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Nachlassgericht – Aufgebot unbekannter Erben

OLG Hamm: Amtsgericht muss Erbschein-Antrag sorgfältig und gründlich prüfen

Im vorliegenden Fall beim OLG Hamm (Az.: I-15 W 313/14) geht es um die Anfechtung eines Beschlusses zur Erteilung eines Erbscheins, bei dem das Nachlassgericht aufgefordert wird, das Verfahren hinsichtlich der Erbansprüche einer Beteiligten neu zu bewerten, nachdem diese sich als alleinige Erbin dritter Ordnung aufgrund fehlender direkter Nachkommen und testamentarischer Regelungen der Erblasserin darstellt, jedoch das Vorhandensein möglicher weiterer Erben mütterlicherseits nicht abschließend geklärt werden konnte.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Beschluss des Amtsgerichts wurde aufgehoben und das Verfahren zur Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zurückverwiesen, um die Erbansprüche neu zu bewerten.
  • Die Beteiligte beantragt die Alleinerbin zu sein, stößt aber auf das Problem unbekannter möglicher Erben mütterlicherseits, woraufhin das OLG Hamm eine gründlichere Prüfung und eventuelle Durchführung eines Aufgebotsverfahrens anordnet.
  • Das Amtsgericht hatte den Antrag auf einen Alleinerbschein zurückgewiesen, weil die Stellung als Alleinerbin nicht ausreichend nachgewiesen wurde; das OLG sieht jedoch Mängel in der Beweisführung und Ermittlung möglicher weiterer Erben.
  • Die Beteiligte hat versucht, durch Anzeigen und Anfragen mögliche Erben zu ermitteln, ohne Erfolg, was das OLG dazu veranlasst, das Verfahren zur weiteren Klärung zurück ans Amtsgericht zu verweisen.
  • Das Urteil unterstreicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Ermittlung aller potenziell erbberechtigten Personen und die Rolle des Nachlassgerichts bei der Feststellung der Erbberechtigung.
  • Es wird hervorgehoben, dass das Nachlassgericht bei der Ermittlung von Erben weitreichende Pflichten hat und diese nicht allein den Antragstellern überlassen kann.
  • Das OLG betont, dass die Beteiligte ihre Mitwirkungspflicht erfüllt hat, indem sie alle verfügbaren Informationen vorgelegt hat, und dass weitere Nachforschungen über die Existenz weiterer erbberechtigter Verwandter erforderlich sind.
  • Der Fall illustriert die Komplexität von Erbschaftsangelegenheiten, insbesondere wenn potenzielle Erben nicht leicht zu identifizieren sind.

Das Nachlassgericht und die Suche nach unbekannten Erben

Wird ein Mensch erbberechtigt, treten oftmals Fragen auf, wer denn nun die gesetzlichen Erben sind. Das Nachlassgericht spielt dabei eine wichtige Rolle bei der Feststellung der Erbberechtigung. Gibt es Unklarheiten, etwa weil Verwandtschaftsverhältnisse unklar sind oder Erben unbekannt, muss das Gericht von Amts wegen tätig werden.

Das Nachlassgericht ist gesetzlich verpflichtet, bei Bedarf umfangreiche Nachforschungen anzustellen. Dadurch soll eine rechtssichere Klärung der Erbansprüche erreicht werden. Als letztes Mittel kann sogar ein Aufgebotsverfahren eingeleitet werden, um bislang unbekannte Erben ausfindig zu machen.

➜ Der Fall im Detail


Streit um Erbschein führt zu grundlegender juristischer Auseinandersetzung

Im Kern des Falles steht ein Erbscheinsantrag einer Beteiligten, die sich als Alleinerbin einer Verstorbenen sieht. Diese beruft sich auf die gesetzliche Erbfolge, da kein Testament vorhanden ist. Die Verstorbene hatte jedoch ein gemeinschaftliches Ehegattentestament erstellt, das keine klare Nachfolgeregelung enthält. Die Antragstellerin, eine Cousine der Verstorbenen väterlicherseits, sieht sich aufgrund der familiären Konstellation und mangels direkter Nachkommen der Verstorbenen als einzige Erbin. Das Amtsgericht lehnte eine öffentliche Aufforderung zur Ermittlung möglicher unbekannter Erben mütterlicherseits ab, was die rechtliche Auseinandersetzung initiierte.

