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Rückübereignung Grundstück gemäß § 2287 BGB – Beeinträchtigung Vertragserbe

LG Düsseldorf – Az.: 1 O 410/15 – Urteil vom 25.08.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Am 24.12.2014 verstarb die Ehefrau des Klägers, Frau Dr. D (nachfolgend Erblasserin genannt), mit der der Kläger bis zum Todestag über 60 Jahre in Zugewinngemeinschaft verheiratet war, in der Ehewohnung in Bad Münstereifel – Mahlberg. Der Beklagte ist eines von vier Kindern des Klägers und der Erblasserin.

Am 24.03.1992 schlossen der Kläger und die Erblasserin einen Erbvertrag, wonach sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Erben des Überlebenden der beiden Ehegatten einsetzten. Am 05.06.2008 erstellte die Erblasserin ein eigenes Testament worin es heißt:

„Mein letzter Wille, alle meine persönlichen Sachen wie Schmuck, Möbel, meine Wohnung F-Pfad 99a in 41464 Neuss, sowie mein Barvermögen und Anlagevermögen bekommt mein Sohn S,..“

Am 06.05.2011 errichtete die Erblasserin ein weiteres Testament worin es heißt:

„ich setze meinen Sohn, Herrn S, geboren am 16.02.1970 als Alleinerben ein…“.

Der Erbvertrag und die beiden vorbezeichneten Testamente wurden auf den Tod der Erblasserin am 24.12.2014 vom Nachlassgericht Euskirchen unter Aktenzeichen 3IV 85/15 am 12.02.2015 eröffnet. Dem Kläger wurde nachfolgend vom Amtsgericht Euskirchen ein Erbschein erteilt, wonach er Alleinerbe der Erblasserin geworden ist. Mit Anwaltsschreiben vom 16.03.2015 machte der Beklagte auch einen Pflichtteilsanspruch geltend.

Der Kläger und die Erblasserin waren zu je 1/2-Anteil Eigentümer des Einfamilienhauses in Bad Münstereifel, in dem der Kläger weiterhin wohnt und hälftige Eigentümer des Mehrfamilienhauses mit sechs Wohnungen, F-Pfad 99a in Neuss.

Der Beklagte schloss am 28.06.2006 mit der Erblasserin einen Mietvertrag über die Wohnung im ersten OG links, F-Pfad 99a in Neuss, ab. Über vorbezeichnete Immobilie schlossen die Erblasserin und der Beklagte folgenden notariellen Vertrag vom 21.02.2013:

„Unbedingte und gemischte Schenkung mit aufgeschobener Erfüllung

„Wir schließen folgenden

Gemischten Schenkungsvertrag:

II. Unbedingte Schenkung

Der Veräußerer schenkt hiermit unbedingt, d.h. insbesondere ohne die Bedingung, dass der Erwerber den Veräußerer überlebt, dem dies annehmenden Erwerber den vorgenannten Grundbesitz (1/2 Anteil) zu Alleineigentum. Ausgleichpflichten bestehen nicht.

III. Gegenleistungen

Gegenleistungen hat der Erwerber nicht zu erbringen, soweit sich aus Folgendem nichts anderes ergibt. So ist der übertragene Grundbesitz Gegenleistung, Belohnung und Anerkennung für die nachfolgenden Tätigkeiten des Erwerbers zugunsten des Veräußerers. Zu der Erbringung verpflichtet sich der Erwerber hiermit auch für die Zukunft.

Die Übertragung erfolgt zur Absicherung im Alter des Veräußerers und zur Abgeltung der Hilfe des Erwerbers dem Veräußerer gegenüber. Der Erwerber ist das einzige Kind von vier Kindern der Veräußerers, das sich beständig und zuverlässig um der Veräußerer kümmert und ihn unterstützt; er hat sich auch auf die Unterstützung besonders beruflich eingestellt und auf eine berufliche „Karriere“ verzichtet. Eine Unterstützung kann der Veräußerer auch nicht von seinem Ehegatten verlangen, da beide zwar verheiratet sind, aber getrennte Wege gehen, obwohl der Veräußerer jede Woche einige Tage im gemeinsamen Haus und Haushalt in Bad Münstereifel mit dem Ehegatten, Herrn D, wohnt. Daneben hat der Veräußerer auch eine eigene Wohnung in der Immobilie F-Pfad 99a in Neuss; dort wohnt der Veräußerer die anderen Tage in der Woche.

Durch folgende Tätigkeiten hilft der Erwerber dem Veräußerer:

