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Voraussetzungen Nachlasspflegschaftsanordnung –  unbekannte Erben

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 29.11.2022 (Az.: 3 W 79/22) entschieden, die Beschwerde gegen die Anordnung einer Nachlasspflegschaft abzulehnen. Es wurde festgestellt, dass aufgrund unklarer Erbfolge durch verschiedene Testamente und potenziell unbekannte Erben ein Sicherungsbedürfnis für den Nachlass besteht. Die Erbrechtslage wurde als unsicher angesehen, da nicht eindeutig festgestellt werden konnte, wer Erbe ist, was die Anordnung einer Nachlasspflegschaft rechtfertigt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 79/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht lehnte die Beschwerde gegen die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ab.
  • Die Erbfolge war durch verschiedene Testamente und möglicherweise unbekannte Erben unklar.
  • Ein Sicherungsbedürfnis des Nachlasses wurde anerkannt, da ohne gerichtliche Fürsorge der Bestand des Nachlasses gefährdet gewesen wäre.
  • Die Entscheidung basiert auf der Notwendigkeit, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, bis die Erbfolge endgültig geklärt ist.
  • Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft erfordert, dass die Erbrechtslage unsicher ist und ein Fürsorgebedürfnis besteht.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.
  • Die Erbrechtslage konnte ohne umfängliche Ermittlungen nicht geklärt werden, was die Unbekanntheit der Erben und das Sicherungsbedürfnis unterstreicht.
  • Das Interesse des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses war maßgeblich für die Entscheidung.

Wer haftet für den Nachlass, wenn die Erben unbekannt sind?

Wenn ein Mensch verstirbt und sein Erbe nicht feststeht, kann eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass der Nachlass ordnungsgemäß verwaltet und vor Schaden bewahrt wird. Die Nachlasspflegschaft ist ein wichtiges Instrument des deutschen Erbrechts, das insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn keine bekannten Erben vorhanden sind oder diese sich noch nicht gemeldet haben. Doch wer übernimmt die Aufgaben eines Nachlasspflegers und welche Rechte und Pflichten damit verbunden sind, ist vielen Menschen unklar. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die Nachlasspflegschaftsanordnung bei unbekannten Erben und erklären, worauf es dabei ankommt.

Im Zentrum eines rechtlichen Streits stand die Anordnung einer Nachlasspflegschaft durch das Amtsgericht Eisenhüttenstadt, die aufgrund der komplizierten Erbverhältnisse nach dem Tod eines Erblassers im Jahr 2021 erforderlich wurde. Der Erblasser hinterließ mehrere Testamente, die widersprüchliche Anweisungen enthielten und die Frage der Erben unklar ließen. Besonders brisant wurde der Fall durch die verschiedenen Verfügungen von Todes wegen, darunter ein privatschriftliches Testament von 1993, ein maschinengeschriebenes Testament von 2015 mit Änderungen am selben Tag, und eine handschriftliche Ergänzung von 2021, die kurz vor dem Tod des Erblassers verfasst wurde.

Die Rolle der Testamente im Erbstreit

Die Komplexität dieses Falls ergab sich vor allem aus den unterschiedlichen testamentarischen Verfügungen. Im ältesten Testament wurde die damalige Ehefrau als Alleinerbin benannt, während in späteren Dokumenten spezifische Enterbungen der Kinder und Zuweisungen an eine Lebensgefährtin vorgenommen wurden. Diese unterschiedlichen Verfügungen führten zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit bezüglich der wahren Erbfolge.

Anforderungen an die Nachlasspflegschaft

Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt ordnete auf Antrag der Beteiligten eine Nachlasspflegschaft an, um den Nachlass für die unbekannten Erben zu sichern. Diese Maßnahme wurde insbesondere wegen der ungewissen Erbfolge und dem daraus resultierenden Handlungsbedarf zur Sicherung des Nachlasses als notwendig erachtet. Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung führte zur Überprüfung durch das Oberlandesgericht Brandenburg.

Rechtliche Bewertung durch das Oberlandesgericht Brandenburg

Das Oberlandesgericht Brandenburg bestätigte in seinem Beschluss vom 29.11.2022 unter dem Aktenzeichen 3 W 79/22 die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde zurück. Die Richter betonten, dass die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB voraussetzt, dass die Erbrechtslage unsicher ist und ein Fürsorgebedürfnis besteht. Beide Voraussetzungen sahen die Richter als gegeben an, da ohne umfängliche Ermittlungen nicht festgestellt werden konnte, wer rechtmäßiger Erbe ist.

