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Testamentswiderruf durch Veränderungen an Testamentsurkunde

OLG Rostock – Az.: 3 W 13/18 – Beschluss vom 19.03.2021

1. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund – Nachlassgericht – vom 22.12.2017 wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte zu 3) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 190.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Erblasserin verstarb am 13.02.2017 in S.. Sie war die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und die Mutter der Beteiligten zu 2). Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Gesetzliche Erben der Erblasserin sind die Beteiligten zu 1), 2) und der Sohn der Erblasserin, der Beteiligte zu 3).

Die Erblasserin hat mit dem Beteiligten zu 1) ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament vom 30.09.2007 hinterlassen. Dieses wurde am 06.03.2017 eröffnet. Das Testament wurde vom Beteiligten zu 1) geschrieben und sodann von beiden Eheleuten unterschrieben. Hiernach sollte die Erblasserin allein vom Beteiligten zu 1) beerbt werden.

In dem Testament heißt es u.a.:

„Testament vom 30.09.2007

Von I.R. und K.R.

Die gemeinsame Wohnung im Haus, einschließlich Ferienwohnung u. Garage erbt der überlebende Ehepartner I.R. u. K.R.

ebenso soll verfahren werden mit den bestehenden Konten u. Guthaben. …“

Das Testament wurde geöffnet vom Beteiligten zu 1) beim Amtsgericht Stralsund abgegeben.

Die Beteiligten zu 1) und 2) behaupten, die Erblasserin habe ihre Unterschrift im Nachhinein wahrscheinlich geweißt. Ein gemeinsamer Aufhebungs- oder Widerrufswille habe zu keiner Zeit bestanden. Durch den einseitigen Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments mit wechselbezüglichen Verfügungen werde die letztwillige Verfügung nicht unwirksam.

Der Beteiligte zu 1) stellte vor dem Amtsgericht Stralsund – Nachlassgericht – am 14.03.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der ihn als testamentarischen Alleinerben nach der Erblasserin ausweist.

Die Beteiligte zu 2) hat ihr Einverständnis mit der Erteilung des beantragten Erbscheins erklärt.

Der Beteiligte zu 3) ist der Erteilung des beantragten Erbscheins entgegengetreten und hat im Wesentlichen folgende Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testamentes geltend gemacht.

Testamentswiderruf durch Veränderungen an Testamentsurkunde
(Symbolfoto: Fabio Balbi/Shutterstock.com)

Aus dem grundsätzlichen Schriftbild des Beteiligten zu 1) ergebe sich, dass dieser am Seitenanfang zunächst mit breitem Zeilenabstand schreibe, der sich zum Ende hin immer weiter verkleinere. Demnach sei schon belegt, dass der Absatz unter dem ersten Spiegelstrich auf der angeblich ersten Seite des Testaments nachträglich von dem Beteiligten zu 1) eingefügt worden sei. Es sei nicht erkennbar, wann diese Einfügung gemacht worden sei und ob sich die Unterschrift der Erblasserin noch darauf bezogen habe.

Die Unterschrift der Erblasserin sei nicht vorhanden, so dass nicht feststellbar sei, ob das Testament von ihr unterschrieben und ob ihre Unterschrift vor Unterzeichnung durch den Beteiligten zu 1) geweißt wurde. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Erblasserin entgegen § 2267 S. 2 BGB nicht Zeit und Ort ihrer etwaigen Unterschrift beigefügt habe, sei davon auszugehen, dass eine wirksame Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments nicht vorliege.

Weiter sei inhaltlich zu beanstanden, dass hier unter Außerachtlassung des nachträglich eingefügten Spiegelstriches gerade keine ausdrückliche gegenseitige Einsetzung im Sinne von § 2269 BGB stattgefunden habe, geschweige denn wechselbezügliche Verfügungen getroffen worden seien. Deshalb hätten die Verfügungen auch jederzeit widerrufen werden können, etwa durch weißen der Unterschrift.