  • Regelmäßige Bring- und Begleitdienste zu den Ärzten des Veräußerers nach Neuss, Köln und Gensingen, zudem zeitweise dreimal pro Woche nach Mönchengladbach zu einem Arzt
  • Bringdienste zur Krankengymnastik
  • Erwerb von Medikamenten für den Veräußerer in der Apotheke
  • Unterstützung des Veräußerers bei der medizinischen Versorgung, etwa das Verabreichen von Augentropfen zwei bis dreimal pro Tag sowie zweimal pro Tag die Wundversorgung, welche durch Kortison ausgelöst wurden
  • durchschnittlich zwei wöchentliche Fahrten zur Erledigung von Geschäften für den Veräußerer bei Banken etc., auch etwa wegen Angelegenheiten die Mieter F-Pfad 99a in Neuss betreffend
  • durchschnittlich einen wöchentlichen Lebensmitteieinkauf
  • durchschnittlich eine wöchentliche Fahrt zum Friedhof und zudem zweimal pro Monat Pflege der dortigen Grabbepflanzung, zusätzlich im Sommer zwei bis dreimal pro Woche Gießen der dortigen Pflanzen der Familiengrabstätte
  • jeden Tag Besorgung von frischen Lebensmitteln wie etwa Brötchen
  • regelmäßige Bringdienste zu Besuchen von „Tante Trudi“
  • Autopflege, hierzu wöchentliches Autowaschen und -tanken
  • Verbringung des Autos zur Werkstatt zwecks Reparaturarbeiten, wegen TÜV und weiterer Serviceleistungen
  • Das Auto des Veräußerers bei An- und Abreisen be- und entladen
  • Übernahme von Korrespondenz mit der Krankenkasse, verschiedenen Ämtern und Vertragspartnern
  • Regelmäßige Spaziergänge mit dem Erwerber, der auf einen „Roliatof angewiesen ist
  • Tätigkeiten des Erwerbers zugunsten der Immobilie F-Pfad 99a in Neuss:
  • Durchführung der Gartenpflege, so Rasenmähen, Unkraut jäten, Pflanzen beschneiden, Rosen spritzen etc.
  • hierzu regelmäßige Käufe bei Gartencentren für neue Bepflanzung und Besorgung von Verbrauchsmaterialien; auch Gartengestaltung und Bepflanzung; im Sommer tägliches Gießen der Pflanzen
  • Bepflanzung der Blumenkästen im Frühjahr, Sommer und Winter
  • Erledigung von kleinen Reparaturen, Instandhaltung, Pflege und Reinigung des Außenbereiches
  • Auftragseinholung, gegebenenfalls Beauftragung und Überwachung von Handwerkern bei erforderlich Reparaturen des Mietshauses
  • Bestellung der Handwerker für die jährliche Wartung der Gastherme der Mieter
  • Übernahme größtenteils der Vermietung der Wohnungen, hierzu Korrespondenz und Wohnungsbesichtigungen mit potenziellen Mietern und gegebenenfalls einem Makler, Vorauswahl von potenziellen Mietern, Schalten von Anzeigen im Internet zur Wohnungsvermietung; Einholung von Schufa-Auskünften über potenzielle Mieter und auch Anforderung der notwendigen Unterlagen von potenziellen Mietern
  • Erstellung von Plänen für den Winterdienst und Mülltonnendienst
  • Einkauf von Streusalz und sonstigen Verbrauchsmaterialen

Diese Hilfestellungen sind für die Pflege und Versorgung im Alter des Veräußerers erforderlich, der seit Jahren auf fremde Hilfe angewiesen ist. Durch diesen Übergabevertrag wird auch die emotionale Bindung des Erwerbers an den Veräußerer bezweckt. Dieser wollte eine Sicherheit zur Entlohnung seiner Hilfeleistungen, da er hierfür lebzeitig nicht entlohnt wurde und wird. Zur Sicherstellung der weiteren Unterstützung des Veräußerers durch den Erwerber wird hierdurch dem Erwerber ein finanzieller Ausgleich geschaffen und gesichert.

IV. Weitere Vereinbarungen

Weiter wird für den Vollzug der Schenkung folgendes vereinbart;

1. Der Erwerber hat etwaige auf dem Grundbesitz zur Zeit des Vollzuges/der Erfüllung der Schenkung aufruhende dingliche Rechte nebst den ihnen zugrunde liegenden Verbindlichkeiten zur Entlastung der Erben zu übernehmen.

V. Widerrufsrecht

1. Der Veräußerer behält sich das Recht vor, die unbedingt abgegebene Schenkung neben den gesetzlich vorgesehenen Fällen in folgenden Fällen zu widerrufen:

  • bei Insolvenz des Erbwerbers
  • Des Beziehens von ALG II Leistungen nach SGB II sowie von Leistungen nach SGB XII (Sozialhilfe) durch den Erwerber
  • Bei Geschäftsunfähigkeit des Erwerbers

Falls der Veräußerer in ein Pflegeheim oder Altersheim umzieht.

… “

Die der Erblasserin gehörende Haushälfte des Mehrfamilienhauses, F-Pfad 99a in Neuss, wurde am 26.01.2015 auf den Beklagten übertragen. Der Kläger begehrt die Rückübertragung der Haushälfte gestützt auf § 2287 BGB.

Die klägerische Partei trägt vor:

Tatsächlich sei die Schenkung des hälftigen Grundstücks an den Beklagten durch die Erblasserin dagegen um den Kläger zu benachteiligen und zur Umgehung der erbvertraglich bindenden Erbeinsetzung des Klägers. Der Beklagte habe nur die bereits vorhandene normale emotionale Bindung der Erblasserin ausgenutzt um sie zur Abänderung des Erbvertrages zu veranlassen. Tatsächlich sei keinerlei Gegenleistung für die Grundstücksübertragung in den Nachlass geflossen. Die beiden, nach dem Erbvertrag vom 24.03.1992 erstellten Testamente der Erblasserin vom 05.06.2008 und 06.05.2011 zeigten, dass die Erblasserin eine Korrektur des Erbvertrages beabsichtigt haben müsse. Die im Notarvertrag angegebenen Tätigkeiten des Beklagten zugunsten der Immobilie F-Pfad 99a würden bestritten und seien nicht in Auftrag gegeben und auch nicht nachträglich genehmigt. Die im Notarvertrag abgelisteten Hilfstätigkeiten des Beklagten zu Gunsten der Erblasserin würden mit Nichtwissen bestritten. Nach § 1618 a BGB seien Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Die Tochter der Erblasserin, Frau Q und der Sohn Florian D hätten die Erblasserin regelmäßig besucht und unterstützt. Die Erblasserin sei bei guter Gesundheit gewesen und habe sich selbst bewegen und auch alle geschäftlichen Dinge selbst erledigen können. Die Erblasserin sei auch nur etwa jede zweite oder dritte Woche in ihrer Zweitwohnung in Neuss gewesen. Die Erblasserin habe immer nur mitgeteilt, dass sie die Zweitwohnung in Neuss halten würde, weil sie sich dann um den Beklagten besser kümmern könnte und auch die „Stadtluft“ ihr gut tun würde. Sie habe sich um den Beklagten kümmern müssen, da dieser psychisch krank sei. Ausgerechnet der Fall, dass der Erwerber die weitere Unterstützung des Veräußerers einstellt, sei als Widerrufsgrund nicht mit aufgenommen. Die Erblasserin habe eine eigene Rente, ein eigenes Auto, erhebliches Vermögen und eigenen Grundbesitz und einen Ehemann gehabt, der sie immer unterstützt habe, insbesondere auch in der Zeit ihrer schweren Erkrankung vor dem Todestag. Die Schenkung des hälftigen Miteigentumsanteils an den Beklagten sei von der Erblasserin auch erfolgt, um ihre anderen Kinder zu benachteiligen und zur Umgehung von deren erbvertraglich bindender Erbeinsetzung. Diese seien zwar aufgrund des Erbvertrages Schlusserben des Klägers, der Nachlass sei jedoch durch die unbedingte Schenkung um fast die Hälfte entwertet worden. Die Erblasserin habe die objektive Beeinträchtigung des Klägers auch beabsichtigt. Die Erblasserin habe den streitgegenständlichen Erbvertrag gegenüber dem Kläger geheim gehalten. Die Erblasserin habe natürlich gewusst, dass der Kläger mit einer derart massiven Entwertung des Nachlasses nicht einverstanden gewesen wäre, insbesondere im Hinblick auf das Erbe der weiteren drei Kinder.

