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Erbeinsetzung zugunsten desjenigen, der den Erblasser bis zum Tod pflegt und betreut

Unzureichende Erbeinsetzung bei Pflege und Betreuung

Das OLG München hat in seinem Beschluss vom 25.09.2023 (Az. 33 Wx 38/23 e) entschieden, dass die im Testament benannte Person keine Erbrechte herleiten kann, da keine konkrete Erbeinsetzung vorliegt. DieErblasserin hat lediglich Bedingungen genannt, die ein potenzieller Erbe erfüllen muss, ohne jedoch eine spezifische Person endgültig als Erben zu bestimmen. Die Nennung einer Person im Testament wurde nur beispielhaft und nicht als endgültige Erbeinsetzung interpretiert.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 33 Wx 38/23 e >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil

  1. Beschwerde gegen den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 wurde stattgegeben.
  2. Keine konkrete Erbeinsetzung im Testament, lediglich Bedingungen für einen potenziellen Erben.
  3. Nennung der Beteiligten zu 1 im Testament nur beispielhaft, nicht als definitive Erbnachfolge.
  4. Auslegung des Testaments gemäß § 133 BGB fokussiert auf den wahren Willen des Erblassers.
  5. Unzulässigkeit der Überlassung der Bestimmung des Erben an einen Dritten.
  6. Fehlende Klarheit bezüglich der Kriterien, die ein Erbe erfüllen muss.
  7. Keine hinreichende Sicherheit, wer die festgelegten Voraussetzungen erfüllt.
  8. Erfolglose Ermittlungsansätze zur Feststellung des wahren Erblasserwillens.

Unklare Erbeinsetzung: Gefahren und rechtliche Fallstricke

Eine Erbschaft zu hinterlassen ist ein komplexer rechtlicher Prozess, bei dem es wichtig ist, die eigenen Wünsche klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere bei der Bestimmung eines Erben, der den Erblasser bis zu dessen Tod pflegt und betreut, gibt es einige rechtliche Herausforderungen, die es zu beachten gilt. Eine unklare Formulierung im Testament kann zu Unklarheiten führen und die Gültigkeit des Testaments gefährden. Es ist daher wesentlich, dass der Erblasser seinen Willen klar und deutlich zum Ausdruck bringt, um Missverständnisse zu vermeiden und die Intention der Erbeinsetzung rechtlich durchsetzbar zu machen.

Im Zentrum des Falles stand die Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin die Person als Alleinerbin bestimmt hatte, die sie „bis zu meinem Tode pflegt und betreut“. Diese Konstellation führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, die letztlich vom OLG München unter dem Aktenzeichen 33 Wx 38/23 e am 25.09.2023 entschieden wurde. Die Entscheidung des Amtsgerichts München wurde aufgehoben, und der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1, die zum Zeitpunkt des Testaments die Erblasserin pflegte und betreute, wurde zurückgewiesen.

Die Testamentsformulierung und ihre Tücken

Die Erblasserin, eine kinderlose und verwitwete Frau, verfasste 2011 ein handschriftliches Testament, in dem sie das gesamte Vermögen der Person vermachen wollte, die für ihre Pflege und Betreuung bis zum Tod verantwortlich war. Diese direkte Nennung einer bestimmten Pflegeperson im Testament warf die Frage auf, ob damit eine gültige Erbeinsetzung vorliegt. Das OLG München sah dies jedoch anders. Die Richter stellten fest, dass die Erblasserin keine spezifische Person als Erben festgelegt hatte, sondern lediglich Bedingungen nannte, die ein potenzieller Erbe erfüllen muss.

