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Testamentsauslegung – Vermögensaufteilung auf mehrere Personen

Im vorliegenden Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg, Az.: 3 W 66/22, wurde entschieden, dass die Antragstellerin, eine frühere Lebenspartnerin und enge Freundin des Erblassers, als Alleinerbin anzusehen ist. Die Beschwerde gegen den ursprünglichen Beschluss, der verschiedene Personen als Erben auswies, hatte Erfolg. Das Gericht legte besonderen Wert auf die Auslegung des handschriftlichen Testaments des Erblassers, welches zeigte, dass die Antragstellerin den wesentlichen Teil des Nachlasses erhalten sollte. Dies wurde durch die besondere Wertschätzung und die Anweisungen des Erblassers an die Antragstellerin bezüglich der Verwaltung seines Nachlasses bestätigt.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied zugunsten der Antragstellerin als Alleinerbin.
  • Testamentauslegung führte zur Aufhebung des ursprünglichen Beschlusses, der mehrere Erben vorsah.
  • Die besondere Beziehung und Anweisungen des Erblassers waren entscheidend für das Urteil.
  • Der Erblasser hatte die Antragstellerin durch sein handschriftliches Testament als Haupterbin bestimmt.
  • Beschwerde der anderen Beteiligten wurde zurückgewiesen, und ihre Erbansprüche wurden abgelehnt.
  • Der Fall betonte die Wichtigkeit der Testamentauslegung für die Erbfolge.
  • Die Kostenentscheidung berücksichtigte die widersprüchliche Behandlung des Falles durch das Nachlassgericht.
  • Die Antragstellerin wird einen Erbschein erhalten, der sie als Alleinerbin ausweist.

Testamentsauslegung und Vermögensaufteilung im Erbrecht

Das Verfassen eines Testaments ist ein wichtiger Schritt, um die eigenen Wünsche nach dem Tode zu regeln und mögliche Streitigkeiten unter den Erben zu vermeiden. Doch selbst bei präziser Formulierung und sorgfältiger Planung können Unklarheiten und Interpretationsspielräume auftreten, beispielsweise bei der Aufteilung des Vermögens. Fällt die Entscheidung dann an ein Gericht, spielt die Testamentsauslegung eine entscheidende Rolle. Diese soll den wirklichen Willen des Erblassers ermitteln und so für Gerechtigkeit im Erbrecht sorgen.

In der zeitgenössischen Gesellschaft gewinnt die Testamentsauslegung zunehmend an Bedeutung, da immer mehr Menschen ihre Nachfolge durch ein Testament regeln. Dabei läuft nicht immer alles nach Plan, und es kann zu Unstimmigkeiten zwischen den Erben kommen. Umso wichtiger ist es, dass der Erblasser eindeutige Regelungen trifft und beim Erstellen seines Testaments rechtlichen Beistand in Anspruch nimmt. Denn letztlich entscheiden die Gerichte, wie das Erbe gemäß dem Willen des Verstorbenen aufgeteilt wird.

Im Zentrum eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Brandenburg stand die Auslegung eines handschriftlichen Testaments eines in der DDR bekannt gewordenen Fotografen. Dieser hatte in seinem letzten Willen festgelegt, dass bestimmte Personen aus seinem Umfeld Teile seines Vermögens als Vermächtnis erhalten sollten. Besonders hervorzuheben ist die Auseinandersetzung um die rechtliche Stellung der Antragstellerin, einer früheren Lebenspartnerin und guten Freundin des Erblassers, sowie der weiteren Beteiligten, die als Freunde und Nachbarn des Verstorbenen genannt wurden.

Die Wurzel des Erbstreits: Testamentsinterpretation und Erbansprüche

Nach der Trennung von seiner Ehefrau hatte der Erblasser keinen Kontakt mehr zu seiner einzigen Tochter, der Beteiligten zu 3, und setzte sie lediglich auf den Pflichtteil. Seinen verbleibenden Nachlass verteilte er in einem handschriftlichen Testament, datiert auf den 04. Dezember 2014, an die Antragstellerin und weitere nahestehende Personen, indem er ihnen verschiedene Anteile als Vermächtnisnehmer zuwies. Das Nachlassgericht Luckenwalde hatte zunächst einen Erbschein auf Grundlage dieser testamentarischen Anordnungen ausgestellt.