OLG Hamm hebt Beschluss des Amtsgerichts auf und fordert Neuverhandlung

Das Oberlandesgericht Hamm setzt in seiner Entscheidung einen deutlichen Akzent auf die Notwendigkeit einer gründlichen Beweisaufnahme und Ermittlung potenzieller Erben. Die Ablehnung des Amtsgerichts, ein Aufgebotsverfahren einzuleiten, wird als wesentlicher Verfahrensmangel angesehen. Dies ist insbesondere relevant, da die Antragstellerin bereits umfangreiche Nachforschungen angestellt hatte, um mögliche weitere Erben zu identifizieren, jedoch ohne Erfolg. Das Gericht betont, dass die Antragstellerin ihre Mitwirkungspflicht erfüllt hat und weitere Ermittlungen zur Feststellung der Erbberechtigung nun Sache des Amtsgerichts sind.

Juristische Feinheiten bei der Ermittlung unbekannter Erben

Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts und setzt klare Richtlinien für die Ermittlung unbekannter Erben. Das OLG Hamm kritisiert, dass das Amtsgericht die Antragstellerin zu weiteren, über ihre Möglichkeiten hinausgehenden Ermittlungen aufforderte, obwohl sie bereits alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hatte. Der Beschluss macht deutlich, dass das Nachlassgericht eigene Ermittlungen anstellen muss, wenn die Antragstellerin plausible Gründe liefert, warum weitere Nachforschungen von ihrer Seite unzumutbar oder aussichtslos wären.

Die Rolle des Aufgebotsverfahrens in der Erbfolge

Besonders hervorzuheben ist die Wichtigkeit des Aufgebotsverfahrens, welches das Gericht als notwendigen Schritt zur Klärung der Erbansprüche sieht. Dieses Verfahren dient dem Ausschluss unbekannter Erben und soll eine klare Erbfolge sicherstellen. Das OLG Hamm kritisiert, dass das Amtsgericht dieses Instrument nicht genutzt hat, obwohl der Fall ungelöste Fragen bezüglich möglicher weiterer Erben aufwarf. Es betont, dass in Situationen, in denen nach Ausschöpfung aller sinnvollen Erkenntnisquellen die Existenz weiterer erbberechtigter Personen unklar bleibt, das Aufgebotsverfahren nicht nur angebracht, sondern sogar geboten ist.

Das Amtsgericht muss nun erneut entscheiden

Mit der Zurückweisung des Falls an das Amtsgericht wird eine umfangreiche Beweisaufnahme und Neubewertung der Erbansprüche notwendig. Das OLG Hamm legt fest, dass das Amtsgericht alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen muss, um eine fundierte Entscheidung über den Erbscheinsantrag treffen zu können. Dabei ist auch die mögliche Existenz eines Bruders der Mutter der Erblasserin zu prüfen, was die Komplexität des Falles weiter erhöht. Das Gericht stellt klar, dass die Feststellung der Erbfolge eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller relevanten Umstände erfordert, um den Willen der Verstorbenen gerecht zu werden und die Rechte aller potenziellen Erben zu wahren.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Aufgebotsverfahren und wann wird es angewendet?