Die rechtliche Herausforderung bei der Testamentsauslegung

Die juristische Komplexität des Falles ergab sich vor allem aus der Notwendigkeit, den wahren Willen der Erblasserin zu ermitteln. Die Auslegung des Testaments zeigte, dass die Erblasserin keine konkrete Person als Erben benannt hatte. Stattdessen verwies sie auf die Rolle, die die betreffende Person zum Zeitpunkt ihres Todes einnahm. Dies führte zu einer Unsicherheit darüber, wer letztlich als Erbe gelten könnte. Die rechtliche Herausforderung bestand darin, zu klären, inwieweit eine solche Formulierung eine wirksame Erbeinsetzung darstellt.

Die Entscheidungsfindung des Gerichts

Das OLG München urteilte, dass die bloße Beschreibung einer Rolle oder Funktion ohne die Benennung einer spezifischen Person nicht ausreicht, um jemanden als Erben einzusetzen. Die Richter betonten, dass der Erblasserwillen nicht unvollständig geäußert werden darf, sodass es einem Dritten überlassen bleibt, wesentliche Teile des Willens zu ergänzen. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der Feststellung, dass die Erblasserin zwar eine Vorstellung davon hatte, wer ihr Vermögen erben sollte, diese Vorstellung aber nicht hinreichend konkret im Testament zum Ausdruck brachte.

Die Rolle der Betreuungsperson im Erbrecht

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Falles war die Rolle der Betreuungsperson. Die Erblasserin hatte neben der Beteiligten zu 1 auch eine weitere Person als Betreuerin benannt. Dies unterstrich die Komplexität der Situation und die Schwierigkeit, aus den gegebenen Informationen eine klare Entscheidung über die Erbnachfolge zu treffen. Das Gericht wies darauf hin, dass die Betreuungspersonen zwar eine wichtige Funktion im Leben der Erblasserin spielten, dies jedoch nicht automatisch eine Erbeinsetzung nach sich zieht.

Das Urteil des OLG München verdeutlicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Formulierung in Testamenten. Es zeigt auf, dass allgemeine Beschreibungen oder die Benennung von Rollen ohne direkte Personenbezeichnung nicht ausreichen, um eine wirksame Erbeinsetzung zu begründen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was besagt eine Erbeinsetzung im Kontext der Pflege und Betreuung bis zum Tod des Erblassers?

Eine Erbeinsetzung im Kontext der Pflege und Betreuung bis zum Tod des Erblassers bedeutet, dass der Erblasser eine Person, die ihn gepflegt und betreut hat, als Erben in seinem Testament oder Erbvertrag bestimmt. Nach § 1937 BGB kann der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag den oder die Erben bestimmen, was als Erbeinsetzung bezeichnet wird.

Im Falle von Pflegekräften, die sich um den Erblasser gekümmert haben, ist es grundsätzlich möglich, dass diese in einem Testament als Erben eingesetzt werden. Dies kann sowohl private Pflegekräfte als auch professionelle Pflegekräfte von ambulanten Pflegediensten betreffen. Allerdings gibt es Einschränkungen, wenn es sich um Pflegepersonal in stationären Einrichtungen wie Alten- oder Pflegeheimen handelt. Hier verbietet § 14 des Heimgesetzes eine Erbeinsetzung zugunsten des Personals, um Interessenkonflikte und den Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen zu verhindern.

Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei jeder testamentarischen Verfügung auch die Rechte pflichtteilsberechtigter Erben, wie beispielsweise Kinder des Erblassers, gewahrt bleiben müssen. Sollte die Pflegekraft den gesamten Nachlass erhalten, könnten die Pflichtteilsansprüche der gesetzlichen Erben berührt werden.

In der Praxis kann die Erbeinsetzung einer Pflegeperson problematisch sein, da die Gefahr besteht, dass die Pflegebedürftigkeit und Hilflosigkeit des Erblassers ausgenutzt wird, um finanzielle Vorteile zu erlangen. Daher ist es wichtig, dass die Testierfreiheit des Erblassers nicht durch ein Abhängigkeitsverhältnis oder eine psychische Zwangslage beeinträchtigt wird. Insbesondere bei berufsmäßigen Betreuern kann die Erbeinsetzung als sittenwidrig angesehen werden, wenn der Betreuer seine Vertrauensstellung ausnutzt, um als Erbe eingesetzt zu werden.

