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Testamentsauslegung – Fehlens eines Hinweises auf ein dingliches Wohnrecht

Interpretation des Testaments: Das Fehlen eines Hinweises auf ein dingliches Wohnrecht

Die Testamentsauslegung ist ein zentrales Element im Erbrecht, das oft zu rechtlichen Auseinandersetzungen führt. Ein kürzlich ergangenes Urteil des LG Waldshut-Tiengen (Az.: 1 O 70/04) vom 26.4.2005 beleuchtet die Problematik, wenn in einem Testament ein Hinweis auf ein dingliches Wohnrecht fehlt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 O 70/04  >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Testamentsauslegung betreffend das Fehlen eines Hinweises auf ein dingliches Wohnrecht.
  • LG Waldshut-Tiengen entscheidet über die Eintragung der Klägerin im Grundbuch als Wohnrechtsinhaberin für bestimmte Teile eines Hausgrundstücks.
  • Klägerin fordert Herausgabe des Hausgrundstücks und aller Schlüssel.
  • Diskussion über die Testierfähigkeit der Erblasserin: Zeugenaussagen legen nahe, dass sie manchmal verwirrt, aber insgesamt testierfähig war.
  • Zentrale Frage: Hat die Erblasserin ein dingliches Wohnrecht oder ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis (Leihe) beabsichtigt?
  • Gericht interpretiert, dass die Erblasserin wahrscheinlich ein dingliches Wohnrecht für die Klägerin gewollt hatte.
  • Wohnrecht bezieht sich auf den gesamten Wohnbereich des Gebäudes, nicht aber auf Garage, Vorplatz und Zufahrt.

Der Fall drehte sich um ein bestimmtes Hausgrundstück, das in mehreren Teilen beschrieben wurde, von Kellerräumen bis zum Dachgeschoss. Die Klägerin verlangte die Zustimmung zur Eintragung im Grundbuch als Wohnrechtsinhaberin für verschiedene Teile des Grundstücks. Zudem forderte sie die Herausgabe des Hausgrundstücks und aller Schlüssel für die entsprechenden Räume und Schränke.

Ein zentrales Thema des Falles war die Frage, ob die Erblasserin tatsächlich ein dingliches Wohnrecht oder lediglich ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis gemeint hatte. Ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis wäre als Leihe zu werten. Die Auslegung des Testaments war hierbei entscheidend. Es wurde argumentiert, dass die Erblasserin als juristischer Laie wahrscheinlich nicht den Unterschied zwischen einem grundbuchrechtlich gesicherten und einem schuldrechtlichen Wohnrecht kannte. Daher sollte dem fehlenden ausdrücklichen Hinweis auf ein dingliches Wohnrecht im Testament nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden.

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Erblasserin wahrscheinlich ein dingliches Wohnrecht für die Klägerin beabsichtigt hatte. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass nur ein solches Recht die Position der Klägerin auch gegenüber potenziellen Käufern des Hauses absichern würde. Ein schuldrechtliches Wohnrecht würde diesen Schutz nicht bieten.

Ein weiterer Aspekt des Falles betraf die Testierfähigkeit der Erblasserin. Zeugenaussagen legten nahe, dass die Erblasserin zwar manchmal verwirrt war, insgesamt aber keine besonderen Auffälligkeiten zeigte. Das Gericht entschied, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war.

Das Urteil verdeutlicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Testamentsformulierung. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Absichten und den Willen des Erblassers korrekt zu interpretieren, insbesondere wenn es um so bedeutende Rechte wie das Wohnrecht geht.

Relevanz und Tragweite des Urteils

Die Entscheidung des LG Waldshut-Tiengen hebt die Wichtigkeit der klaren Formulierung in Testamenten hervor. Es ist essenziell, dass Erblasser ihre Wünsche und Absichten deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Das Urteil betont auch die Notwendigkeit, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ergründen und nicht nur den Wortlaut des Testaments zu betrachten.

Bedeutung für zukünftige Fälle

Während jedes Testament und jeder Erbfall einzigartig ist, bietet dieses Urteil eine wertvolle Orientierungshilfe für ähnliche Fälle in der Zukunft. Es unterstreicht die Bedeutung der Testamentsauslegung und die Notwendigkeit, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln, insbesondere in Bezug auf Wohnrechte und andere dingliche Rechte.