Beschwerde führt zur juristischen Neubewertung

Die Situation eskalierte, als die Beteiligten zu 5 bis 7, ebenfalls im Testament bedachte Freunde und Nachbarn, gegen den Erbschein und die darin festgelegte Vermögensaufteilung Beschwerde einlegten. Sie monierten die rechtliche Zulässigkeit ihrer Einsetzung und die korrekte Bemessung der Erbquoten. Ihre Beschwerde veranlasste das Oberlandesgericht Brandenburg zu einer Neubewertung des Falles, insbesondere der testamentarischen Bestimmungen des Erblassers.

Der Schlüssel zur Lösung: Testamentauslegung durch das Gericht

Das Gericht musste eine detaillierte Auslegung des Testaments vornehmen, um die wahren Absichten des Erblassers zu ermitteln. Dabei spielten die persönliche Nähe des Erblassers zur Antragstellerin und die spezifischen Anweisungen im Testament eine entscheidende Rolle. Die Ausführungen des Erblassers, die Antragstellerin habe sich „bis zum letzten Tag aufopferungsvoll“ um ihn gekümmert, wurden als Indiz dafür gewertet, dass sie eine besondere Stellung einnahm und als Alleinerbin vorgesehen war. Dies bestärkte das Gericht in der Ansicht, dass trotz der Vermächtnisnehmerbezeichnung eine alleinige Erbschaft der Antragstellerin beabsichtigt war.

Endurteil und seine Begründung

Infolgedessen hob das Oberlandesgericht Brandenburg den Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde auf und wies den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurück, der die Antragstellerin und die Beteiligten zu 5 bis 8 als gemeinschaftliche Erben auswies. Das Gericht erkannte die Antragstellerin als Alleinerbin an, da sie gemäß der Testamentauslegung den größten Teil des Nachlasses erhalten sollte. Diese Entscheidung basierte auf der Annahme, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung zumindest einen Erben einsetzen wollte und die Antragstellerin aufgrund der besonderen persönlichen Bindung und der expliziten Anweisungen im Testament als solche anzusehen sei.

Das Gericht legte dar, dass die Kostenentscheidung auf der widersprüchlichen Behandlung des Erbscheinverfahrens durch das Nachlassgericht und der Unnötigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens beruhte. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg illustriert die komplexe Natur der Testamentauslegung und unterstreicht die Bedeutung der individuellen Absichten des Erblassers für die gerichtliche Entscheidungsfindung.

In diesem Fall wurde deutlich, dass die präzise Formulierung eines Testaments und die klare Benennung von Erben entscheidend sind, um langwierige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Die gerichtliche Auseinandersetzung zeigt, wie wichtig eine sorgfältige und detaillierte Testamentsgestaltung ist, um den letzten Willen des Erblassers rechtssicher zu verwirklichen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird ein Testament rechtlich interpretiert?

Die rechtliche Interpretation eines Testaments, auch Testamentsauslegung genannt, ist ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, den wahren oder mutmaßlichen Willen des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments zu ermitteln. Dies ist besonders wichtig, wenn das Testament ungenaue oder mehrdeutige Verfügungen enthält, was häufig bei handschriftlichen Testamenten von juristischen Laien der Fall ist. Die Auslegung eines Testaments folgt einem festen Schema und erfordert ein tiefes Verständnis der Auslegungsregeln des Erbrechts.

Grundlagen der Testamentsauslegung

Die Testamentsauslegung beginnt mit der Prüfung der Wirksamkeit des Testaments. Ein Testament muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein. Dazu gehören die Testierfähigkeit des Erblassers, die höchstpersönliche Errichtung des Testaments und die Einhaltung der vorgeschriebenen Form. Ist ein Testament unwirksam, kann es nicht ausgelegt werden.