Zusammenfassend ermöglicht die Erbeinsetzung dem Erblasser, eine Person, die ihn bis zu seinem Tod gepflegt und betreut hat, als Erben zu bestimmen. Dabei müssen jedoch rechtliche Rahmenbedingungen und die potenzielle Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen beachtet werden.

Welche Rolle spielt die deutliche Benennung einer Person im Testament für die Gültigkeit der Erbeinsetzung?

Die deutliche Benennung einer Person im Testament ist für die Gültigkeit der Erbeinsetzung von entscheidender Bedeutung. Nach deutschem Erbrecht muss der Erblasser seine testamentarischen Verfügungen klar und eindeutig formulieren, damit diese wirksam sind. Die Identifizierung der bedachten Person muss ohne weiteres möglich sein, und es darf keine Unsicherheit darüber bestehen, wer als Erbe eingesetzt ist.

Gemäß § 2084 BGB wird bei der Auslegung eines Testaments grundsätzlich zugunsten der Wirksamkeit interpretiert. Das bedeutet, dass im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen ist, die zur Wirksamkeit der Verfügung führt. Allerdings darf die Bestimmung einer Person als Erben nicht einem Dritten überlassen werden. Wenn der Erblasser die Bezeichnung der Person an einen Dritten überträgt, müssen sich aus dem Testament eindeutige Hinweise ergeben, die eine Identifizierung der bedachten Person ermöglichen.

Ein Testament muss so formuliert sein, dass es keine Zweifel an der Person des Erben gibt. Eine beispielhafte Benennung oder eine Formulierung, die die endgültige Bestimmung des Erben offenlässt, ist nicht ausreichend für eine wirksame Erbeinsetzung. Das Oberlandesgericht München hat in einem Fall entschieden, dass eine Formulierung, die eine Person nur beispielhaft und nicht endgültig als Erben benennt, nicht wirksam ist.

Beim eigenhändigen Testament muss der gesamte Text vom Erblasser handschriftlich verfasst und unterzeichnet sein, inklusive Ort und Datum, um die Verfügung wirksam zu machen. Jegliche Unklarheiten oder Lücken im Testament können zu Auslegungsschwierigkeiten führen und die Wirksamkeit der Erbeinsetzung gefährden.

Warum ist eine klare Unterscheidung zwischen der Benennung und der Bestimmung einer erbberechtigten Person wichtig?

Eine klare Unterscheidung zwischen der Benennung und der Bestimmung einer erbberechtigten Person ist im deutschen Erbrecht von großer Bedeutung, um die Wirksamkeit testamentarischer Verfügungen zu gewährleisten und rechtliche Unklarheiten zu vermeiden. Die Bestimmung einer Person als Erbe oder Vermächtnisnehmer erfordert eine eindeutige Festlegung durch den Erblasser selbst. Dies bedeutet, dass der Erblasser in seinem Testament oder Erbvertrag konkret angeben muss, wer als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt wird. Eine unzulässige Drittbestimmung, bei der die Auswahl der erbberechtigten Person einem Dritten überlassen wird, ist zu unterscheiden von der zulässigen Drittbezeichnung, bei der der Erblasser einen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen ein Dritter die konkrete Person benennen kann.

Im Kontext des Vermächtnisses ist es dem Erblasser erlaubt, die Benennung der Person des Vermächtnisnehmers einem Dritten zu überlassen, sofern er einen konkreten Personenkreis beschrieben hat. Dies ermöglicht eine gewisse Flexibilität bei der Gestaltung testamentarischer Verfügungen, ohne die grundsätzliche Anforderung der Bestimmtheit zu unterlaufen. Die Unterscheidung zwischen Benennung und Bestimmung ist daher entscheidend, um die Intention des Erblassers rechtswirksam umzusetzen und sicherzustellen, dass der Nachlass gemäß seinen Wünschen verteilt wird.

