Skip to content

Ehegattentestament – Wechselbezüglichkeit bei Einsetzung des Patenkindes als Schlusserben

OLG Köln entscheidet zugunsten der Wechselbezüglichkeit in gemeinschaftlichem Testament

In einem bemerkenswerten Urteil des OLG Köln wurde die Beschwerde einer Beteiligten zugunsten der Feststellung entschieden, dass das gemeinschaftliche Ehegattentestament nach dem Tod eines der Ehepartner nicht mehr einseitig abgeändert werden kann, wenn es eine wechselbezügliche Bestimmung enthält. Das Gericht entschied, dass die nachfolgenden Testamente der Erblasserin, welche einen Dritten als Alleinerben einsetzten, nicht wirksam waren, da sie die ursprüngliche, wechselbezügliche Einsetzung eines Patenkindes als Schlusserben nicht aufheben konnten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-2 Wx 259/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Köln entschied zugunsten der Wechselbezüglichkeit in einem Ehegattentestament.
  • Die spätere Einsetzung eines Dritten als Alleinerbe durch die Erblasserin war unwirksam.
  • Die ursprüngliche Einsetzung des Patenkindes als Schlusserben blieb bestehen.
  • Eine Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments nach dem Tod eines Ehepartners war nicht möglich.
  • Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der wechselbezüglichen Bestimmungen in gemeinschaftlichen Testamenten.

Ehegattentestamente können als rechtliche Absicherung für Ehepartner dienen, um sicherzustellen, dass der Nachlass im Falle des Ablebens eines oder beider Ehepartner verteilt wird. Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit Ehegattentestamenten ist die sogenannte Wechselbezüglichkeit. Hierbei geht es darum, ob eine Veränderung oder Aufhebung des Testaments vor dem Hintergrund der vorgenommenen Erbeinsetzungen zulässig ist oder nicht. Ein besonderes Augenmerk verdient dabei die Einsetzung von Patenkindern als Schlusserben, da dies häufig eine wechselbezügliche Verfügung darstellt. Der Fall, der kürzlich vom Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden wurde, zeigt deutlich die Bedeutung dieser Konstellation im Erbrecht.

Im Kern des vorliegenden Falles steht ein Ehegattentestament, das vom Oberlandesgericht Köln unter dem Aktenzeichen I-2 Wx 259/22 behandelt wurde. Die Entscheidung fiel am 13. April 2023 und betraf die wechselbezügliche Einsetzung eines Patenkindes als Schlusserben durch ein Ehepaar, das keine eigenen Kinder hatte. Die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann hatten ursprünglich ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und für den Fall ihres beiderseitigen Ablebens das Patenkind des Mannes und eine Freundin der Familie als Erben benannten.

Wechselbezügliche Testamente und ihre Bindungswirkung

Das juristische Herzstück dieses Falles bildet die Frage nach der Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten. Nach deutschem Erbrecht können Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen treffen, die so eng miteinander verbunden sind, dass die eine ohne die andere nicht gelten soll. Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin nach dem Tod ihres Mannes versucht, durch spätere Testamente eine andere Alleinerbin einzusetzen, was zur rechtlichen Auseinandersetzung führte.

Der Rechtsstreit um das Erbe

Nach dem Tod der Erblasserin erhob der als Schlusserbe eingesetzte Patensohn Anspruch auf das Erbe, gestützt auf das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament. Gegen diesen Anspruch wandten sich andere potenzielle Erben, darunter die Tochter einer Freundin der Erblasserin, die in späteren Testamenten als Alleinerbin benannt wurde. Der Kern des Streits lag darin, ob die späteren Testamente die ursprünglichen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments aufheben konnten.

OLG Kölns Grundsatzentscheidung

Das OLG Köln entschied, dass die späteren Testamente der Erblasserin die wechselbezüglichen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments nicht aufheben konnten. Die Einsetzung des Patenkindes als Schlusserbe blieb bestehen, da die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden war. Diese Entscheidung bestätigt die hohe Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente, sofern sie wechselbezügliche Verfügungen enthalten.

Juristische Feinheiten und die Rolle des Patenkindes

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Rolle des Patenkindes, das trotz fehlender Blutsverwandtschaft als Schlusserbe eingesetzt wurde. Das Gericht stellte klar, dass eine enge persönliche Beziehung zwischen den Eheleuten und dem Patenkind, wie sie in manchen Fällen für die Wechselbezüglichkeit erforderlich ist, hier nicht nachgewiesen werden musste. Stattdessen genügte die ausdrückliche Benennung im Testament, um die Bindungswirkung zu erzeugen.

