemeldeten Forderungen wurde ausweislich des Schlussberichts vom 07.10.2020 in Höhe von 542.191,78 € von den Gläubigern zurückgenommen. In Höhe von insgesamt 470.492,26 € wurden Forderungen vom Nachlassinsolvenzverwalter bestritten und aus diesem Grund schließlich nicht berücksichtigt. Infolgedessen war der Nachlass entgegen der Annahme des Beteiligten Ziffer 1 nicht überschuldet. Den tatsächlich relevanten Verbindlichkeiten in Höhe von 1.013.652,43 € zuzüglich einer gegen die Masse festzusetzenden Vergütung des Insolvenzverwalters in Höhe von 102.567,89 € standen frei verfügbare Vermögenswerte der Erblasserin in Höhe von insgesamt 1.549.031,89 € gegenüber.

2. Der Irrtum des Beteiligten Ziffer 1 war für die (konkludente) Annahme der Erbschaft im September 2018 ursächlich.

a) Die Anfechtung ist nur begründet, wenn die Kenntnis der wahren Sachlage bei objektiv verständiger Würdigung Anlass gegeben hätte, von der Erklärung – hier der Annahme der Erbschaft – abzusehen (MüKo/Leipold, a. a. O., § 1954 Rn. 11). Dabei kommt es auch in Erbrechtsfällen in besonderem Maße auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, wobei eine objektive Beurteilung aus Sicht eines verständigen Dritten im Zeitpunkt der Erklärung vorzunehmen ist (KG, Beschluss vom 20.02.2018 – 6 W 1/18, Rn. 18, beck-online; MüKo/Leipold, a. a. O., § 1954 Rn. 17; BeckOGK/Heinemann, a. a. O., § 1954 Rn. 73).

b) Gemessen daran hat der Beteiligte Ziffer 1 zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass er die Erbschaft ohne den Irrtum über die tatsächlich nicht vorhandene Überschuldung des Nachlasses nicht angenommen, sondern ausgeschlagen hätte. Andernfalls wäre der werthaltige Nachlass seiner Mutter wegen seines eigenen Insolvenzverfahrens der Masse und somit ausschließlich den Massegläubigern zugutegekommen. Der Beteiligte Ziffer 1 war auch nicht gehalten, eine werthaltige Erbschaft zum Vorteil seiner Gläubiger anzunehmen. Vielmehr betonen die in einem Insolvenzverfahren geltenden gesetzlichen Regelungen gerade den höchstpersönlichen Charakter der Entscheidungen über die Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft, § 83 Abs. 1 Satz 1 InsO. § 852 Abs. 1 ZPO gewährleistet, dass auch der Pflichtteilsanspruch nur auf der Grundlage einer Entscheidung des Schuldners für die Geltendmachung des Anspruchs zu Gunsten der Insolvenzmasse verwertet werden kann.

Daraus folgt, dass der Beteiligte Ziffer 1 in Kenntnis der wahren Vermögenslage im September 2018 die Erbschaft auch aus Sicht eines verständigen Dritten nicht angenommen, sondern ausgeschlagen hätte mit der Folge, dass die Vermögenswerte aus dem Nachlass seiner Mutter seinen drei Kindern als weitere Abkömmlinge an seiner Stelle (§ 1924 Abs. 3 BGB) zugeflossen wären. Der Beteiligte Ziffer 1 schilderte im Rahmen seiner Anhörung, dass seine Kinder, die aufgrund der besonderen Umstände – der Opa war schwer erkrankt und ist im Jahr 2005 verstorben, die Oma lag über viele Jahre hinweg im Koma – keine gemeinsame Zeit mit ihren Großeltern verbringen durften. Für den Beklagten Ziffer 1 sei es aufgrund der schwierigen familiären Situation klar gewesen, dass seine Kinder verbleibendes Geld ihrer Großeltern bekommen sollten.

3. Der Beteiligte Ziffer 1 hat die Anfechtung der Annahme der Erbschaft mit notariell beglaubigtem Schreiben vom 29.10.2020 wirksam erklärt.

a) Die Erklärung erfolgte in öffentlich beglaubigter Form gegenüber dem zuständigen Nachlassgericht (§§ 1955 Satz 1 und 2, 1945 Abs. 1 BGB).

b) Mit der Erklärung vom 29.10.2020 wurde die sechswöchige Anfechtungsfrist gemäß § 1954 Abs. 1 BGB eingehalten.

aa) Die Frist zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft beginnt mit der Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vom Anfechtungsgrund. Kenntnis vom Irrtum hat der Anfechtungsberechtigte, wenn ihm die dafür maßgeblichen Tatsachen bekannt werden und er erkennt, dass seine Erklärung eine andere Wirkung hatte, als er ihr beilegen wollte (BayObLG, Beschluss vom 22.12.1997 – 1Z BR 138/97, beck-online; Grüneberg/Weidlich, a. a. O., § 1954 Rn. 7). Eine volle Gewissheit über die nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen ist nicht erforderlich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2017 – 7 U 37/16, beck-online). Das bloße Kennenmüssen genügt ebenso wenig wie eine Vermutung oder der Verdacht (BGH, Urteil vom 26.04.1973 – III ZR 116/17, WM 1973, 750, beck-online). Die Feststellungslast für die Versäumung der Frist durch den Anfechtenden trägt derjenige, der die Unwirksamkeit der Anfechtung geltend macht (vgl. Kroiß/Horn, Bürgerliches Gesetzbuch: Erbrecht, 6. Aufl. 2022, § 1954 Rn. 23; BeckOGK/Heinemann, a. a. O., § 1954 Rn. 110).

bb) Die Tatsachen, die für die hinreichend sichere Beurteilung der bestehenden Verbindlichkeiten des Nachlasses erforderlich waren, kannte der Beteiligte Ziffer 1 (erst) am 01.10.2020 durch die Übersendung der Niederschrift des Insolvenzgerichts Offenburg vom 21.09.2020.