Ein Aufgebotsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, bestimmte Urkunden für kraftlos zu erklären oder unbekannte Berechtigte von ihrer Rechtsposition auszuschließen. Es findet in verschiedenen gesetzlich bestimmten Fällen Anwendung, wie zum Beispiel:

  • Aufgebot des Grundstückseigentümers
  • Aufgebot des Grundpfandrechtsgläubigers
  • Aufgebot von Nachlassgläubigern
  • Aufgebot zur Kraftloserklärung von Urkunden wie Grundschuldbriefen, Hypothekenbriefen, Sparbüchern oder sonstigen Urkunden

Häufig wird ein Aufgebotsverfahren bei verloren gegangenen Grundschuld- oder Hypothekenbriefen notwendig. Auch Erben können ein Aufgebotsverfahren beantragen, um unbekannte Nachlassgläubiger aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Meldet ein Gläubiger seine Forderung nicht an, ist er durch das Aufgebotsverfahren ausgeschlossen. Dem Erben haftet der ausgeschlossene Gläubiger dann nur noch mit dem Nachlass. Das Aufgebotsverfahren gibt dem Erben somit Aufschluss darüber, ob der Nachlass überschuldet ist und ob ggf. eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz beantragt werden muss. Es dient der Begrenzung der Erbenhaftung.

Welche Rolle spielt die gesetzliche Erbfolge, wenn kein Testament vorhanden ist?

Die gesetzliche Erbfolge spielt eine zentrale Rolle, wenn der Erblasser kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen hat. In diesem Fall regelt sie verbindlich, wer die gesetzlichen Erben sind und in welcher Reihenfolge und Höhe sie erben. Hier die wichtigsten Punkte:

Ordnungssystem der Erbfolge

Die gesetzlichen Erben werden in Ordnungen eingeteilt, die den Verwandtschaftsgrad zum Erblasser widerspiegeln:

  • Erben 1. Ordnung: Kinder, Enkel etc. (direkte Nachkommen)
  • Erben 2. Ordnung: Eltern, Geschwister, Nichten/Neffen
  • Erben 3. Ordnung: Großeltern, Tanten/Onkel, Cousins/Cousinen
  • Erben 4. Ordnung: Weitere entfernte Verwandte

Erben einer höheren Ordnung schließen Erben niedrigerer Ordnungen von der Erbfolge aus.

Ehegattenerbrecht

Der überlebende Ehegatte hat neben Verwandten der 1. Ordnung einen Erbteilsanspruch, dessen Höhe vom Güterstand abhängt (z.B. 1/4 bei Zugewinngemeinschaft).

Repräsentationsprinzip

Wenn ein potenzieller Erbe verstorben ist, treten dessen Nachkommen an seine Stelle (z.B. Enkel statt Kinder).

Staatliches Erbrecht

Gibt es keine Verwandten bis zur 4. Ordnung, fällt der Nachlass an den Staat (Bundesland des letzten Wohnsitzes). Zusammengefasst regelt die gesetzliche Erbfolge die Verteilung des Nachlasses, wenn keine letztwillige Verfügung des Erblassers vorliegt. Sie folgt dabei einem klar definierten Ordnungssystem basierend auf der Verwandtschaftsnähe.

Was muss ich tun, wenn ich glaube, Erbe zu sein, aber nicht kontaktiert wurde?

Wenn Sie glauben, Erbe zu sein, aber vom Nachlassgericht nicht kontaktiert wurden, sollten Sie selbst aktiv werden und folgende Schritte unternehmen:

  1. Kontaktieren Sie das zuständige Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Teilen Sie dem Gericht mit, dass Sie möglicherweise erbberechtigt sind und fragen Sie nach, ob bereits ein Erbscheinsverfahren eingeleitet wurde.
  2. Legen Sie dem Nachlassgericht Ihre mögliche Erbberechtigung dar, z.B. aufgrund Verwandtschaft oder eines Testaments. Stellen Sie dem Gericht alle Ihnen bekannten Informationen zur Verfügung, die Ihre Stellung als Erbe belegen könnten.
  3. Ist noch kein Erbscheinsantrag gestellt, können Sie selbst einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beim Nachlassgericht einreichen. Dafür müssen Sie in der Regel persönlich vorsprechen und eine eidesstattliche Versicherung über Ihr Erbrecht abgeben.
  4. Beachten Sie unbedingt die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen, die mit Kenntnis vom Erbfall zu laufen beginnt. Wenn Sie die Erbschaft nicht antreten möchten, müssen Sie sie form- und fristgerecht ausschlagen, auch wenn Sie noch nicht vom Nachlassgericht kontaktiert wurden.
  5. Holen Sie sich gegebenenfalls anwaltlichen Rat ein, insbesondere wenn die Erbfolge unklar ist oder Streit unter den Erben droht. Ein Fachanwalt für Erbrecht kann Ihre Ansprüche prüfen und Sie im Verfahren vor dem Nachlassgericht vertreten.