Nicht die Erblasserin habe die Zuwendung des Beklagten benötigt sondern umgekehrt sei es der Beklagte, welcher der Mutter nachgegangen sei, um sie an sich zu binden und seine prekäre berufliche Situation durch die Übertragung des streitgegenständlichen Grundbesitzes abzusichern. Tatsächlich sei der Beklagte zum Zeitpunkt der Schenkung bereits dem Grunde nach erwerbsunfähig gewesen.

Aus der Tatsache, dass die Erblasserin die Zweitwohnung in Neuss bereits 1997 eingerichtet habe und der Beklagte erst am 01.03.2006 in eine andere Wohnung in dem Haus F-Pfad 99a eingezogen sei, ergebe sich klar, dass die Erblasserin gar keinen Wert auf die behauptete räumliche Nähe mit dem Beklagten gelegt habe.

Der Beklagte hat in kollusivem Zusammenwirken mit der Erblasserin den Vertrag vom 24.02.2006 bewusst falsch ausgestellt. Hintergrund dürfte wohl der Umstand gewesen sein, dass die 80 qm Wohnung für den Bezug von ALGII durch den Beklagten zu groß sei. Der Beklagte habe die Erblasserin dazu gebracht, den Mietvertrag falsch auszustellen.

Da die Erblasserin beim Notartermin am 21.02.2013 Erblasserin anwaltlich beraten gewesen sei, habe die Erblasserin auch gewusst, dass ihre beiden Testamente wegen der erbvertraglichen Bindungswirkung nicht hätten rechtswirksam sein können. Sie habe aber auch gewusst, dass sie ihre Verfügungsfreiheit unter Lebenden uneingeschränkten behalten habe und bis zu ihrem Tod ihr Vermögen durch unentgeltliche lebzeitige Rechtsgeschäfte beliebig verringern und dadurch den Vertragserben benachteiligen könne. Sie habe gewusst, dass ihr nur noch der Weg über eine beeinträchtigende Schenkung zu Lebzeiten geblieben sei, um ihr Ziel, den Erbvertragserben weitestgehend aus seiner Alleinerbenstellung zu verdrängen, zu erreichen. Hätte die Erblasserin an die Wirksamkeit ihrer testamentarischen Verfügung geglaubt, hätte sie gar keine Schenkung von U-X mehr zu machen brauchen, weil der Beklagte dann ohnehin aus ihrer Sicht Alleinerbe geworden wäre. Die Erblasserin sei anwaltlich auch darüber beraten gewesen, dass eine vollständige Schenkung im Sinne einer Vermögensübertragung gemäß § 419 BGB, sich ohne weiteres als Missbrauch der Verfügungsfreiheit der Erblasserin unter Lebenden darstellen würde. Die Erblasserin habe deshalb den Weg gewählt, nicht ihr gesamtes Erbe zu verschenken, sondern den weitestgehend möglich erscheinenden Anteil. Ihr hälftiger Anteil an dem 6-Familienhaus in Neuss sei fast um die Hälfte des Vermögens der Erblasserin. Die Erblasserin hätte aber darüber hinaus am liebsten ihr gesamtes Vermögen auf den Beschenkten testamentarisch übertragen, woran sie aber durch den Erbvertrag im Zeitpunkt der Schenkung gehindert gesehen habe. Die streitgegenständliche Schenkung sei nur ein Vorwand. Wirtschaftlich relevante Gegenleistungen seien nicht aufgenommen worden, denn diese hätten den Beklagten ja belastet. Gewollt sei aber nur eine möglichst große Zuwendung von Vermögen an den Beklagten zu Kosten des Klägers. Zu den erwähnten Hilfestellungen sei der Beklagte ohnehin familienrechtlich zum Beistand verpflichtet gewesen.

Der 1/16 Pflichtteil des Beklagten betrage 37.523,92 EUR.

Von den Mietzahlungen des Beklagten habe der Kläger nichts gewusst und auch nicht den ihm als Gesamtgläubiger zustehenden 1/2-Anteil (19.146,00 EUR) erhalten. Rechtlich handele es sich um eine Forderung des Klägers gegen den Nachlass. Der Pflichtteilsanspruch des Beklagten verringere sich dementsprechend.

Der Beklagte schulde dem Nachlass seinerseits einen Betrag von 37.740,00 EUR. Damit rechne der Kläger auf.

Die klägerische Partei beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, der Übertragung eines Miteigentumsbruchteils von einer Hälfte an dem Grundstück, Grundbuch von Neuss, Blatt X, G1, Flur X, Flurstück Nr. X, Gebäude- und Freifläche, F-Pfad 99a, groß, insgesamt 611 qm, auf den Kläger zuzustimmen und die Eintragung des Klägers als Miteigentümer zu einer Hälfte im Grundbuch zu bewilligen.