Die klare Unterscheidung trägt auch dazu bei, potenzielle Konflikte unter den Erben oder zwischen Erben und Vermächtnisnehmern zu minimieren. Unklarheiten in der Formulierung eines Testaments können zu langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen führen, die den Nachlasswert erheblich mindern und das Verhältnis zwischen den Beteiligten belasten können. Daher ist es für den Erblasser essenziell, seine testamentarischen Verfügungen so eindeutig wie möglich zu gestalten und dabei die rechtlichen Vorgaben zur Bestimmung und Benennung von Erben und Vermächtnisnehmern zu beachten.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 33 Wx 38/23 e – Beschluss vom 25.09.2023

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 06.12.2022, Az. 617 VI 14143/21, aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom xx.xx.2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die kinderlose und verwitwete Erblasserin ist am xx.xx.2021 in München verstorben. Ihr Ehemann ist im Jahre 1983 vorverstorben. Mit diesem hatte sie am xx.xx.1965 einen notariellen Erbvertrag errichtet, der gegenseitige Erbeinsetzungen für den ersten Erbfall vorsah und hinsichtlich der Erbeinsetzung für den zweiten Erbfall dem überlebenden Ehegatten das Recht zur vollständigen Abänderung einräumte.

Die Erblasserin errichtete am 01.04.2011 ein handschriftliches Testament folgenden Inhalts:

„Mein letzter Wille!

Die Person, die mich bis zu meinem Tode pflegt und betreut, soll mein gesamtes Vermögen bekommen!“

Zurzeit ist es : Frau xx. xx [= Beteiligte zu 1], wohnhaft … Ich bin im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.

[Unterschrift]

Das Nachlassgericht erließ am 06.12.2022 einen Beschluss, in dem es die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 ankündigte und die sofortige Wirksamkeit aussetze. Der dagegen seitens der Beschwerdeführerin eingelegten Beschwerde vom 11.01.2023 half das Nachlassgericht mit Beschluss vom 31.01.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat vor.

Mit richterlicher Verfügung vom 05.04.2023 hat der Senat die Akten des bezüglich der Erblasserin geführten Betreuungsverfahrens beigezogen. Soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung, ergaben sich daraus folgende Erkenntnisse:

Mit Beschluss vom 11.02.2014 wurde auf Wunsch der Erblasserin nicht nur die Beteiligte zu 1, sondern auch Frau D. P. als Betreuerin für die Erblasserin bestellt. Die Erblasserin hatte im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung zuvor erklärt, sie würde beide Damen mögen, sie seien sehr patent und anständig. Durch Beschluss des Amtsgerichts München – Betreuungsgericht – vom 13.07.2017 wurde eine weitere Betreuerin bestellt, die Betreuerin D. P. wurde auf eigenen Wunsch entlassen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und auch im Ergebnis erfolgreich.

Der Senat teilt die Ansicht des Nachlassgerichts, dass keine Zweifel an der Urheberschaft der Erblasserin hinsichtlich des Testaments vom 01.04.2011 bestehen. Allerdings kann die Beteiligte zu 1 aus dem Testament keine Rechte herleiten, denn dieses Testament enthält keine Erbeinsetzung zu ihren Gunsten. Zwar wird die Beteiligte zu 1 in diesem Testament namentlich genannt, eine Erbeinsetzung ist damit aber nicht verbunden, denn die Erblasserin hat als Erbin gerade keine bestimmte Person eingesetzt (sogleich unter 1.). Vielmehr hat sie lediglich Voraussetzungen festgelegt, die ein Erbe erfüllen muss und festgehalten, dass die Beteiligten zu 1 diese Voraussetzungen derzeit erfüllt. Welche Voraussetzungen genau das sind, lässt sich jedoch nicht feststellen, so dass sich auch nicht feststellen lässt, welche Person diese Voraussetzungen erfüllt (sogleich unter 2.).

