Das Oberlandesgericht Köln hat die Berufung der Klägerin, die als Tochter und bedingt eingesetzte Nacherbin Pflichtteilsansprüche geltend machte, zurückgewiesen. Entscheidend war, dass die Klägerin die Nacherbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Das Gericht bestätigte, dass ein Pflichtteilsanspruch nur besteht, wenn der Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen ist, was bei einer bedingten Nacherbschaft ohne Ausschlagung nicht der Fall ist.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 115/14 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Zurückweisung der Berufung: Das OLGKöln wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Aachen zurück.
- Pflichtteilsansprüche: Im Kern ging es um die Pflichtteilsansprüche der Klägerin als Tochter des Verstorbenen und bedingt eingesetzte Nacherbin.
- Wechselseitige Vollerbfolge: Das zugrundeliegende Ehegattentestament setzte die Eheleute wechselseitig als Alleinerben ein.
- Wiederverheiratungsklausel: Bei Wiederheirat des überlebenden Ehepartners sollte der Nachlass nur an die Kinder aus erster Ehe vererbt werden.
- Ausschlagung der Nacherbschaft: Entscheidend für die Ablehnung des Pflichtteilsanspruchs war, dass die Klägerin die Nacherbschaft nicht ausgeschlagen hatte.
- Rechtliche Interpretation: § 2306 Abs. 2 BGB wurde so interpretiert, dass die Einsetzung als Nacherbe einer Beschränkung der Erbeinsetzung gleichsteht und daher ein Pflichtteilsanspruch ohne Ausschlagung nicht besteht.
- Streit um Auskunftsanspruch: Die Klägerin forderte Auskunft über den Nachlass und lebzeitige Zuwendungen des Erblassers, was jedoch im Kontext der Nacherbschaft ohne Ausschlagung abgelehnt wurde.
- Rechtsmittel zugelassen: Trotz der Zurückweisung der Berufung wurde die Möglichkeit einer Revision zugelassen.
Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Der Streit um Pflichtteilsansprüche: Ein komplexer Erbfall vor dem OLG Köln
- Ehegattentestament und Wiederverheiratungsklausel als Ausgangspunkt
- Die rechtliche Herausforderung: Pflichtteilsanspruch und bedingte Nacherbschaft
- Juristische Feinheiten im Fokus des Gerichts
- Die Entscheidung des OLG Köln und ihre Bedeutung
- ✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Der Pflichtteilsanspruch eines bedingt eingesetzten Nacherben ist nach den aktuellen erbrechtlichen Vorschriften in Deutschland ein komplexes Thema. Gemäß § 2306 BGB steht einem Nacherben der Pflichtteil zu, wenn er die Nacherbschaft ausgeschlagen hat. Vor allem bei aufschiebend bedingten Nacherbschaften ist dies relevant. Als Pflichtteilsberechtigter gilt grundsätzlich, wer nicht Erbe geworden ist, jedoch kann auch ein Nacherbe, der noch nicht an die Erbschaft gelangt ist, den Pflichtteil fordern.
Somit hat ein bedingt eingesetzter Nacherbe die Möglichkeit, seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Vorerben geltend zu machen, wenn er zuvor die Nacherbschaft ausgeschlagen hat. Im folgenden Beitrag wird ein konkretes Urteil des OLG Köln zur Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Aachen vorgestellt und diskutiert.
Der Streit um Pflichtteilsansprüche: Ein komplexer Erbfall vor dem OLG Köln
In einem bemerkenswerten Erbrechtsfall, der vor dem Oberlandesgericht Köln verhandelt wurde, ging es um die Pflichtteilsansprüche einer bedingt eingesetzten Nacherbin. Die Klägerin, Tochter der Beklagten und aus der Ehe mit dem verstorbenen Erblasser hervorgegangen, beanspruchte ihren Pflichtteil aus dem Nachlass ihres Vaters. Dieser komplexe Fall, Az.: I-7 U 115/14, entfaltete sich aus einem privatschriftlichen Ehegattentestament, das der Erblasser und seine Ehefrau im Jahr 1994 aufgesetzt hatten.
