OLG Rostock, Az.: 3 U 32/17, Urteil vom 20.06.2019
1. Die Berufung der Beklagten vom 21.04.2017 gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 15.03.2017 – Az.: 4 O 87/14 – wird, soweit sie erneut zur Entscheidung durch den Senat steht, zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1. genannte Urteil, soweit über dieses entschieden wird, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Kläger nehmen als Pflichtteilsberechtigte nach ihrem Vater die Beklagte, die dessen Enkelin und Alleinerbin ist, auf Zahlung in Anspruch. Wesentlicher Vermögenswert des Nachlasses ist ein bebautes Grundstück, dass nunmehr durch die Beklagte und ihre Familie zu Wohnzwecken genutzt wird.
Mit ihrer Klage haben die Kläger – soweit noch von Interesse – u.a. ihren Pflichtteil aus dem Wert des Grundstücks verlangt.
Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise Stundung des Pflichtteils beantragt.
Das Landgericht Neubrandenburg hat die Beklagte mit Urteil vom 15.03.2017 unter Abweisung der Klage im Übrigen im Wesentlichen dazu verurteilt, an die beiden Kläger jeweils 29.500,00 € als Pflichtteil zu zahlen. Den Antrag der Beklagten auf Stundung des Pflichtteils hat es abgewiesen. Wegen der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug.
Der Senat hat mit Beschluss vom 20.10.2017 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 04.12.2017 zu dem Hinweis des Senates Stellung genommen hat, hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 18.12.2017 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Wegen des Inhalts des Hinweis- und des Zurückweisungsbeschlusses nimmt der Senat auf diese Bezug.
Die Beklagte hat gegen den Zurückweisungsbeschluss des Senates vom 18.12.2017, soweit er die abgewiesene Stundung betrifft, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof erhoben. Mit Beschluss vom 21.11.2018 hat der Bundesgerichtshof den Senatsbeschluss vom 18.12.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen die Abweisung ihres Antrags auf Stundung des Pflichtteils zurückgewiesen worden war, und die Sache insoweit an den Senat zurückverwiesen. Wegen der Begründung des Beschlusses nimmt der Senat auf diesen Bezug.
Betreffend ihr Stundungsbegehren trägt die Beklagte vor, die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche beinhalte eine unbillige Härte für sie, die jetzt mit fünf Kindern das Haus bewohne und aus persönlichen Gründen wohl keinen weiteren Kredit erhalten werde.
Die Beklagte bestreitet, dass das Kaufangebot der Eheleute Sch., auf welches sich die Kläger berufen, ein ernsthaftes gewesen sei. Sie bestreitet auch, dass die Prozessbevollmächtigte der Kläger der Beklagten am 07.11.2013 das Kaufangebot der Eheleute Sch. übergeben habe. Das Haus sei nicht durch einen Verkauf verwertbar gewesen. Dass das Haus nach dem Erbfall leer gestanden habe, sei darauf zurückzuführen, dass die Klägerin durch Stellung eines eigenen Erbscheinsantrages die Erteilung eines Erbscheins zu Gunsten der Beklagten um fast zwei Jahre verzögert habe. Eine Klärung sei erst im März 2014 gerichtlich erfolgt.
Soweit die Kläger die Grundschuldbestellung über 46.000,00 € angesprochen hätten, handele es sich um ein Bauspardarlehen, welches nunmehr angespart werde und nur gegen Vorlage der Baurechnungen ausgezahlt worden sei. Das Haus sei ohne funktionierende Heizungsanlage und Stromkreislauf gewesen. Im ganzen Haus seien auf dem Boden Wasserschäden feststellbar gewesen. Die Beklagte hat in erster Instanz vorgetragen, dass sie mindestens 120.000,00 € investieren müsse, um das Haus überhaupt wieder bewohnbar zu machen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.05.2019 hat die Beklagte weiter vorgetragen, grundsätzlich bestehe an ihrer Leistungsbereitschaft kein Zweifel. Sie sehe sich allerdings nicht in der Lage, derzeit die Forderungen zu erfüllen und könne auch keinerlei Zeitpunkt nennen, zu welchem eine Leistungsfähigkeit gegeben sein könnte.
Die Beklagte hat weiter erklärt, der in der Berufungsinstanz erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 benannte Stundungszeitpunkt stelle darauf ab, dass zu diesem Zeitpunkt nach ihrem Dafürhalten die Kinder aus dem Gröbsten heraus seien und dann erweiterte Arbeitsmöglichkeiten bestünden. Ihr Ehemann sei arbeitslos. Er sei ausgebildeter Kaufmann im Groß- und Außenhandel.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 15.03.2017 abzuändern und ihr eine Stundung der Pflichtteilsansprüche einschließlich Zinsen bis zum 30.06.2024 zu gewähren.