(1) Zunächst hatte der Beteiligte Ziffer 1 im Juni 2020 dem Bericht des Insolvenzverwalters C. vom 28.05.2020 entnehmen können, dass von den bislang zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen nunmehr Forderungen in Höhe von 919.120,05 € festgestellt und in Höhe von 391.647,07 € bestritten wurden. Ersichtlich war für den Beteiligten Ziffer 1 zu diesem Zeitpunkt erstmals, dass Forderungen in Höhe von 539.588,78 € zurückgenommen worden waren. Er konnte nach der Durchsicht des Berichts des Insolvenzverwalters vom 28.05.2020 davon ausgehen, dass Verbindlichkeiten nunmehr noch in Höhe von mindestens 1.310.767,10 € bestehen würden.

Aus dem Bericht ging zudem hervor, dass frei verfügbare Vermögenswerte in Höhe von 1.548.939,84 € vorhanden sind, so dass die Insolvenzgläubiger gemäß § 38 InsO mit einer Quotenzahlung von 100 % rechnen konnten.

Zugleich ergab sich aus dem Bericht, dass die Gläubiger aufgefordert werden sollten, ihre nachrangigen Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 InsO zur Tabelle anzumelden. Dazu führte der Beteiligte Ziffer 1 im Rahmen seiner Anhörung vor dem Senat aus, dass er mit Zinsforderungen der Gläubiger in Höhe von 4 bis 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz über einen längeren Zeitraum und daher mit weiteren Verbindlichkeiten gerechnet habe. Welche weiteren Verbindlichkeiten auf den Nachlass zukommen würden und insbesondere, dass diese die Aktiva nicht übersteigen würden, war für den Beteiligten Ziffer 1 nach Erhalt des Berichts vom 28.05.2020, der keine Aussage zu einem möglichen Überschuss trifft, auch mit Blick auf die – wie er nachvollziehbar ausführte – ausstehenden Kosten des Insolvenzverwalters nicht gewiss.

(2) Dass die Verbindlichkeiten schließlich die Höhe der Aktiva des Nachlasses nicht erreichen würden, wurde dem Beteiligten Ziffer 1 mit der ihm am 01.10.2020 zugegangenen Niederschrift des Insolvenzgerichts vom 21.09.2020 deutlich. Daraus war ersichtlich, dass von den angemeldeten Forderungen gemäß § 39 Abs. 1 InsO in Höhe von insgesamt 175.487,91 € (nur) Forderungen in Höhe von 80.335,38 € festgestellt wurden. Angesichts der danach festgestellten Verbindlichkeiten von 1.013.652,43 € (933.317,05 € + 80.335,38 €) offenbarte sich für den Beteiligten Ziffer 1 nun, dass er auch unter Berücksichtigung der noch abzuziehenden Insolvenzverwaltervergütung die relevanten Verbindlichkeiten unzutreffend, nämlich zu hoch, eingeschätzt hatte und diese entgegen seiner Annahme im September 2018 die Aktiva nicht übersteigen und zur Überschuldung des Nachlasses führen würden.

(3) Dass der Beteiligte Ziffer 1 bereits zu einem früheren Zeitpunkt eine ausreichende Tatsachengrundlage zur verlässlichen Beurteilung seiner abgegebenen Erklärung hatte, hat die insoweit darlegungs- und feststellungsbelastete Beteiligte Ziffer 2, die sich auf eine Versäumung der Anfechtungsfrist berufen hat, nicht zur Überzeugung des Senats vorgebracht. Dass der Beteiligte Ziffer 1 infolge des von ihr geschilderten Gesprächs am 08.07.2020 ausreichende Kenntnis über die relevanten Verbindlichkeiten gewinnen musste, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest. Denn die Beteiligte Ziffer 2 hat den Beteiligten Ziffer 1 nur darüber informiert, dass die für ihn im Insolvenzverfahren der Erblasserin geltend gemachten Forderungen in Höhe von 391.647,07 € nicht durchzusetzen seien. Unklar war für den Beteiligten Ziffer 1 weiterhin, welche Forderungen nach § 39 InsO angemeldet und wie hoch die Kosten für das Insolvenzverfahren sein würden. Im Übrigen bekräftigte die Beteiligte Ziffer 2 in ihrem Schreiben vom 27.07.2020 die Forderungen des Beteiligten Ziffer 1 und meldete darüber hinaus nachrangige Zinsforderungen aus dem vollen Betrag in Höhe von 95.645,19 € zur Tabelle an. Die Beteiligte Ziffer 2 ließ die Forderungen gegen den Nachlass gerade nicht fallen.

cc) Ausgehend von einem Fristbeginn am 01.10.2020 war durch die Erklärung des Beteiligten Ziffer 1 vom 29.10.2020 – eingehend beim Amtsgericht Offenburg am 30.10.2020 – die Anfechtungsfrist nach § 1954 Abs. 1 BGB eingehalten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.

Der Geschäftswert ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1, 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GNotKG. Auch wenn es insofern auf den Zeitpunkt des Erbfalls – also den 21.07.2018 – ankommt, kommt der letztlich als Überschuss hinterlegte Betrag dem Wert des Nachlasses am nächsten.

 

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