Ehegattentestament und Wiederverheiratungsklausel als Ausgangspunkt
Das Testament, das den Kern des Rechtsstreits bildet, beinhaltete eine interessante Klausel: Sollte einer der Ehepartner versterben und der andere wieder heiraten, sollte der gesamte Nachlass ausschließlich an die Kinder aus erster Ehe vererbt werden. Zusätzlich enthielt das Testament eine Pflichtteilsstrafklausel, die besagte, dass ein Erbberechtigter, der vor dem Tod des letzten Erblassers seinen Pflichtteil fordert, keine weiteren Ansprüche am Erbe des zuletzt Verstorbenen hat. Diese Klauseln waren entscheidend für die rechtliche Beurteilung des Falls.
Die rechtliche Herausforderung: Pflichtteilsanspruch und bedingte Nacherbschaft
Das Hauptproblem in diesem Fall lag in der Interpretation des Pflichtteilsanspruchs einer bedingt eingesetzten Nacherbin. Die Klägerin, die den Pflichtteil ihres Vaters geltend machte, sah sich als enterbt an, obwohl sie durch das Testament nur bedingt als Nacherbin eingesetzt wurde. Sie argumentierte, dass ihr trotz Nichtausschlagung der Nacherbschaft ein Pflichtteilsanspruch zustehe. Dies führte zu einer detaillierten rechtlichen Auseinandersetzung über die Bedeutung und Tragweite des § 2306 BGB, insbesondere im Kontext einer aufschiebend bedingten Nacherbschaft.
Juristische Feinheiten im Fokus des Gerichts
Die Klägerin beantragte, die Beklagte zur Auskunftserteilung über den Nachlass und zu einer möglichen Pflichtteilszahlung zu verurteilen. Das Landgericht Aachen wies jedoch die Klage ab, da die Klägerin als aufschiebend bedingte Nacherbin nicht von der Erbfolge ausgeschlossen war und somit keinen aktuellen Pflichtteilsanspruch hatte. Die Klägerin legte daraufhin Berufung beim OLG Köln ein, die jedoch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Das Gericht bestätigte, dass der Pflichtteilsanspruch nach § 2303 Abs. 1 BGB nur bei Ausschluss von der Erbfolge besteht und eine aufschiebend bedingte Nacherbschaft ohne Ausschlagung keinen Pflichtteilsanspruch begründet.
Die Entscheidung des OLG Köln und ihre Bedeutung
Das OLG Köln urteilte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf ihren Pflichtteil hatte, da sie die Nacherbschaft nicht ausgeschlagen hatte. Diese Entscheidung basiert auf der Interpretation des § 2306 Abs. 2 BGB, der besagt, dass die Einsetzung als Nacherbe einer Beschränkung der Erbeinsetzung gleichsteht. Diese richtungsweisende Entscheidung verdeutlicht die Komplexität des Erbrechts, insbesondere in Fällen von bedingten Nacherbschaften und Pflichtteilsansprüchen. Sie unterstreicht die Wichtigkeit einer sorgfältigen Testamentsgestaltung und die Notwendigkeit für Erbberechtigte, ihre Rechte und Pflichten im Kontext des Erbrechts gründlich zu verstehen.
Das Urteil des OLG Köln ist nicht nur für die Beteiligten von Bedeutung, sondern auch für die rechtliche Praxis und die Interpretation erbrechtlicher Normen. Es zeigt, wie entscheidend die genaue Formulierung in Testamenten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erbfolge sind. Dieser Fall macht deutlich, dass in der Erbfolge nicht nur emotionale, sondern auch komplexe rechtliche Aspekte eine Rolle spielen, die oft erst bei Gericht vollends entwirrt werden können.
Die Entscheidung des Gerichts, die Berufung der Klägerin abzuweisen, bekräftigt die Notwendigkeit, dass Erben und potenzielle Nacherben die rechtlichen Konsequenzen ihres Status genau verstehen müssen. Der Fall illustriert auch, dass die Gerichte in ihrer Urteilsfindung nicht nur den Buchstaben des Gesetzes, sondern auch die Intentionen hinter einem Testament und die daraus resultierenden familiären Beziehungen gründlich prüfen.