Methoden der Testamentsauslegung

Die Auslegung orientiert sich primär am mutmaßlichen Willen des Erblassers, wie in § 133 BGB festgelegt. Es kommt darauf an, was der Erblasser mit seinem Testament zum Ausdruck bringen wollte, und nicht darauf, wie Dritte das Testament verstehen könnten. Bei der Auslegung können verschiedene Beweismittel herangezogen werden, allerdings muss sich der wahre Wille des Erblassers zumindest andeutungsweise im Testament selbst finden lassen, was als „Andeutungstheorie“ bekannt ist.

Ergänzende Auslegung und gesetzliche Auslegungsregeln

Wenn das Testament Regelungslücken aufweist oder die Umstände sich seit der Errichtung des Testaments verändert haben, kann eine ergänzende Auslegung erforderlich sein. Dabei wird versucht, den hypothetischen Willen des Erblassers zu ermitteln, also wie er verfügt hätte, wenn er die veränderten Umstände vorhergesehen hätte. Kann der Erblasserwille nicht eindeutig ermittelt werden, kommen gesetzliche Auslegungsregeln zum Einsatz, die in den §§ 2066-2076 BGB festgelegt sind.

Praktische Anwendung

In der Praxis kann die Auslegung eines Testaments sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich erfolgen. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten über den Inhalt eines Testaments kann ein Rechtsanwalt oder Fachanwalt für Erbrecht hinzugezogen werden, um den Erblasserwillen zu ermitteln und die Ansprüche der Erben durchzusetzen. Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage kann auch das Nachlassgericht eine eigene Auslegung vornehmen, wenn darüber gestritten wird, wer nach dem Testament Erbe geworden ist. Zusammenfassend ist die Testamentsauslegung ein entscheidender Schritt, um den Willen des Erblassers zu ermitteln und umzusetzen, insbesondere wenn das Testament Unklarheiten oder Mehrdeutigkeiten aufweist. Die Auslegung erfordert eine sorgfältige Prüfung des Testamentsinhalts, der Umstände der Testamentserrichtung und gegebenenfalls der Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln.

Welche Rolle spielen Vermächtnisse bei der Vermögensaufteilung?

Vermächtnisse spielen eine wichtige Rolle bei der Vermögensaufteilung im Rahmen der Nachlassplanung. Sie ermöglichen es dem Erblasser, bestimmte Vermögenswerte gezielt an bestimmte Personen zu übertragen, ohne diese als Erben einzusetzen. Dies kann dazu beitragen, Erbstreitigkeiten zu vermeiden und eine klare Vermögensaufteilung zu gewährleisten.

Unterschied zwischen Erbe und Vermächtnis

Der Hauptunterschied zwischen einem Erben und einem Vermächtnisnehmer liegt in der Art und Weise, wie sie am Nachlass beteiligt sind. Während der Erbe kraft Gesetzes Rechtsnachfolger des Verstorbenen in dessen gesamtes Vermögen wird und alle Rechte und Pflichten erbt, erwirbt der Vermächtnisnehmer nur einen Anspruch auf bestimmte, vom Erblasser benannte Gegenstände. Der Vermächtnisnehmer steht außerhalb des Nachlasses als dessen Gläubiger und haftet nicht für Schulden des Erblassers.

Arten von Vermächtnissen

Es gibt verschiedene Arten von Vermächtnissen, die unterschiedliche Zwecke erfüllen können, wie z.B. Wahlvermächtnis, Gattungsvermächtnis, Zweckvermächtnis und Verschaffungsvermächtnis. Diese Flexibilität ermöglicht es dem Erblasser, sein Vermögen nach seinen Wünschen und Bedürfnissen aufzuteilen.