Wichtige Begriffe  – kurz erklärt


  • Testamentsauslegung: Die Auslegung eines Testaments ist der Prozess der Ermittlung des Willens des Erblassers aus dem Testament selbst und den Umständen seiner Errichtung.
  • Dingliches Wohnrecht: Ein dingliches Wohnrecht ist ein Recht, das einem Dritten die Nutzung einer Immobilie einräumt. Es ist im Grundbuch eingetragen und wird gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks als ein Recht an der Sache selbst geschützt.
  • Schuldrechtliches Nutzungsverhältnis: Ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis ist ein Vertrag zwischen zwei Parteien, in dem sich eine Partei verpflichtet, der anderen Partei die Nutzung einer Sache zu gewähren. Es ist nicht im Grundbuch eingetragen und wird gegenüber dem Eigentümer der Sache nicht als ein Recht an der Sache selbst geschützt.

Wichtige Fragen und Antworten

  • Was ist der Unterschied zwischen einem dinglichen und einem schuldrechtlichen Wohnrecht? Ein dingliches Wohnrecht ist ein Recht an der Sache selbst, während ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis ein Vertrag zwischen zwei Parteien ist. Das bedeutet, dass ein dingliches Wohnrecht gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks geschützt ist, während ein schuldrechtliches Nutzungsverhältnis nicht.
  • Wie wichtig ist es, dass ein Testament eindeutig formuliert ist? Eine eindeutige Formulierung ist sehr wichtig, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Wenn ein Testament nicht eindeutig formuliert ist, kann es zu unterschiedlichen Interpretationen kommen. Dies kann dazu führen, dass die Erben sich nicht einig sind, was der Erblasser eigentlich gewollt hat.
  • Wie wird der Wille des Erblassers bei der Testamentsauslegung ermittelt? Der Wille des Erblassers wird bei der Testamentsauslegung aus dem Testament selbst und den Umständen seiner Errichtung ermittelt. Das Gericht berücksichtigt dabei unter anderem die Formulierung des Testaments, die Umstände, unter denen das Testament errichtet wurde, und die Persönlichkeit des Erblassers.
  • Welche Folgen hat es, wenn ein Testament nicht eindeutig formuliert ist? Wenn ein Testament nicht eindeutig formuliert ist, kann es zu einer gerichtlichen Auslegung des Testaments kommen. Das Gericht wird dann versuchen, den Willen des Erblassers zu ermitteln. Dies kann zu einem langwierigen und kostspieligen Verfahren führen.
  • Wie kann ich sicherstellen, dass mein Testament eindeutig formuliert ist? Es ist ratsam, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, wenn Sie ein Testament errichten möchten. Ein Rechtsanwalt kann Ihnen dabei helfen, ein Testament zu erstellen, das eindeutig formuliert ist und Ihren Wünschen und Absichten entspricht.


Das vorliegende Urteil

LG Waldshut-Tiengen – Az.: 1 O 70/04 – Urteil vom 26.4.2005

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Eintragung eines Wohnrechts im Einfamilienwohnhaus im Sonnenmatt 11, … H. im Grundbuch des Grundbuchamtes H. Nr. … H., Flurstücknr. …, bestehend aus dem Kellerraum im Untergeschoss, der Küche, einem Wohn- und Esszimmer, einem WC, einem Vorraum sowie dem Flurtreppenhaus im Erdgeschoss, zwei Zimmern, einem Bad-WC, einem Abstellraum, einem Holzschopf sowie dem Treppenhaus im ersten Obergeschoss, einem Zimmer nebst Speicher, Vorraum und Treppenhausflur im Dachgeschoss, zu Gunsten der Klägerin zuzustimmen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch als Wohnrechtsinhaberin zu bewilligen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, das unter Ziffer 1 bezeichnete Hausgrundstück an die Klägerin herauszugeben und sämtliche Zimmerschlüssel für die unter Ziffer 1 bezeichneten Räume herauszugeben.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR.