Dieses Urteil könnte zukünftig als Referenzpunkt für ähnliche Fälle dienen, in denen die Rechte bedingt eingesetzter Nacherben und die Anforderungen an einen Pflichtteilsanspruch zur Debatte stehen. Es beleuchtet die Feinheiten des Erbrechts und zeigt auf, wie wichtig eine umfassende und vorausschauende Testamentsplanung ist, um nach dem Ableben des Erblassers rechtliche Unklarheiten und familiäre Konflikte zu vermeiden.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Was versteht man unter einem Pflichtteilsanspruch im deutschen Erbrecht?
Unter einem Pflichtteilsanspruch im deutschen Erbrecht versteht man das Recht bestimmter naher Angehöriger des Erblassers, auch wenn sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, eine Mindestbeteiligung am Nachlass zu erhalten. Dieser Anspruch ist in den §§ 2303 bis 2338 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und sichert insbesondere Kindern und Ehegatten des Verstorbenen eine finanzielle Absicherung zu.
Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils, zu dem der Pflichtteilsberechtigte berufen wäre, wenn keine testamentarische Verfügung vorläge. Pflichtteilsberechtigt sind in erster Linie die Abkömmlinge des Erblassers, also dessen Kinder, Enkel und Urenkel, sowie der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner. In bestimmten Fällen können auch die Eltern des Erblassers pflichtteilsberechtigt sein.
Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers und ist vererblich sowie übertragbar. Er ist ein reiner Geldanspruch und kann nicht durch Sachwerte aus dem Nachlass erfüllt werden. Die Berechnung des Pflichtteils erfolgt durch Ermittlung des Nettonachlasswertes, also der Differenz zwischen dem Vermögen (Aktiva) und den Schulden (Passiva) des Erblassers zum Zeitpunkt des Todes. Zudem können Schenkungen des Erblassers, die innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod getätigt wurden, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen.
Sollte der Erbe die Auszahlung des Pflichtteils verweigern, kann der Pflichtteilsberechtigte vor dem zuständigen Nachlassgericht eine Pflichtteilsklage erheben. Der Pflichtteilsanspruch ist zudem pfändbar, wenn er durch Vertrag anerkannt oder rechtshängig geworden ist.
Wie wird die bedingte Nacherbschaft im Erbrecht definiert und behandelt?
Die bedingte Nacherbschaft im deutschen Erbrecht bezieht sich auf eine Situation, in der ein Erblasser eine Person (den Vorerben) als Erben einsetzt, aber unter der Bedingung, dass das Erbe nach dem Tod des Vorerben oder nach dem Eintritt einer bestimmten Bedingung an eine andere Person (den Nacherben) übergeht[1].
Die Nacherbschaft kann aufschiebend oder auflösend bedingt sein. Bei einer aufschiebenden Bedingung tritt die Nacherbschaft erst ein, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist. Bei einer auflösenden Bedingung tritt die Nacherbschaft ein, wenn eine bestimmte Bedingung nicht mehr erfüllt ist[1].
Der Vorerbe und der Nacherbe sind zeitlich nacheinander Rechtsnachfolger des Erblassers. Der Erblasser kann auch mehrere Personen hintereinander als Nacherben einsetzen[1]. Der Eintritt der Bedingung entspricht dem Nacherbfall[1].
Es ist zu beachten, dass der Nacherbe zivilrechtlich Rechtsnachfolger des Erblassers ist, nicht des Vorerben[7]. Mit dem Eintritt der Nacherbfolge ist der Vorerbe zur Herausgabe des Erbes an den Nacherben verpflichtet[7].
In Bezug auf den Pflichtteil kann ein Nacherbe diesen nur geltend machen, wenn er die Nacherbschaft ausschlägt[2]. Es ist jedoch umstritten, ob dies auch für einen nur unter einer Bedingung eingesetzten Nacherben gilt[2].
