KG Berlin – Az.: 20 U 132/17 – Urteil vom 12.11.2018
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – Az. 10 O 151/14 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und werden die Beklagten verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen des am 18.05.2003 verstorbenen G… S… zu erteilen. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Stufenklage sowie die Kosten des Rechtsstreits an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht aus ererbtem Recht des am 18.05.2003 verstorbenen G… D… S… (im Folgenden: Erblasser) eine Forderung auf Aufstockung einer Abfindung geltend. Weiter verfolgt sie im Wege der Stufenklage Auskunfts- und Herausgabeansprüche. Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat insbesondere die Ansicht vertreten, dass die Abschichtungsvereinbarungen vom 19.04.2000 (Anlage K7) und vom 20.12.2000 (Anlage K8) zwischen dem Erblasser und der Erbengemeinschaft nach dem am 16.06.1977 verstorbenen A… S…, dem Vater des Erblassers, sittenwidrig seien. Der Erblasser sei von den Beklagten zu 1) und 2) und seiner Mutter, Frau M… S…, übervorteilt worden. Folge der Sittenwidrigkeit sei jedoch nicht die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarungen. Vielmehr sei der Erblasser bereits aufgrund der Vereinbarung vom 19.04.2000 aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden. Im Hinblick auf die sittenwidrig zu niedrige Abfindung bestehe jedoch ein zusätzlicher Abfindungsanspruch in angemessener Höhe von 10 Millionen Euro. Der Anspruch sei – entgegen der Auffassung der Beklagten – nicht verjährt. Die Einrede der Verjährung sei jedoch auch verwirkt. Die Beklagten hätten sie nämlich auf das Übelste verleumdet, um sie von der Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten. Zur Stufenklage hat die Klägerin vorgetragen, dass der Erblasser mit seiner Mutter sowie den Beklagten zu 1) und 2) in Hausgemeinschaft im Sinne des § 2028 I BGB gelebt habe. Die Beklagte zu 1) habe zwei eigene Zimmer in der mütterlichen Wohnung gehabt. Die Beklagte zu 2) habe aus der Wohnung die Geschäfte der Erbengemeinschaft geführt. Zwar sei der Erblasser ca. anderthalb Jahre vor seinem Tod aus der Wohnung ausgezogen, sein Hab und Gut sei jedoch in der Wohnung verblieben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung verjährt sei. Aufgrund der Abschichtungsvereinbarung vom 20.12.2000 habe der Erblasser Kenntnis davon gehabt, dass die vereinbarte Abfindung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Rechten stehe, auf die er im Gegenzug verzichtet habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass das von der Erbengemeinschaft verwaltete Vermögen auf 60 Mio. DM geschätzt worden sei und seine Abfindung weniger als die Hälfte des auf ihn entfallenden Vermögensanteils betragen sollte. Da die höchstrichterliche Rechtsprechung die Auffälligkeitsgrenze bei der Hälfte des Wertes ziehe, komme es auf einen späteren Zeitpunkt nicht an, bei dem der Erblasser genaue(re) Kenntnis eines angeblich noch höheren Missverhältnisses erlangt habe. Nach § 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 IV 1 EGBGB sei von einer Verjährung der Ansprüche mit Ablaufs des 31.12.2004 auszugehen. Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 I Nr. 2 BGB a.F. greife nicht, weil Streitgegenstand nicht ein erbrechtlicher Anspruch sei sondern ein Anspruch nach § 738 BGB.