Sicherungsbedürfnis und gerichtliche Fürsorge

Ein wesentlicher Punkt der gerichtlichen Entscheidung war das anerkannte Sicherungsbedürfnis des Nachlasses. Angesichts der Höhe und Zusammensetzung des Nachlasses, zu dem unter anderem ein gewerblich genutztes Grundstück und diverse Beteiligungen gehörten, erachteten die Richter eine Sicherung und Verwaltung durch eine Nachlasspflegschaft als unerlässlich. Die Entscheidung wurde auch mit der Notwendigkeit begründet, eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zu gewährleisten und missbräuchliche Verfügungen zu verhindern.

In diesem komplexen Erbfall zeigte sich, wie entscheidend eine klare Testamentsgestaltung für die Vermeidung nachfolgender Rechtsstreitigkeiten ist. Das Oberlandesgericht Brandenburg unterstrich mit seinem Urteil die Bedeutung der Nachlasspflegschaft als Instrument zur Sicherung und Verwaltung unklarer Erbverhältnisse, bis eine endgültige Klärung der Erbfolge möglich ist.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einer Nachlasspflegschaft?

Eine Nachlasspflegschaft ist eine rechtliche Maßnahme, die darauf abzielt, den Nachlass einer verstorbenen Person zu sichern und zu verwalten, bis die Erbschaft formal geklärt ist. Dies kann notwendig werden, wenn zum Beispiel die Erben nicht bekannt sind oder wenn es Unklarheiten bezüglich der Erbfolge gibt. Die Nachlasspflegschaft wird vom Nachlassgericht eingerichtet und beinhaltet die Bestellung eines Nachlasspflegers, der als gesetzlicher Vertreter der Erben fungiert.

Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass zu sichern, mögliche Erben zu ermitteln und den Nachlass zu verwalten. Dazu gehört unter anderem die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, das alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen auflistet. Der Nachlasspfleger ist während seiner Tätigkeit den Erben und Gläubigern des Erblassers gegenüber rechenschaftspflichtig und muss alle Transaktionen transparent und eindeutig dokumentieren, um mögliche spätere Streitigkeiten zu vermeiden.

Die Nachlasspflegschaft wird in der Regel dann eingerichtet, wenn bis zur Annahme der Erbschaft oder bis zur Ermittlung eines unbekannten Erben die Gefahr besteht, dass der Nachlass Schaden nimmt oder Unberechtigte auf den Nachlass zugreifen. Auch wenn ein Gläubiger des Erblassers seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen möchte und Schwierigkeiten hat, den richtigen Erben ausfindig zu machen, kann die Bestellung eines Nachlasspflegers beantragt werden. In Fällen, in denen der Erbe bekannt ist, aber unbekannt verzogen ist und sein Aufenthaltsort oder seine Anschrift nicht ermittelbar sind, kann eine sogenannte Abwesenheitspflegschaft beantragt werden, die jedoch keine Nachlasspflegschaft darstellt, sondern eine Pflegschaft nur für einen einzelnen Erben oder Miterben ist.

Die Nachlasspflegschaft endet, sobald der Nachlass vollständig geklärt ist und alle Erben ihre Anteile erhalten haben. Der Nachlasspfleger legt dann einen Abschlussbericht vor und stellt sicher, dass der Nachlass ordnungsgemäß verteilt wird.

Wie wird festgestellt, ob Erben unbekannt sind?

Um festzustellen, ob Erben unbekannt sind, gibt es verschiedene Verfahren und Maßnahmen, die in Deutschland angewendet werden. Diese Prozesse sind wichtig, um sicherzustellen, dass der Nachlass eines Verstorbenen ordnungsgemäß verwaltet und verteilt wird, auch wenn die Erben nicht sofort bekannt oder auffindbar sind.

