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Wirksamkeit der Errichtung eines Nottestaments vor drei Zeugen

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 86/17 – Beschluss vom 05.07.2017

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 16.03.2017 gegen den am 14.02.2017 erlassenen Beschluss der Richterin des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Köln vom 10.02.2017, 39 VI 44/16, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.

Gründe

I.

Am 10.10.2015 gegen 21:20 Uhr ist Herr X (Erblasser) in einem Krankenhaus in L (Q) verstorben. Der Erblasser war geschieden und hatte keine Kinder. Seine Eltern und seine 3 Brüder sind vorverstorben. Die Beteiligten zu 2) bis 10) sind seine Nichten und Neffen.

Die Beteiligte zu 1) hat ein Schriftstück vom 10.10.2015 (Bl. 3 d. Beiakte 39 IV 403/15) vorgelegt, das als letztwillige Verfügung des Erblassers vom Nachlassgericht am 20.11.2015 eröffnet worden ist und folgenden Inhalt hat:

„Heute am 10.10.2015 zwischen 17 und 18 Uhr sind wir im Qer Krankenhaus bei W wohnhaft in L,Q2allee 24 zu Besuch gewesen, da er schwer erkrankt ist. Wir W2i, L2 und T können bezeugen, dass es von X der Wunsch ist sein ganzes Vermögen war er besitzt der F wohnhaft in L, Q3straße 8 zu hinterlassen, weil F seine Lebensgefährtin ist und sonst er keinen hätte dem er was geben kann, weil er auch mit seinen Verwandten die noch leben keinen Kontakt hat.

Ich X2 habe diese Niederschrift vor X und den Zeugen vorgelesen, jedoch hatte X keine Kraft mehr es zu unterschreiben, aber er ist mit diesem Nottestament einverstanden.

Köln, 10.10.2015

X2

T

L2“

Am 22.12.2015 hat die Beteiligte zu 1) zur Niederschrift des Nachlassgerichts beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist (Bl. 16 ff. d.A.). Sie hat vorgetragen, dass die Erklärung des Erblassers in dem Schriftstück vom 10.10.2015 zutreffend wiedergegeben sei. Das Nottestament sei von den genannten Zeugen unterschrieben worden. Es sei formwirksam errichtet worden. Die Hinzuziehung eines Notars sei nicht in Betracht gekommen, weil es sich um einen Samstagabend gehandelt habe. Der Erblasser sei wenige Stunden später verstorben.

Die Beteiligten zu 3), 4), 5), 6), 8) und 9) sind dem Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins entgegengetreten. Sie haben vorgetragen, dass das Testament vom 10.10.2015 nicht wirksam errichtet worden sei.

Mit Verfügung vom 22.08.2016 hat das Nachlassgericht die Beteiligte zu 1) darauf hingewiesen, dass das Nottestament vom 10.10.2015 unwirksam sein dürfte, weil der Zeuge X2 ihr Sohn sei und daher als Beurkundungsperson gem. §§ 2250 Abs. 3 S. 2 BGB, 7 Nr. 3 BeurkG ausscheide (Bl. 142 d.A.).

Daraufhin hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 16.09.2016 vorgetragen, dass bei der Errichtung des Testaments am 10.10.2015 auch die Zeugin S zugegen gewesen sei, die die Erklärung des Erblassers und den Vorgang der Testamentserrichtung bestätigen könne. Das Fehlen ihrer Unterschrift sei unschädlich (Bl. 150 f. d.A.).

Mit weiterer Verfügung vom 15.12.2016 hat das Nachlassgericht die Beteiligte zu 1) darauf hingewiesen, dass die Anwesenheit und Bestätigung des Vorgangs durch eine weitere Zeugin nicht ausreichend sei und auf entsprechende Rechtsprechung verwiesen. Zugleich hat es den zwischenzeitlich anberaumten Termin vom 16.12.2016 zur Beweisaufnahme über die Frage, ob das Nottestament wirksam errichtet worden ist, wieder aufgehoben.

Daraufhin hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 02.01.2017 vorgetragen, dass die Zeugin S bewusst an der Errichtung des Testaments mitgewirkt habe; sie sei sich ihrer Beurkundungsfunktion bewusst gewesen (Bl. 205 ff. d.A.).