Die Anordnung einer Nacherbschaft durch den Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung ist durch Auslegung zu ermitteln[1]. Bei der Ausschlagung der Erbschaft durch den Vorerben fällt die Erbschaft im Zweifel an den Nacherben, da die Einsetzung als Nacherben im Zweifel die Einsetzung als Ersatzerben enthält[1].
Es ist auch möglich, dass der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht verkaufen kann, um die mitunter sehr lange Zeitspanne zwischen Erbfall und Eintritt der Nacherbschaft zu überbrücken[8].
Die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft kann auch steuerliche Auswirkungen haben. Nach dem Erbschaftsteuergesetz handelt es sich um zwei Erbfälle[3]. Der Nacherbe wird steuerlich so behandelt, als ob er das Vermögen aus der Nacherbschaft vom Vorerben geerbt hätte[3].
Es ist wichtig zu beachten, dass die Nacherbschaft eine komplexe erbrechtliche Regelung ist, die sorgfältige Planung und Beratung erfordert. Es ist ratsam, einen Fachanwalt für Erbrecht zu konsultieren, um sicherzustellen, dass die Vor- und Nacherbschaft korrekt und im besten Interesse aller Beteiligten eingerichtet wird.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: I-7 U 115/14 – Urteil vom 05.02.2015
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichtes Aachen vom 02.07.2014 – 8 O 504/13 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten um Pflichtteilsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist die Tochter der Beklagten und aus der Ehe derselben mit dem Erblasser, H, hervorgegangen. Der Erblasser ist am 17.10.2010 in B verstorben.
Die Beklagte errichtete gemeinsam mit dem Erblasser ein Ehegattentestament, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Weiter heißt es dort wörtlich:
„Sollte einer der Ehepartner sterben, kann der andere der oben genannten Ehepartner bei Wiederheirat den gesamten Nachlaß nur an die zwei Kinder aus erster Ehe vererben.
Beantragt einer der Erbberechtigten vor Ableben des letzten Erblassers sein Pflichtteil, so hat dieser keine weiteren Ansprüche mehr an dem Erbe des zuletzt Lebenden.“ (Bl. 7 d.A.)
Am 19.01.2011 erteilte das zuständige Amtsgericht Eschweiler der Beklagten einen Alleinerbschein als befreite Vorerbin, in dem auch der Eintritt der Nacherbfolge im Falle ihrer Wiederverheiratung aufgeführt ist. Die Klägerin machte durch Schreiben vom 26.08.2013 gegenüber der Beklagten ihren Pflichtteil geltend und forderte diese gleichzeitig unter Fristsetzung auf den 16.09.2013 dazu auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses sowie die lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers in notarieller Form zu geben. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2013 abgelehnt.
Im Wege der Stufenklage macht die Klägerin aus Anlass des Todes ihres Vaters die ihr – nach ihrer Ansicht – auch ohne Ausschlagung zustehenden Ansprüche einer Pflichtteilsberechtigten geltend und führt hierzu wesentlich an, sie sei als kraft Testament nur bedingt eingesetzte Nacherbin enterbt. Daraus folgend sei sie berechtigt, auch Auskünfte über Zuwendungen des Erblassers zu erhalten.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. der Klägerin in notarieller Form Auskunft zu erteilen
a) über den Bestand und den Wert des Nachlasses des am 17.10.2010 in B verstorbenen H, wobei der Wert der im Nachlass vorhandenen Sachwerte, insbesondere die Immobilien durch sachverständige Schätzung zu bewerten sind;
b) über alle Schenkungen (einschließlich gemischter Schenkungen und ehebezogener Zuwendungen) des am 17.10.2010 in B verstorbenen H an die Beklagte während ihrer Ehe und an Dritte während der letzten zehn Jahre vor dessen Tod;
2. ggf. den Wert der nach Ziffer 1 beauskunfteten Schenkungen zu ermitteln;
3. ggf. die Vollständigkeit und Richtigkeit der nach Ziffer 1. und 2. erteilten Auskünfte eidesstattlich zu versichern;
4. einen nach Auskunftserteilung noch zu beziffernden Pflichtteilsanspruch nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.09.2013 zu zahlen.
