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Kostentragung für Schriftgutachten im Erbscheinverfahren

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 131/19 – Beschluss vom 07.06.2019

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn – Nachlassgericht – vom 03.04.2019 (Az.: A 22 VI 1360/18) wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.781,03 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 09.12.2016 verstorbene Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet, der Beteiligte zu 2 ist ihr Sohn aus erster Ehe. Die Erblasserin errichtete am 14.02.2016 mit dem Beteiligten zu 1 ein gemeinschaftliches Testament mit gegenseitiger Erbeinsetzung.

Der Beteiligte zu 2 wurde zu dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 vom … .2017 angehört. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 21.02.2017 regte der Beteiligte einen Unterschriftenvergleich an und wies darauf hin, dass das gemeinschaftliche Testament mindestens drei Handschriften enthalte. Das Nachlassgericht erhob daraufhin Beweis durch Gutachten eines Schriftsachverständigen, der zum Ergebnis kam, dass die Erblasserin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Ort, Datum und die Unterschrift „… …“ eigenhändig geschrieben hat. Für das Gutachten sind Kosten in Höhe von 2.781,03 € angefallen. Nachdem der Beteiligte zu 2 mit Schriftsatz vom 04.12.2017 mitteilen ließ, dass die erhobenen Einwendungen nicht mehr aufrecht erhalten werden, hat das Nachlassgericht mit – den Beteiligten nicht zugestelltem – Beschluss vom 11.12.2017 den Erbschein antragsgemäß erteilt. Der Beschluss enthält keine Kostenentscheidung. Unter dem 12.12.2017 teilte das Nachlassgericht den Beteiligten mit, dass wegen der Kosten noch eine Entscheidung gemäß den Bestimmungen in § 81 FamFG zu treffen sei.

Mit Schriftsatz vom 27.12.2017 hat der Beteiligte zu 2 beantragt, die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Sachverständigen dem Antragsteller aufzuerlegen.

Der Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 29.12.2017 beantragt, die Kosten für das Sachverständigengutachten dem Beteiligten zu 2 aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 03.04.2019 hat das Amtsgericht Heilbronn als Nachlassgericht die Kosten des Nachlassverfahrens, insbesondere die Kosten für das Sachverständigengutachten dem Beteiligten zu 1 auferlegt.

Gegen diese den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 am 08.04.2019 zugestellte Entscheidung hat der Beteiligte zu 1, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, mit Telefax vom 11.04.2019 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 25.04.2019 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde des Beteiligte zu 1 ist zulässig. Der Senat legt die ohne Kostenausspruch getroffene Entscheidung des Nachlassgerichts über den Erbschein vom 11.12.2017 und die mit Beschluss vom 03.04.2019 getroffene isolierte Kostenentscheidung als jeweils mit der Beschwerde nach § 58 FamFG angreifbare Teilbeschlüsse aus (vgl. hierzu Meyer-Holz in Keidel, FamFG, 19. Aufl., § 43, Rn. 3). Aus dem Hinweis vom 12.12.2017 ergibt sich, dass das Nachlassgericht im Beschluss vom 11.12.2017 absichtlich über die Kosten nicht entschieden hatte. Mithin ist auszuschließen, dass die Kostenentscheidung versehentlich nicht getroffen wurde – in diesem Fall käme nur eine Beschlussergänzung nach § 43 FamFG in Betracht (OLG München, Beschluss vom 20. Februar 2012 – 31 Wx 565/11, Rn. 16, juris; Meyer-Holz a.a.O.) – oder dass das Nachlassgericht mit der Nichtentscheidung über die Kosten zum Ausdruck bringen wollte, dass weder eine Erstattung außergerichtlicher Kosten noch eine Änderung der aus § 22 Abs. 1 GNotKG resultierenden alleinigen Haftung des Beteiligten zu 1 für die Gerichtskosten beabsichtigt war – in diesem Fall hätte der Beteiligte zu 1 schon den Beschluss vom 11.12.2017 mit der Beschwerde angreifen müssen (OLG München a.a.O.).

Kostentragung für Schriftgutachten im Erbscheinverfahren
(Symbolfoto: Lipowski Milan/Shutterstock.com)

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg. Über die Kosten des Verfahrens, zu denen gemäß § 80 FamFG die Gerichtskosten und die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten gehören, entscheidet das Gericht in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gemäß § 81 FamFG nach billigem Ermessen. Im Beschwerdeverfahren hat das Beschwerdegericht die Ermessensentscheidung der Ausgangsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen, ist also nicht auf die Kontrolle von Ermessensfehl- oder Ermessensnichtgebrauch beschränkt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Januar 2017 – 1 WF 182/16 –, juris Rn. 17; Beschluss vom 20. Oktober 2016 – 1 WF 185/16 –, juris Rn. 3; Rojahn in Burandt, FamFG Kommentar, 3. Auflage 2019, § 81 FamFG Rn 5; a.A. OLG Düsseldorf, FGPrax 2016, 47; OLG Hamm, MDR 2013, 469; OLG Hamburg, FGPrax 2014, 138; Zimmermann in Keidel a.a.O., § 81, Rn. 81a). Da für Beschwerdeentscheidungen gemäß § 69 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend gelten, kann die Beschwerde im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschränkungslos auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden (§ 65 Abs. 3 FamFG). Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht eine vollständige Prüfung des Sachverhalts, so wie er sich im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung darstellt, vornehmen muss und auf dessen Grundlage auch eigene Ermessenserwägungen anzustellen hat (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2016 – XII ZB 372/16, juris Rn. 10 für den Ausgleich geringfügiger Anrechte im Versorgungsausgleich nach § 18 VersAusglG).