Durch am 14.02.2017 erlassenen Beschluss vom 10.02.2017 hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen (Bl. 209 ff. d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Testament vom 10.10.2015 nicht formwirksam errichtet worden sei. Das Nottestament sei nicht von 3 Zeugen im Sinne von § 2250 BGB errichtet worden. Der Zeuge X2 sei als Zeuge gem. §§ 2250 Abs. 3 S. 2 BGB, 7 Nr. 3 BeurkG ausgeschlossen. Aber auch die Zeugin S scheide als Zeugin im Sinne des § 2250 BGB aus. Denn § 2250 BGB setze voraus, dass die 3 Zeugen das Testament errichten, d.h. die Beurkundungsfunktion übernehmen. Es genüge nicht, dass die Zeugen die Erklärung des Erblassers nur hören und richtig wiedergeben könnten. Vielmehr müssten sie die Absicht und das Bewusstsein ihrer gemeinsamen Mitwirkung und Verantwortung bei der Testamentserrichtung gehabt haben. Diese Funktion habe die Zeugin S nicht ausgeübt. Hierfür würden die Urkundenlage und der sukzessive Vortrag der Beteiligten zu 1) sprechen. Die Zeugin S habe weder in dem Testament noch im Erbscheinsantrag Erwähnung gefunden. Erst auf den gerichtlichen Hinweis vom 22.08.2016 sei vorgetragen worden, dass auch die Zeugin S zugegen gewesen sein soll, und erst auf den neuerlichen gerichtlichen Hinweis, dass dies nicht ausreiche, sei behauptet worden, dass die Zeugin auch an der Beurkundung mitgewirkt habe. Einer Beweisaufnahme bedürfe es daher nicht.

Gegen diesen der Beteiligten zu 1) am 16.02.2017 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 16.03.2017 beim Amtsgericht Köln eingegangene Beschwerde vom selben Tag (Bl. 247 f. d.A.), die sie mit am 21.03.2017 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz vom 20.03.2017 begründet hat (Bl. 262 ff. d.A.). Sie hat vorgetragen, dass das Nottestament vom 10.10.2015 wirksam sei. Ihr Vortrag sei weder erfunden noch angepasst. Der Erblasser habe sich zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nach ärztlicher Einschätzung in Todesgefahr befunden. Dementsprechend sei er auch nur wenige Stunden später verstorben. Ein Bürgermeister oder ein Notar seien nicht erreichbar gewesen. Die 4 Zeugen hätten an der Errichtung des Testaments mitgewirkt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Zeugin S erst später genannt worden sei. Dies habe daran gelegen, dass der Erblasser erklärt habe, dass 3 Zeugen genügen würden. Keiner der Anwesenden habe damals gewusst, dass ihr Sohn nicht als Zeuge im Sinne des § 2250 BGB in Betracht komme. Es sei unschädlich, dass die Zeugin S nicht mitunterschrieben habe.

Durch Beschluss vom 27.03.2017 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 254 ff. d.A.). Hierbei lag der entscheidenden Richterin offenbar die Beschwerdebegründung, die bereits am 21.03.2017 beim Amtsgericht eingegangen war, nicht vor. Durch Verfügung vom 07.04.2017 hat die Richterin des Nachlassgerichts darauf hingewiesen, dass eine Abhilfe auch bei Kenntnis und unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nicht erfolgt wäre (Bl. 288 d.A.).

Der Senat hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen X2, T, L2, S sowie C.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins – im Ergebnis – zu Recht zurückgewiesen. Das Testament vom 10.10.2015 ist nicht wirksam errichtet worden, so dass die Beteiligte zu 1) als Erbin des Erblassers nicht wirksam eingesetzt worden ist (§ 1937 BGB).

Es kann offen bleiben, ob sich der Erblasser am 10.10.2015 zwischen 17 und 18 Uhr ist so naher Todesgefahr befand, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder Bürgermeister voraussichtlich nicht mehr möglich war, und gegenüber den Zeugen X2, L2, T und S mündlich erklärt hat, dass die Beteiligte zu 1) sein gesamtes Vermögen erben soll. Denn das Nottestament in der Form des Testaments vor 3 Zeugen ist – auch wenn man unterstellt, dass die Aussagen der Zeugen vor dem Senat glaubhaft sind – nicht wirksam errichtet worden.