Nachlassgericht und Nachlasspfleger

Das Nachlassgericht spielt eine zentrale Rolle bei der Ermittlung unbekannter Erben. Wenn nach dem Tod einer Person die Erben nicht bekannt sind, kann das Nachlassgericht verschiedene Maßnahmen ergreifen, um diese zu ermitteln:

  • Öffentliche Aufforderung: Das Nachlassgericht kann unbekannte Erben oder Erben unbekannten Aufenthalts öffentlich auffordern, ihre Erbrechte beim Nachlassgericht anzumelden. Dies geschieht in der Regel durch eine Bekanntmachung an der Gerichtstafel oder in örtlichen Tageszeitungen. Die Frist für die Anmeldung beträgt in der Regel etwa drei Monate.
  • Bestellung eines Nachlasspflegers: Kann das Nachlassgericht nicht zuverlässig beurteilen, ob ein unbekannter Erbe noch lebt, oder sind die Erben nicht bekannt, kann das Gericht zur Sicherung des Nachlasses einen Nachlasspfleger bestimmen. Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass in Besitz zu nehmen und im Interesse der Erbengemeinschaft zu verwalten. Er kann auch damit beauftragt werden, unbekannte Erben zu ermitteln.

Gewerbliche Erbenermittler

Neben den vom Nachlassgericht eingeleiteten Maßnahmen können auch gewerbliche Erbenermittler beauftragt werden, um unbekannte Erben zu finden. Diese spezialisierten Dienstleister nutzen verschiedene Ressourcen und Methoden, um die Erben eines Verstorbenen ausfindig zu machen. Die Beauftragung kann durch den Nachlasspfleger oder direkt durch potenzielle Erben erfolgen.

Erbscheinsverfahren

Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens kann das Nachlassgericht ebenfalls Nachforschungen anstellen, um unbekannte Erben zu identifizieren. Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis über die Erbfolge und legitimiert die Erben gegenüber Dritten, wie Banken oder Grundbuchämtern.

Staatserbschaft

Kann trotz aller Bemühungen kein Erbe ermittelt werden, kann es zu einer Staatserbschaft kommen. In diesem Fall fällt der Nachlass an das Bundesland, in dem der Erblasser zuletzt seinen Wohnsitz hatte. Dies tritt ein, wenn alle in Betracht kommenden Erben die Erbschaft ausschlagen oder keine Erben ermittelt werden können.

Zusammenfassend ist die Ermittlung unbekannter Erben ein komplexer Prozess, der die Zusammenarbeit zwischen Nachlassgerichten, Nachlasspflegern, gewerblichen Erbenermittlern und anderen Beteiligten erfordert. Ziel ist es, eine gerechte und gesetzeskonforme Verteilung des Nachlasses zu gewährleisten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. § 1960 BGB – Sicherung des Nachlasses bei unbekannten Erben: Dieser Paragraph regelt, dass bei Unklarheit über die Erbfolge oder bei unbekannten Erben eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden kann, um den Nachlass zu sichern und zu verwalten. Im vorliegenden Fall war die Erbfolge aufgrund verschiedener Testamente unklar, was die Anordnung einer Nachlasspflegschaft rechtfertigte.
  2. §§ 58 ff. FamFG – Verfahren in Nachlasssachen: Diese Vorschriften beschreiben das Verfahren vor den Familiengerichten in Nachlassangelegenheiten, einschließlich der Beschwerdemöglichkeiten gegen gerichtliche Entscheidungen. Die Beschwerde der Beteiligten zu 5 gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft wurde nach diesen Regelungen behandelt.
  3. § 84 FamFG – Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren: Dieser Paragraph legt fest, wie im Falle einer Beschwerde über die Kostenentscheidung zu befinden ist. Im konkreten Urteil wurde entschieden, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens von der Beschwerdeführerin zu tragen sind.
  4. § 64 GNotKG – Wertfestsetzung für die Gerichtskosten: Bestimmt die Grundlage für die Festsetzung der Gerichtskosten, die sich nach dem Wert des Nachlasses richtet. In diesem Fall wurde der Wert des Nachlasses auf 1.000.000 € geschätzt, was für die Kostenentscheidung relevant war.
  5. § 14 BGB – Natürliche Personen als Träger von Rechten und Pflichten: Obwohl nicht direkt im Urteil erwähnt, ist dieser Paragraph grundlegend, da er festlegt, dass natürliche Personen Rechtsträger sein können. Dies ist relevant für die Erbfolge und die Bestimmung der Erben.
  6. § 1922 BGB – Erbfolge: Legt die Grundlagen der gesetzlichen und testamentarischen Erbfolge fest. Im vorgelegten Urteil war die Klärung der Erbfolge aufgrund unterschiedlicher testamentarischer Verfügungen des Erblassers erforderlich, was direkt unter diesen Paragraphen fällt.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 79/22 – Beschluss vom 29.11.2022

Die Beschwerde der Beteiligten zu 5. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 28.04.2022 (Aktenzeichen 10 VI 142/22) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

Beschwerdewert: 1.000.000 €

Gründe

I.