1. Die Beteiligte zu 1 wurde durch ihre namentliche Benennung im Testament vom 01.04.2011 nicht als Erbin eingesetzt. Die Namensnennung der Beteiligten zu 1 erfolgte in diesem Zusammenhang nur beispielhaft; als Rechtsnachfolgerin sollte sie jedenfalls nur dann bestimmt sein, wenn sie die von der Erblasserin genannten Voraussetzungen bzw. Bedingungen erfüllt. Das ergibt sich im Wege der Testamentsauslegung.

a) Bei der Testamentsauslegung gemäß § 133 BGB kommt es auf die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers an, ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH, Urteil vom 16.07.1997, IV ZR 356/96, ZEV 1997, 376; MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 1; Burandt/Rojahn/Czubayko, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 9; Krätzschel in: Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022 § 9 Rn. 10; NK-Erbrecht/Fleindl/Kroiß, 6. Aufl. 2022, § 2084 Rn. 3).

Für die Entscheidung, ob eine Person als Erbe eingesetzt ist oder nicht, kommt es wesentlich darauf an, wer nach dem Willen des Erblassers den Nachlass zu regeln und die Nachlassschulden zu tilgen hat, sowie darauf, ob der Bedachte unmittelbar Rechte am Nachlass erwerben soll (BayObLG, Beschluss vom 09.12.1985, BReg. 1 Z 90/85, FamRZ 1986, 835).

Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH, Urteil vom 08.12.1982, IVa ZR 94/81, NJW 1983, 672; BGH, Urteil vom 07.10.1992, IV ZR 160/91, NJW 1993, 256).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich eine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 nicht feststellen. Bereits die Verwendung des Wortes „derzeit“ spricht dagegen, dass die Erblasserin mit der namentlichen Nennung der Beteiligten zu 1 ihren Rechtsnachfolger in wirtschaftlicher Hinsicht endgültig benennen wollte. Insbesondere im Zusammenspiel mit dem oberen Teil des Testaments, in dem die Erblasserin die Zuwendung für denjenigen anordnet, der sie „pflegt und betreut“, ergibt sich, dass die Beteiligte zu 1 lediglich beispielhaft erwähnt wurde und nicht endgültig als Erbin benannt werden sollte.

2. Die Erblasserin hat in ihrem Testament vom 01.04.2011 keinen Rechtsnachfolger benannt. Nach den von ihr aufgestellten Kriterien lässt sich ein solcher auch nicht hinreichend sicher ermitteln.

a) Der Erblasser darf die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung im Sinne einer Erbeinsetzung auf Grund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erblasserwillen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (vgl. BGH, Urteil vom 18.11.1954, IV ZR 152/54, NJW 1955, 100). Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung darf einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament, die gegebenenfalls zuvor nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen sind (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 2065 Rn. 34; Horn/Kroiß, NJW 2013, 2978 f), so genau sein, dass eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person den Bedachten bezeichnen kann, ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist (BayObLG, Beschluss vom 27.11.1990, BReg. 1a Z 76/88, FamRZ 1991, 610; OLG München, 31 Wx 55/13, ZEV 2013, 617).