Die beklagte Partei beantragt, die Klage abzuweisen.

Die beklagte Partei trägt vor: Die Ehe des Klägers und der Verstorbenen könne nicht als harmonisch bezeichnet werden. Das Paar sei sich im Grunde aus dem Weg gegangen. Die Verstorbene habe viele ihrer Wünsche und Sehnsüchte auf und in den Beklagten als ihren jüngsten Sohn fokussiert. Die Mutter habe den Beklagten schon in seiner Jugend besonders vor dem mitunter gewalttätigen und jähzornigen Erziehungsstil des Vaters geschützt. Die Mutter habe von dem Beklagten die emotionale Zuwendungen und praktische Fürsorge eingefordert, die sie vom Ehemann nicht erhalten habe. Die Übertragung des Grundbesitzes im Jahre 2013 sei insoweit Mittel zum Zweck gewesen in einer Phase, in der die Mutterbindung vom Beklagten einmal wieder ein großes wirtschaftliches Opfer verlangt habe, nämlich den Verlust eines Arbeitsplatzes. Die Übertragung des Grundbesitzes sei „Belohnung und Anerkennung“ sowie Gegenleistung für diverse im Vertrag genannte Hilfestellungen, Pflege- und Dienstleistungen in Vergangenheit und Zukunft gewesen. Ende 2012/Anfang 2013 habe der Arbeitgeber vom Beklagten verlangt, seinen Arbeitsort nach Berlin zu verlagern. Dies hätte bedeutet, dass der Beklagte aus dem Haus in Neuss hätte ausziehen müssen und die bisherige Betreuung seiner Mutter nicht hätte fortsetzen können. Die Erblasserin habe den Beklagten angefleht, nicht nach Berlin zu gehen. Der Beklagte sei dieser flehentlichen Bitte gefolgt und habe einem Umzug nach Berlin abgelehnt. Ihm sei darauf gekündigt worden. Die Kündigungsschutzklage habe der Beklagte unter anderem wie folgt begründet:

„Die angebotenen Bedingungen zur Änderung der Zusammenarbeit sind dem Kläger nicht zumutbar. Sie bedingen nicht nur die Veränderung des Lebensmittelpunktes nach Berlin, was die durch den Kläger gemeinsam mit seinem Bruder im Voraus zu leistenden Pflege seiner pflegebedürftigen Eltern vereiteln würde.“

Der Beklagte habe sich mit seinem Arbeitgeber auf eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung geeinigt.

Die Mutter des Beklagten habe ihn mit der Übertragung des Grundbesitzes dazu motivieren wollen, bei ihr in Neuss zu bleiben und sich weiterhin um sie zu kümmern.

Im März 2005 habe er seine Anstellung als Sales Manager bei der Firma B verloren und dann im Herbst 2005 den – fehlgeschlagenen – Versuch unternommen, sich im Bereich des Risiko Managements als Berater selbständig zu machen. In dieser Phase sei die Beziehung zu seiner langjährigen Lebensgefährtin C in die Brüche gegangen. Er habe beabsichtigt ein Stellenangebot Firma T GmbH anzunehmen und in den Raum Frankfurt zu ziehen. In dieser Situation habe die Mutter ihn angefleht, nicht so weit von ihr wegzuziehen; mit wachsendem Alter und zunehmender Hilfebedürftigkeit werde sie ihn brauchen, er solle daher doch angesichts der Trennung von seiner Freundin zu ihr nach Neuss in das Haus ziehen; er könne sich dort um Haus und Hof kümmern und auch sie versorgen. Der Beklagte habe sich seinerzeit über diesen Wunsch seiner Mutter nicht hinwegsetzen wollen und sich gegen das Stellenangebot in Frankfurt entschieden. Die Mutter habe den Beklagten seinerzeit mit dem Argument einer günstigen Miete gelockt und dem Versprechen, dass wenn er ihr helfe und sich um das Haus und die weiteren Angelegenheiten kümmere und sie im Alter pflege und der Sorge, damit sie in ihrer Wohnung in Neuss bleiben könne, dann werde sie ihm das Haus vererben. Der Beklagte habe ihr damals vorgetragen, dass es für ihn die Arbeitslosigkeit bedeuten könne, wenn er nunmehr ihrem Ruf nach Neuss folge und es ihm deshalb möglicherweise nicht so schnell gelingen könne, wieder einen adäquaten Job zu finden und damit in seiner beruflichen Laufbahn erheblich beeinträchtigt werde. Es sei der Mutter daher durchaus bewusst gewesen, dass sie dem Beklagten schon etwas bieten müsse, wenn sie ihn in ihrer Nähe halten wollte.

Der Beklagte habe sich davon „einfangen“ lassen und am 24.02.2006 mit der Mutter den Mietvertrag über eine Wohnung im Haus F-Pfad 99a in Neuss geschlossen (B 3).

Er habe im Jahre 2013 im Zuge der Auseinandersetzung mit seinem seinerzeitigen Arbeitgeber Firma D2 ein Burnout erlitten, von dem er sich bis heute nicht erholt habe und er daher weiterhin arbeitsunfähig sei.

Die Mutter habe dem Kläger misstraut, sie habe Angst vor ihm gehabt. Dies sei auch das Motiv gewesen, die Anteilsübertragung dem Kläger nicht zu offenbaren.

Aufgrund ihres Misstrauens gegenüber und ihrer Furcht vor dem Kläger habe die Mutter in der Person des Beklagten jemanden haben wollen, auf den sie sich habe hundertprozentig verlassen können und der sich auch angemessen um sie kümmern würde, wenn sie selbst pflegebedürftig und körperlich abhängig werden würde.