Die Ansprüche der Klägerin wären – so das Landgericht weiter– auch dann verjährt, wenn die am 28.08.2002 beim Landgericht Berlin anhängig gewordene Klage (Az. 36 O 402/02) eine Hemmungswirkung im Zeitraum vom 28.08.2008 bis 29.10.2011 zur Folge gehabt hätte. Denn dann wäre die Verjährungsfrist zum 01.03.2014 abgelaufen und damit vor Einreichung der vorliegenden Klage am 19.03.2014. Darauf komme es allerdings nicht an, weil diese Klage schon keine Hemmungswirkung nach §§ 204 I Nr. 1, 213 BGB entfaltet habe. § 213 BGB erfordere die Geltendmachung von Ansprüchen, die in elektiver oder alternativer Konkurrenz zueinander stünden. Solche Ansprüche seien vorliegend nicht gegeben, da von Anfang an nur ein Anspruch der Klägerin auf Abfindung bestanden habe. Da die fortgesetzte Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft gesetzlich zu keinem Zeitpunkt vorgesehen gewesen sei, habe kein Wahlrecht und damit keine elektive Konkurrenz bestanden. Die Annahme einer alternativen Konkurrenz scheitere schon an den unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen, die bei der Feststellung einer Mitgliedschaft in einer Erbengemeinschaft im Vergleich zu einem Zahlungsanspruch bei Ausscheiden aus der Gemeinschaft mit Abfindung verfolgt würden.
Die Einrede der Verjährung sei auch nicht verwirkt. Die behaupteten verwerflichen Verhaltensweisen hätten die verspätete Rechtsverfolgung nicht verursacht. Die Klägerin sei durch diese nicht in ihren Rechtsverfolgungsmöglichkeiten eingeschränkt worden. Die nunmehr geltend gemachten Ansprüche hätten durch den Nachlassverwalter geltend gemacht werden können. Auch die Anfechtungsklage nach § 2342 BGB sei nicht geeignet gewesen, die Klägerin von der Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten, weil die Wirkungen einer Erbunwürdigkeit erst mit rechtskräftiger Feststellung einträten.
Die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche seien unbegründet. Die Klägerin behaupte selbst nicht, dass der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls in einer Hausgemeinschaft mit den Beklagten oder einem der Beklagten gelebt habe.
Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das am 26.07.2017 verkündete Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.07.2017 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung ist per Fax am 25.08.2017 eingegangen, die Berufungsbegründung – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.10.2017 – per Fax am 30.10.2017.
Die Berufungsklägerin verfolgt mit der Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Sie trägt u.a. vor: Auf einer falschen Beweiswürdigung beruhe die Feststellung des Landgerichts, dem Erblasser sei bereits am 20.12.2000 bekannt gewesen, dass seine Abfindung weniger als die Hälfte des auf ihn entfallenden Vermögenanteils betrage solle. Denn der Wert der Abfindung sei in der Abschichtungsvereinbarung vom 20.12.2000 mit 9,935 Mio. DM angegeben worden und habe damit den für die Sittenwidrigkeitsgrenze relevanten Wert von 7,5 Mio. DM deutlich überstiegen. Der in dieser Abschichtungsvereinbarung enthaltene Schätzwert von 60 Mio. DM dürfe nicht in Relation zur Abfindung in der Abschichtungsvereinbarung vom 19.04.2000 in Höhe von 6 Mio. DM zzgl. einer monatlichen Rente von 10.000 DM gesetzt werden, denn alle Parteien seien davon ausgegangen, dass diese Abschichtungsvereinbarung keine Wirkung haben sollte und dass der Erblasser erst zum 20.12.2000 aus der Erbengemeinschaft ausscheiden werde. Erst im Jahr 2002 habe der Erblasser Kenntnis von der geschehenen Übervorteilung erhalten. Materiell falsch sei die Auffassung des Landgerichts, der anhängig gemachte Anspruch sei kein erbrechtlicher Anspruch im Sinne des § 197 I Nr. 2 BGB a. F. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH und der Literatur sei der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Abfindung als ein Anspruch zu qualifizieren, der sich aus dem Erbrecht ergebe. Der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sei am 01.01.2002 noch nicht verjährt gewesen, weshalb die Verjährungsfrist nach § 197 I Nr. 2. a. F. 30 Jahre betragen habe. Da die dreißigjährige Verjährungsfrist am 01.01.2010 noch nicht abgelaufen gewesen sei, komme nach Art. 229 § 23 I 1 EGBGB die reguläre dreijährige Frist des § 195 BGB zum Tragen. Allerdings habe die am 28.08.2002 beim Landgericht Berlin zum Az. 36 O 402/02 anhängig gewordene und am 29.04.2011 zurückgenommen Klage nach § 204 II Nr. 1 BGB die Verjährung bis zum 29.10.2011 gehemmt mit der Folge, dass aufgrund dreijähriger Verjährungsdauer die Forderung erst am 29.10.2014 verjährt wäre. Unabhängig davon, dass das Landgericht den Anspruch falsch als nicht erbrechtlichen einstufe, stelle es fehlerhaft auf die Anhängigkeit der Klage ab. Da der Erblasser mit identischer Begründung bereits seit dem 29.05.2002 ein einstweiliges Verfügungsverfahren betrieben habe (Landgericht Berlin, Az. 36 O 245/02), habe dieses Datum berücksichtigt werden müssen. Im Ergebnis sei die Verjährung um weitere 91 Tage gehemmt gewesen (Zeitraum 29.05.-28.10.2002), nämlich bis zum 31.05.2014. Falsch gehe das Landgericht davon aus, dass das einstweilige Verfügungsverfahren und die Klage keine Hemmung der Verjährung gemäß § 213 BGB hätten bewirken können. Jedenfalls sei die Verjährungseinrede – wie bereits erstinstanzlich ausgeführt – verwirkt. Schließlich habe das Landgericht die im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche fehlerhaft abgewiesen. Der Erblasser habe bis zur Aufnahme in die Familie der Klägerin bei seiner Mutter am K… gelebt. Zu Unrecht gehe das Landgericht davon aus, dass der Erblasser zu diesem Zeitpunkt allein in der Wohnung seiner Mutter gelebt habe.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26.07.2017 unter der Geschäftsnummer 10 O 151/14, zugestellt am 28.07.2017, aufzuheben,
2. a) die Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, an sie 10.000.000,00 € zzgl. 5% Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
b) die Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über den Bestand der Erbschaft nach dem am 18.05.2003 verstorbenen G… S… und über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen zu erteilen,
c) die Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, die Vollständigkeit der Auskünfte gemäß dem Antrag zu 2.b) an Eides statt zu versichern,
d) ggfs. die Beklagten und Berufungsbeklagten zu verurteilen, an sie die nach Erteilung der Auskunft noch zu bezeichnenden Nachlassgegenstände aus der Erbschaft nach G… S… herauszugeben.
Hilfsweise beantragt die Klägerin, das Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen.
Die Beklagten und ihre Streithelferin beantragen, die Berufung als unzulässig zu verwerfen und für den Fall, dass sie zulässig sein sollte, zurückzuweisen.
Die Berufung sei unzulässig, weil sie erst nach Fristablauf begründet worden sei. Unabhängig davon verteidigen die Beklagten und ihre Streithelferin das angefochtene Urteil.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands in der zweiten Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung ist ausweislich des eingeholten Faxprotokolls am 30.10.2017 vollständig per Fax eingegangen. Die Wirksamkeit einer per Fax eingelegten Berufung bzw. einer Berufungsbegründung ist nicht davon abhängig, dass anschließend – was allerdings am 15.11.2017 geschehen ist – noch das Original des Schriftsatzes eingereicht wird (BGH, NJOZ 2004, 1430). Entgegen der Annahme der Beklagten greift die Klägerin das Urteil des Landgerichts auch hinsichtlich der abgewiesenen Stufenklage an (Seite 21 der Berufungsbegründung, dort unter Ziff. 7). Die Berufung hat in der Sache jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen – geringen – Umfang Erfolg.