Die Beklagte hat wesentlich unter Verweis auf die fehlende Ausschlagung der angeordneten Nacherbschaft beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 02.07.2014, auf das wegen der Sachverhaltsdarstellung im Übrigen verwiesen wird, die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei als aufschiebend bedingte Nacherbin nicht von der Erbfolge ausgeschlossen; ein Pflichtteilsanspruch besteht zurzeit nicht, da die Klägerin das Nacherbe nicht ausgeschlagen habe.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin das Rechtsmittel der Berufung fristgerecht eingelegt und begründet, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt.
Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass ihr als bedingte Nacherbin auch ohne Ausschlagung ein Pflichtteilsanspruch zustehe.
Sie beantragt, unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichtes Aachen – 8 O 504/13 – die Beklagte entsprechend den Schlussanträgen der 1. Instanz zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte, die zwecks Erfüllung des hier nicht in Rede stehenden Anspruches der Klägerin aus § 2121 BGB am 17.09.2014 ein dieser übermitteltes Verzeichnis der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände angefertigt hat (Notar Dr. C UR-Nr. 1xxx/2014), ist der Berufung unter Verteidigung der angefochtenen Entscheidung entgegengetreten, und zwar weiterhin mit der Ansicht, der Klägerin stehe ein Auskunftsrecht nach § 2314 BGB nicht zu, da diese Nacherbin sei und ihr als solche ein Pflichtteilsrecht nur dann zustehe, wenn sie das Erbe ausschlage.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des beidseitigen Vorbingens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die prozessual bedenkenfreie Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Stufenklage insgesamt abgewiesen.
Dem Streit der Parteien liegt das wechselseitige, privatschriftliche Ehegattentestament vom 10.08.1994 des am 17.10.2010 in B verstorbenen H und der Beklagten zugrunde (Bl. 7 GA).
Festzuhalten ist, dass sich durch dieses Testament die Eheleute wechselseitig im Wege der Vollerbfolge eingesetzt, also nicht die sogenannte Trennungslösung gewählt haben (vgl. Palandt BGB 74. Aufl. 2015 Bearbeiter Weidlich § 2269 Rdnr. 2). Dieses Verständnis findet in der Wiederverheiratungsklausel seine Stütze, in der die Rede davon ist, dass der „gesamte“ Nachlass im Falle der Wiederheirat (nur) an die Kinder vererbt werden kann. Im Berufungsrechtszug geht des weiteren jetzt auch die Klägerin, wie schon immer die Beklagte, davon aus, dass eine Erbeinsetzung der Kinder im Wege der Schlusserbfolge als Ersatzerben für den Fall des Vorversterbens testiert war. Bezogen auf die Pflichtteilsstrafklausel ist das nunmehrige übereinstimmende Verständnis zur Schlusserbeneinsetzung der Kinder auch naheliegender. Zwar ist zu konstatieren, dass eine ausdrückliche Einsetzung der Kinder als Schlusserben im Testament fehlt. Wohl ist im Testament nicht nur eine Wiederverheiratungsklausel (vgl. Palandt aaO § 2269 Rdnr. 16), sondern eine Pflichtteilsstrafklausel formuliert. Eine solche gegen die pflichtteilsberechtigten gemeinschaftlichen Kinder gerichtete Sanktionsklausel kann nach den Umständen bei fehlender ausdrücklicher Formulierung im Übrigen als bindende Schlusserbeneinsetzung auszulegen sein (vgl. etwa OLG Düsseldorf Beschluss vom 14.01.2014 3 WX 64/13 zitiert nach juris Rdnr. 25). Letztlich ist dies für die hier entscheidende Rechtsfrage ohne Belang. Denn auch im Falle fehlender Schlusserbeneinsetzung kann ausgehend vom unstrittigen Verständnis, wonach wechselseitig zwischen den testierenden Eheleuten nur eine wechselseitige Vollerbfolge gewollt gewesen ist, die Wiederverheiratung nur als auflösende Bedingung der Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten verbunden mit seiner aufschiebend bedingten Vorerbschaft bzw. mit der aufschiebend bedingten Nacherbenschaft der Kinder (so BGHZ 96, 198 ff.) gemeint gewesen sein.