Die Entscheidung des OLG Köln verdeutlicht die Notwendigkeit für Ehepaare, bei der Erstellung gemeinschaftlicher Testamente die langfristigen Folgen wechselbezüglicher Verfügungen zu bedenken.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einem Ehegattentestament?

Unter einem Ehegattentestament versteht man eine besondere Form des Testaments, die nur von Ehepartnern oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden kann (§ 2265 BGB). Es handelt sich dabei um ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen und Regelungen für den Nachlass treffen.

Das Ehegattentestament kann verschiedene Gestaltungen annehmen, wobei das sogenannte Berliner Testament eine bekannte Variante ist. Hierbei setzen sich die Ehepartner wechselseitig als Alleinerben ein und bestimmen in der Regel ihre Kinder als Schlusserben, die erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners erben.

Eine wichtige Eigenschaft des Ehegattentestaments ist die Bindungswirkung. Nach § 2271 BGB entfalten gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten eine sogenannte Bindungswirkung, was bedeutet, dass Verfügungen, die als wechselbezüglich (also aufeinander bezogen) gelten, zu Lebzeiten beider Partner nicht einseitig ohne Wissen des anderen geändert werden können. Nach dem Tod eines Partners ist der überlebende Ehepartner grundsätzlich an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden und kann diese nicht mehr widerrufen.

Es ist ratsam, die Wechselbezüglichkeit oder das Fehlen einer Bindungswirkung im Ehegattentestament ausdrücklich zu regeln, um Unklarheiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Bei der Erstellung eines Ehegattentestaments sollten Ehepartner sorgfältig vorgehen und sich von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten lassen, um alle rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen und ihre Wünsche korrekt zu formulieren.

Wie wird die Wechselbezüglichkeit bei Testamenten definiert?

Wechselbezüglichkeit bei Testamenten ist ein Konzept, das vor allem in gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern eine Rolle spielt. Eine Verfügung in einem Testament gilt als wechselbezüglich, wenn sie so eng mit einer anderen Verfügung verbunden ist, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie ohne diese andere Verfügung nicht getroffen worden wäre. Das bedeutet, dass die eine Verfügung von der anderen abhängig ist und beide Verfügungen gemeinsam „stehen und fallen“ sollen.

Im Kontext eines Ehegattentestaments bedeutet dies typischerweise, dass Verfügungen, die die Ehegatten bezüglich ihrer Erbfolge treffen, in einem solchen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen. Ein klassisches Beispiel ist, wenn sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen und zusätzlich festlegen, dass nach dem Tod des zuletzt Verstorbenen der Nachlass an eine dritte Person oder an ihre Kinder gehen soll. Diese gegenseitige Erbeinsetzung und die Bestimmung der Schlusserben sind dann wechselbezüglich, weil anzunehmen ist, dass jeder Ehegatte die Verfügung nur deshalb getroffen hat, weil auch der andere Ehegatte eine entsprechende Verfügung getroffen hat.

Die Wechselbezüglichkeit führt zu einer Bindungswirkung, die nach dem Tod des ersten Ehegatten eintritt. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte die wechselbezüglichen Verfügungen nicht mehr einseitig ändern oder aufheben kann. Diese Bindungswirkung soll sicherstellen, dass der letzte Wille der Ehegatten, wie er im gemeinschaftlichen Testament zum Ausdruck kommt, auch nach dem Tod des ersten Ehegatten respektiert wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich und damit bindend sind. Nur solche Verfügungen, die mit Rücksicht auf die andere getroffen wurden und nach dem Willen der Testierenden zusammengehören, sind wechselbezüglich. Andere Verfügungen, wie zum Beispiel die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, können vom überlebenden Ehegatten nach dem Tod des ersten Ehegatten geändert werden, sofern sie nicht explizit als wechselbezüglich gekennzeichnet sind.

Um Unklarheiten und spätere Streitigkeiten zu vermeiden, ist es ratsam, im Testament ausdrücklich festzulegen, welche Verfügungen wechselbezüglich und damit bindend sein sollen. Dies kann durch eine klare und eindeutige Formulierung im Testament geschehen.

Welche Rolle spielt ein Patenkind im Kontext eines Ehegattentestaments?