Das Nachlassgericht wird dann anhand der von Ihnen vorgelegten Informationen und Unterlagen prüfen, ob Sie tatsächlich als Erbe in Betracht kommen. Gegebenenfalls leitet es dann ein Erbscheinsverfahren ein oder ergänzt ein bereits laufendes Verfahren um Ihre Person als weiteren möglichen Erben.

Wie kann ich nachweisen, dass ich erbberechtigt bin?

Um Ihre Erbberechtigung nachzuweisen, haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

Beantragung eines Erbscheins beim zuständigen Nachlassgericht. Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das bescheinigt, wer in welchem Umfang Erbe geworden ist. Für den Antrag benötigen Sie folgende Unterlagen:

  • Sterbeurkunde des Erblassers
  • Geburts-, Heirats- und ggf. Sterbeurkunden aller in Betracht kommenden Erben (auch bereits verstorbener Verwandter wie Eltern oder Geschwister des Erblassers)
  • Testament oder Erbvertrag, falls vorhanden
  • Nachweis des Güterstands bei Eheleuten

Beim Nachlassgericht müssen Sie eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit Ihrer Angaben abgeben. Die Erteilung des Erbscheins ist gebührenpflichtig und richtet sich nach dem Wert des Nachlasses.

Vorlage anderer Dokumente, die die Erbfolge belegen, z.B.:

  • Notarielles Testament nebst Eröffnungsprotokoll
  • Erbvertrag
  • Beglaubigte Kopie eines privatschriftlichen Testaments mit Eröffnungsniederschrift
  • Europäisches Nachlasszeugnis bei Auslandsbezug

Ob diese Alternativen ausreichen, hängt vom Einzelfall ab. Banken und Grundbuchämter verlangen häufig einen Erbschein. Fragen Sie im Zweifelsfall bei der kontoführenden Bank oder Behörde nach, welche Nachweise akzeptiert werden. Beachten Sie: Mit Antragstellung beim Nachlassgericht nehmen Sie die Erbschaft an und können sie nicht mehr ausschlagen. Lassen Sie sich im Zweifelsfall anwaltlich beraten, insbesondere wenn Unklarheiten über den Nachlass bestehen.

Was geschieht, wenn mögliche Erben nicht auffindbar sind?

Wenn mögliche Erben trotz Nachforschungen nicht auffindbar sind, gibt es folgende Möglichkeiten:

Nachlasspfleger bestellen

Das Nachlassgericht kann einen Nachlasspfleger bestellen, wenn Erben unbekannt oder unauffindbar sind. Der Nachlasspfleger nimmt die Erbschaft vorübergehend in Besitz und verwaltet sie. Er ist der gesetzliche Vertreter der unbekannten Erben. Zu seinen Aufgaben gehören:

  • Suche nach den Erben (ggf. mit Hilfe von Erbenermittlern)
  • Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten
  • Sicherung und Verwaltung des Nachlasses im Interesse der Erben

Aufgebotsverfahren durchführen

Das Nachlassgericht kann ein Aufgebotsverfahren einleiten, um unbekannte Erben öffentlich aufzufordern, ihre Erbrechte innerhalb einer Frist anzumelden. Die Aufforderung wird meist an der Gerichtstafel und in öffentlichen Anzeigern wie dem Bundesanzeiger veröffentlicht. Meldet sich ein Erbe nicht fristgerecht, wird er durch einen Ausschließungsbeschluss von der Erbfolge ausgeschlossen. Sein Erbrecht erlischt damit aber nicht vollständig – er kann nur noch mit dem vorhandenen Restnachlass haften. Das Aufgebotsverfahren dient somit dem Schutz der bekannten Erben. Sie laufen nicht mehr Gefahr, dass unbekannte Miterben Ansprüche auf ihr Eigenvermögen erheben. Auch erhalten sie Klarheit über mögliche Überschuldung des Nachlasses.