Tatbestand

Die Parteien sind Schwestern. Sie streiten um Ansprüche aus dem Testament ihrer 1993 verstorbenen Großmutter F.W., geb. 1902. F.W. hatte am 26.06.1992 folgendes Testament eigenhändig errichtet:

„Mein Sohn Wa. Erhält das Haus und Grundstück. Es bleibt immer in Familienbesitz. Meine Enkelin Ba. (die Klägerin, Anm. des Gerichts) erhält das Wohnrecht in meiner Wohnung auf Lebzeit frei. (…)“

Wa. W., der Vater der Parteien hatte die Alleinerbschaft angenommen. Er verstarb am 29.08.2002, ohne dass mit der Klägerin eine Einigung über ein Wohnrecht erzielt werden konnte. Alleinerbin des Vaters ist die Beklagte. Ihr gegenüber verfolgt die Klägerin das Wohnrecht weiter.

Das Gebäude der Erblasserin besteht je zur Hälfte aus einem Ökonomieteil und einem Wohnhaus. Die Erblasserin selbst bewohnte hauptsächlich das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe ein dingliches Wohnrecht am gesamten Wohnbereich des Gebäudes zu.

Sie beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, der Eintragung eines Wohnrechts im Einfamilienwohnhaus im Sonnenmatt 11, 79685 H. im Grundbuch des Grundbuchamtes H. Nr. … H., Flurstücknr. … bestehend aus dem Kellerraum im Untergeschoss, der Küche, einem Wohn- und Esszimmer, einem WC, einem Vorraum sowie dem Flurtreppenhaus im Erdgeschoss, zwei Zimmern, einem Bad-WC, einem Abstellraum, einem Holzschopf sowie dem Treppenhaus im ersten Obergeschoss, einem Zimmer nebst Speicher, Vorraum und Treppenhausflur im Dachgeschoss, sowie dem Vorplatz rechts vom Wohnhaus und der Garage einschließlich Zufahrt zu Gunsten der Klägerin zuzustimmen und die Eintragung der Klägerin im Grundbuch als Wohnrechtsinhaberin zu bewilligen;

2. die Beklagte zu verurteilen, das unter Ziffer 1 bezeichnete Hausgrundstück an die Klägerin herauszugeben und sämtliche Zimmerschlüssel für die unter Ziffer 1 bezeichneten Räume herauszugeben;

3. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche Schlüssel für die in den unter Ziffer 1 bezeichneten Räumen stehenden Schränke sowie für die Garage herauszugeben.

Hilfsweise, für den Fall, dass ein dingliches Wohnrecht nicht vorliegt, beantragt sie,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht unter Ausschluss der Beklagten an den Räumen im Einfamilienwohnhaus im Sonnenmatt 11, 79685 H. im Grundbuch des Grundbuchamtes H. Nr. … H., Flurstücknr. … bestehend aus dem Kellerraum im Untergeschoss, der Küche, einem Wohn- und Esszimmer, einem WC, einem Vorraum sowie dem Flurtreppenhaus im Erdgeschoss, zwei Zimmern, einem Bad-WC, einem Abstellraum, einem Holzschopf sowie dem Treppenhaus im ersten Obergeschoss, einem Zimmer nebst Speicher, Vorraum und Treppenhausflur im Dachgeschoss, sowie dem Vorplatz rechts vom Wohnhaus und der Garage einschließlich Zufahrt zu gewähren;

2. die Beklagte zu verurteilen, die unter Ziffer 1 bezeichneten Räume zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;