Im Anhörungstermin vom 25.07.2017 wurden die Beteiligten zu 1) bis 3) durch das Amtsgericht angehört. Wegen der Angaben der Beteiligten wird auf das Protokoll vom 25.07.2017 Bezug genommen. In dem Anhörungstermin wurde vom Beteiligten zu 1) eine Kopie des Testamentes übergeben, die dieser einige Tage vor dem Termin in einer Dokumentenmappe der Erblasserin gefunden habe, und die die ungeweißte Unterschrift der Erblasserin abbildet.

Mit Beschluss vom 22.12.2017 hat das Amtsgericht Stralsund die Tatsachen, die für die Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für gegeben erachtet. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Mit Beschwerde vom 12.02.2018 begehrt der Beteiligte zu 3) weiterhin die Zurückweisung des Erbscheinantrages des Beteiligten zu 1). Er wiederholt zur Begründung sein erstinstanzliches Vorbringen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.02.2018 nicht abgeholfen.

Ergänzend nimmt der Senat auf die zu Gericht gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat zurecht die Tatsachen für festgestellt erachtet, um einen Erbschein zu erlassen, der den Beteiligten zu 1) als testamentarischen Alleinerben ausweist (§ 352e Abs. 1 FamFG).

1.

Die Erblasserin und der Beteiligte zu 1) haben auch zur Überzeugung des Senates ein wirksames gemeinschaftliches Testament errichtet, so dass der Beteiligte zu 1) testamentarischer Alleinerbe ist und für die Anwendung der gesetzlichen Erbfolge kein Raum bleibt.

Zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments gemäß § 2247 genügt es gemäß § 2267 BGB, wenn einer der Ehegatten das Testament in der dort vorgeschriebenen Form errichtet und der andere Ehegatte die gemeinschaftliche Erklärung eigenhändig mitunterzeichnet. Der mitunterzeichnende Ehegatte soll hierbei angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er seine Unterschrift beigefügt hat. Es genügt also, dass sämtliche Verfügungen beider Ehegatten nur von einem niedergeschrieben werden, wenn beide sie unterschreiben. Zeit und Ortsangabe ist beim Mitunterzeichnenden nicht notwendig, aber erwünscht, weil die Folgen einer Unterlassung auch hier eintreten können (Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl., § 2267 Rn. 1, § 2247, Rn. 1, 13; MünchKomm-BGB/Sticherling, 8. Aufl., § 2247, Rn. 43, 49). Allein zwingendes Formerfordernis ist die eigenhändige Unterschrift des mitunterzeichnenden Ehegatten. Enthält ein eigenhändig errichtetes Testament keine Angabe über die Zeit der Errichtung und ergeben sich wegen der unterbliebenen Angabe von Zeit und Ort Zweifel über seine Gültigkeit, ist das Testament gemäß § 2247 Abs. 5 BGB nur dann als gültig anzusehen, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen. Zweifel über den Zeitpunkt der Errichtung bestehen aber nicht.

Die Zweifel des Beteiligten zu 3) richten sich vielmehr dagegen, ob das Ehegattentestament überhaupt wirksam zustande gekommen ist oder ob die Erblasserin ihre Unterschrift bereits vor Unterzeichnung durch den Beteiligten zu 1) wieder geweißt hat. In letzterem Falle würde es sich nämlich nur um ein Testament des Beteiligten zu 1) handeln und die gesetzliche Erbfolge greifen. Im Erbscheinsverfahren trifft denjenigen die Feststellungslast, der sich auf das Testament beruft. Im Erbscheinsverfahren ist die Gültigkeit des Testaments zur Überzeugung des Gerichts festzustellen. Hierzu trifft den Richter die Pflicht zur Amtsermittlung. Daher hat die Rechtsprechung für das Erbscheinsverfahren in der Tat zunächst dem Richter die eigenständige Ermittlung aufgegeben. Kann so eine hinreichende Überzeugung des Gerichtes nicht gewonnen werden, kann die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten sein, sonst ist eine Entscheidung auf der Grundlage der Feststellungslast zu treffen.