1. a) Ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer (weiteren) Abfindung gemäß §§ 812, 1922 BGB ist verjährt. Die Verjährungsfrist lief gemäß Art. 229 § 23 I 1 EGBGB, § 195 BGB zum 31.12.2012 ab. Sie wurde nicht gemäß § 213 BGB gehemmt. Die am 19.03.2014 eingereichte Klage konnte die Verjährung daher nicht hemmen. Im Einzelnen:
aa) Bis zur Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sah § 195 BGB BGB a. F. eine regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren vor. Gemäß § 198 S. 1 a.F. BGB begann die Verjährung mit der Entstehung des Anspruchs. Für den Zeitraum ab der Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (01.01.2002) geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass sich die Verjährung aufgrund von Art. 229 § 6 I 1, 2 EGBGB nach dem ab dann geltenden neuen Recht bestimmt, weil zum Stichtag 01.01.2002 der behauptete Anspruch noch nicht verjährt war; dieser war – sein Bestehen unterstellt – mit Abschluss der Abschichtungsvereinbarungen im Jahr 2000 entstanden und damit unabhängig von der Frage des Verjährungsbeginns noch nicht verjährt.
bb) Die Verjährungsfrist für den Abfindungsanspruch ergibt sich nach der am 01.01.2002 geltenden Rechtslage aus § 197 I Nr. 2 BGB a. F. Diese Vorschrift regelt, dass für erbrechtliche Ansprüche eine 30-jährige Verjährungsfrist besteht. Zwar ist Anspruchsgrundlage für die Zahlung einer höheren Abfindung § 812 BGB, allerdings gilt § 197 I Nr. 2 BGB a. F. auch für Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis der Erben untereinander. Auseinandersetzungsverträge ersetzen die gesetzliche Auseinandersetzung und begründen daher gleichfalls einen unter § 197 I Nr. 2 BGB a. F. fallenden erbrechtlichen Anspruch (siehe etwa Grothe in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl., § 197 BGB a.F. Rn. 11; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., Art. 229 § 23 EGBGB Rn. 3; Schlichting, ZEV 2002, 278, 280). Unzutreffend ist die Auffassung des Landgerichts, ein erbrechtlicher Anspruch liege nicht vor, weil ein Anspruch nach § 738 BGB geltend gemacht werde. Der BGH hat sich der herrschenden Meinung angeschlossen, dass es einen “seiner Art nach mit der Regelung des § 738 BGB vergleichbaren Weg auch zur Auflösung einer Erbengemeinschaft gebe” (BGH, NJW 1998, 1557, 1558). Aus dieser Formulierung kann aber nicht gefolgert werden, es handele sich nicht um einen erbrechtlichen, sondern einen gesellschaftsrechtlichen Anspruch.
cc) Aufgrund der am 01.01.2010 geltenden Rechtslage endete die Verjährungsfrist am 31.12.2012, Art. 229 § 23 I 1 EGBGB, § 195 BGB. Nach dieser Überleitungsvorschrift gelten die Vorschriften über die Verjährung in der seit dem 01.01.2010 geltenden Fassung für die an diesem Tag bestehenden und nicht verjährten Ansprüche. Ein ggf. bestehender, am 01.01.2010 nicht verjährter Abfindungsanspruch der Klägerin unterfiel ab diesem Tag der dreijährigen Verjährung des § 195 BGB. Nach Art. 229 § 23 Abs. 2 S. 1 EGBGB war Beginn der Verjährungsfrist der 01.01.2010, folglich endete sie nach § 195 BGB am 31.12.2012. Soweit die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung die Auffassung angedeutet hat, der Verjährung könne der Umstand entgegenstehen, dass die Rechtsfrage, ob die Abschichtungsvereinbarungen wirksam seien oder nicht, lange Zeit unklar gewesen sei, kann sie daraus nichts für sich Günstiges herleiten. Rechtlich fehlerhafte Vorstellungen des Gläubigers beeinflussen den Beginn der Verjährung in der Regel nicht, weil er die Möglichkeit hat, sich beraten zu lassen. Ist die Rechtslage dagegen unübersichtlich oder zweifelhaft, so dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag, kann der kenntnisabhängige Verjährungsbeginn wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein (BGH, NJW 2014, 3713 Rn. 35; NJW 1999, 2041, 2042; std. Rspr.). Unübersichtlich oder zweifelhaft ist die Rechtslage dann, wenn ein ernsthafter Meinungsstreit in Rechtsprechung und Literatur besteht (BGH, NJW 2011, 1278 Rn.11) oder wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (BGH, NJW 2016, 632 Rn. 34; NJW 2014, 3713 Rn. 35). Solche Fallgestaltungen waren hier nicht gegeben. Zweifel bestanden hier allenfalls im Hinblick auf die Frage, wie der Sachverhalt unter die einschlägigen Vorschriften zu subsumieren ist. Das Risiko einer Fehleinschätzung liegt in derartigen Fällen beim Gläubiger.
dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Verjährung nicht aufgrund der beim Landgericht Berlin am 28.08.2002 anhängig gewordenen Klage (Az. 36 O 402/02) gemäß § 213 BGB gehemmt. Die Vorschrift bestimmt, dass die Hemmung, die Ablaufhemmung und der erneute Beginn der Verjährung auch für Ansprüche gelten, die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor:
(1) § 213 BGB setzt nach seinem eindeutigen Wortlaut das Bestehen eines Anspruchs voraus (“neben dem Anspruch oder an seiner Stelle”). Soweit in dem genannten Rechtsstreit die Feststellung begehrt wurde, dass der Erblasser zu 25% Mitglied der Erbengemeinschaft ist, ging es schon um keinen Anspruch, also das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (vgl. § 194 I BGB), sondern um die Frage, ob ein Rechtsverhältnis fortbesteht (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2015, 2106 Rn. 33).
(2) Auch soweit die Klage eine Grundbuchberichtigung zum Inhalt hatte, war sie nicht geeignet, eine Verjährungshemmung gemäß § 213 BGB zu bewirken. § 213 BGB erstreckt die Wirkung einer Verjährungshemmung, setzt also voraus, dass hinsichtlich des “Ausgangsanspruchs” überhaupt Verjährung eintreten kann (vgl. etwa BAG, NJW 2014, 717 Rn. 30; Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 213 Rn. 1). Der Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB unterliegt allerdings nicht der Verjährung (§ 898 BGB).
(3) Zu berücksichtigen ist zudem Folgendes: Der Gesetzgeber hat, wie der BGH betont (siehe etwa NJW 2018, 387 Rn. 20), nicht beabsichtigt, die Erstreckungswirkung des § 213 BGB ins Uferlose auszudehnen. § 213 BGB setzt hinsichtlich beider Alternativen voraus, dass die verschiedenen Ansprüche auf “demselben Grund” beruhen. Erforderlich ist, dass die Ansprüche aus demselben, durch das Anspruchsziel geprägten Lebenssachverhalt abgeleitet sind, der die Grundlage für das Entstehen der beiden Ansprüche darstellt; der Anspruchsgrund muss im Kern identisch sein (BGH a.a.O. Rn. 26). Das hat der BGH zB für die Geltendmachung von Mängelrechten wegen ein und derselben Mangelerscheinung aufgrund der gesetzlichen Gewährleistung einerseits und einer Haltbarkeitsgarantie andererseits abgelehnt (BGH a.a.O. Rn. 27). Die für einen geltend gemachten Anspruch bewirkten verjährungshemmenden oder den Neubeginn der Verjährung auslösenden Maßnahmen sollen sich ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 14/6040, 121) zudem nur auf Ansprüche erstrecken, in denen das Gesetz einem Gläubiger von vornherein mehrere, zwar auf das gleiche Interesse gerichtete, aber inhaltlich verschiedene Ansprüche zur Wahl stellt (elektive Konkurrenz) oder es ihm zumindest in Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Interesses ermöglicht, von einem Anspruch zum anderen überzugehen (alternative Konkurrenz) (BGH a.a.O. Rn. 19; NJW 2015, 2106 Rn. 26). Nur in diesem Rahmen wird es dem Anspruchsinhaber erspart, Hilfsanträge zu stellen, um der Verjährung zu begegnen (BT-Drucks. 14/6040, 121).