Praktische Bedeutung von Vermächtnissen

Vermächtnisse bieten eine Möglichkeit, Personen zu bedenken, die nicht Erbe werden sollen, oder einem Erben bestimmte Gegenstände zusätzlich zu seinem Erbteil zu überlassen (Vorausvermächtnis). Dies kann besonders nützlich sein, um sicherzustellen, dass bestimmte Vermögenswerte an die gewünschten Personen gehen, ohne die gesamte Erbfolge zu ändern.

Steuerliche Aspekte

Vermächtnisse können auch steuerliche Auswirkungen haben, sowohl für den Vermächtnisnehmer als auch für den Erben, der das Vermächtnis erfüllen muss. Es ist wichtig, diese Aspekte bei der Planung eines Vermächtnisses zu berücksichtigen, um unerwünschte steuerliche Folgen zu vermeiden.

Vermächtnisse sind ein wichtiges Instrument in der Nachlassplanung, das es ermöglicht, gezielt Vermögenswerte an bestimmte Personen zu übertragen, ohne sie als Erben einzusetzen. Sie bieten Flexibilität und können dazu beitragen, Erbstreitigkeiten zu vermeiden und eine klare Vermögensaufteilung zu gewährleisten. Es ist jedoch wichtig, die rechtlichen und steuerlichen Aspekte von Vermächtnissen zu verstehen und bei der Planung zu berücksichtigen.

Wie wird die Alleinerbschaft festgestellt?

Die Feststellung der Alleinerbschaft erfolgt in Deutschland in der Regel durch die Beantragung und Ausstellung eines Alleinerbscheins beim zuständigen Nachlassgericht. Der Alleinerbschein ist ein amtliches Dokument, das die Erbenstellung einer Person nachweist und insbesondere im Rechtsverkehr mit Banken, Behörden oder beim Grundbuchamt von Bedeutung ist.

Beantragung des Alleinerbscheins

Die Beantragung eines Alleinerbscheins erfolgt durch den Alleinerben beim Nachlassgericht, das für den letzten Wohnsitz des Verstorbenen zuständig ist. Der Antrag kann persönlich zu Protokoll gegeben oder schriftlich eingereicht werden, wobei eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit der gemachten Angaben erforderlich ist. Alternativ kann der Antrag auch durch einen Notar eingereicht werden, der gleichzeitig die eidesstattliche Versicherung entgegennimmt.

Voraussetzungen

Um einen Alleinerbschein zu erhalten, muss der Antragsteller nachweisen, dass er der gesetzliche oder testamentarische Alleinerbe ist. Dies kann durch Vorlage eines Testaments, eines Erbvertrags oder durch Angaben zur gesetzlichen Erbfolge geschehen. Zudem sind weitere Dokumente wie die Sterbeurkunde des Erblassers und gegebenenfalls Geburts- und Heiratsurkunden erforderlich.

Kosten

Die Kosten für die Ausstellung eines Alleinerbscheins hängen vom Wert des Nachlasses ab. Die Gebühren werden nach einer Gebührentabelle berechnet, die sich am Nachlasswert orientiert. Zusätzlich können Kosten für die Beurkundung einer eidesstattlichen Versicherung anfallen.

Bedeutung des Alleinerbscheins

Der Alleinerbschein dient als Nachweis der Erbenstellung und ist insbesondere dann erforderlich, wenn der Erbe über Nachlassgegenstände verfügen möchte, die eine Legitimation gegenüber Dritten erfordern, wie beispielsweise Bankkonten oder Immobilien des Verstorbenen. Er ermöglicht dem Alleinerben, im Rechtsverkehr als solcher aufzutreten und die entsprechenden Rechtshandlungen vorzunehmen.

