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Testament: Verfügung über Immobilienvermögen ohne Erwähnung von Festgeld

KG Berlin, Az.: 6 W 82/15, Beschluss vom 12.04.2016

Die Beschwerde des Antragstellers vom 15. Mai 2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mitte -Nachlassgericht- vom 09. April 2015 wird auf seine Kosten bei einem Beschwerdewert von 585.036,00 € zurückgewiesen.

Zugleich wird der Verfahrenswert für die erste Instanz in Abänderung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 26.11.2014 auf 585.036,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer, Antragsteller und Beteiligte zu 1. wendet sich mit seiner am 15. Mai 2015 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde gegen den am 15. April 2015 zugestellten Beschluss, mit dem das Nachlassgericht seinen Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der ihn und seine Schwester, die Beteiligte zu 3., als Erben ihres Vaters je zur Hälfte ausweist, zurückgewiesen hat. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie wegen der Begründung der zurückweisenden Entscheidung wird auf den angefochtenen Beschluss (Bl. 139 – 141 d.A.) verwiesen.

Testament: Verfügung über Immobilienvermögen ohne Erwähnung von Festgeld
Symbolfoto: Yastremska/Bigstock

Der Beteiligte zu 1. vertritt auch in der Beschwerdeinstanz weiterhin die Ansicht, der Erblasser habe mit seinem eigenhändigen Testament vom 26. August 1993 letztwillig über sein Vermögen im Ganzen zu Gunsten seiner beiden Kinder verfügen und sie damit als seine alleinigen Erben einsetzen wollen; insofern komme die Anwendung der Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. Die Beteiligte zu 2., Witwe und Mutter der Beteiligten zu 1. und 3., sei daher von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen.

Die Beteiligte zu 2. ist der Beschwerde entgegen getreten. Sie ist der Ansicht, der Erblasser habe bei Errichtung der letztwilligen Verfügung schon keinen Gesamtverfügungswillen gehabt, was insbesondere durch die Nichterwähnung des im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorhandenen Geldvermögens von ca. 98.000,00 DM belegt werde. Insofern seien die Zuwendungen an die Beteiligten zu 1. und 3., die sich auf das Grundvermögen beschränken, als Vermächtnisanordnungen und nicht als Erbeinsetzungen zu verstehen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 09. April 2015 ist gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht beim Nachlassgericht eingelegt worden, §§ 63, 64 FamFG.

In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg.

Die Zurückweisung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 1. vom 22. Dezember 2014 stellt sich in der Sache als zutreffend dar, denn der Erblasser hat mit seiner eigenhändigen letztwilligen Verfügung nicht die Beteiligten zu 1. und 3. je zur Hälfte Erben bestimmt. Vielmehr hat er ihnen mit den Verfügungen

„Ich vermache das Haus in D…, … weg . meinen Kindern K. … und Ki…

… zu gleichen Teilen“

und

„Meine Erbansprüche aus Haus- und Grundbesitz meiner Eltern in … Du… sollen

ebenfalls zu gleichen Teilen an meine Kinder gehen“

dem Wortlaut nach lediglich einzelne Nachlassgegenstände zugedacht, was nach der gesetzlichen Zweifelsregelung des § 2087 Abs. 2 BGB nicht als Erbeinsetzung, sondern als Vermächtnisanordnung zu verstehen wäre, wenn nicht eine der Anwendung des § 2087 Abs. 2 BGB vorrangige Auslegung des Testaments einen abweichenden Inhalt ergibt (vgl. OLG München ZEV 2007, 383-385, zitiert nach juris, dort Rdz. 13 m.w.N.).

Testamente sind als einseitige, nicht empfangsbedürftige Verfügungen grundsätzlich anhand des Willens des Erblassers auszulegen (§ 133 BGB), mit dem Ziel, seinen tatsächlichen Willen im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung so weit als möglich wirksam werden zu lassen. Dafür ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände -auch solcher außerhalb des Testaments- heranzuziehen und zu würdigen (BGH NJW 1993, 256 – 257, zitiert nach juris, dort Rdz. 10). Kann dadurch der tatsächliche Wille des Erblassers noch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ist im nächsten Schritt zu ermitteln, was dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht, mithin was der Erblasser vernünftigerweise gewollt haben kann (vgl. zur Testamentsauslegung allgemein: Weidlich in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 2084 Rdnr. 3 – 11).

Die letztwillige Verfügung des Erblassers vom 26. August 1993 enthält keine eindeutige Aussage darüber, ob die darin im Wesentlichen bedachten Beteiligten zu 1. und 3. als Erben eingesetzt werden sollten. Denn der Erblasser hat ihnen nicht einen bestimmten Anteil an seinem Nachlassvermögen zugesprochen, sondern sich darauf beschränkt, ihnen einzelne Vermögensgegenstände oder Anteile daran zuzusprechen, ohne sie zugleich als seine Erben zu bezeichnen. Er hat vielmehr in Bezug auf das Hausgrundstück in Di… das Verb „vermachen“ und in Bezug auf die Erbansprüche aus Haus- und Grundbesitz seiner Eltern das Verb „sollen gehen an“ verwandt.