3. die Beklagte zu verurteilen, die Haustürschlüssel für das Einfamilienwohnhaus im Sonnenmatt 11, 79685 H. sowie sämtliche Zimmerschlüssel für das oben bezeichnete Hausgrundstück einschließlich der Schlüssel für die Zugangstür zum Schopf vom Bad sowie der Schlüssel zur Gasflasche im Blechverschlag herauszugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ihre Großmutter sei im Alter zunehmend verwirrt gewesen, so dass von einer Testierunfähigkeit auszugehen sei. Das Testament könne schon deshalb nicht wirksam sein, da es unleserlich sei. Außerdem könne sich ein Wohnrecht nicht auf das ganze Wohnhaus beziehen, da die Erblasserin nur einen Teil des Hauses bewohnt habe. Es könne auch nicht sein, dass die Erblasserin ein solches umfassendes Wohnrecht habe vermachen wollen. Um das Grundstück zu bewirtschaften sei es erforderlich. in dem Haus wohnen zu können. Sie meint, es könne allenfalls ein schuldrechtliches Wohnrecht vermacht sein. Die Herausgabe von Schlüsseln sei im Übrigen nicht erforderlich. da die Klägerin selbst im Besitz eines Hausschlüssels sei. Sie, die Beklagte, habe lediglich ein Schlafzimmer abgeschlossen, das sie derzeit benutze.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen Werner Ws. und Schwester J.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2005 Bezug genommen. Weiterhin war die Nachlassakte des Notariats – Nachlassgericht – …, GR N …/93, zu Informationszwecken beigezogen.

Nach Zustimmung der Parteien hat das Gericht mit Beschluss vom 23.03.2005 das schriftliche Verfahren angeordnet. Schriftsätze konnten eingereicht werden bis zum 12.04.2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.

I. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Einräumung eines dinglichen Wohnrechts gemäß § 1093 BGB aus § 2174 BGB zu.

Die Klägerin ist Vermächtnisnehmerin. Die Beklagte ist als Alleinerbin des verstorbenen Vaters, der wiederum Alleinerbe der verstorbenen Großmutter war, mit dem Vermächtnis beschwert.

Das Testament ist wirksam. Es wurde eigenhändig geschrieben und unterschrieben (§ 2247 BGB). Der Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass das Testament schwer lesbar ist. Es ist aber nicht unlesbar, so dass die Wirksamkeit der Verfügung hiervon nicht berührt wird (vgl. Palandt – Edenhofer, 64. Aufl., § 2247, Rn. 9).

Das Testament ist auch nicht gemäß § 2229 Abs. 4 BGB wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam. Es genügt nicht jede Verwirrtheit, um sogleich von Testierunfähigkeit auszugehen. Vielmehr sind bei wechselnden Zuständen die in den lichten Zwischenräumen errichteten Verfügungen wirksam (vgl. Palandt – Edenhofer, 64. Aufl., § 2229, Rn. 8). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erblasserin dauerhaft nicht in der Lage gewesen ist, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Vielmehr hat die Zeugin Schwester J., die die Erblasserin in ihrem letzten Lebensjahr im Pflegeheim betreut hat, bekundet, dass diese zwar manchmal etwas verwirrt gewesen sei, insgesamt aber keine Besonderheiten im Vergleich zu anderen älteren Menschen im Alter von 90 Jahren bestanden. Auch der Zeuge Ws., der der Erblasserin noch erklärt hat, wie man ein Testament errichten kann, konnte keine Anzeichen von Verwirrtheit feststellen. Angesichts dieser glaubhaften Zeugenaussagen ist der Beklagten der Nachweis nicht gelungen, dass die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es insoweit nicht mehr, da auch dieser nicht mehr feststellen kann, ob die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung verwirrt war oder einen lichten Moment hatte. Diese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten.