Ein Patenkind kann im Kontext eines Ehegattentestaments eine besondere Rolle spielen, insbesondere wenn es von den Ehegatten als Erbe oder Schlusserbe eingesetzt wird. Dies ist eine Möglichkeit für Ehegatten, Personen außerhalb der direkten Familie in ihre testamentarischen Verfügungen einzubeziehen und ihnen einen Teil ihres Nachlasses zu hinterlassen. Die Einsetzung eines Patenkindes als Erbe oder Schlusserbe kann verschiedene Gründe haben, wie persönliche Bindungen oder der Wunsch, das Patenkind finanziell zu unterstützen.

In einem Ehegattentestament können Ehegatten ihr Patenkind als Schlusserben einsetzen, was bedeutet, dass das Patenkind den Nachlass oder einen Teil davon erst nach dem Tod beider Ehegatten erbt. Dies ist eine gängige Praxis im Rahmen des sogenannten Berliner Testaments, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen und ihre Kinder oder in diesem Fall das Patenkind als Schlusserben bestimmen.

Es gibt auch Fälle, in denen Ehegatten ein Patenkind unter bestimmten Bedingungen als Erben einsetzen, wie zum Beispiel die Erwartung von Pflegediensten im Alter. Wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, kann dies zu Anfechtungen des Testaments führen.

Die Einsetzung eines Patenkindes als Erben kann auch steuerliche Überlegungen beinhalten. Da Patenkinder in der Regel nicht zu den direkten Abkömmlingen zählen, fallen sie in eine ungünstigere Steuerklasse mit niedrigeren Freibeträgen und höheren Steuersätzen. Dies kann bei der Testamentsgestaltung berücksichtigt werden, um die steuerliche Belastung für das Patenkind zu minimieren.

Es ist wichtig, dass Ehegatten, die ein Patenkind in ihrem Testament berücksichtigen möchten, dies klar und eindeutig formulieren, um Missverständnisse und rechtliche Auseinandersetzungen nach ihrem Tod zu vermeiden. Eine fachkundige Beratung durch einen Notar oder einen Fachanwalt für Erbrecht kann dabei helfen, die testamentarischen Wünsche korrekt zu dokumentieren und rechtliche Fallstricke zu vermeiden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 2253 BGB (Widerruf eines Testaments): Erlaubt es einem Erblasser, sein Testament jederzeit zu widerrufen. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Erblasserin die Möglichkeit hatte, ihre früheren testamentarischen Anordnungen zu ändern.
  • § 2254 BGB (Widerrufsfrist): Setzt Fristen für den Widerruf eines Testaments. Dieser Paragraph ist relevant, da er die Bedingungen festlegt, unter denen der Widerruf erfolgen muss.
  • § 2258 BGB (Widerruf durch Errichtung eines neuen Testaments): Besagt, dass ein Testament durch die Errichtung eines neuen Testaments widerrufen werden kann, sofern das neue Testament die Absicht zum Widerruf erkennen lässt. Im Kontext des Urteils wurde die frühere Verfügung durch spätere Testamente der Erblasserin widerrufen.
  • § 2270 BGB (Wechselbezüglichkeit von Verfügungen): Definiert, wann Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten als wechselbezüglich anzusehen sind, d.h., sie sind voneinander abhängig und können nicht unabhängig voneinander widerrufen werden. Im diskutierten Urteil wurde festgestellt, dass die Einsetzung des Beteiligten zu 1) als Erbe nicht wechselbezüglich erfolgte.
  • § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB (Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments): Erläutert die Umstände, unter denen ein gemeinschaftliches Testament widerrufen werden kann. Dieser Paragraph ist besonders wichtig, da er die rechtlichen Grenzen für den Widerruf nach dem Tod eines Ehepartners aufzeigt.
  • § 58 Abs. 1 FamFG (Statthaftigkeit der Beschwerde): Bestimmt die Zulässigkeit einer Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen im familiengerichtlichen Verfahren. Im Urteil wurde festgestellt, dass die Beschwerde der Beteiligten zu 2) statthaft und somit zulässig war.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 259/22 – Beschluss vom 13.04.2023

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 18.11.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Wipperfürth vom 18.10.2022, 8 VI 113/22, abgeändert und der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe

I.

Am 00.00.2021 ist O. E. (im Folgenden: Erblasserin) verstorben. Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit dem am 00.00.1995 vorverstorbenen S. M. E.. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten keine Kinder. Der Beteiligte zu 1) ist der Patensohn des Ehemanns der Erblasserin. Die Beteiligte zu 2) ist die Tochter und Alleinerbin der am 00.00.2022 nachverstorbenen A. G., einer Freundin der Erblasserin.