Soweit der Wille des Testierenden durch Auslegung festgestellt werden kann, liegt kein Fall der unzulässigen Bestimmung der Person des Bedachten durch einen Dritten vor. Die Testamentsauslegung ist, auch wenn sie wertende Elemente enthält, nicht die in § 2065 BGB gemeinte unzulässige Willensentscheidung; das Gericht ist insoweit nie Dritter (OLG Köln, 2 Wx 536/16, FGPrax 2017, 41). § 2065 BGB greift indes dann ein, wenn der Wortlaut der letztwilligen Verfügung so unbestimmt ist, dass die Auslegung ergebnislos bleiben muss (BayObLG, Beschluss v. 23.05.2001, 1 Z BR 10/01, FamRZ 2002, 200 m. w. N.; Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2019, § 2065 Rn. 19b).

b) So liegt der Fall hier. Auch im Wege der Testamentsauslegung lässt sich nicht feststellen, welche Kriterien nach dem allein maßgeblichen Erblasserwillen erfüllt sein müssen, damit der Erbe benannt werden kann.

aa) Schon in zeitlicher Hinsicht lässt sich nicht feststellen, was die Erblasserin mit der Formulierung „bis zu meinem Tod“ zum Ausdruck bringen wollte.

(1) Fraglich ist bereits, ob die Erblasserin sich bei der Errichtung des Testaments von der Vorstellung leiten ließ, dass die Person, die sie „pflegt und betreut“ dies ab Errichtung des Testaments zu tun hat. Da die Erblasserin die Beteiligte zu 1 insoweit erwähnt, als sie sie als die Person bezeichnet, die „derzeit“ pflegt und betreut, ließe sich die Formulierung in diese Richtung auslegen.

(2) Denkbar ist aber auch, dass (auch) ein späteres Übernehmen von Pflege und Betreuung ausreichend sein sollte. Dafür ließe sich immerhin anführen, dass ein Interesse an Pflege und Betreuung häufig erst dann entsteht, wenn der Betreffende tatsächlich pflege- und betreuungsbedürftig wird. Bei einer Auslegung in diese Richtung bliebe aber offen, welcher Zeitpunkt maßgeblich sein sollte: Denkbar wäre, auf ein subjektives Element bei der Erblasserin abzustellen, nämlich wenn sie selbst das Bedürfnis nach „Pflege und Betreuung“ verspürt. Es wäre aber ebenso vorstellbar, dass sich die Erblasserin bei der Errichtung der Verfügung vorstellte, dass ein objektives Kriterium maßgeblich sein sollte, beispielsweise die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung, jedenfalls soweit es um die Betreuung geht.

(3) Ebenso offen und im Wege der Auslegung nicht sicher feststellbar ist, ob die Person, die „pflegt und betreut“, dies ununterbrochen (unabhängig vom jeweiligen Beginn) tun muss. Die Verwendung des Wortes „bis“ ließe einen derartigen Schluss ebenso zu wie die (lebensnähere) Annahme, dass Unterbrechungen von gewisser Dauer (welcher?) unschädlich sein sollten. Da die Erblasserin aber die „Person“ zudem im Singular bezeichnet hat, wirft dies die Frage auf, ob letztlich von mehreren Personen nur die zum Zuge kommen soll, die sich in zeitlicher Hinsicht am stärksten engagiert hat oder ob jeder, der einen (zeitlichen) Anteil an „Pflege und Betreuung“ hatte, (Mit-)Erbe werden soll.

(4) Letztlich lässt sich auch nicht klären, ob das zeitliche Element von „Pflege und Betreuung“ nach der Vorstellung der Erblasserin tatsächlich bis „in“ den Tod im Sinne einer Sterbebegleitung erfolgen muss.

bb) Darüber hinaus lässt sich aber auch nicht mit hinreichender Sicherheit im Wege der Testamentsauslegung ermitteln, was die Erblasserin inhaltlich unter „pflegt und betreut“ verstanden hat. Auch insoweit greifen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (s. o.).

(1) Das Testament lässt zunächst offen, ob die Erblasserin die Wörter „pflegen und betreuen“ synonym oder kumulativ gebraucht hat. Beides ist denkbar, ohne dass nach dem Wortlaut der Verfügung die eine oder andere Variante wahrscheinlicher erscheint.