Europäisches Nachlasszeugnis

Für Erbfälle mit Auslandsbezug kann zusätzlich ein Europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden, das in den meisten EU-Mitgliedstaaten anerkannt wird und den Erben die Möglichkeit gibt, auch im Ausland als solche aufzutreten. Zusammenfassend ist der Alleinerbschein ein wichtiges Instrument, um die Alleinerbschaft rechtlich festzustellen und den Erben zu ermöglichen, über den Nachlass des Verstorbenen zu verfügen. Die Beantragung erfolgt beim zuständigen Nachlassgericht und erfordert die Vorlage verschiedener Dokumente sowie die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 2044 BGB – Gemeinschaftliche Erbengemeinschaft: Dieser Paragraph ist grundlegend für die Verständigung darüber, wie das Vermögen eines Erblassers unter mehreren Erben aufgeteilt wird. Im vorliegenden Fall ist die Aufteilung des Nachlasses zwischen den Erben zentral, da das Testament des Erblassers mehreren Personen verschiedene Vermögensanteile zuweist.
  • § 2065 BGB – Auslegung von Verfügungen: Die Testamentsauslegung spielt eine entscheidende Rolle, um den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln, besonders wenn Unklarheiten oder Interpretationsspielräume bestehen, wie es bei der Vermögensaufteilung der Fall ist.
  • § 2303 BGB – Pflichtteil: Der Pflichtteil sichert nahen Angehörigen auch bei Enterbung einen minimalen Teil des Erbes zu. Die Erwähnung, dass eine Person „auf den Pflichtteil gesetzt“ wurde, bezieht sich direkt auf diesen Paragraphen und dessen Anwendung im Erbrecht.
  • § 2197 BGB – Vermächtnis: Die Erwähnung von „Vermächtnissen“ im Testament verweist auf die Regelungen des BGB zu Vermächtnissen. Dies betrifft die spezifische Zuweisung von Vermögenswerten an bestimmte Personen, die nicht unbedingt Erben sind.
  • § 2276 BGB – Erbvertrag: Während der Fall nicht direkt einen Erbvertrag anspricht, ist das Verständnis dieses Konzeptes wichtig, da es eine alternative Methode zur Testamentserstellung darstellt und rechtliche Bindungen für die Aufteilung des Nachlasses schafft.
  • FamFG – Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Die Beschwerde gegen einen Erbschein und dessen gerichtliche Bewertung sind Verfahren, die unter dieses Gesetz fallen. Es regelt die Gerichtsverfahren, die für die Entscheidung solcher Erbstreitigkeiten relevant sind.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 66/22 – Beschluss vom 26.10.2022

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5 bis 7 wird der Beschluss des Amtsgerichts Luckenwalde vom 15.03.2022, Az. 40 VI 286/16 (2), aufgehoben und der Antrag der Beteiligten zu 1 vom 09.03.2020 auf Erteilung eines sie und die Beteiligten zu 5 bis 8 als Erben des Erblassers ausweisenden Erbscheins zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Erbscheinverfahren werden nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

3. Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren beträgt 61.414,12 €.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtsnachfolge nach dem Erblasser, einem in der damaligen „DDR“ bekannten Fotografen.

Der Erblasser war in einziger Ehe bis zu deren Scheidung 1971 mit Frau R… B… verheiratet. Aus dieser Ehe ist die Beteiligte zu 3 als einziger Abkömmling des Erblassers hervorgegangen; zu ihr hatte der Erblasser bis zuletzt keinen persönlichen Kontakt mehr.

Die Beteiligte zu 1 ist eine frühere Lebenspartnerin und gute Freundin des Erblassers, die übrigen Beteiligten ebenfalls Freunde bzw. Nachbarn.

Der Erblasser hat ein am 04.12.2014 datiertes handschriftliches Testament hinterlassen, durch das er die Beteiligte zu 3 „auf den Pflichtteil gesetzt“ und seinen Nachlass unter den übrigen Beteiligten jeweils (wörtlich) „als Vermächtnis“ aufgeteilt hat.