Der Kläger sei jähzornig und unberechenbar. Er habe die Erblasserin mit einer Pistole bedroht. Die Mutter habe dem Kläger nie einen Schlüssel zu ihrer Wohnung in Neuss überlassen. Sie habe dem Kläger auch keinerlei Vollmachten erteilt.

Die Mutter sei bereits geraume Zeit vor ihrem Tod schwer krank gewesen. Im Jahre 2008 habe sie einen leichten Schlaganfall erlitten. Nach mehreren Bandscheibenvorfällen und drei Bandscheibenoperationen in den Jahren 2011 ff. sei sie ständig auf Schmerzmittel angewiesen. Hierdurch sei die Mutter stark geschwächt und körperlich pflegebedürftig geworden, die infolge der Cortisongaben sehr empfindliche Haut habe täglich eingecremt werden müssen. Ca. 1/2 Jahr vor ihrem Tod hätten zur Linderung der Schmerzen in der Wirbelsäule auch Morphinpräparate gegeben werden müssen. Die Mutter habe mindestens dreimal täglich Augentropfen benötigt, die sie sich nicht selbst habe verabreichen können.

Im Oktober 2014 sei bei der Mutter ein Nierenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. In dieser Situation habe der Kläger die Erblasserin gequält und unterversorgt.

Ein wesentlicher Aspekt der Anteilsübertragung habe darin bestanden, den Beklagten für diverse Hilfestellungen in der privaten Haushaltsführung und in der Bewirtschaftung der Immobilie F-Pfad 99a in Neuss zu entlohnen.

Diesbezüglich habe der Beklagte alle Tätigkeiten, die in dem notariellen Übertragungsvertrag aufgeführt sind, auch tatsächlich ausgeübt. Er nimmt Bezug auf die als Anlage B 8 beigefügte Aufstellung

Die Mutter habe sich fast wöchentlich von Mittwoch bis Samstag oder bis Sonntag in ihrer Wohnung im Haus F-Pfad 99a in Neuss aufgehalten. Der Beklagte habe Regelmäßige Bring- und Begleitdienste zu den Ärzten nach Neuss, Köln und Gensingen sowie Mönchengladbach erbracht, sie bei der medizinischen Versorgung unterstützt, Fahrten zur Erledigung von Geschäften bei Banken etc. erledigt.

Der Kläger habe den Pflichtteil nicht zutreffend berechnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückübereignung des streitgegenständlichen Grundstücksanteils gemäß § 2287 Abs. 1 BGB. Die klägerische Partei hat nicht hinreichend vorgetragen/unter Beweis gestellt, dass die Erblasserin die Schenkung in der Absicht getätigt hat, den Kläger als Vertragserben zu beeinträchtigen.

In der grundlegenden Entscheidung BGHZ 59, 343-353 heißt zum Merkmal der Beeinträchtigungsabsicht:

„Die Rechtsprechung fordert durchweg, daß der Wille, den Vertragserben zu beeinträchtigen, der „treibende“ oder „eigentlich leitende“ C-X der Schenkung gewesen sein müsse … In der letzteren Entscheidung wird ausgeführt, falls die Möglichkeit gegeben sei, daß der Erblasser auch aus dem C-X bestimmt worden sei, dem Beschenkten etwas zukommen zu lassen, so habe der Vertragserbe zu beweisen, daß dieser C-X gegenüber dem anderen, die erbvertragliche Anwartschaft des Vertragserben zu schmälern, der schwächere gewesen sei. Im allgemeinen spreche die Lebenserfahrung dafür, daß bei einem Menschen mit einem normalen und gesunden sittlichen Empfinden der Wunsch, durch seine Handlung den Beschenkten zu begünstigen, stärker gewesen sei als der Wille, durch eine mit derselben Handlung unvermeidbar verbundene Folge das Interesse des Vertragserben zu verletzen. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß eine Benachteiligungsabsicht in diesem Sinne kaum je zu beweisen ist. Die Vorschrift läuft daher in der Rechtspraxis leer. Mit Recht wird im Schrifttum … darauf hingewiesen, daß zur Wahrung des Interesses des Vertragserben eine lebensnahe und dem Schutzzweck entsprechende Auslegung der Vorschrift geboten sei. Einzelne Gerichtsentscheidungen haben auch bewußt erheblich geringere Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des geschädigten Vertragserben gestellt, um einer mißbräuchlichen Ausnutzung der Verfügungsfreiheit des Erblassers entgegenzutreten und damit die Schutzfunktion des § 2287 BGB wahren zu können … . Nach Ansicht des Senats ist dieser Linie zu folgen. Die Auslegung muß dem Zweck der Vorschrift, den Vertragserben gegen den Mißbrauch des in § 2286 BGB gewährten Rechtes zu schützen, gerecht werden.

Ist kein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers erkennbar, die Verfügung vielmehr ersichtlich darauf angelegt, daß anstelle des Vertragserben ein anderer sein wesentliches Vermögen ohne angemessenes Äquivalent erhält, so sollte die Anwendung der Vorschrift eigentlich nicht zweifelhaft sein. Die Anwendung darf nach Ansicht des Senats im besonderen nicht davon abhängig sein, ob die Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, oder die Absicht, den Vertragserben zu benachteiligen, die überwiegende Motivationskraft hat. Die beiden Absichten werden praktisch meist in untrennbarem Zusammenhang stehen. … . Wollen die Parteien eines Erbvertrages den Vertragserben stärker schützen, so liegt es an ihnen, andere erbrechtliche Regelungen zu treffen. Dabei ist im besonderen daran zu denken, dem Erblasser vertragliche Verfügungsbeschränkungen aufzuerlegen … “

Aus vorstehender Entscheidung ergibt sich, dass der BGH die allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln nicht infrage stellt, wenn es um das Merkmal der Beeinträchtigungsabsicht geht. Eine Abschwächung der Darlegungs- und Beweislast nimmt die Entscheidung in zweierlei Hinsicht vor:

1. Es genügt, dass der Wille zur Beeinträchtigung ein Motiv neben anderen ist.

2. Es genügt, dass ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers nicht erkennbar ist.

Aus Ziffer 1 folgt, dass es nicht ausreicht, dass der Erblasser die Beeinträchtigung als bloße Möglichkeit in Betracht zieht und diese billigend in Kauf nimmt. „Dolus eventualis“ steht dem klaren Wortlaut des § 2287 BGB entgegen und würde zur uferlosen Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift führen. Das will die vorzitierte BGH-Entscheidung gerade nicht, wie die beiden letzten Sätze des vorstehenden Zitates zeigen. Demgemäß reicht es nicht aus, dass die Erblasserin den Vertrag vom 21.02.2013 nach anwaltlicher Beratung, also zweifelsohne in Kenntnis des Erbvertrags, geschlossen hat.

Ziffer 2 knüpft an die Feststellung einer Negativtatsache (fehlendes Eigeninteresse) die Schlussfolgerung auf die Haupttatsache an (Beeinträchtigungswille). Dies bedeutet in der praktischen Anwendung, dass es nach den Regeln der sekundären Darlegungslast zunächst Sache des Bedachten ist, ein „lebzeitiges Eigeninteresse“ zu behaupten. Es ist sodann Sache des Anspruchsstellers, die vom Bedachten behaupteten Motivlagen zu widerlegen. Hierbei genügt es, dass das Gericht die Überzeugung gelangt, dass die behaupteten Motivlagen nicht bestimmend waren. Es ist nicht erforderlich zu ergründen, welche Motive das Handeln der Erblasserin bestimmt haben. Denn in dieser Konstellation kann sich der Anspruchsteller auf die Vermutung berufen, wonach bei

Nach alledem ist zunächst zu prüfen, ob der Beklagte ein lebzeitiges Eigeninteresse schlüssig vorgetragen hat.

Ein lebzeitiges Eigeninteresse wird angenommen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Betrachters die Verfügung im Anbetracht der gesamten Umstände und unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Dafür ist entscheidend, ob die Gründe des Erblassers für die Schenkung ihrer Art nach so sind, dass der durch dem Erbvertrag Bedachte sie anerkennen und deshalb die sich aus der Verfügung für ihn ergebende Benachteiligung hinnehmen muss (Palandt, BGB, 75. Aufl., § 2287 Rn. 7).

Der Beklagte hat ein lebzeitiges Eigeninteresse im vorstehenden Sinne vorgetragen. Er hat in sich schlüssig und widerspruchsfrei dargetan, dass die Schenkung dazu diente, die Beklagten an die Erblasserin zu binden. Diese Motivation ist zweifelsohne ein von dem Bedachten (immerhin Ehemann der Erblasserin und Vater des Beklagten) anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse, da sie auf die Festigung der Mutter-Sohn-Beziehung abzielt. Sie ist auch schlüssig dargetan. Das Eingehen dieser Beziehung setzt Freiwilligkeit voraus, kann von der Mutter nicht erzwungen werden. Der Beklagte war im Zeitpunkt der Schenkung erwachsen, der Mutter stand kein Aufenthaltsbestimmungsrecht in Bezug auf den Beklagten zu. Auch aus dem von den Kläger herangezogenen §§ 1618 a BGB kann nichts anderes abgeleitet werden. Der Umfang der Verpflichtung bestimmt sich nach den Umständen, also etwa dem Alter, den Gesundheitszustand und den Übrigen, insbesondere den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten (Palandt, BGB, 75. Aufl., § 1618 Buchst. a, Rn. 5). Da die Erblasserin ihren Lebensmittelpunkt, wie der Kläger betont, bei ihm hatte, konnte die Erblasserin nicht verlangen, dass ihr Sohn sie bei ihren Aufhalten in ihrer Zweitwohnung unterstützt. Erst recht kann aus dieser Bestimmung nicht hergeleitet werden, dass der Sohn ihr in der Weise Beistand zu leisten hatte, dass er im unmittelbaren Umfeld der Erblasserin Wohnung nimmt. Für die Subsumtion des Begriffs des lebzeitigen Eigeninteresses ist es nach Auffassung des Gerichts belanglos, ob eine Notwendigkeit dafür gegeben war, dass der Beklagte die Erblasserin an ihrem Zweitwohnsitz in Neuss unterstützt. Das Eigeninteresse im vorgenannten Sinne ist schon dann gegeben, wenn sich das Interesse darauf beschränkte, eine auch räumlich enge Beziehung zu dem Sohn zu unterhalten. Hierbei kann dahinstehen, ob die Erblasserin tatsächlich der Hilfe ihres Sohnes bedurfte oder ihr Anliegen, den Sohn in der Nähe zu haben, nur dem allgemeinen Bedürfnis entsprungen ist, einen Angehörigen an ihrer Seite zu wissen.

Demgemäß ist für die Entscheidung dieses Falles maßgeblich, ob das Interesse der Erblasserin an der dargestellten engen Mutter-Sohn-Beziehung tatsächlich bestand. Bestand sie nicht, spricht für den Kläger die Vermutung, dass die Erblasserin zumindest auch mit Beeinträchtigungswille gehandelt hat .Es ist, wie eingangs ausführlich dargelegt worden ist, Sache der klägerischen Partei, darzulegen und zu beweisen, dass diese Motivlage nicht gegeben war bzw. dass neben diesem Motiv auch der Beeinträchtigungswille bestand. Dies ist dem Kläger nicht gelungen.