(aa) Hier fehlt es bereits an einem im Kern identischen Anspruchsgrund. Während das zunächst verfolgte Begehren voraussetzte, dass der Erblasser weiterhin Mitglied der Erbengemeinschaft war, weil Tatsachen gegeben waren, die eine Gesamtnichtigkeit der Abschichtungsvereinbarungen zur Folge hatten, hängt der Erfolg des jetzigen Begehrens vom Gegenteil ab, also davon, dass der Erblasser aufgrund der Abschichtungsvereinbarungen aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden ist.
(bb) Es fehlt zudem an einem gleichgerichteten Interesse. Während es im vorliegenden Rechtsstreit um die Zahlung einer weiteren Abfindung geht, deren Erhalt mit keinerlei Pflichten verbunden ist, ging es in dem im Jahr 2002 begonnenen Rechtsstreit um die nicht nur mit Rechten, sondern auch mit Pflichten einhergehende Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft (siehe zB § 2038 I 2 BGB) bzw. die Einbindung in diese.
(cc) Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Wahlmöglichkeit im Sinne des § 213 Alt. 1 BGB ersichtlich nicht bestand. Darauf kommt es freilich, da es an den soeben dargestellten und für beide Alternativen erforderlichen Voraussetzungen fehlt, nicht an.
ee) Auch das auf Eintragung von Widersprüchen gegen die Richtigkeit von Grundbucheintragungen gerichtete einstweilige Verfügungsverfahren aus dem Jahr 2002 vor dem Landgericht Berlin (Az. 36 O 245/02) vermochte keine Hemmung gemäß § 213 BGB herbeizuführen. Insoweit gelten die obigen Erwägungen entsprechend.
b) Auch sonstige unverjährte Ansprüche bestehen nicht.
c) Den Beklagten steht es frei, die Einrede der Verjährung zu erheben. Zwar kann der Einrede der Verjährung im Einzelfall der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenstehen (siehe etwa BGH, NJW 2001, 3543, 3545). So ist es hier aber nicht.
aa) Im Hinblick auf den Zweck der Verjährungsregelung ist es geboten, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung an strenge Voraussetzungen zu knüpfen (BGH, NJW 1988, 265, 266, std. Rspr.; Bach in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.07.2018, § 214 Rn. 86; Grothe in: MünchKomm-BGB, 8. Aufl., Vorbemerkungen vor § 194 Rn. 19; Henrich in: BeckOK-BGB, Stand: 01.08.2018, § 214 Rn. 9; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., Überbl vor § 194 Rn. 17). Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Schuldner den Gläubiger nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, sein Anspruch sei auch ohne Rechtsstreit vollständig zu befriedigen, oder wenn der Schuldner beim Gläubiger den Eindruck erweckt oder aufrechterhält, dessen Ansprüche nur mit sachlichen Argumenten bekämpfen zu wollen (BGH, NJW 2001, 3543, 3545). Solche Sachverhalte lagen hier ersichtlich nicht vor.