Die Antragstellerin hat zunächst unter dem 18.04.2016 die Erteilung eines sämtliche in dem Testament als „Vermächtnisnehmer“ bezeichneten Beteiligten als quotenmäßige Erben ausweisenden Erbscheins beantragt. Das Nachlassgericht hat aufgrund von Einwendungen der Antragsgegner gemäß Beschluss vom 27.06.2018 ein Sachverständigengutachten über den Wert der vom Erblasser hinterlassenen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dessen Bild-, Foto- und Buchmaterial eingeholt, nach dem der nämliche Wert – pauschal geschätzt – 150.000 € betragen soll. Das Nachlassgericht ist diesem Gutachten jedoch selbst nicht gefolgt, sondern hat den Wert dieser Nachlassbestandteile mit lediglich nur noch 2.000 € angenommen.

Auf entsprechenden Hinweis des Nachlassgerichts hat die Antragstellerin unter dem 09.03.2020 ihren erstinstanzlichen Erbscheinantrag dahingehend abgeändert, dass nur die Begünstigten der den wesentlichen Nachlass des Erblassers ausmachenden Nachlassgegenstände Erben seien, nämlich der Beteiligte zu 8 zu 3068/10.000, die Beteiligten zu 5 bis 7 als Begünstigten der Eigentumswohnung des Erblassers „mit einem Anteil von insgesamt 2707/10.000“ und sie, die Antragstellerin, zu 4225/10.000 Anteilen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.03.2022 nach Anhörung der Beteiligten die zur Begründung des abgeänderten Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erklärt und zur Begründung ausgeführt, dem verfahrensgegenständlichen Testament lasse sich im Wege der Auslegung der Wille des Erblassers entnehmen, die Begünstigten der wesentlichen Nachlassbestandteile als Erben eingesetzt zu wissen. Wesentliche Vermögensgegenstände seien aber der fotografische Nachlass und die Fondsanteile, von dem die Antragstellerin bzw. der Beteiligte zu 8 profitieren sollten, sowie die Eigentumswohnung des Erblassers, die er den Beteiligten zu 5 – 7 (“der Familie M…“) als ganze „vermacht“ habe.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 5 bis 7 mit ihrer Beschwerde, die unter näherer Vertiefung rügt, dass die Zuweisung eines Gemeinschaftsanteils am Nachlass an sie vorliegend rechtlich unzulässig sei und die gewählten Erbquoten zudem nicht zuträfen, ferner die Nachlassanteile anderer, nicht als Erben ausgewiesener Beteiligter tatsächlich teilweise höher als diejenigen der festgestellten Erben seien; es habe am Ende nicht dem Willen des Erblassers entsprochen, sie zu seinen (Mit-)Erben einzusetzen.

Die Antragstellerin vertritt im Beschwerdeverfahren nunmehr den Standpunkt, Alleinerbin des Erblassers geworden zu sein, was sich daraus ergebe, dass der Erblasser, der mit ihr besonders eng persönlich verbunden gewesen sei, ihr den größten Teil des Nachlasses – entweder im Sinne von Vorausvermächtnissen oder Teilungsanordnungen – „vermacht“ und dabei noch hervorgehoben habe, dass sie sich „bis zum letzten Tag aufopferungsvoll“ um ihn gekümmert hätte; zudem habe die erstinstanzlich angehörte Beteiligte zu 10 angegeben, der Erblasser habe „immer geäußert“, dass sie, die Antragstellerin, ihn beerben solle.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückweisung des Erbscheinantrags vom 09.03.2020.

Die Antragstellerin ist im Ergebnis der vorzunehmenden Auslegung des verfahrensgegenständlichen Testaments unter Berücksichtigung aller insoweit maßgebender Aspekte als Alleinerbin des Erblassers anzusehen.

Der Erblasser hat zwar lediglich die Beteiligte zu 3 ausdrücklich enterbt, indem er bestimmt hat, dass sie „ihren Pflichtteil“ bekomme. Dies erweist sich bereits vor dem Hintergrund als nachvollziehbar, als er zu ihr seit Jahrzehnten keinen persönlichen Kontakt mehr hatte.

