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Pflichtteilsergänzungsanspruch Schenkung -Zehnjahresfrist Grundstücksübertragung/Wohnungsrecht

LG Rottweil – Az.: 3 O 83/10 – Urteil vom 21.04.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen: Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin macht aus übergegangenem Recht gegenüber den Beklagten einen Wertermittlungsanspruch geltend. Die Klägerin ist Alleinerbin des am 28.September 2010 in Oberndorf verstorbenen ursprünglichen Klägers (vgl. Erbvertrag vom 19.08.1986, Bl. 81f d. A.).

Am 01. Januar 2008 verstarb die Mutter des verstorbenen Ehemanns der Klägerin und der Beklagten,. Erben zu je ein Viertel wurden die Beklagten (vgl. Eröffnungsniederschrift des vom 13.02.2008 mit Anlagen; K 1/Bl. 11ff d. A.).

Bereits am 12.01.1994 schloss die Erblasserin mit ihrem weiteren Sohn einen Übergabevertrag (vgl. Urkunde des; K 2/Bl. 25ff d. A.). Übergeben wurde das im Grundbuch sowie die sämtlichen Aktiven und Passiven des vom Veräußerer bislang in (vgl. § 1 des Übergabevertrages). Im Gegenzug wurde der Erblasserin ein lebenslängliches unentgeltliches Leibgeding eingeräumt (vgl. § 3 des Übergabevertrages).

§ 3 des Übergabevertrages hat u. a. folgenden Wortlaut:

„Aufgrund entsprechenden Vorbehalts des Veräußerers räumt der Erwerber dem Veräußerer ein lebenslängliches unentgeltliches Leibgeding ein, bestehend in

1.) einem Wohnungsrecht in der gesamten abgeschlossenen Wohnung im 1. Obergeschoss des, bestehend aus vier Zimmer, Küche, Bad, WC.

Dieses Wohnungsrecht umfaßt die alleinige Nutzung der genannten Räume unter Ausschluß des Eigentümers. Mit dem Wohnungsrecht verbunden ist das Recht auf ungestörten Ein- und Ausgang im Wohnhaus und die Mitbenützung aller zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Räume, Einrichtungen und Geräte, insbesondere des Speichers und des Kellers sowie die Mitbenützung der vorhandenen Doppelgarage zur Unterstellung eines Personenkraftwagens, jeweils nach Maßgabe der Bedürfnisse des Übergebers.

Die Kosten der Schönheitsreparaturen in den vom Wohnungsrecht betroffenen Räumen im 1. Obergeschoss des sowie die Kosten der Versorgung dieser Räume mit Heizwärme, Strom und Wasser und die Kosten der Abwasserbeseitigung hat die Wohnungsberechtigte allein zu tragen.

2.) der Verpflichtung zur vollen Verköstigung der Berechtigten am Tisch des Verpflichteten. …

3.) die Verpflichtung zur Betreuung und Pflege der Berechtigten bei Alter und Krankheit. … “

Die von der Erblasserin genutzte Wohnung hatte ca. 120 bis 125 m². In § 4 des Übergabevertrages verpflichtete sich der Erwerber weiterhin als Gegenleistung zur Zahlung von monatlich 2.000 DM ab 01. Januar 1994 an die Erblasserin.

Auf den weiteren Inhalt des Übernahmevertrages wird Bezug genommen.

Weiterhin wurde zur gleichen Urkunde ein Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen. Der Übernehmer verzichtete hierbei für sich und seine Abkömmlinge gegenüber seiner Mutter auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht (C § 1) und auf ein Geldvermächtnis des bereits am 28.11.1976 verstorbenen Vaters (C § 2). Die Eigentumsänderung wurde am 11.05.1994 im Grundbuch eingetragen.

Die Erblasserin nahm das ihr eingeräumte Wohnungsrecht im 1. OG und die weiteren vom Übernehmer übernommene Verpflichtungen wahr. Bereits zu Lebzeiten der Mutter bewohnte der Übernehmer das UG, das EG sowie die Räume im 2. OG und im DG.

Die Beklagten haben das Begehren des vormaligen Klägers auf Einholung eines Wertermittlungsgutachtens in Bezug auf das dem Sohn übergebene Grundstück mit Gebäude vorgerichtlich abgelehnt.