Gemäß § 2303 Abs. 1 BGB ist aber ein Pflichtteilsanspruch, den die Klägerin hier im Wege der Stufenklage geltend gemacht hat, nur dann gegeben, wenn der Abkömmling von der Erbfolge ausgeschlossen ist.
Im Rahmen des hier im Wege der Stufenklage geltend gemachten Auskunftsanspruchs gemäß § 2314 BGB besteht allerdings die Besonderheit, dass es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausschließlich auf die grundsätzliche Pflichtteilsberechtigung ankommt, nicht aber auf einen Pflichtteilsanspruch (vgl. so schon BGH Urteil vom 01.10.1958 – V ZR 53/58 – NJW 1958,1964 ff). Voraussetzung eines Auskunftsanspruches gemäß § 2314 BGB ist jedoch, dass der Auskunftssuchende nicht „Erbe“ ist. Grundsätzlich ist der Nacherbe Erbe im Sinne des § 2314 BGB, das heißt, er hat keinen Auskunftsanspruch, und zwar auch dann nicht, wenn seine Nacherbenstellung auflösend bedingt ist (vgl. BGH Urteil vom 04.12.1980 IVa ZR 46/80). Für den Fall einer aufschiebend bedingten Nacherbenschaft besteht aber die Besonderheit, dass strittig ist, ob der aufschiebend bedingte Nacherbe infolge der Beschränkung durch die Bedingung den Pflichtteilsanspruch ohne Weiteres geltend machen darf (so u.a.: Palandt/Weilich aaO. § 2306 Rn. 4; Erman BGB 14. Aufl. 2014, Bearbeiter A.Röthel § 2306 Rdnr. 6; Bamberger/Roth BGB, 3. Aufl. 2012, Bearbeiter J.Mayer § 2306 Rdnr. 13; BGB-RGRK, 12. Aufl. 1975, Bearbeiter Johannsen, § 2306 Rn. 9; Münchener Kommentar BGB, 3. Auf. 1997, Bearbeiter Frank § 2306 Rdnr. 7; Schlitt NJW 1992, 28ff, 29; Lange/Kuchinke Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 37 Fn. 84; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz Handbuch Pflichtteilsrecht, 3. Aufl, 2013, Bearbeiter J.Mayer § 3 Rn. 46 ; auch Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1 ff.) oder ob es auch hier im Hinblick auf § 2306 Abs. 2 BGB der Ausschlagung des bedingten Nacherbes bedarf, um Pflichtteilsansprüche geltend zu machen (so z.B. Staudinger BGB, Neubearbeitung 2006, Bearbeiter Ulrich Haas, § 2306 Rn. 17 ff.; Münchner Kommentar BGB, 6. Aufl.2013, Bearbeiter Lange § 2318 Rn. 10 unter Aufgabe der von Frank in der 3. Aufl. vertretenen gegenteiligen Ansicht; Soergel BGB, 13. Aufl. 2002, Bearbeiter Dieckmann § 2306 Rdnr. 6; Burandt/Rojahn Erbrecht, 2. Aufl. 2014 § 2306 BGB Rdnr. 25; Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Auflage 2011, Bearbeiter Riedel, § 2306 Rn. 11). Hieraus muss jedoch nach Auffassung des Senates folgen, dass im Falle einer aufschiebend bedingten Nacherbenschaft für das Bestehen des Auskunftsanspruches auch auf die Frage abzustellen ist, ob zur Geltendmachung des Auskunftsanspruches die Ausschlagung der aufschiebend bedingten Nacherbenschaft Anspruchsvoraussetzung ist. Dies muss erst recht für den Fall gelten, in dem – wie vorliegend – der Auskunftsanspruch im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht wird. Denn es entspricht, worauf auch das Landgericht abstellt, allgemeiner Meinung, dass, auch wenn bei der Stufenklage grundsätzlich sukzessive über jede Stufe zu verhandeln ist, die Klage ganz, d.h. auch der noch unbezifferte Zahlungsantrag als unbegründet abgewiesen werden kann, wenn die Gründe der Unbegründetheit den Hauptanspruch erfassen (vgl. hierzu beispielsweise Thomas/Putzo ZPO 35. Aufl. 2014, Bearbeiter Reichholt § 254 Rn. 5 und 6).