Für die damit im Wege der Auslegung zu ermittelnde Feststellung, ob der Erblasser die so bedachten Beteiligten zu 1. und 3. zu Vermächtnisnehmern oder zu seinen Erben bestimmen wollte, ist die gesamte letztwillige Verfügung in den Blick zu nehmen. Da es allein auf den tatsächlichen Erblasserwillen ankommen soll, muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass der Erblasser seine wirtschaftliche Stellung allein und zu gleichen Teilen von seinen beiden Kindern fortgesetzt wissen wollte, oder ob seine Verfügungen und Anordnungen auf einer von ihm vorausgesetzten und hingenommenen gesetzlichen Erbfolge aufbauen sollten.

In der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass in den Fällen, in denen der Erblasser zwar lediglich Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände trifft, diese Nachlassgegenstände jedoch den gesamten oder aus der maßgeblichen Sicht des Erblassers jedenfalls praktisch sein gesamtes Vermögen darstellen, in der Regel davon auszugehen ist, dass der Erblasser mit seinen Verfügungen Erbeinsetzungen -und zwar entsprechend dem Wert der jeweils zugedachten Gegenstände nach Bruchteilen- vornehmen wollte, schon weil nicht angenommen werden kann, dass der Erblasser zwar praktisch sein gesamtes Vermögen nach Einzelgegenständen verteilt, ohne zugleich einen oder mehrere Erben zu bestimmen (BayObLG NJW-RR 1995, 1096 – 1098, zitiert nach juris, dort Rdz. 30 f.; vgl. auch OLG München ZEV 2007 a.a.O. Rdz. 14; OLG Brandenburg ZErb 2008, 324 – 326, zitiert nach juris, dort Rdz. 21).

Vorliegend kann bereits nicht festgestellt werden, dass der Erblasser mit den zu Gunsten der Beteiligten zu 1. und 3. getroffenen Einzelverfügungen zugleich über sein Vermögen im Ganzen verfügen wollte. Bereits objektiv betrafen seine Verfügungen nur die Immobilien und damit nicht sein gesamtes Vermögen, denn der Erblasser verfügte neben einem PKW und sonstigen persönlichen Gegenständen, die aber zu vernachlässigen sein dürften, jedenfalls auch noch über ein Festgeld- und Wertpapiervermögen in Höhe von ca. 98.000,00 DM, das in dem Testament keine Erwähnung gefunden hat. Dass der Erblasser dennoch bei Errichtung des Testaments zumindest subjektiv die Vorstellung hatte, mit den Verfügungen zu Gunsten seiner Kinder zugleich abschließend über sein Vermögen im Ganzen zu verfügen, könnte nur dann angenommen werden, wenn der Erblasser diesem Geldvermögen neben dem Immobilienvermögen praktisch keine Bedeutung beigemessen hätte. Der Senat folgt der angefochtenen Entscheidung dahingehend, dass dies anhand der bekannten und für die Auslegung maßgeblichen Umstände nicht zur notwendigen Überzeugung festgestellt werden kann. Denn weder war der Wert des Geldvermögens in Relation zu den (für 1993 geschätzten) Werten der Immobilien völlig unbedeutend noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Erblasser seinem Wertpapier- und Barvermögen selbst keine wesentliche Bedeutung im Rahmen seines Vermögens beimaß. Neben der Tatsache, dass der Erblasser sein Geldvermögen sorgfältig verwaltete und ein Festgeldkonto sowie ein Aktien- und ein Wertpapierdepot führte, spricht auch die Tatsache, dass er für das maßgebliche Jahr 1993 Einkünfte aus Kapitalerträgen in Höhe von fast 11.000 DM (zusammen mit der Beteiligten zu 2. sogar mehr als 20.000 DM) erzielen konnte (vgl. Anlagen zum Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten zu 1. vom 25.11.2013, Bl. 34 – 41 d.A.) dafür, dass er diesen Vermögensteil durchaus als wesentlich angesehen haben dürfte. Damit aber fehlt es an der notwendigen Grundlage für die von dem Beteiligten zu 1. favorisierte Auslegung, der Erblasser habe durch die das Immobilienvermögen betreffenden Einzelzuwendungen sein Vermögen insgesamt – unter gleichzeitigem Ausschluss der Beteiligten zu 2. – je zur Hälfte auf ihn und seine Schwester übertragen und nur in ihnen seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt sehen wollen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenentscheidung rechtfertigen könnten, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 40 Abs. 1 Ziff. 2 GNotKG. Gemäß § 40 Abs. 1 Ziff. 2 GNotKG ist der Geschäftswert (und damit über § 61 GNotKG auch der Beschwerdewert) mit dem Nachlasswert abzüglich der Erblasserschulden anzusetzen. Da der Erbscheinsantrag des Antragstellers – den er mit der Beschwerde weiterverfolgt hat – den gesamten Nachlass erfasste, kam eine Halbierung des Nachlasswertes auch im Hinblick auf das hälftige Antragstellerinteresse nicht in Betracht (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 2015, 767 – 769, zitiert nach juris, dort LS. und Rdz. 2; OLG Düsseldorf ErbR 2015, 383 – 384, zitiert nach juris, dort LS. 1 und Rdz. 6).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

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