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Nichtvorlage nicht ausreichendes Nachlassverzeichnis –  Zwangsgeld

Sanktionen bei Nichterfüllung von Auskunftspflichten im Erbrecht: Zwangsgeld und Ersatzhaft als Druckmittel

Im Kern des Falles steht die Nichterfüllung einer Auskunftspflicht im Kontext des Erbrechts. Die Schuldnerin wurde bereits durch ein Teil-Anerkenntnisurteil dazu verpflichtet, ein notarielles Bestandsverzeichnis des Nachlasses des Verstorbenen vorzulegen. Sie hat zwar ein solches Verzeichnis vorgelegt, jedoch wurde die Gläubigerin nicht über den entsprechenden Notartermin informiert, was ihre Rechte verletzt. Das Hauptproblem liegt in der Frage, ob die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht nachgekommen ist und welche Sanktionen bei Nichteinhaltung greifen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 34 O 7909/20  >>>

Auskunftspflicht und ihre juristische Bedeutung

Die Auskunftspflicht im Erbrecht ist eine unvertretbare Handlung und kann nach § 888 ZPO vollstreckt werden. Sie besteht solange, bis die geschuldete Auskunft umfassend, wahrheitsgemäß und verbindlich gegeben wurde. Im vorliegenden Fall wurde die Schuldnerin bereits durch ein Teil-Anerkenntnisurteil dazu verpflichtet, Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses zu geben.

Mängel im vorgelegten Nachlassverzeichnis

Die Schuldnerin hat zwar ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt, jedoch wurde die Gläubigerin nicht über den entsprechenden Notartermin informiert. Dies stellt eine Verletzung des Anwesenheitsrechts der Gläubigerin nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Zudem hat die Gläubigerin substantiierte Zweifel an der Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses geäußert, was die Erfüllung der Auskunftspflicht in Frage stellt.

Verhängung von Zwangsgeld und Ersatzhaft

Da die Schuldnerin ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 3.500 € gegen sie verhängt. Für den Fall, dass dieses Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann, wurde ersatzweise für je 250 € ein Tag Zwangshaft angeordnet. Das Gericht hat bei der Bemessung des Zwangsgeldes das Gewicht der Rechtsgutsverletzung und das Interesse der Gläubigerin am Erhalt des notariellen Nachlassverzeichnisses berücksichtigt.

Kosten des Verfahrens

Die Schuldnerin wurde darüber hinaus dazu verpflichtet, die Kosten des Zwangsmittelverfahrens zu tragen. Der Streitwert des Verfahrens wurde auf 3.500 € festgesetzt. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 34 O 7909/20 – Beschluss vom 01.04.2021

1. Gegen die Schuldnerin wird ein Zwangsgeld von 3.500,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise für je 250,00 € ein Tag Zwangshaft angeordnet, wenn die Schuldnerin nicht binnen 4 Wochen nach Rechtskraft dieses Beschlusses gemäß dem Teil-Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts München, Az. 155 C 16202/17, vom 14.11.2018 Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 10.08.2016 verstorbenen Gerhard Arent zum Zeitpunkt seines Todes erteilt, und zwar durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses über

a) sämtliche Aktiva und Passiva und offenen Forderungen des Erblassers zum 10.08.2016 im Inland und in Österreich und

b) sämtliche ergänzungspflichtigen Schenkungen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren zu seinen Lebzeiten getätigt hat.

2. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Zwangsmittelverfahrens.

3. Der Streitwert des Zwangsmittelverfahrens wird auf 3.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Schuldnerin wurde mit der im Tenor genannten Entscheidung zur Auskunft verurteilt.

Die Schuldnerin legte eine Niederschrift des Notars Joseph Hönle vom 19.03.2019, URNr. 0667/2019, über die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses vor. Darin heißt es u.a.:

„Der Rechtsanwalt der Frau S. G. wurde durch Herrn Rechtsanwalt L2. über den Termin informiert und auf die Möglichkeit der Teilnahme am Termin hingewiesen. Der Rechtsanwalt der Frau G. und Frau S. G. sind nicht anwesend.“

Die Gläubigerin trägt vor, sie und ihr Rechtsanwalt seien von dem vorgenannten Notartermin nicht informiert worden. Das Nachlassverzeichnis sei unrichtig.