Die Kläger beantragen, die Zurückweisung der Berufung auch im Übrigen.
Sie halten entgegen, es hätten seriöse Kaufangebote über 150.000,00 € vorgelegen. Im Zeitpunkt des Erbfalls und auch noch drei Jahre danach sei die Beklagte Studentin und in R. wohnhaft gewesen. Sie habe zu dieser Zeit auch keine fünf Kinder gehabt. Die Beklagte habe, statt Pflichtteilsansprüche zu erfüllen, in der Folgezeit das Objekt erheblich belastet und von dessen Verkauf abgesehen.
Den Stundungsantrag habe die Beklagte erst 2014 gestellt und dabei vorgebracht, dass das Haus unbewohnbar sei.
Die Kläger berufen sich für eine Abwägung der Interessen darauf, dass sie schon betagten Alters seien und ihnen eine Stundung nicht zuzumuten sei. Die Beklagte hingegen habe sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch bei Klagerhebung noch in R. gewohnt und, da sie der Klägerin zu 1) als ihrer Mutter noch entsprechende BAföG-Unterlagen zum Ausfüllen zugesandt habe, offenbar auch noch studiert.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 16.05.2019 haben die Kläger weiter ergänzend vorgetragen, die Klägerin zu 1. sei arbeitslos und werde im Unterhalt von ihrem Ehemann unterstützt. Es sei schlicht unrichtig, dass die Klägerin über Geld verfüge und in der Lage sei, auf ihren Pflichtteilsanspruch auch weiterhin zu warten. Sie sei 54 Jahre alt.
Der Kläger zu 2. verfüge lediglich über sein Entgelt aus Arbeitseinkommen, habe keine Unterhaltsverpflichtungen und sei derzeit 57 Jahre alt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien nimmt der Senat auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze sowie das Sitzungsprotokoll vom 16.05.2019 Bezug.
Der Senat hat Beweis durch Vernehmung des Zeugen Sch. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 Bezug.
II.
Die Berufung ist zulässig.
Nach teilweiser Zurückweisung durch den Bundesgerichtshof hat der Senat nur noch über den Stundungsantrag der Beklagten sowie die Kosten zu befinden. Auch insoweit hat jedoch die Berufung keinen Erfolg.
Gemäß § 2331a Abs. 1 BGB kann der Erbe Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere, wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, dass für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen. Zur festen Überzeugung des Senates überwiegt vorliegend das Interesse der Kläger dem Interesse am Behalt des Familienheimes deutlich.
Das Familienheim muss dabei nicht schon zum Zeitpunkt des Erbfalls die Lebensgrundlage bilden. Es genügt, wenn dies für die Zukunft der Fall ist (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 2331a Rn. 2). Daher ist vorliegend nicht schon allein deshalb die Stundung zu versagen, weil die Beklagte 2014, als ihre Erbenstellung feststand, noch nicht in das Nachlassgrundstück ihr Familienheim genommen hatte, sondern dies lediglich beabsichtigte.
Bei der Stundung dürfen nicht nur die Interessen des Erben eine Rolle spielen. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten sind angemessen zu berücksichtigen, da sich im Todesfall sein Anspruch auf Teilhabe am Erbe realisiert (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2331a Rn. 3). Dabei kann zu berücksichtigen sein, dass der Erbe durch einen mit allen Mitteln geführten Rechtstreit bereits eine lange Verzögerung erreicht hat (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2331a Rn. 3). Vorliegend ist somit zu Gunsten der Kläger und zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Beklagten bereits 2014 einen unbefristeten Stundungsantrag gestellt hat und im Rahmen dieses Rechtsstreits faktisch auch bereits eine Hinauszögerung ihrer Auszahlungspflicht von ca. fünf Jahren erreicht hat.