Bei Ausübung des Ermessens ist von dem Grundsatz auszugehen, dass im Bereich des FamFG – abweichend vom starren Erfolgsprinzip des § 91 ZPO – der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, das Obsiegen und Unterliegen zum alleinigen oder auch nur überwiegend maßgeblichen Kriterium für die Kostenverteilung zu machen und dass es statt dessen auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 19.02.2014 – XII ZB 15/13; OLG Schleswig Beschluss vom 31.03.2015 – 3 Wx 77/14 und Beschluss vom 17.08.2012 – 3 Wx 137/11; OLG Celle Beschluss vom 18.08.2011 – 10 UF 179/11). Der Bundesgerichtshof hat der von einigen Oberlandesgerichten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04. April 2014 – I-3 Wx 115/13; Beschluss vom 30. Juli 2012 – I-3 Wx 247/11; OLG Köln, Beschluss vom 06. Februar 2015 – I-2 Wx 27/15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 21 W 47/14; einschränkend; OLG München, Beschluss vom 30. April 2012 – 31 Wx 68/12) und so auch von den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 vertretenen Auffassung, in Nachlasssachen, insbesondere bei streitigen Erbscheinanträgen komme dem Maß des Obsiegens und Unterliegens auch im Rahmen von § 81 Abs. 1 FamFG besondere Bedeutung zu, mit seiner Entscheidung vom 18.11.2015 (IV ZB 35/15, NJW-RR 2016, 200) eine Abfuhr erteilt. Vielmehr stelle das Maß des Obsiegens und Unterliegens im Rahmen der Kostenentscheidung lediglich einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden könne. Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspreche es, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbeziehe. Hierzu zählten neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse sowie die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten.

Dies berücksichtigt hat das Amtsgericht zu Recht die Kosten des Nachlassverfahrens einschließlich der Kosten für das Sachverständigengutachten dem Beteiligten zu 1 auferlegt. Ein Regelfall des § 81 Abs. 2 FamFG, der es gebieten würde, die Kosten dem Beteiligten zu 2 aufzuerlegen, liegt nicht vor. Der Beteiligte zu 2 hat auch keineswegs „ins Blaue hinein“ vorgetragen. Vielmehr hat er nachvollziehbar auf die unterschiedlichen Handschriften in dem Testament, hingewiesen. Eine Auffälligkeit lag hier insbesondere auch deshalb vor, weil die Unterschrift der Erblasserin von der Handschrift des unmittelbar darüber befindlichen Textes „Dies ist auch mein letzter Wille“ deutlich abweicht. Auch der Sachverständige kam insoweit in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass dieser Text, der inhaltlich eine Erklärung der Erblasserin suggeriert, nicht von der Erblasserin gefertigt wurde. Auch der Vortrag, es handele sich um mindestens drei verschiedene Handschriften ist vertretbar, weil die Unterschrift des Beteiligten zu 1 von dem übrigen Text abweicht. Der Beteiligte zu 2 hat gerade nicht behauptet, dass die Unterschrift der Erblasserin gefälscht sei. Er hat auch im Verfahren keine Anträge gestellt, insbesondere keinen Antrag auf Zurückweisung des Erbscheinantrags des Beteiligten zu 1 oder auf Einholung eines Sachverständigengutachtens. Vielmehr wurde von ihm lediglich angeregt, einen Vergleich der Unterschrift auf dem Testament mit von der Erblasserin herrührenden Handschriften vorzunehmen. Nachdem Unterschriftenproben vorlagen, hat er – ebenfalls nachvollziehbar – darauf hingewiesen, dass diese von der Unterschrift auf dem Testament abweichen. Das Nachlassgericht, das den Sachverhalt von Amts wegen unabhängig vom Vortrag der Beteiligten zu ermitteln hat, hat darauf hin, den Sachverständigenbeweis eingeholt.

Soweit sich der Beteiligte zu 1 für sein Beschwerdebegehren auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 30. April 2012 – 31 Wx 68/12) beruft, ist darauf hinzuweisen, dass der dort zu beurteilende Sachverhalt erheblich von dem hier vorliegenden abweicht, weil dort die Erblasserin das Testament, dessen Echtheit bestritten war, selbst in die amtliche Verwahrung gegeben hatte. Auch dieser Umstand führte zu der – vorliegend gerade nicht gerechtfertigten – Feststellung, die gegen den Erbschein erhobenen Einwendungen seien „ins Blaue hinein“ erfolgt. All dies berücksichtigt, erscheint es angemessen, es bei der aus § 22 GNotKG folgenden alleinigen gesetzlichen Kostenschuld des Beteiligten zu 1 als Antragsteller zu belassen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 84 FamFG.

 

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