bb) Eine unzulässige Rechtsausübung kann allerdings auch gegeben sein, wenn der Schuldner den Gläubiger jenseits der genannten Fälle von einer rechtzeitigen Klageerhebung abgehalten hat (BGH, NJW 2008, 2779 Rn. 31). Bei der im Rahmen des § 242 BGB stets gebotenen Gesamtschau kann unter den Umständen des vorliegenden Falles trotz der von der Klägerin vorgetragenen Machenschaften der Beklagtenseite eine unzulässige Rechtsausübung nicht angenommen werden. Maßgebend ist Folgendes: Dem anwaltlich vertretenen Erblasser stand es bis zu seinem Tod am 18.05.2003 frei, den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in dem von ihm geführten Rechtsstreit zumindest hilfsweise geltend zu machen. Das hat er nicht getan. Die Möglichkeit der Geltendmachung stand – nach seinem Tod – auch der Klägerin offen, und zwar ungeachtet der Nachlasspflegschaft. Daran ändert auch die von ihr bemühte Regelung des § 53 ZPO nichts. Sie bestimmt, dass dann, wenn eine prozessfähige Person in einem Rechtsstreit durch einen Betreuer oder Pfleger vertreten wird, sie für den Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleichsteht. Daraus folgt, dass die prozessfähige Person ungeachtet der Pflegschaft selbst Klage erheben kann (BGH, NJW 1988, 49, 51; Hübsch in: BeckOK-ZPO, Stand: 01.07.2018, § 53 Rn. 4; Leipold in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 1960 Rn. 53; Weth in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 53 Rn. 3; Zöller/Althammer, ZPO, 32. Aufl., § 53 Rn. 5). Zwischen dem 08.09.2011 bis zum 12.07.2012 hat zudem infolge einer zwischenzeitlichen Aufhebung keine Nachlasspflegschaft bestanden. Nach allem hatte die Klägerin die Möglichkeit und – zumal im Hinblick auf das von ihr vorgetragene Verhalten der Beklagtenseite – auch Anlass, ihre Rechte in jede Richtung hin abzusichern.
2. Die Auskunftsstufe der Stufenklage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
a) Das Landgericht hat einen Auskunftsanspruch aus § 2028 I BGB verneint und die Stufenklage insgesamt abgewiesen. Dieses Vorgehen war fehlerhaft. Eine Abweisung der gesamten Stufenklage kommt nur in Betracht, wenn sich bereits bei der Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 254 Rn. 9 m.w.N.). Davon geht allerdings auch das Landgericht nicht aus.
b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin einen Auskunftsanspruch gemäß § 2028 I BGB, soweit es um den Verbleib von Erbschaftsgegenständen geht.
aa) Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der sich zur Zeit des Erbfalls mit dem Erblasser in häuslicher Gemeinschaft befunden hat, verpflichtet, dem Erben auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, welche erbschaftlichen Geschäfte er geführt hat und was ihm über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände bekannt ist. Der Begriff der häuslichen Gemeinschaft darf nicht eng ausgelegt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach den räumlichen und persönlichen Beziehungen zwischen dem Erblasser und dem anderen Teil eine Kenntnis im Sinne des § 2028 BGB zu vermuten ist (BGH, Urteil vom 10.12.1957 – VIII ZR 317/56 – BeckRS 1957, 31195249; Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl., § 2028 Rn. 1). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt:
(1) Zwar hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass der Erblasser die maßgebliche Wohnung zuletzt “unwidersprochen” allein bewohnt habe. Obwohl sich diese Ausführungen in den Entscheidungsgründen finden, handelt es sich um eine tatbestandliche Feststellung, die grundsätzlich an der Regel des § 314 S. 1 ZPO teilhat, wonach der Tatbestand des Urteils Beweis für das mündliche Parteivorbringen liefert (vgl. etwa BGH, NJW-RR 2008, 1566 Rn. 15; BAG, NJW 2004, 1061, 1062). Unter Zugrundelegung der Feststellung des Landgerichts würde ein Anspruch der Klägerin aus § 2028 I BGB wegen des Fehlens einer häuslichen Gemeinschaft scheitern. Die Beweiskraft des Tatbestands entfällt allerdings, soweit Feststellungen Unklarheiten enthalten, Lücken aufweisen oder widersprüchlich sind (BGH, Urteil vom 22.12.2015 – VI ZR 101/14 – BeckRS 2016, 02992 Rn. 49; BAG a.a.O.; std. Rspr.). So ist es hier, weil das Landgericht die Ausführungen der Beklagten zu den Wohnverhältnissen im streitigen Tatbestand beurkundet hat. Zwischen dem Tatbestand und den tatbestandlichen Feststellungen in den Entscheidungsgründen besteht daher ein Widerspruch. Die sich aus § 314 S. 1 ZPO grundsätzlich ergebende Bindungswirkung existiert hier folglich nicht.