Das Vermächtnis betrifft ein dingliches Wohnrecht im Sinne des § 1093 BGB. Dies ergibt sich durch Auslegung des Testaments gemäß § 133 BGB. Die Erblasserin wollte für die Klägerin „das Wohnrecht in meiner Wohnung auf Lebzeit frei“. Hiermit könnte zwar auch die Einräumung eines nur schuldrechtlichen Wohnrechts gemeint sein, welches als Leihe zu werten wäre (so OLG Bamberg, Beschluss vom 28.06.1994, 1 W 35/94, NJW-RR 1994, 1359, 1360). Diese Auslegung übersieht allerdings, dass der Erblasserin als juristischer Laiin kaum bekannt gewesen sein dürfte, dass es einen Unterschied zwischen einem grundbuchrechtlich gesicherten und einem schuldrechtlichen Wohnrecht gibt. Insoweit ist dem fehlenden ausdrücklichen Hinweis auf ein dingliches Wohnrecht im Testament nicht zu viel Bedeutung beizumessen, da die Erblasserin dies vermutlich als normal vorausgesetzt hat. Vielmehr wird aus der Formulierung „auf Lebzeit“ deutlich. dass die Klägerin ein lebenslängliches sicheres Wohnrecht erhalten sollte. Dies ist nur dann gewährleistet, wenn ihr ein dingliches Wohnrecht zugewandt wird. Dann ist ihre Rechtsposition auch gegenüber etwaigen Käufern des Hauses gesichert. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere § 566 BGB, der den Mieter im Fall der Veräußerung des Hauses schützt, im Rahmen eines Leihverhältnisses, welches beim schuldrechtlichen Wohnrecht anzunehmen wäre, gerade nicht gilt. Daher ist hier das Testament dahin gehend auszulegen, dass ein dingliches Wohnrecht für die Klägerin gewollt war (so auch Hofstetter in ZEV 1996, 17). Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks dieses nach wie vor bewirtschaften muss. Es ist nicht ersichtlich. inwiefern die Bewirtschaftung durch die Einräumung eines dinglichen Wohnrechts unmöglich sein sollte.

Das Wohnrecht bezieht sich auf den gesamten Wohnbereich des Gebäudes. Insofern kommt es nach Auffassung des Gerichts nicht darauf an, dass die Erblasserin selbst hauptsächlich das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss bewohnt hat. Maßgeblich ist der Begriff der Wohnung. Dieser umfasst alle Räumlichkeiten, die nach der Verkehrsanschauung zusammen eine abgeschlossene Wohnung bilden. Hierzu zählen beispielsweise auch Gästezimmer oder Abstellkammern, die nur selten, und eventuell nur durch Besucher benutzt werden. Daher ist das Vermächtnis so auszulegen, dass ein Wohnrecht am gesamten Wohngebäudeteil eingeräumt sein soll.

Dass lediglich ein Wohnrecht in einem Zimmer gemeint gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Zwar hat der Zeuge Ws. erklärt, die Erblasserin habe „etwas mit einem Wohnungsrecht oder einem Zimmer“ testamentarisch regeln wollen. Genaueres wusste er hierüber aber nicht mehr. Im Übrigen ist auch die Formulierung im Testament „Wohnrecht in meiner Wohnung“ – und nicht nur in einem Zimmer – eindeutig.

Die Klägerin hat als Wohnrechtsinhaberin gemäß § 1093 BGB das Recht, das Wohngebäude unter Ausschluss der Beklagten zu benutzen. Die Beklagte ist daher zur Herausgabe an die Klägerin verpflichtet. Dazu gehört es auch. der Klägerin sämtliche Schlüssel zum Wohnteil des Anwesens und zu den dortigen Zimmern auszuhändigen.

II. Zur Wohnung gehört allerdings nicht zwangsläufig auch eine Garage, so dass insoweit mangels ausdrücklicher Erwähnung im Testament nicht davon auszugehen ist, dass diese vom Wohnrecht mit umfasst ist. Gleiches gilt für den Vorplatz und die Zufahrt. Einen Anspruch auf Herausgabe der Schlüssel für die im Wohnteil befindlichen Schränke hat die Klägerin ebenfalls nicht. Die Schränke sind nicht vom Wohnrecht der Klägerin umfasst. Insoweit war die Klage abzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Durch die Zuvielforderung im Hinblick auf Garage, Vorplatz, Zufahrt und Schlüssel für Schränke sind keine zusätzlichen Kosten entstanden.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung war nach dem möglichen Vollstreckungsschaden zu bestimmen. Hierbei ist das Gericht davon ausgegangen, dass dieser darin besteht, dass die Beklagte im Fall der vorläufigen Vollstreckung das Wohngebäude nicht mehr selbst nutzen kann, sodass bei Übernachtungen in H. Hotelkosten und ggf. Kosten für Restaurantbesuche anfallen. Dem dürfte durch die ausgesprochene Sicherheitsleistung ausreichend Rechnung getragen sein. Weitere Vollstreckungsschäden sind nicht ersichtlich.

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