Der am ….2021 verstorbene Erblasser hinterließ mehrere Verfügungen von Todes wegen. Es existiert ein privatschriftliches Testament vom 29.07.1993, in dem der Erblasser seine damalige Ehefrau, die Beteiligte zu 1, zur Alleinerbin eingesetzt hat.

Weiter existiert ein maschinengeschriebenes Testament vom 4.11.2015 mit einer ebenfalls maschinengeschriebenen Änderung vom 04.11.2015. Auf demselben Schriftstück findet sich eine handgeschriebene und unterschriebene „Änderung der testamentarischen Festlegung vom 06.07.2017“, in der es heißt: „Meine Kinder A…-R… D… und K…-M… D… sind hiermit enterbt.“

In einem weiteren handgeschriebenen und unterschriebenen Zusatz vom 19.03.2021 heißt es u.a.:

“Nunmehr geschieden ergänze ich mein Testament wie folgt:

Alle Ansprüche aus meinen Verträgen mit der M… H… GmbH

– Pensionszusage

– Markenlizenzvertrag

– Darlehensvertrag

und meine Ansprüche aus der Grundschuld zu meinen Gunsten an der N…str … GbR gehen über auf meine Lebensgefährtin A… R…-J… ….“.

Auf Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 28.04.2022 die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers angeordnet und die Beteiligte zu 6 zur Nachlasspflegerin bestellt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Erbfolge sei aufgrund der diversen Testamente ungewiss. Handlungsbedarf zur Sicherung des Nachlasses sei gegeben.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 5 mit ihrer Beschwerde. Sie wendet ein, die Erben seien nicht unbekannt. Sie selbst sei als Erbin eingesetzt worden, da es sich bei den ihr im Zusatz vom 19.03.2021 zugedachten Zuwendungen im Wesentlichen um den gesamten Nachlass gehandelt habe. Sie habe mittlerweile einen Erbscheinsantrag gestellt. Zudem habe das Nachlassgericht nicht erläutert, woraus sich das Fürsorgebedürfnis als Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ergebe. Ein Sicherungsbedürfnis bestehe nicht.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Erbprätendentin hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB setzt voraus, dass die Erbrechtslage aus bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unsicher ist und dass kumulativ ein Fürsorgebedürfnis besteht.

Beides ist hier gegeben.

2.

a)

Unbekannt nach § 1960 BGB Vorschrift ist der Erbe, wenn sich das Nachlassgericht nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen kann, wer bzw. wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Erbe geworden ist (BGH FamRZ 2012, 1869; OLG Düsseldorf, FamRZ 1996, 308; OLG Hamm BeckRS 2018, 34517; OLG Köln ZErb 2018, 33 f). Bei der Beurteilung der Frage, ob der Erbe unbekannt ist, ist vom Standpunkt des Nachlassgerichts im Zeitpunkt der Beschlussfassung auszugehen. Das Nachlassgericht hat bei der Beantwortung der Frage, ob der Erbe unbekannt ist, die Voraussetzungen hierfür zwar nicht mit letzter Gewissheit festzustellen. Erforderlich ist aber, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.9.2019 – 21 W 65/19). Kann der zur Entscheidung über die Beschwerde berufene Senat sich nicht ohne umfängliche Ermittlungen davon überzeugen, wer von mehreren in Betracht kommenden Personen Erbe geworden ist, so ist der Erbe unbekannt (OLG Hamm, Beschluss vom 14.06.2018 – 15 W 54/18).

b)

Hier kann ohne umfängliche Ermittlungen nicht festgestellt werden, wer Erbe geworden ist, insbesondere ob die Beschwerdeführerin als Alleinerbin eingesetzt worden ist oder gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Dies hängt wesentlich von den Vermögensverhältnissen des Erblassers zum Zeitpunkt seiner Testamentsergänzung vom 19.03.2021 ab. Ob die der Beschwerdeführerin zugewendeten Vermögensgegenstände, wie sie meint, „im Wesentlichen den gesamten Nachlass darstellen“, kann nicht ohne Weiteres festgestellt werden. So haben die Beteiligten zu 2 und 3 eingewandt, dass zum Vermögen des Erblassers auch ein Miteigentumsanteil an dem Gewerbegrundstück in der N… Straße in L… gehört und zudem ein Kraftfahrzeug und Kontoguthaben vorhanden gewesen seien. Auch die Nachlasspflegerin hat in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, dass eine abschließende Beurteilung des Nachlassumfanges bislang nicht möglich sei.