Die Klägerin hat hier jedoch die angeordnete Nacherbenschaft nicht ausgeschlagen, so dass in Hinblick auf § 2306 Abs. 2 BGB der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Pflichtteilsanspruch nicht besteht. Maßgeblich hierfür ist, dass auf die vorliegende Fallkonstellation § 2306 Abs. 2 BGB anzuwenden ist. Der Senat teilt die vom Landgericht vertretene Rechtsansicht.
In § 2306 Abs. 2 BGB heißt es nämlich, dass die Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten als Nacherbe einer Beschränkung der Erbeinsetzung gleichsteht. Da die Vorschrift des § 2306 Abs. 2 BGB uneingeschränkt formuliert ist, spricht schon der Wortlaut dafür, dass nicht nur die in diesem Zusammenhang unstrittigen Fälle einer befristeten Nacherbeneinsetzung (Vgl. MüKoBGB/Lange BGB, 6. Aufl. § 2306 Rdnr. 10; Bamberger/Roth aaO. Bearbeiter J.Mayer § 2306 Rdnr. 13), sondern auch die Fälle der aufschiebend bedingten Nacherbschaft der „Gleichstellung“ im Sinne des § 2306 Abs. 2 BGB unterfallen. Soweit demgegenüber angeführt wird, durch die Erbeinsetzung als bedingter Nacherbe sei dieser in Hinblick auf die Ungewissheit des Eintritts nicht zum Erbe im Sinne des § 2306 Abs. 1 BGB berufen, so stellt sich dies nach Auffassung des Senates als nicht tragfähig dar, da der Gesetzgeber die Nacherbeneinsetzung in § 2306 Abs. 2 BGB ausdrücklich nur der Beschränkung der Nacherbeneinsetzung „gleichstellt“, letztlich also mit dem Mittel einer Fiktion arbeitet (so überzeugend Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1 ff, 5). Denkbar ist aber, den Anwendungsbereich einer weitgefassten Norm im Wege der teleologischen Reduktion zu beschränken, also eine Norm auf Sachverhalte, die unter ihren Wortlaut fallen, vom Normzweck aber nicht erfasst werden, nicht anzuwenden. Voraussetzung hierfür ist jedoch das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke (vgl. Palandt aaO. Bearbeiter: Sprau, Einleitung Rdnr. 49). Angesichts des Umstandes, dass schon seit In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuches umstritten war, ob die Vorschrift des § 2306 Abs. 2 BGB auf die bedingte Einsetzung des Nacherben anwendbar ist (vgl. auch hierzu Bestelmeyer Rpfleger 2007, 1ff.), spricht jedenfalls nach der Erbrechtsreform 2009 nichts für die Annahme einer solchen planwidrigen Regelungslücke. Denn, ohne den Fall einer aufschiebend bedingten Nacherbschaft, die bekanntermaßen den Hauptregelungsinhalt gebräuchlicher Wiederverheiratungsklauseln darstellt, ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich des § 2306 Abs. 2 BGB herauszunehmen, hat der Gesetzgeber die bis dahin in Satz 2 des § 2306 Abs. 1 BGB bestehende Regelung, das Erfordernis der Ausschlagung davon abhängig zu machen, ob das Erbteil größenmäßig den Pflichtteil übersteigt, in ein Wahlrecht abgeändert: Aus Gründen der Vereinfachung und erhöhter Rechtsicherheit hängt die Geltendmachung des Pflichtteils ohne Rücksicht auf die wertmäßigen Relationen allein von der Ausschlagung des Erbteiles ab (vgl. Palandt BGB 69. Aufl. 2010 Bearbeiter Edenhofer § 2306 Rdnr. 1 und 2).