(2) Hinzu kommt, dass gänzlich offenbleibt, an welche Art von „pflegen und betreuen“ die Erblasserin gedacht hat. Bereits in der Vergangenheit hat die Rechtsprechung auf Auslegungsprobleme in diesem Zusammenhang hingewiesen, so ob mit dem Begriff „kümmern“ die körperliche Pflege gemeint war, die Hilfe bei der anfallenden Hausarbeit, eine seelische Stütze (vgl. dazu BayObLG, Beschluss vom 27.11.1990, BReg. 1a Z 76/88, FamRZ 1991, 610 f), die Erledigung finanzieller Angelegenheiten oder nur allgemein ein Schenken von Aufmerksamkeit. Dasselbe gilt für die Begriffe „begleitet und [ge]pflegt“ (OLG Köln, 2 Wx 536/16, FGPrax 2017, 41), die ebenfalls im Wege der Auslegung nicht so zweifelsfrei ausgelegt werden können, dass die Ermittlung des Erben nicht doch auf eine Stellvertretung im Willen hinausliefe.

(3) Denkbar ist im vorliegenden Falle, dass die Erblasserin gerade nicht die professionelle Betreuung gemeint hat, denn sie lebte nach den Angaben der Beteiligten zu 1 im Zeitpunkt der Errichtung bereits in einem Pflegeheim und benannte gleichwohl die Beteiligte zu 1, die aber nicht für professionelle Pflege und Betreuung zur Verfügung stand. Andererseits bleibt offen, ob und inwieweit die Erblasserin den Begriff statisch oder dynamisch verstanden hat. „Schuldete“ derjenige, der „pflegt und betreut“ dasselbe Maß an Pflege und Betreuung, das im Errichtungszeitpunkt am 01.04.2011 maßgeblich war, auch wenn in der Zukunft mehr oder weniger Pflege und Betreuung erforderlich würden oder bedurfte es einer Anpassung der Anstrengungen, wenn die Erblasserin diesbezüglich bedürftiger würde.

(4) Soweit in der Literatur eingewendet wird, dass die meisten Begriffe der Alltagssprache zwar unscharfe Ränder hätten, aber auch einen Kern, hinsichtlich dessen sich feststellen ließe, wer unter diesen „Kernbegriff“ fällt (Staudinger/Otte, Neubearbeitung 2019, BGB § 2065 Rn. 19b), überzeugt diese Kritik nicht. Es mag zutreffen, dass sich die Bedeutung von Wörtern in Kern- und Randbereiche differenzieren lässt. Die Testamentsauslegung darf aber gerade nicht beim Wortlaut stehenbleiben, maßgeblich ist allein der wahre Erblasserwille und wenn nicht feststellbar ist, ob der Erblasser einen Begriff in der einen oder anderen Hinsicht verstanden hat, wäre es mit den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen unvereinbar, den Erblasserwillen im Sinne eines „Mindestwillens“ auszulegen.

Da sich aufgrund der vorgenannten Erwägungen im Rahmen der Auslegung nicht feststellen lässt, in welchem zeitlichen Rahmen „Pflege und Betreuung“ zu erbringen waren und was darunter zu verstehen ist, lässt sich auch in einem zweiten Schritt nicht feststellen, auf welche Person diese Kriterien zutreffen.

c) Weitere Ermittlungsansätze zur Ermittlung des wahren Erblasserwillens sind nicht vorhanden.