Abwesenheitspfleger einsetzen

Ist lediglich der Aufenthaltsort eines Miterben unbekannt, seine Identität aber geklärt, bestellt das Betreuungsgericht einen Abwesenheitspfleger. Dieser vertritt die Interessen des abwesenden Erben bei der Nachlassverwaltung und -auseinandersetzung. Lassen sich trotz aller Bemühungen keine Erben finden, fällt der Nachlass letztlich an den Fiskus (das Bundesland des letzten Wohnsitzes des Erblassers). Der Staat tritt dann die Erbschaft an.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 2358 BGB (Aufgebotsverfahren): Dieser Paragraph regelt das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung unbekannter Erben. Im vorliegenden Fall ist er zentral, da das Amtsgericht ein solches Verfahren abgelehnt hat, was vom OLG Hamm kritisiert wurde. Das Aufgebotsverfahren dient dazu, potenzielle Erben aufzufordern, ihre Ansprüche geltend zu machen, oder diese bei Nichtmeldung auszuschließen, um eine klare Erbfolge zu gewährleisten.
  • §§ 2354, 2356 BGB (Erforderliche Angaben für Erbscheinsantrag): Diese Paragraphen definieren die Informationen und Unterlagen, die für einen Erbscheinsantrag notwendig sind. Im Kontext des Falles waren sie relevant, weil die Antragstellerin versucht hat, den Anforderungen gerecht zu werden und das Amtsgericht die Durchführung weiterer Nachforschungen eingefordert hat.
  • §§ 63, 64 FamFG (Form- und Fristgerechte Einlegung der Beschwerde): Diese Vorschriften aus dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) sind wichtig, da sie die Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts bestätigen. Sie verdeutlichen die prozessualen Anforderungen an eine Beschwerde in Erbscheinsverfahren.
  • § 27 FamFG (Mitwirkungspflicht): Dieser Paragraph hebt die Pflicht der Beteiligten hervor, im Verfahren mitzuwirken. Er war im vorliegenden Fall relevant, weil das OLG Hamm feststellte, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen ist, indem sie alle ihr zumutbaren Nachforschungen unternommen hat.
  • § 1926 BGB (Gesetzliche Erbfolge): Der Paragraph regelt, wer als gesetzlicher Erbe in Betracht kommt, wenn kein Testament vorliegt. Er ist in diesem Kontext bedeutsam, da die Antragstellerin sich als gesetzliche Erbin sieht, weil sie zur nächsten Verwandtschaft der Erblasserin gehört.
  • § 58 FamFG (Statthaftigkeit der Beschwerde): Er gibt an, unter welchen Voraussetzungen eine Beschwerde gegen Entscheidungen in Nachlasssachen statthaft ist. Dieser Paragraph war relevant für die Beurteilung der Zulässigkeit der Beschwerde der Beteiligten durch das OLG Hamm.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 313/14 – Beschluss vom 13.02.2015

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren zur Bescheidung des Erbscheinsantrags der Beteiligten vom 28. Februar 2012 wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte beantragt die Erteilung eines Erbscheins, wonach sie Alleinerbin der Erblasserin geworden ist. Sie beruft sich auf gesetzliche Erbfolge, da kein Testament vorhanden ist. Die Erblasserin hatte mit ihrem zweiten Ehemann ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, das jedoch keine Schlusserbeneinsetzung enthält (Blatt 6 der beigezogenen Akte AG Dortmund 10 IV 590/81). Die Erblasserin war in zweiter Ehe nach dem Tod des Ehemannes am 5. August 1981 verwitwet; die erste, Jahrzehnte zurückliegende Ehe, war geschieden. Die Erblasserin hatte keine Kinder und war das einzige Kind ihrer vorverstorbenen Eltern.