3.

Es besteht auch ein Sicherungsbedürfnis.

a)

Ob ein Bedürfnis für eine gerichtliche Fürsorge besteht, obliegt einer Ermessensentscheidung des Nachlassgerichts, für welche die Belange des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses leitend sein müssen. Ein Fürsorgebedürfnis besteht, wenn ohne das Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet wäre, wobei maßgeblich ausschließlich das Interesse des endgültigen Erben ist. Dabei kann allein die Ungewissheit in Bezug auf die Person des Erben lediglich den Sicherungsanlass, nicht aber für sich genommen das zusätzlich erforderliche Fürsorgebedürfnis begründen. Vielmehr bedarf es zum Zeitpunkt der Anordnung über den Sicherungsanlass konkreter Anhaltspunkte für eine weitergehende Gefährdung des Nachlasswertes, z.Bsp. indem das Aktivvermögen durch Wertverlust, Diebstahl, sonstige strafbare Handlung usw., Unterlassen der Geltendmachung von Ansprüchen und Forderungen, Fehlen ordnungsgemäßer Verwaltung schrumpft (OLG Köln, Beschluss vom 8.5.2019 – 2 Wx 141/19 m.w.N.). Aus der Sicht und im Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts müssen dem Nachlass Gefahren wegen seiner tatsächlichen Herrenlosigkeit drohen und keine Person vorhanden sein, die diesen Gefahren begegnet (vgl. Zimmermann Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl., Rn. 48). Zu verneinen ist ein Fürsorgebedürfnis dann, wenn der Nachlass ordnungsgemäß verwaltet wird und missbräuchliche Verfügungen vor Erbscheinserteilung ausgeschlossen sind (NK-BGB, 6. Aufl. 2022, § 1960, Rn 16).

b)

Gemessen an vorstehenden Grundsätzen ist vorliegend ein Sicherungsbedürfnis zu bejahen.

Schon in Anbetracht der Höhe und Zusammensetzung des Nachlasses ist ein Bedürfnis nach einer Sicherung und Verwaltung des Nachlasses nicht von der Hand zu weisen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.2019, 21 W 65/19). Zum Nachlass gehören neben dem Guthaben bei der Sparkasse auch der Miteigentumsanteil an einem gewerblich genutzten Grundstück. Wird dieses durch einen Mieter genutzt, sind regelmäßige Verwaltungstätigkeiten erforderlich. Zudem gehören nach Mitteilung der Nachlasspflegerin zum Nachlass diverse Beteiligungen an der M… H… GmbH, eine Pensionszusage in unbekannter Höhe sowie Forderungen aus einem Darlehensvertrag in ebenfalls unbekannter Höhe. Darüber hinaus ist bislang nicht offen gelegt, ob und welche weiteren Gegenstände zum Nachlass gehören. Im Hinblick auf das zum Nachlass gehörende Fahrzeug muss geklärt werden, von wem dieses abgemeldet wurde und wo dessen Verbleib ist. Darüber hinaus gibt es im Zusammenhang mit dem Girokonto bei der Sparkasse Klärungsbedarf, da die derzeit auf dem Konto befindliche Summe nicht mit der Summe übereinstimmt, die sich zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf dem Konto befand. Dies alles rechtfertigt auch angesichts des Umfangs des Nachlasses von mindestens 1.000.000 € die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft bis zur endgültigen Klärung der Erbfolge, wobei insoweit auch in Rechnung zu stellen ist, dass die Kosten der Nachlasspflegschaft sich nicht am Wert des Nachlasses, sondern an der tatsächlich vom Nachlasspfleger erbrachten Arbeitsleistung orientieren, so dass nur geringfügige Sicherungsmaßnahmen auch nicht eine übermäßige Belastung der endgültigen Erben nach sich ziehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.09.2019, 21 W 65/19).

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Beschwerdewert richtet sich gemäß § 64 GNotKG nach dem Wert des von der Verwaltung betroffenen Vermögens. Von der Verwaltung umfasst soll der gesamte Nachlass sein, dessen Wert der Senat auf der Grundlage der ihm vorliegenden Informationen auf 1.000.000 € schätzt.

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