Die Erblasserin hat drei vom Nachlassgericht eröffnete letztwillige Verfügungen hinterlassen, ein gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtetes handschriftliches Testament vom 05.09.1992 (Bl. 5 d. Testamentsakte 8 IV 114/22), ein handschriftlich von ihr verfasstes Testament vom 30.10.1999 (Bl. 41 d. Testamentsakte 8 IV 114/22) und ein notarielles Testament vom 17.11.1999 – UR.Nr. 1760/1999 des Notars I. in Q. (Bl. 22 ff. d. Testamentsakte 8 IV 114/22).

In dem gemeinschaftlichen Testament vom 05.09.1992 haben sich die Erblasserin und ihr Ehemann gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weiterhin ist in dem Testament Folgendes geregelt:

„Im Fall des Ablebens beider Ehegatten erben 1. Frau H. B., geb. 00.00.1910, den Miteigentumsanteil 1496/100.000 an dem Grundstück Flur N01, Flurstück N02, P.-straße N03 in N., Aufteilungsplan Nr. 14 2. das restliche Vermögen erbt Herr U. J., geb. 00.00.1965“

Ferner enthält das Testament einen handschriftlichen Zusatz der Frau R. J., wonach das Testament in ihrem Beisein errichtet worden sei. Die in dem Testament bedachte H. B., die Mutter der Erblasserin, ist nach Errichtung dieses Testaments vom 05.09.1992 vorverstorben.

In den beiden Testamenten vom 30.10.1999 und 17.11.1999 hat die Erblasserin Frau A. G., die Mutter der Beteiligten zu 2), zu ihrer alleinigen Erbin eingesetzt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 12.10.2021 hat der Beteiligte zu 1) die Anfechtung des notariellen Testaments vom 17.11.1999 erklärt.

Mit notarieller Urkunde vom 22.02.2022 hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 3 ff. d.A. des AG). Er hat vorgetragen, dass er alleiniger Erbe der Erblasserin sei, nachdem die Mutter der Erblasserin, Frau H. B., vorverstorben sei. Eine Abänderung des gemeinschaftlichen Testaments vom 05.09.1992 durch die Erblasserin sei nach dem Tod ihres vorverstorbenen Ehemannes aufgrund der Bindungswirkung seiner Einsetzung als Schlusserbe nicht mehr möglich gewesen. Er sei als Patensohn für den Ehemann der Erblasserin wie ein eigener Sohn gewesen.

Mit notarieller Urkunde vom 14.02.2022 hat auch Frau A. G., die Mutter der Beteiligten zu 2), die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 21 ff. d.A. des AG). Frau G., und nach deren Tod die Beteiligte zu 2), haben vorgetragen, dass die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes nicht an das gemeinschaftliche Testament vom 05.09.1992 gebunden gewesen sei. Es habe keine enge Bindung zwischen den Eheleuten E. und dem Beteiligten zu 1) bestanden. So sei der Beteiligte zu 1) nie bei Familienfesten anwesend gewesen. Zudem sei der Beteiligte zu 1) nur als Erbe für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Erblasserin und ihres Ehemannes eingesetzt worden. Hierzu sei es aber nicht gekommen.

Durch Beschluss vom 18.10.2022, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 63 ff. d.A. des AG), hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Eine Entscheidung über den Antrag der Mutter der Beteiligten zu 2) hat das Nachlassgericht nicht getroffen.

Gegen diesen der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) am 19.10.2022 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) mit am 18.11.2022 beim Amtsgericht Wipperfürth eingegangenen Schriftsatz vom 18.11.2022, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 74 ff. d.A. des AG), Beschwerde eingelegt.

Durch Beschluss vom 24.11.2022, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 91 d.A. des AG).

II.

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere in rechter Form und Frist eingelegt worden (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 2) gem. § 59 Abs. 1 FamFG liegt vor, weil sie vorträgt, Erbin einer Erbprätendentin zu sein.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins ist unbegründet, weil er entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts nicht Erbe der Erblasserin geworden ist. Die Erblasserin hat die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1) im gemeinschaftlichen Testament vom 05.09.1992 durch die späteren Testamente vom 30.10.1999 und 17.11.1999 gem. §§ 2253, 2254, 2258 Abs. 1 BGB wirksam widerrufen. Die Erblasserin war an diesem Widerruf nicht gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB gehindert, weil die Einsetzung des Beteiligten zu 1) im Testament vom 05.09.1992 nicht gem. § 2270 BGB wechselbezüglich erfolgt ist.