aa) Soweit die Beteiligte zu 1 im Rahmen der Beurkundung des notariellen Erbscheinsantrages vom xx.xx.2021 insoweit ausführte, dass „die Erblasserin ihre testamentarische Beschreibung „pflegt und betreut“ … als ein auf sie schauen, für sie da sein, sich um sie kümmern“ verstanden hatte, ist diese Äußerung zwar im Rahmen der Auslegung heranzuziehen, verhilft aber schon aufgrund der vorgenannten Erwägungen nicht zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis, da sie sich zu dem zeitlichen Umfang von Pflege und Betreuung nicht verhält. Soweit die Beteiligte zu 1 im Rahmen ihres notariellen Erbscheinsantrages zudem erklärte, es sei der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt um persönliche Zuwendung gegangen, die die Beteiligte zu 1 erbracht habe, lässt sich dies schon mit dem Wortlaut der Verfügung nur schwer vereinbaren, der von „pflegt und betreut“ spricht. Hätte die Erblasserin unter „pflegen und betreuen“ lediglich persönliche Zuwendung verstanden, hätte es nahegelegen, dies entsprechend zu formulieren. Dass die Beteiligte zu 1 nach eigenen Angaben „nahezu täglich“ bei der Erblasserin war, hilft insoweit auch nicht weiter. Da schon nicht geklärt werden kann, was die Erblasserin in zeitlicher Hinsicht unter „bis zum Tode“ verstanden hat (s. o.), kann auch nicht festgestellt werden, ob „nahezu tägliche“ Besuche darunter zu subsumieren bzw. ausreichend wären.

bb) Aus den Angaben der Vereinsbetreuerin vom 28.06.2022 lassen sich ebenfalls keine belastbaren Erkenntnisse gewinnen. Es ist insoweit zu berücksichtigen, dass die Vereinsbetreuerin erst im Jahre 2017 bestellt wurde und über den Zeitraum ab Errichtung des Testaments schon keine Angaben machen kann. Soweit das Nachlassgericht in diesem Zusammenhang in der angefochtenen Entscheidung (Beschluss vom 06.12.2022) darauf abstellt, regelmäßige Besuche der Beteiligten zu 1 ließen sich aus der Stellungnahme der Vereinsbetreuerin belegen, verkennt es, dass die Vereinsbetreuerin für die Zeit zwischen der Errichtung des Testaments und ihrer Bestellung keine Angaben machen kann. Zur Frage, welche Vorstellungen die Erblasserin von „Pflege und Betreuung“ im Errichtungszeitpunkt angesichts der Möglichkeit, dass der Bedarf an „Pflege und Betreuung“ im Laufe der Zeit zunimmt, hatte, kann die Vereinsbetreuerin schon deswegen keine Angaben machen, weil sie die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte.

cc) Eine weitere Sachaufklärung ist nicht möglich, weitere Ermittlungsansätze sind nicht ersichtlich, insbesondere nachdem sich die Beteiligte zu 1 im Rahmen ihres Erbscheinsantrages umfassend geäußert hat. Weitere Personen, die mit der Erblasserin im oder um den Errichtungszeitpunkt Kontakt hatten, sind nicht bekannt geworden. Hinsichtlich der Äußerungen der Erblasserin gegenüber Dritten ist zudem zu berücksichtigen, dass bei der Erblasserin mit Gutachten vom 22.11.2013 eine psychische Störung (Delir bei leichtgradiger Demenz) festgestellt wurde, so dass entsprechende Äußerungen nur bedingt geeignet wären, Rückschlüsse auf den Willen der Erblasserin im Errichtungszeitpunkt zu ziehen.

dd) Der Senat kann deswegen in der Sache sogleich selbst entscheiden.

Zwar hat die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde Aufklärungsdefizite gerügt, denen das Erstgericht im Abhilfeverfahren nicht nachgegangen ist, was grundsätzlich ebenso zur Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung führen könnte wie die Nichtbeiziehung der Betreuungsakten, zu der sich das Nachlassgericht angesichts des Wortlauts der Verfügung („pflegt und betreut“) und des Umstandes, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes unter Betreuung stand, gedrängt hätte sehen müssen. Da aber in der Sache keine andere Entscheidung ergehen kann, konnte der Senat von der Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung und Rückgabe der Akten an das Nachlassgericht absehen.

Demzufolge ist die Beschwerde erfolgreich. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist bei der erfolgreichen Beschwerde nicht veranlasst. Für die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten sieht der Senat keine Veranlassung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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