Der Zeuge X2 war gem. §§ 2250 Abs. 3 S. 2 BGB, 7 Nr. 3, 27 BeurkG als beurkundender Zeuge ausgeschlossen. Denn die beurkundete Willenserklärung sollte einer Person, die mit dem Zeugen X2 in gerader Linie verwandt ist (§ 1589 BGB), seiner Mutter, der Beteiligten zu 1), einen Vorteil verschaffen, weil sie als Alleinerbin des Erblassers eingesetzt werden sollte. Zwar bewirkt die Mitwirkung eines nach §§ 7 Nr. 3, 27 BeurkG ausgeschlossenen Zeugen nicht die Unwirksamkeit des gesamten Testaments, sondern nur die Unwirksamkeit der betroffenen einzelnen Verfügung (Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2016, § 2250 Rn. 5). Hier besteht das Nottestament aber nur aus dieser einen Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 1), so dass eine Mitwirkung des Zeugen X2 insgesamt ausgeschlossen war. Es handelt sich auch nicht nur um einen unbeachtlichen Formmangel im Sinne von §§ 2250 Abs. 3, 2249 Abs. 6 BGB (BayObLG NJW-RR 1996, 9; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2016, § 2250 Rn. 5).

Auch die Zeugin S scheidet als Testamentszeugin im Sinne von § 2250 BGB aus. Bei einem Nottestament vor 3 Zeugen im Sinne von § 2250 BGB übernehmen die Testamentszeugen die Beurkundungsfunktion, weil eine amtliche Urkundsperson (Notar, Bürgermeister) fehlt. Sie müssen als solche von Anfang an zur Mitwirkung bereit sein, sei es, dass sie zur Testamentserrichtung hinzugezogen wurden, oder sie ihre Bereitschaft von sich aus zu erkennen gegeben haben, da jeder gleichberechtigt mit den anderen die Verantwortung für die richtige Wiedergabe der Erklärung trägt. Testamentszeuge ist deshalb nicht, wer nur zufällig anwesend ist und die Erklärung des Erblassers lediglich mit anhört (BGH, Beschluss vom 18.12.1970 – III ZB 11/70, MDR 1971, 281; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.06.2015 – 3 Wx 224/14; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2016, § 2250 Rn. 4).

Hiervon ausgehend spricht schon nach den Aussagen der Zeugen X2, T und L2 nichts dafür, dass die Zeugin S als vermeintliche Zeugin eines Dreizeugentestaments von Anfang an bereit war, wegen Fehlens einer amtlichen Beurkundungsperson eine dahingehende Beurkundungsfunktion zu übernehmen. Denn die 3 Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass der Erblasser ihnen erklärt habe, ein solches Testament werde vor 3 Zeugen errichtet. Es seien daher auch nur 3 Unterschriften notwendig. Die Zeugen haben dagegen übereinstimmend eingeräumt, dass sie damals nicht gewusst hätten, wie ein solches Testament errichtet wird. Sie haben sich daher auf den Erblasser verlassen. Daher ist aufgrund des Umstands, dass nach der Anweisung des Erblassers nur 3 Personen mitwirken sollten und sich die Zeugen X2, L2 und T zur Mitwirkung bereit erklärt hatten, anzunehmen, dass die Zeugin S nicht an der Beurkundung beteiligt werden sollte und sich insoweit auch nicht beteiligen wollte.