Eine Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament setzt gemäß § 2270 Abs. 1 BGB voraus, dass aus dem Zusammenhang des Motivs heraus die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, also nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll (KG, Beschluss vom 17.02.2021 – 6 W 1071/20, ErbR 2021, 1042-1045, Rn. 6 nach juris; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2. Aufl. 2023, § 2270 Abs. 1 m.w.N.). Enthält das Testament – wie hier – keine ausdrückliche Bestimmung über die Wechselbezüglichkeit, ist diese durch Auslegung zu bestimmen. Dabei muss der Inhalt der Erklärungen als Ganzes gewürdigt werden, einschließlich der Nebenumstände, und zwar auch solcher außerhalb der Testamentsurkunde, soweit sie im Testament angedeutet wurden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen. Für ein solches Verhältnis zwischen der Einsetzung der Erblasserin durch ihren vorverstorbenen Mann und der Einsetzung des Beteiligten zu 1) durch die Erblasserin oder zwischen den jeweiligen Einsetzungen des Beteiligten zu 1) durch die Erblasserin und ihren Ehemann sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Auch die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB greift nicht ein. Ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1) bestand nicht. Auch ein „Nahestehen“ im Sinne des § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB liegt nicht vor. An den Begriff des „Nahestehens“ sind hohe Anforderungen zu stellen (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2270 Rn. 9 m.w.N.). Nahestehende Personen in diesem Sinne sind nur solche, zu denen zumindest der begünstigende Ehegatte eine derart enge innere Beziehung hat, dass sie dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entspricht. Diesbezüglich sind strenge Anforderungen zu stellen, um die Auslegungsregel nicht zum gesetzlichen Regelfall werden zu lassen (OLG Koblenz, Beschluss vom 13.12.2006 – 2 U 80/06, Rn. 5 nach juris; Erman/S. Kappler/T. Kappler, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2270 Rn. 7). Insbesondere genügt ein freundschaftliches, ungetrübtes Verhältnis insoweit nicht, da ein solches zu letztwillig bedachten Personen regelmäßig besteht. Dies gilt auch dann, wenn das Verhältnis durch regelmäßige Treffen, gemeinsame Freizeitaktivitäten und die Teilnahme an Familienfeiern regelmäßig gepflegt wird (OLG Hamm, Beschluss vom 06.10.2014 – 10 W 194/13, Rn. 48 nach juris). Der Umstand, dass es sich bei dem Begünstigten um ein „Patenkind“ handelt, genügt in der Regel ebenfalls nicht (Erman/S. Kappler/T. Kappler, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2270 Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 10.12.2009 – 15 Wx 344/08, Rn. 33 nach juris). Hiervon ausgehend ist nicht von einem „Nahestehen“ des Beteiligten zu 1) zum vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin auszugehen. Soweit die Zeugin J. in ihrer eidesstattlichen Versicherung erklärt hat, der Beteiligte zu 1) sei nicht nur Patensohn des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin gewesen, sondern von diesem „als Sohn oder Kindersatz“ betrachtet worden, reicht dies zur Annahme eines „Nahestehens“ hier nicht aus. Denn dies sagt nichts über das tatsächliche Verhältnis zwischen den beiden aus. Der Beteiligte zu 1) hat offenbar nicht an gemeinsamen Feierlichkeiten der Erblasserin und ihres Ehemannes teilgenommen, insbesondere auch nicht an den Geburtstagsfeiern des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin. Es ist nichts darüber bekannt, ob ein inniges Verhältnis zwischen beiden bestand, sie häufig Kontakt zueinander gehabt haben, es Zuwendungen oder Pflegeleistungen gegeben hat. Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen in der eidesstattlichen Versicherung der Zeugin J., wonach die Eheleute keine eigenen Kinder hatten und es auch sonst keine nahen Verwandten oder Freunde gab, spricht der Umstand, dass – letztlich – der Beteiligte zu 1) als Schlusserbe eingesetzt worden ist, nicht dafür, dass es den Eheleuten darauf angekommen wäre, den Beteiligten zu 1) bindend einzusetzen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Beteiligte zu 1) der einzige gewesen ist, der überhaupt als Schlusserbe in Betracht gekommen ist. Dies spricht indes gegen eine Bindungswirkung der Einsetzung. Hätten die Eheleute eine Bindungswirkung gewollt, hätte es vielmehr nahegelegen, dies im Testament auch anklingen zu lassen. Im Testament vom 05.09.1992 ist aber nicht einmal erwähnt worden, dass es sich bei dem Beteiligten zu 1) um das Patenkind des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin gehandelt hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 660.000,00 EUR

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den Angaben des Beteiligten zu 1), Bl. 30 d.A..

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!