Die Gläubigerin beantragt die Festsetzung eines Zwangsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft.

Die Schuldnerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie teilte mit, die Gläubigerin habe nicht ihre Teilnahme an dem vorgenannten Notartermin verlangt. Die Schuldnerin habe die frühere Klägervertreterin mit Schreiben vom 12.03.2019 von dem Notartermin informiert (Bl. 161 d.A.). Durch die Übergabe des aus ihrer Sicht zutreffenden Nachlassverzeichnisses sei das Teil-Anerkenntnisurteil erfüllt.

II.

Gegen die Schuldnerin war gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld in der oben festgesetzten Höhe zu verhängen, da sie ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen ist und von dieser auch noch nicht aufgrund Unmöglichkeit der geschuldeten Leistung frei geworden ist.

1. Bei der Verpflichtung des Erben gegenüber dem nicht zum Erben berufenen Pflichtteilsberechtigten zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Verzeichnisses der Nachlassgegenstände gem. § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist. Dies gilt auch dann, wenn der Erbe zur Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses gem. § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verurteilt worden ist (BGH NJW 2019, 231).

2. Die Auskunftspflicht besteht solange, bis die geschuldete Auskunft umfassend, wahrheitsgemäß und verbindlich gegeben wurde.

Der mit Teil-Anerkenntnisurteil vom 14.11.2018 tenorierte Anspruch der Gläubigerin wurde nicht durch die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses des Notars Joseph Hönle vom 19.03.2019, URNr. 0667/2019, erfüllt, Denn die Schuldnerin hat der Gläubigerin insoweit ihr Anwesenheitsrecht nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB verwehrt. Bereits der notariellen Niederschrift vom 19.03.2019 selbst ist zu entnehmen, dass der Beklagtenvertreter vom Anwesenheitswunsch der Klagepartei informiert war. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 08.02.2021 bestritten, dass der Klagepartei ein Schreiben des Beklagtenvertreters über den bevorstehenden Notartermin zuging. Die insoweit beweisbelastete Schuldnerin hat weder das betreffende Schreiben noch einen Zustellungsnachweis vorgelegt, so dass sie letztlich beweislos ist. Demnach ist dieser Entscheidung zu Grunde zu legen, dass die Beklagte in Kenntnis des geäußerten Anwesenheitswunschs von der Beklagten nicht über den Notartermin informiert wurde. In solch einem Fall tritt bei Übergabe des Verzeichnisses keine Erfüllung ein (MüKoBGB/Lange, 8. Aufl. 2020 Rn. 42, BGB § 2314 Rn. 42; vgl. gerichtlicher Hinweis vom 26.11.2020, Bl. 179 d.A., m.w.N.). Nachdem die Gläubigerin auch substantiierte Zweifel an der Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses geäußert hat, stehen weder das Schikaneverbot noch der Grundsatz von Treu und Glauben, §§ 226, 242 BGB, dem klägerischen Begehren entgegen.

3. Da die Schuldnerin ihrer Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen ist, obwohl ihr das noch möglich wäre, war sie durch Verhängung eines fühlbaren Zwangsgeldes dazu anzuhalten. Das Gericht hat dieses zunächst auf 3.500,00 € festgesetzt.

Bei der Bemessung des Zwangsgeldes wurde das Gewicht der Rechtsgutsverletzung und das Interesse der Gläubigerin am Erhalt des notariellen Nachlassverzeichnisses bedacht. Eine Festsetzung des Zwangsgeldes mit 3.500 € erschien daher als angemessen, aber auch ausreichend.

Zur Abwendung des Zwangsgeldes war der Schuldnerin nochmals eine letzte Frist zur Abwendung der Vollstreckung des Zwangsgeldes einzuräumen.

Die Ersatzhaft hat ihre Rechtsgrundlage in § 888 Abs. 1 Satz 1 a.E. ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 S. 3, 91 ZPO.

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