Die Beteiligte ist die Cousine der Erblasserin väterlicherseits; ihre am 13. April 1979 vorverstorbene Mutter war die einzige Schwester des Vaters der Erblasserin. Die Großeltern väterlicherseits der Erblasserin, die außer dem Vater der Erblasserin und der Mutter der Beteiligten keine weiteren Kinder hatten, sind 1918 und 1962 vorverstorben. Die Beteiligte ist auf der väterlichen Seite der Erblasserin die einzige vorhandene Erbin dritter Ordnung.

Als Eltern der am 19. März 1903 geborenen Mutter der Erblasserin sind in der Geburtsurkunde der Mutter der Erblasserin aufgeführt I und J. Betreffend diese Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin liegen weitere urkundliche Nachweise nicht vor. Die Beteiligte hat sich ergebnislos um das Auffinden einer Heiratsurkunde der Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin bemüht. Sie hat sodann die öffentliche Aufforderung nach der Mutter der Erblasserin beantragt. Das Amtsgericht hat die öffentliche Aufforderung abgelehnt, weil etwaige Erben der mütterlichen Linie „hier zunächst unbekannt“ seien.

Es hat darauf hingewiesen, dass sich aus der Heiratsurkunde der Eltern der Erblasserin möglicherweise das Vorhandenseins eines Bruders der Mutter der Erblasserin ergeben könnte, und angeregt, dass die Antragstellerin nur einen Mindestteilerbschein beantrage und die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft mit dann durchzuführenden Erbenermittlungen anrege. Die Antragstellerin, die an dem gestellten Erbscheinsantrag ausdrücklich festgehalten hat, hat im August 2013 eine Anzeige in den Ruhrnachrichten geschaltet, auf die keine Reaktion erfolgt ist.

Mit am 25. Oktober 2013 erlassenem Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen, weil die Alleinerbenstellung der Beteiligten nicht ausreichend nachgewiesen sei. Mit ihrer Beschwerde hat die Beteiligte unter anderem vorgetragen, dass die Erblasserin wiederholt angegeben habe, außer ihr – der Antragstellerin – keine weiteren Verwandten zu haben, und hat dies an Eides statt versichert. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Auf Anregung des Senats hat die Beteiligte beantragt, das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses an das Amtsgericht zurückzuverweisen; hierbei hat sie ausdrücklich ihren Antrag auf öffentliche Aufforderung wiederholt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 63, 64 FamFG eingelegte Beschwerde der Beteiligten hat den zumindest vorläufigen Erfolg einer Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und der Zurückweisung des Erbscheinsverfahrens an das Amtsgericht – Nachlassgericht, § 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG.

Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, vor der Entscheidung wäre eine umfangreiche Beweiserhebung erforderlich und die Beteiligte hat die Zurückverweisung beantragt.

Die vom Amtsgericht – Rechtspfleger – abgelehnte Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB zum Ausschluss etwaiger gleichrangig gemäß § 1926 BGB neben der Beteiligten erbberechtigter Verwandter der Erblasserin mütterlicherseits ist nicht mehr durch das insoweit bestehende pflichtgemäße Ermessen, ob und welche Ermittlungsmaßnahmen das Nachlassgericht zu ergreifen hat, gedeckt. Die Ablehnung der Durchführung des Aufgebotsverfahrens stellt angesichts der Gegebenheiten des vorliegenden Falles einen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

Der Senat kann nicht dem Standpunkt des Amtsgerichts folgen, die Beteiligte sei gehalten, ihrerseits selbst weitere Ermittlungen zur Frage des Vorhandenseins von Verwandten der vorverstorbenen Mutter der Erblasserin vorzunehmen, obwohl die Beteiligte den Anforderungen der §§ 2354, 2356 BGB nachgekommen war und durch die Vornahme weiterer Nachforschungen während des erstinstanzlichen Verfahrens in besonderer Weise ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht nach § 27 FamFG genügt hatte. Die Beteiligte hat in der ihr zumutbaren Weise alle gemäß § 2354 BGB erforderlichen Angaben gemacht und hierzu die von ihr mit noch zumutbarem Aufwand beschaffbaren urkundlichen Nachweise vorgelegt. Auch in Ansehung ihrer Mitwirkungspflicht können von der Beteiligten weitere Angaben und weitere Nachforschungsmaßnahmen nicht verlangt werden.