Die Einwendungen des Klägers gegen die vom Beklagten behauptete Motivlage (Mutter-Sohn-Beziehung) sind teilweise ohne Relevanz. Es ist für den Fall belanglos, ob und in welchem Umfang der Sohn der Erblasserin Dienstleistungen der im Vertrag genannten Art erbracht hat. Ebenso wenig steht der Annahme des lebzeitigen Eigeninteresses entgegen, dass der Beklagte möglicherweise auch eigene Zielsetzungen verfolgte, als er dem Wunsch der Mutter entsprach. Von daher ist nicht von Interesse, ob der Beklagte seine beruflichen Wünsche den Interessen der Mutter untergeordnet hat, oder er aus anderen Gründen seinen Beruf aufgegeben hat bzw. musste. Ebenso wenig ist zu prüfen, ob er sich von seiner Lebensgefährtin getrennt hatte und daher auf Wohnungssuche war. War dem so, mag die Erblasserin – was naheliegend ist – die prekäre Situation für ihre – im Sinne des § 2287 BGB berechtigten – Interessen ausgenutzt haben. War, wie der Kläger wohl vortragen will, nicht die Erblasserin, sondern der Beklagte aufgrund seiner psychischen Erkrankung betreuungsbedürftig, ist erst recht ein lebzeitiges Eigeninteresse im vorstehenden Sinne anzunehmen. Dem Wunsch einer Mutter, sich um ihren psychisch kranken Sohn zu kümmern, wird man nicht ernsthaft die Anerkennung im vorstehenden Sinne versagen können.

Eine Vielzahl unstreitiger bzw. nicht erheblich bestrittener Indiztatsachen stützen die von der Beklagtenseite behauptet Motivlage:

Es ist unstreitig, dass der Beklagte in der Nähe seiner Mutter Wohnung genommen hat. Dies ist ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Behauptung der beklagten Partei, wonach die Mutter engen Kontakt zu ihrem Sohn gesucht hat. Die klägerische Partei hat nicht substantiiert bestritten, dass die Beziehung zwischen den Eheleuten über Jahre hinweg zumindest angespannt war und die Erblasserin zumindest zeitweise auf Distanz zu dem Kläger bedacht war. Dies war zumindest ein Grund für sie, einen Zweitwohnsitz in Neuss zu unterhalten. Wäre es anders gewesen, hätte es sich geradezu aufgedrängt, dass die Erblasserin ihre Verfügungen zu Gunsten des gemeinsamen Sohnes mit dem Kläger erörtert, sie jedenfalls offenbart. Ins Bild passt, dass die Erblasserin nach Bekunden des Klägers über Jahre hinweg Mieten vereinnahmt hat, ohne den Kläger daran zu beteiligen. Diese Motivlage macht es plausibel, dass sie an ihrem Zweiwohnsitz Kontakt zu einem anderen Angehörigen, dem Beklagten, gesucht hat.

Überdies ist die Annahme, die Erblasserin habe mit der Schenkung gerade den Kläger benachteiligen wollen, schwer mit dem Umstand zu vereinbaren, dass sich der Kläger bereits in einem hohen Alter befindet, die Benachteiligung sich also bei dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Wesentlichen zum Nachteil der Geschwister des Beklagten auswirken dürfte. Die klägerische Partei hat nicht vorgetragen, was die Erblasserin bewogen haben soll, die Geschwister des Beklagten als Erben benachteiligen zu wollen.

Es ist der klägerischen Partei allerdings einzuräumen, dass einige unstreitige, jedenfalls nicht erheblich bestrittene Indizien zu Gunsten eines Benachteiligungswillens im vorstehenden Sinne streiten. Die vergeblichen Versuche, den Beklagten zum Alleinerben einzusetzen in Verbindung mit dem Umstand, dass die Erblasserin alsdann mit anwaltlicher Unterstützung den hier in Streit stehenden Vertrag abgeschlossen hat über einen Gegenstand, welcher zumindest ein Großteil ihres Vermögens ausmachte, lässt die Annahme, sie habe zumindest auch mit dem Willen gehandelt, den Erbvertrag auszuhöhlen, naheliegend erscheinen. In dieses Bild passt, das die Beziehung zu der Erblasserin im Jahr 2013 – wie dargestellt- nicht unbelastet war. Da allerdings der Kläger genau dies in Abrede stellt, sich jedenfalls nicht festlegen will, ob und in welcher Weise die Beziehung zwischen den Ehegatten bei Abfassung des Vertrags vom 21.02.2013 im Rahmen eines Motivbündels bestimmend war, entzieht er selbst einer schlüssigen Indizienkette die Grundlage.

Entgegen der Auffassung der klägerischen Partei ist nicht den Beweisantritten nachzugehen. Die Zeugenbeweise werden für Tatsachen angeboten, die als Indizien weder für sich noch im Zusammenhang mit anderen unstreitigen Tatsachen die Schlussfolgerung auf einen Beeinträchtigungswillen erlauben.

Unter Beweis gestellt sind u.a. folgende Behauptungen:

Zunächst ab ca. 1997 fuhr sie so gut wie 1 wöchentlich, mit Eintritt der Rückenschmerzen aber nur noch sporadisch.

Aus dem Umstand, dass sie „nur noch sporadisch“ (was heißt das?) nach Neuss gefahren ist, lässt sich in Bezug auf die erörterten Motivlagen nichts ableiten.

Die Erblasserin war erst rund sechs Monate vor ihrem Tod auf Pflege und Versorgung angewiesen. Diese Pflege und Versorgung erfolgte nicht durch den Beklagten, sondern in der Ehewohnung der Erblasserin in Bad Münstereifel.

Diese Behauptung ist bereits inkonsistent. Wenn die Erblasserin in Neuss war, konnte sie nicht in Bad Münstereifel gepflegt werden. Anders wäre es, wenn die Erblasserin in den sechs Monaten vor ihrem Ableben nicht mehr in Neuss gewesen wäre. Sollte man den Klägervortrag in diese Richtung verstehen, schließt das nicht aus, dass die Erblasserin, als sie noch in der Lage war, nach Neuss zu fahren, eine enge Bindung zu ihrem Sohn gesucht hat. Im Übrigen folgt aus dem Umstand, dass die Erblasserin erst sechs Monate vor ihrem Tode auf Pflege und Versorgung angewiesen war, nicht, dass sie von ihrem Sohn in der Zeit davor Pflege- und Versorgungsdienstleistungen (die sie sich auch selbst hätte erbringen können) in Anspruch genommen hat.