Unabhängig von dieser Erwägung gebietet aber auch nicht Sinn und Zweck der Norm die von der Gegenmeinung befürwortete Einschränkung der Anwendung des § 2306 BGB. Denn die von dieser Meinung angeführten Unterschiede weisen nicht einen solchen Grad auf, der eine unterschiedliche Handhabung rechtfertigen könnte.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerte durch die Regelung des § 2306 BGB jedenfalls nach dem nach der Erbrechtsreform gewählten Regelungsinhalt auch in den unstrittigen Regelfällen durch das Erfordernis der Ausschlagung Entscheidungsunsicherheiten unterworfen ist (vgl. Erman-Röthel BGB 14. Aufl. Rdnr. 1). Das von der Gegenmeinung angeführte Argument, in Hinblick auf die Ungewissheit des Bedingungseintrittes sei der bedingt eingesetzte Nacherbe nicht hinnehmbaren wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt, ist angesichts dessen schon nicht als stichhaltig anzusehen, da eine entsprechende Rückversicherungsstellung (so Soergel-Dieckmann BGB 13. Auf. 2012 § 2306 Rdnr. 6) für den „Normalfall“ durch den Wahlzwang des § 2306 Abs. 1 und 2 BGB eben nicht gewährt wird. Die Erwägung, der Eintritt der Bedingung sei im Vergleich zur Befristung unkalkulierbarer, überzeugt aber auch deswegen nicht, da der Pflichtteilberechtigte in Konstellationen, in denen der Erblasser den Nacherbfall an ein bestimmtes Verhalten des Nacherben knüpft, den Nacherbfall selbst herbeiführen kann, wohingegen bei einer Befristung es auch möglich ist, dass der Pflichtteilsberechtigte den Fristablauf nicht erlebt (etwa Münchner Kommentar BGB, 6. Aufl.2013, Bearbeiter Haas § 2318 Rn. 10). Auch rechtlich sind die aufschiebend bedingte und die befristete Nacherbeneinsetzung gleichwertig, da in beiden Fällen von einem Anwartschaftsrecht auf die Nacherbenschaft auszugehen ist. Eine Ungleichbehandlung im Rahmen des § 2306 Abs. 2 BGB verbietet sich auch angesichts der sich dadurch ergebenden Wertungswidersprüche. Denn § 2306 BGB drängt auf eine schnelle, einmalige und klare Lösung (Staudinger-Haas aaO.Rdnr. 21). Genau diese wird jedoch von der Gegenmeinung konterkariert, da danach der bedingt eingesetzte Nacherbe, dem das Pflichtteil ohne Ausschlagung zustehen soll, sich die Pflichtteilszahlung im Falle des Bedingungseintrittes wieder anrechnen lassen soll, was in Hinblick auf die Frage der dann maßgeblichen Bewertungsgrundlage nicht unproblematisch erscheint. Auch ist darauf zu verweisen, dass sich der überlebende Ehegatte, der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet war, im Falle der Wiederverheiratungsklausel nach dem Erbfall entscheiden muss, ob er sich nicht besser durch Ausschlagung der mit der bedingten Nacherbeneinsetzung belasteten Erbschaft Zugewinnausgleich und Pflichtteil sichert; bei späterer Wiederheirat kann er demgegenüber nicht mehr den Pflichtteil geltend machen (vgl. Palandt-Weidlich aaO.§ 2269 Rdnr. 19). Im Übrigen ist jedenfalls für den hier vorliegenden Fall einer Pflichtteilsstrafklausel nicht einsichtig, warum der bedingte Nacherbe ohne Ausschlagung die Pflichtteilszahlung erhalten soll, da nach dem mutmaßlichen Erblasserwillen, manifest geworden durch eben diese Pflichtteilsstrafklausel, dem auflösend bedingten Vollerben der Nachlass des Vorverstorbenen „an sich“ ungeschmälert zufallen sollte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert: 20.000,00 EUR