Die Beteiligte hat plausibel und nachvollziehbar dargelegt, dass und warum ihr aufgrund der ihr zugänglichen Erkenntnisquellen und aufgrund der Mitteilungen der Erblasserin vom Vorhandensein etwaiger Geschwister der Mutter der Erblasserin und etwaiger Abkömmlinge solcher etwaiger Geschwister nichts bekannt ist sowie dass und warum sie davon ausgeht, dass es solche Personen nie gegeben hat. Ihre Angaben beim Stellen des Erbscheinsantrages sind zwar vom Amtsgericht zunächst zu Recht als unzureichend bemängelt worden. Die Beteiligte hat aber im weiteren Verlauf des Verfahrens ihre Angaben zum Vorhandensein bzw. Fehlen gleichrangig erbberechtigter Verwandter der Erblasserin mütterlicherseits ergänzt und präzisiert.

Die Beteiligte hat Personenstandsurkunden hinsichtlich der Abstammung und der Verwandtschaft mütterlicherseits der Erblasserin in dem Umfang ermittelt und vorgelegt, wie es die Angaben in den Urkunden selbst – durch Verweis auf andere Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden – erlauben.

Aus der Geburtsurkunde der Mutter der Erblasserin lassen sich lediglich die Namen ihrer Eltern J und I entnehmen. Der Heiratseintrag der Mutter der Erblasserin vom 27. Oktober 1923 enthält entsprechend der damals geltenden Fassung des § 54 PStG nicht die Namen der Eltern der Eheschließenden. Die in der früheren Fassung der Vorschrift vorgesehene Angabe der Personalien der Eltern der Eheschließenden war zuvor durch Gesetz vom 15. Juni 1920 gezielt beseitigt worden. Für das Aufgebot zur Eheschließung reichte die Vorlage eines Geburtsscheines der Verlobten aus (vgl. Stötzel, PStG, 2. Auflage, S. 180, 385). Die Personenstandsurkunden enthalten danach keine verwertbaren Anknüpfungspunkte zur Ermittlung von Ort und Zeitpunkt der Eheschließung der Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin, die gegebenenfalls weiteren Aufschluss über das Vorhandensein weiterer Kinder aus dieser Ehe geben könnten.

Weitere Ermittlungen können vor diesem Hintergrund nach Auffassung des Senats in Ansehung des Wechselspiels von Erklärungs- und Mitwirkungspflicht des Antragstellers einerseits und der Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts andererseits (Stephanie Herzog in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2358 Rn.9 – 12) von der Beteiligten nicht mehr verlangt werden.

Insbesondere kann die Beteiligte nicht auf die Einschaltung eines sogenannten Erbenermittlers verwiesen werden, wie sie vom Amtsgericht zwischenzeitlich angeregt worden war. Denn grundsätzlich obliegt es dem Nachlassgericht, selbst die von ihm im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens für notwendig erachteten Ermittlungen durchzuführen. Von dem Antragsteller eines Erbscheinsverfahrens kann – abgesehen vom Stellen eines ordnungsgemäßen Antrages mit den nach §§ 2354 – 2356 BGB erforderlichen Angaben und Unterlagen – die Beschaffung weiterer Informationen und Unterlagen grundsätzlich nur dann verlangt werden, wenn und soweit dies für ihn mit vertretbarem Aufwand verbunden ist; insbesondere ist dies dann der Fall, wenn für notwendig erachtete Informationen oder Unterlagen vom Antragsteller einfacher zu beschaffen sind als vom Amtsgericht (vgl. Stephanie Herzog in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2358 Rn.10). Der in diesem Zusammenhang vertretbare Aufwand beschränkt sich auf diejenigen Bemühungen, die die Antragstellerin persönlich leisten kann. Dazu gehört jedoch nach Auffassung des Senats nicht die Inanspruchnahme einer vergütungspflichtigen gewerblichen Dienstleistung eines Erbenermittlers.