(2) Auf der Grundlage des schriftsätzlichen Vorbringens, das in Ermangelung einer Bindungswirkung gemäß § 314 S. 1 ZPO maßgebend ist, besteht im Grundsatz der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch: Bei der Wohnung, um die es geht, handelt es sich ersichtlich um die Wohnung am K… . Die Adressangabe der Klägerin – L…. – haben die Beklagten korrigiert und die Klägerin ist dem nicht entgegengetreten. Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Erblasser die Wohnung zusammen mit Frau M… S… bewohnt habe. Zwar sei er ungefähr anderthalb Jahre vor seinem Ableben aus der Wohnung ausgezogen, sein Hab und Gut sei jedoch in der Wohnung verblieben. Die Beklagte zu 1) habe ebenfalls zwei eigene Zimmer in der Wohnung gehabt. Die Beklagte zu 2) habe aus der Wohnung die Geschäfte der Erbengemeinschaft geführt. Dieser Vortrag ist unstreitig geblieben und daher gemäß § 138 III ZPO der Entscheidung zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung des oben dargelegten weiten Begriffs der häuslichen Gemeinschaft unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass eine solche auch noch nach dem Auszug des Erblassers sowohl zu Frau M… S… als auch zu den Beklagten zu 1) und 2) bestand. Die Anspruchsverpflichtung der Beklagten zu 3) und 4) ergibt sich aus § 1922 BGB, da sie Miterbinnen der Frau M… S… sind.
bb) Ihre Auskunftspflicht haben die Beklagten bisher nicht erfüllt. Der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 15.01.2016, dort Seite 41, dass sich die von der Klägerin benannten Gegenstände beim Auszug des Erblassers nicht in der Wohnung bzw. dass sie – die Beklagten – sich zu keiner Zeit im Besitz der Gegenstände befunden hätten, stellt keine Erfüllung dar. Als Auskunft im Sinne des § 2028 I kann regelmäßig nur eine Erklärung gewertet werden, die in dem Bewusstsein abgegeben wird, der gesetzlichen Pflicht zu genügen. Ein Vortrag, mit dem der Gegner im Rechtsstreit begründen will, dass er nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, genügt regelmäßig nicht als Auskunft (BGH, WM 1971, 443, 445; Helms in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 2028 Rn. 4). So liegen die Dinge auch hier. In dem genannten Schriftsatz stellen die Beklagten eine Auskunftspflicht in Abrede. Demgemäß erfolgte der weitere Vortrag gerade nicht in dem Bewusstsein, einer gesetzlichen Pflicht zu genügen.
c) Ein Auskunftsanspruch hinsichtlich des Bestandes der Erbschaft, wie ihn die Klägerin geltend macht, ergibt sich aus § 2028 I BGB hingegen nicht (Gursky in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2016, § 2028 Rn. 10; Helms in: MünchKomm-BGB, 7. Aufl., § 2028 Rn. 4; Müller-Christmann in: BeckOK-BGB, Stand: 01.11.2017, § 2028 Rn. 4).
d) Hinsichtlich der weiteren Stufenklage macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache in analoger Anwendung des § 538 II 1 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (BGH, NJW 2006, 2626 Rn. 14f.; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 538 Rn. 48). Den erforderlichen Antrag (§ 538 II 1 ZPO a.E.) hat die Klägerin gestellt. Dass der Antrag lediglich hilfsweise gestellt worden ist, ist unschädlich (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 538 Rn. 4). Die Beklagten sind diesem Antrag nicht entgegengetreten. Durch die Zurückverweisung bleiben den Parteien beide Tatsacheninstanzen erhalten.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, die nur den Auskunftsanspruch betrifft, beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Entscheidung über die Kosten hat der Senat nicht zu treffen; das bleibt – wie ausgeführt – dem Landgericht vorbehalten. Veranlassung, die Revision zuzulassen (§ 543 II 1 ZPO), besteht nicht. Das Urteil bewegt sich vollständig auf dem Boden der höchstrichterlichen Rechtsprechung.