Die Behauptungen des Beklagten zu der angeblich nicht mehr intakten Ehe seiner Eltern und die Behauptung, der Kläger wäre gewalttätig und jähzornig gewesen, sind allesamt falsch.

Wie bereits ausgeführt, würde eine nicht intakte Ehe sogar dafür sprechen, dass die Erblasserin mit Beeinträchtigungswillen gehandelt hat. Gerade wenn, was die klägerische Seite wohl andeuten will, die Eheleute in bestem Einvernehmen miteinander ausgekommen sind, liegt ein Beeinträchtigungswille fern.

Der Beklagte hat auch seiner Schwester einen Hieb mit der Faust gegen den Brustkorb verpasst, das war etwa eine Woche vor dem Tod der Mutter.

Es ist nicht ersichtlich, welche indizielle Bedeutung Tätlichkeiten des Beklagten gegenüber seinen Geschwistern in Bezug auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge (Übertragungsvertrag vom 21.02.2013) haben sollen.

Die Erblasserin war zu dieser Zeit im Frühjahr 2006 topfit, Die Fahrten nach Neuss begannen bereits Jahre vor diesem Zeitpunkt. Die Erblasserin sagte damals zu ihrer Tochter, dass sie dem Beklagten helfen wollte, weil er Schluss mit der Freundin hätte und eine neue Wohnung suchte.

Die Motivlage im Jahr 2006 sagt nichts aus über die Motivlage im Jahr 2013. Es ist allgemein bekannt, dass sich der Gesundheitszustand älterer Menschen auch in sehr kurzen Zeitabständen rapide verschlechtern kann.

Der Beklagte war in den letzten Jahren nämlich mehrfach längere Zeit psychisch erkrankt und auch in stationärer Behandlung gewesen. Außerdem hatte er nicht auf eine berufliche Karriere verzichtet, sondern war seit vielen Jahren arbeitslos.

Die Erblasserin hat nur unregelmäßig Zeit in Neuss verbracht und häufig geäußert, dass sie dies nur deswegen mache, weil sie sich um den Beklagten kümmern müsse, da dieser psychisch krank ist.

Bereits vor ca. 25 Jahren trat die Krankheit des Beklagten auf. Damals fand ein Geschwistergespräch im K Kloster statt um die in Folge der psychischen Erkrankung des Beklagten aufgetretene Familienproblematik zu besprechen.

Die Erblasserin sagte damals zu ihrer Tochter, dass sie dem Beklagten helfen wollte, weil er Schluss mit der Freundin hätte und eine neue Wohnung suchte.

Vielmehr war es so, dass der Beklagte in der privaten und beruflichen Krise, in der er sich befand, hilfebedürftig war und ihm deshalb von der Erblasserin und auch dem Kläger eine Hausmeistertätigkeit nach dem Einzug in die Wohnung in Neuss überlassen wurde. Hierfür erhielt der Beklagte von seinen Eltern finanzielle Gegenleistungen, zuletzt 300,00 EUR monatlich

Die Erblasserin kannte die psychische Erkrankung des Beklagten und dessen fehlende pflegerische Fähigkeiten ganz genau, denn sie hat immer wieder geäußert, dass sie nach Neuss fahren würde, weil sie sich dort um den Beklagten kümmern müsse und auch Angst hätte, er könne sich etwas antun.

Wie bereits ausgeführt, ist das Motiv der Erblasserin, sich um ihren Sohn zu kümmern, anzuerkennen; es ist nicht fernliegend, dass die Erblasserin die prekäre Situation des Beklagten dazu ausgenutzt hat, diesen an sich zu binden. Die von der Klägerseite aufgestellte Behauptung stützt also die Version des Beklagten, wonach es der Erblasserin um eine Festigung der Mutter-Kind-Beziehung ging. Soweit der Vortrag darauf abzielt, der Beklagte sei aufgrund seines mentalen Zustandes außerstande gewesen, die im Vertrag vom 21.02.2013 versprochenen Dienstleistungen zu übernehmen, entbehrt der Vortrag jeder Substanz.

Dass der Einzug erfolgen soll, um zu irgendeiner Zeit Pflegeleistungen für die Mutter zu erbringen, wurde nicht erwähnt. Außerdem sollte der Einzug nur vorübergehend sein.

Dass weder die Erblasserin noch der Beklagte die Motivlage gegenüber dem Zeugen erwähnt haben, lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass diese Motivlage nicht vorhanden war.

Hier ein Mordkomplott gegen die Erblasserin zu unterstellen ist natürlich völliger Unsinn und wird mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen.

Auf das oben Ausgeführte kann verwiesen werden: Ein Benachteiligungswille der Erblasserin kann umso eher angenommen werden, je schlechter die Beziehung zum Kläger gewesen war.

Schlüssig ist allerdings der Vortrag im Schriftsatz vom 11.07.2013, wonach die Erblasserin sich darüber anwaltlich habe beraten lassen, wie sie die Bindungen aus dem Erbvertrag umgehen könne. Indes ist dieser Vortrag (für den einige Indizien gibt (siehe oben)) nicht unter Beweis gestellt.

Für die beantragte Übertragung auf die Kammer besteht kein Anlass. Dass der Einzelrichter in der Sitzung vom 16.06.2016 Meinungen bzw. Sachverhaltsbewertungen geäußert hat, die der klägerischen Partei nicht genehm waren, macht die Sache weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig.

Nebenentscheidungen: §§ 91 Abs.1, 709 S.1 ZPO.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs.1, 709 ZPO.

Streitwert: 247.500 EUR.

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