Vorliegend ist auch der Senat – ebenso wie das Amtsgericht – davon überzeugt, dass sich zunächst die Unterschriften sowohl der Erblasserin als auch des Beteiligten zu 1) auf dem Originaltestament befanden, die Unterschrift also nachträglich geweißt wurde und das Testament somit wirksam errichtet worden ist. Diese Überzeugung stützt auch der Senat auf den Umstand, dass die vom Beteiligten zu 1) vorgelegte Kopie des Testamentes noch beide unbeschädigten Unterschriften ausweist. Eine Erklärung, wie sonst die Unterschrift der Erblasserin in die Kopie Eingang gefunden haben soll, liefert der Beteiligte zu 3) nicht und ist auch sonst aus den vorliegenden Erkenntnissen nicht abzuleiten. Dabei ist es unschädlich, dass es sich nur um eine Kopie handelt. Eine Kopie des Originaltestaments, welches nicht mehr auffindbar ist, kann als Nachweis genügen, wenn damit die formgerechte Errichtung des Originaltestaments nachgewiesen werden kann (OLG Hamburg, Beschl. v. 25.01.2019, 2 W 45/18, ZEV 2019, 175; OLG Köln, Beschl. v. 02.12.2016, 2 WX 550/16, FamRZ 2017, 1164). Dies muss nach Ansicht des Senates erst recht im vorliegenden Fall gelten, in dem das Originaltestament zwar noch vorliegt, sich aber die Frage stellt, wann hieran Veränderungen stattgefunden haben.

Auch das nach Ansicht des Beteiligten zu 3) für vom Beteiligten zu 1) gefertigte Schriftstücke ungewöhnliche Schriftbild steht der wirksamen testamentarischen Bestimmung der Erbfolge durch die Erblasserin nicht entgegen. Insoweit teilt der Senat die Ausführungen des angefochtenen Beschlusses.

2.

Schließlich hat die nachträgliche Weißung der Unterschrift der Erblasserin nicht zu einem Widerruf ihrer letztwilligen Verfügung geführt. Gemäß § 2255 BGB kann ein Testament dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Der Erblasser muss die Veränderung jedoch persönlich vornehmen (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2255, Rn. 1).

Der Senat kann es dabei offen lassen, ob das Unkenntlichmachen einer von zwei Unterschriften unter einem Ehegattentestament den Widerruf der letztwilligen Verfügung des Testierenden im Sinne des § 2255 BGB bedeuten kann. Denn es steht auch zur Überzeugung des Senates nicht fest, dass die Erblasserin durch weißen ihrer Unterschrift auf dem Originaltestament ihre letztwillige Verfügung widerrufen hat. Beweisbelastet für den Widerruf ist derjenige, der seine Rechte aus der gesetzlichen Erbfolge herleiten will (KG, Beschl. v. 03.08.2018, 6 W 52/18, FamRZ, 2019, 1099). Während der Beteiligte zu 3) dieses offenbar behaupten will, hat die Beteiligte zu 2) in ihrer Anhörung angegeben, dass sie nicht annehme, dass die Erblasserin selbst dies vorgenommen habe. Der Beteiligte zu 1) hat in seiner Anhörung angegeben, dass die Erblasserin aus seiner Sicht aufgrund einer Rheumaerkrankung nicht mehr in der Lage gewesen sei, eine Flasche mit Tippex zu öffnen. Er hat aber auch weiter angegeben, dass sich Tippex stets in seiner Wohnung befunden habe und auch das Testament frei zugänglich war und nicht verschlossen aufbewahrt worden ist. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass die Unterschrift der Erblasserin nicht nachträglich durch einen Dritten geweißt worden ist. Da die Feststellungslast zu Ungunsten des Beteiligten zu 3) greift, kann der Senat zu seiner Überzeugung einen Widerruf des Testaments nicht feststellen.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Den Geschäftswert hat der Senat gemäß §§ 40 Abs. 1, 61 GNotKG festgesetzt.

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