Eine Stundung kommt auch dann nicht in Betracht, wenn absehbar ist, dass der Erbe – hier die Beklagte – auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2331a Rn. 3). Dafür, dass dies vorliegend der Fall ist, spricht bereits wieder der Umstand, dass sie auch im Berufungsverfahren – und damit noch immer nach fünf Jahren – geltend macht, über keine Mittel zu verfügen, die sie für die Befriedigung der Pflichtteilsansprüche einsetzen könne, da sie nur über Elterngeld bzw. nunmehr wohl die Vergütung für eine Teilzeitbeschäftigung und Kindergeld verfüge, ihr Ehemann arbeitslos sei und ein Bauspardarlehen zu bedienen sei. Dies wird durch ihre Einlassung in der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2019 gestärkt, wonach sie nicht in der Lage sei, einen Zeitpunkt zu benennen, zu dem sie die Pflichtansprüche der Kläger befriedigen könne. Soweit sie im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung meinte, dass bis zum 30.06.2024 die Kinder aus dem Gröbsten heraus seien und sie dann eine Leistung für möglich halte, ist dies allein dem Umstand geschuldet, dass der Senat deutlich gemacht hatte, dass es eine unbefristete Stundung der Pflichtteilsansprüche nicht geben werde. Dass der nun in den Stundungsantrag aufgenommenen Terminsbenennung inhaltlich ausgefüllte, tatsächlich berechtigte und vor allem realistische Tatsachen und Erwägungen zu Grunde gelegen haben könnten, ist für den Senat in keiner Weise ersichtlich.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte 2014 und damit zu dem Zeitpunkt, zu dem ihre Erbenstellung feststand, über ein anderes Familienheim verfügte. Es bestand somit keine Notwendigkeit, ein nach dem Vorbringen der Beklagten noch unbewohnbares Haus wieder bewohnbar zu machen, zumal die Beklagte den erforderlichen Aufwand hierfür selbst mit 120.000,00 € einschätzte. Aufgrund ihrer bereits seinerzeit begrenzten finanziellen Mittel hätte ihr bereits seinerzeit klar sein müssen, dass sie Fremdmittel in diesem Umfang kurzfristig nicht würde mobilisieren können. Stattdessen hat sie jedoch einen Bausparkredit von 46.000,00 € aufgenommen und für Arbeiten an dem nunmehrigen Familienheim aufgewendet, ohne auch nur in Betracht zu ziehen, zunächst berechtigte Ansprüche der Kläger zu befriedigen. Vielmehr ist das Haus erst durch diese Aufwendungen zu dem von § 2331a BGB besonderen Schutz genießenden Gegenstand geworden.
Bei eben jener Abwägung ist weiter zu berücksichtigen, dass die Beklagte, statt sich freiwillig erheblichen Investitionen zu unterwerfen, das Haus hätte zu einem Preis veräußern können, der ihr die Befriedigung der Pflichtteilsansprüche der Kläger unter Selbstbehalt eines erheblichen Geldbetrages ermöglicht hätte. Insoweit ist der Senat nach Vernehmung des Zeugen Schönhoff davon überzeugt, dass dieser ein ernsthaftes Kaufangebot von 150.000,00 € unterbreitet hatte und sich hieran ausreichende Zeit gebunden gehalten sah. Der Senat hat keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Schon in Ansehung des Umstandes, dass der Zeuge späterhin ein anderes Objekt erworben hat, um sein noch immer bestehendes Vorhaben umzusetzen, bestehen für den Senat keine ernsthaften Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner unternehmerischen Absicht. Auch der Umstand, dass er bereits in sein ersatzweise erworbenes Objekt, welches weitaus sanierungsbedürftiger gewesen sei, etwa eine Summe investiert hat, wie er sie auch als Kaufangebot für das streitgegenständliche Objekt aufgerufen hatte, spricht für die Ernsthaftigkeit seines Angebotes. Allein der Denkmalschutz schließt eine Ernsthaftigkeit nicht – wie dies die Beklagte meint – aus. Insoweit stellt sie ihre Vorstellungen von der Umsetzung des vom Zeugen Sch. geplanten Projektes an die Stelle der Planungen des Zeugen, ohne diese überhaupt zu kennen. Ihre dahingehenden Erwägungen lassen jede Substanz vermissen.
Schließlich ist das Alter der Kläger zu berücksichtigen. Zum 30.06.2024 wären diese bereits 59 und 62 Jahre alt. Bis zu einem solchen Alter allerdings seine Ansprüche gegen ein Wohnbedürfnis der Beklagten in einem durchaus übergroßen Haus zurückzustellen, ist den Klägern nicht zuzumuten.
In Abwägung der gegenseitigen Interessen vermag der Senat der Beklagten in Ansehung des Vorgesagten eine Stundung der Pflichtteilsansprüche der Kläger nicht zuzusprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe, betreffend die Entscheidung über die Stundung die Revision zuzulassen, sieht der Senat nicht.