Die Klägerin behauptet, der Übergabevertrag stelle eine gemischte Schenkung dar. Die 10-Jahresfrist sei aufgrund des Umstandes, dass die Erblasserin die ihr notariell übernommenen Verpflichtungen wahrgenommen hat, nicht abgelaufen.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagten werden verurteilt, auf Kosten des Nachlasses der am 01. Januar 2008 verstorbenen ein schriftliches Verkehrswertermittlungsgutachten eines unabhängigen Sachverständigen erstellen zu lassen und dem Kläger vorzulegen, bezogen auf das im Grundbuch von Gebäude- und Freifläche: 1378 m ² inklusive des zu diesem Grundstück zählenden Zubehörs, und zwar

1.1. auf den Zeitpunkt der Übergabe des Grundstücks an – gem. Übergabevertrag vom 12. Januar 1994;

1.2. zusätzlich auf den Zeitpunkt des Erbfalls von, dem 01. Januar 2008.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, dass zu den Voraussetzungen des § 2325 BGB nicht substantiiert vorgetragen worden sei und die Klage deshalb unschlüssig sei. Die 10-Jahresfrist sei verstrichen. Ein Ausnahmefall würde nicht vorliegen. Die Erblasserin habe sich ihrer wesentlichen Genussmöglichkeit begeben. Das Wohnungsrecht mache bezogen auf die gesamte Wohn- und Nutzfläche 11 % aus. Eine Nutzungsgewährung an Dritte sei nicht mögliche gewesen. Die Verköstigungs- und Pflegerechte würden insoweit keine Rolle spielen, da hiermit keinerlei Verfügungsbefugnisse oder Nutzungsmöglichkeiten mit dem Grundstück verbunden seien.

Der Übergabevertrag stelle weder eine Schenkung noch eine gemischte Schenkung dar.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht aus übergegangenem Recht kein Wertermittlungsanspruch gem. § 2314 BGB analog i. V. m. § 2325 BGB zu.

Ein Anspruch gem. § 2314 BGB auf Wertermittlung (vgl. insoweit BGH NJW 1984, 487) besteht nur dann, wenn dargelegt und bewiesen ist, dass der übertragene Gegenstand zum fiktiven Nachlass gehört. Dies ist u. a. nur dann der Fall, wenn, unterstellt es würde eine zumindest gemischte Schenkung vorliegen, die 10-Jahresfrist gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB noch nicht abgelaufen ist, was vorliegend jedoch der Fall ist.

Gem. § 2323 Abs. 2 BGB sind Schenkungen des Erblasser dann nicht mehr zu berücksichtigen, wenn seit der Leistung 10 Jahre verstrichen sind. Für den Leistungsbeginn kommt es auf den Eintritt des Leistungserfolges, also bei Grundstücken regelmäßig auf den Zeitpunkt der grundbuchmäßigen Umschreibung an. Verbleibt indessen die Nutzung des übertragenen Gegenstandes im Wesentlichen beim Übertragenden, so beginnt die Frist erst mit Wegfall des Nutzungsrechts (für Nießbrauch: BGH NJW 1994, 1791). Hat der Erblasser andererseits einen spürbaren Vermögensverlust erlitten und musste er daher die Folgen des durch die Eigentumsübertragung geschaffenen Zustandes selbst noch zehn Jahre tragen, beginnt die Frist mit der Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 601; OLG Bremen NJW 2005, 1726).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend die zehnjährige Frist gem. § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls am 01. Januar 2008 bereits abgelaufen, da sie mit Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch am 11.05.1994 zu laufen begonnen hatte.

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin die Nutzung des nach der Eigentumsänderung im Wesentlichen weithin behalten hat. Die Erblasserin hatte sich nur ein Wohnrecht an einer abgeschlossenen Wohnung im 1. OG mit einer Wohnfläche von 120 – 125 m ² sowie ein Mitbenutzungsrecht an den gemeinschaftlichen Räumen (Speicher, Keller) und der Doppelgarage einräumen lassen, während das EG, das 2 OG und das DG als auch die angeschlossene Schreinerei vom Übernehmer und seiner Familie genutzt wurde. Die Rechtsstellung der Übertragenden hatte sich mithin aufgrund der Eigentumsübertragung erheblich verschlechtert. Nach der Grundstücksübertragung war es der Erblasserin nicht mehr möglich, den Sohn von einer Nutzung des Grundstücks und des Hauses mit Ausnahme ihres Wohnrechts auszuschließen. Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Erblasserin im Wesentlichen die Nutzung des übertragenen Grundstücks mit Gebäude verblieben ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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