Unter den übrigen Beteiligten hat der Erblasser demgegenüber sein nahezu gesamtes vorhandenes Vermögen aufgeteilt, wobei er in diesem Rahmen allerdings seinen Willen unterschiedslos in dem Sinne formuliert hat, dass es sich um Zuwendungen „als Vermächtnisse“ handele. Da indes bei wörtlichem Verständnis der nämlichen Formulierung kein Erbe eingesetzt worden wäre, jedoch im Zweifel davon auszugehen ist, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung zumindest einen Erben einsetzen wollte, spricht bereits viel dafür, dass er die Antragstellerin als seine (alleinige) Erbin eingesetzt hat. Die besondere Wertschätzung ihr gegenüber und damit ihre gegenüber den übrigen Nachlassempfängern hervorgehobene Stellung hat der Erblasser vor allem dadurch ausgedrückt, dass er ihr, “da sie in der Branche arbeitet“, die Vermarktungsrechte seiner Fotos und daraus anfallenden Honorare unter Betonung des Umstands zugewandt hat, dass sie und der Beteiligte zu 8 (ihr langjähriger Lebenspartner) sich um ihn bis zum „letzten Tag aufopferungsvoll“ gekümmert hätten. Darüber hinaus ist sie gemeinsam mit dem Beteiligten zu 8 als Begünstigte des mit über 100.000 € den größten Einzel-Nachlassposten ausmachenden Fondsvermögens des Erblassers eingesetzt worden, so dass ihr der weitaus größte Teil des Nachlasses zukommt. Schließlich sollte gerade sie ausweislich des weiteren Testamentsinhalts „die Gelder auf den Konten der Sparkasse Berlin … für die ausstehenden Ausgaben“ verwenden, woraus zu entnehmen ist, dass sie sich um die Aufteilung des Nachlasses und Bedienung der Erbfallschulden kümmern sollte, mithin um Aufgaben, die in aller Regel dem Erben zukommen.

Dass die Antragstellerin eine besonders hervorgehobene Stellung unter den Nachlassempfängern zukommen, nachgerade der Erblasser sie zu seiner Alleinerbin machen, wollte, folgt schließlich daraus, dass er sich der Beteiligten zu 10 gegenüber mehrfach entsprechend geäußert hatte, wie diese im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Anhörung bestätigt hat. An der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln besteht kein vernünftiger Anlass, zumal die Beteiligte zu 9 aus gleichem Anlass ihren Eindruck geschildert hat, die Antragstellerin sei seine Hauptbezugsperson gewesen, und es sei sogar „immer nur um sie“ gegangen, da die Antragstellerin ähnliche künstlerische Interessen gehabt habe. Hingegen muss der Erblasser von eventuellen früheren Absichten, das Patenkind des Beteiligten zu 8 als seine Erbin einzusetzen, vor seinem Tod wieder abgekommen sein, findet dieses (K… B…) doch in dem vom Erblasser errichteten Testament überhaupt keine Erwähnung mehr.

Vor diesem Hintergrund besteht für die Erteilung des beantragten Erbscheins keine tatsächliche und rechtliche Handhabe. Vielmehr wird der Beteiligten zu 1 auf einen entsprechenden Antrag hin ein Erbschein zu erteilen sein, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG und berücksichtigt maßgebend die widersprüchliche Behandlung des Erbscheinverfahrens durch das Nachlassgericht erster Instanz, ferner den Umstand, dass das erstinstanzlich abgeforderte Sachverständigengutachten nicht erforderlich und ohne hinreichende Substanz geblieben ist. Insofern erscheint es unbillig, die Antragstellerin oder andere Beteiligte mit den Kosten zu belasten.

Der Gebührenstreitwert der Beschwerdeinstanz errechnet sich unter Zugrundelegung des erstinstanzlichen Gebührenwerts von 226.871,51 € gemäß Anlage zu dem Antragsschriftsatz vom 10.02.2020 (Bl. 184 ff, 188 GA) aus dem Interesse der Beschwerdeführer, nicht als Erben zu 27,07 % des Nachlasses ausgewiesen zu werden.

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