Unabhängig davon kam die Zeugin S auch deshalb als Beurkundungsperson eines in deutscher Sprache verfassten Testaments nicht in Betracht, weil sie – wie die Beweisaufnahme ergeben hat – der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist/war (§ 2250 Abs. 3 S. 4 1. Halbs. BGB). Schon bei der Aufnahme der Personalien der Zeugin war es kaum möglich, sich über den Beruf und ihre Wohnanschrift sowie etwaige Verwandtschaftsverhältnisse zu am Verfahren beteiligten Personen zu verständigen. Sie verstand die Fragen des Vorsitzenden kaum und konnte weder ihre Berufsbezeichnung (Putzfrau) in deutscher Sprache noch den Straßennamen ihrer Wohnung angeben. Auf Vorhalt der vom Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1) eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom 12.01.2017 (Bl. 228 d.A.) hat sie angegeben, dass die Unterschrift von ihr stamme, der Text aber nicht von ihr geschrieben worden sei, sondern ihr von der Beteiligten zu 1) zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Zum Inhalt konnte sie nichts sagen. Auf die Frage, was eine eidesstattliche Versicherung sei, wusste sie keine Antwort. Auf Vorhalt des Testaments konnte sie dieses weder vorlesen noch den Inhalt, nachdem ihr der Text vom Vorsitzenden auszugsweise vorgelesen worden war, in eigenen Worten wiedergeben. Sie konnte nur in gebrochenem Deutsch unter Verwendung einzelner Worte wie „Wille X“ „F“ „alles“ ansatzweise zum Ausdruck bringen, dass sie – bei irgendeiner Gelegenheit – mitbekommen haben will, dass der Erblasser den Willen geäußert habe, die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin einzusetzen. Dies reicht indes nicht aus, um von einer Mitwirkung der Zeugin S bei der Beurkundung des Testaments ausgehen zu können, unabhängig davon, dass sie aufgrund ihrer Sprachprobleme objektiv gar nicht beurteilen konnte, ob der niedergeschriebene Text der Erklärung des Erblassers entsprach. Sie kommt daher als beurkundende Zeugin im Sinne von § 2250 BGB nicht in Betracht.

Es kann offen bleiben, ob die Zeuginnen T und L2 als beurkundende Personen im Sinne von § 2250 BGB in Betracht kommen. Denn ein Zweipersonentestament kennt das deutsche Recht nicht. Es ist auch unerheblich, dass der Erblasser – wofür nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einiges spricht – wohl mündlich tatsächlich erklärt hat, dass die Beteiligte zu 1) seine Erbin sein soll. Denn die Gefahr, dass ein nachgewiesener Wille eines Erblassers unberücksichtigt bleibt, weil er nicht formgültig zum Ausdruck gekommen ist, tritt auch bei anderen Testamentsformen auf. Auch dort hat der an das Gesetz gebundene Richter keine Möglichkeiten zur Abhilfe, wenn wesentlichen Vorschriften nicht genügt ist. Bei der Mitwirkung der drei Zeugen handelt es sich aber um ein wesentliches Erfordernis, dessen Fehlen zur Ungültigkeit der Verfügung führt. Es ist nicht möglich, hierin einen unschädlichen Mangel der Abfassung der Urkunde im Sinne des § 2249 Abs. 6 BGB zu erblicken, wie dies etwa beim Fehlen von Unterschriften der Zeugen zutreffen mag (vgl. nur: BGH, Beschluss vom 18.12.1970 – III ZB 11/70, MDR 1971, 281).

Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zum Ergebnis der Beweisaufnahme in ihrem Schreiben vom 21.06.2017 greift nicht durch. Als beurkundende Zeugin eines Dreizeugentestaments kam die Zeugin S – wie ausgeführt – nicht in Betracht. Insoweit ist unerheblich, ob die Zeugin von in deutscher Sprache geführten Gesprächen mehr versteht als sie in deutscher Sprache zu sprechen vermag. Auf die Aussagen der Zeugen B. kommt es im Übrigen nicht an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gem. § 70 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen.

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: bis 230.000,00 EUR

Die Wertfestsetzung beruht auf den Berichten der Nachlasspflegerin vom 15.03.2016 (Bl. 78 ff. d.A.), 04.10.2016 (Bl. 155 ff. d.A.) und 03.11.2016 (Bl. 163 d. A.).

IV.

Auch wenn es für das vorliegende Verfahren nicht darauf ankommt, weist der Senat das Nachlassgericht im Hinblick auf weitere Verfahren darauf hin, dass die Aktenführung teilweise Anlass zu Beanstandungen gibt. So sind eingegangene Schriftsätze in der Eingangsmappe verblieben und der Richterin des Nachlassgerichts zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht vorgelegt worden.

 

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