Unter Berücksichtigung der von der Beteiligten bereits gemachten Angaben und der von ihr bereits durchgeführten Ermittlungen hatte daher nunmehr das Amtsgericht von Amts wegen gemäß § 2358 BGB die erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise unter Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen (Stephanie Herzog in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2358 Rn.5) zu erheben. Das Amtsgericht durfte nicht unter Hinweis auf die Nichtvornahme weiterer Nachforschungen durch die Beteiligte die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens ablehnen. Vielmehr oblag es angesichts der Gegebenheiten des konkreten Falles dem Amtsgericht, die Frage des Vorhandenseins möglicher erbberechtigter Verwandter der dritten Ordnung in der Weise zu klären, wie es zur Entscheidung über den Erbscheinsantrag der Beteiligten notwendig ist.

Im vorliegenden Fall ist dabei nicht zu klären, ob Personen, die zweifelsfrei gelebt haben, zum Zeitpunkt des Erbfalles noch am Leben waren. Denn die Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin sind zweifelsfrei vorverstorben, so dass ein – gegebenenfalls gegenüber dem Aufgebotsverfahren des § 2358 Abs. 2 BGB vorrangiges – Todeserklärungsverfahren nicht erforderlich ist.

Wann zweifelsfrei aus den Umständen zu entnehmen ist, dass jemand verstorben sein muss, bestimmt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände dürfen für einen vernünftig Denkenden keine Zweifel an dem Tode bestehen (Staudinger-Habermann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 1 VerschG [im Band Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1], Rn.11). Dies ist z.B. der Fall, wenn feststeht, dass der Betreffende die höchstmögliche Lebenszeit eines Menschen überschritten haben müsste (Staudinger-Habermann a.a.O., dortiges Beispiel: Alter von 120 Jahren). Zwar sind die Geburtsdaten der Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin nicht bekannt. Da die Mutter der Erblasserin am 19. März 1903 geboren worden ist und da aus biologischen Gründen die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht jünger als zumindest zwölf oder dreizehn Jahre alt gewesen sein können, muss zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass sie zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin nicht mehr leben konnten.

Für die Feststellung der gesetzlichen Erbfolge kann daher lediglich von Bedeutung sein, ob die Großeltern mütterlicherseits der Erblasserin außer ihrer am 19. März 1903 geborenen und am 20. Februar 1978 verstorbenen Tochter B, der Mutter der Erblasserin, weitere Kinder gehabt haben. In diesem Zusammenhang besteht deshalb kein Hinderungsgrund zur Durchführung eines Aufgebots nach § 2358 Abs. 2 BGB. Vielmehr ist in derartigen Fällen, in denen nach Ausschöpfung aller anderen sinnvollen Erkenntnisquellen nicht bekannt ist, ob eine vorrangig oder gleichrangig erbberechtigte Person überhaupt gelebt hat, das Aufgebotsverfahren gemäß § 2358 Abs. 2 BGB die sachgerechte und sogar gebotene Vorgehensweise (vgl. auch KG Rpfleger 1970, 339, 340; LG Berlin Rpfleger 1994, 255).

Die Durchführung des Aufgebotsverfahrens stellt eine umfangreiche Beweisaufnahme dar, die vom Amtsgericht nach Aufhebung und Zurückverweisung durchzuführen sein wird. Vorher wird das Amtsgericht jedoch noch zu prüfen haben, ob es der von ihm angesichts der Person des Trauzeugen der Eltern der Erblasserin für möglich gehaltenen Existenz eines Bruders I der Mutter der Erblasserin beispielsweise durch eine Anfrage an das Stadtarchiv der Stadt E zum Vorhandensein einer etwaigen Geburtsurkunde eines I aus der Zeit vom 20. März 1900 bis zum 19. März 1901 nachgeht.

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