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Erbscheinverfahren – Wertfestsetzung bei Eintritt des Nacherbfalls

Gerichtsurteil zum Erbschaftsstreit: Präzise Wertfestsetzung und Fristwahrung entscheidend

Im OLG Hamm Urteil (Az.: I-15 W 212 + 274/15 vom 25.06.2015) geht es um die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins nach dem Tod der Eltern der Beteiligten. Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach dem Vater wurde als unzulässig verworfen, während die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach der Mutter zu einer Neufestsetzung des Geschäftswerts auf 187.661 € führte. Das Gericht stellte klar, dass bei der Wertfestsetzung der Übergang des Nachlasses von der Vorerbin zu den Nacherben und die unmittelbare Erbschaft beider Elternteile durch die Kinder berücksichtigt werden muss.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Beschwerde gegen die Geschäftswertfestsetzung im Erbscheinsverfahren nach dem Vater ist unzulässig; die nach der Mutter führt zur Änderung des Geschäftswerts.
  • Die Festsetzung basiert auf dem Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalls, unter Berücksichtigung von Erblasserschulden.
  • Bei der Wertfestsetzung muss der Übergang des Nachlasses von der Vorerbin zu den Nacherben beachtet werden.
  • Die Erben geerbt haben das Hausgrundstück unmittelbar je zur Hälfte von beiden Elternteilen.
  • Der Nachlasswert der Mutter setzt sich zusammen aus dem hälftigen Wert des Grundstücks, dem Bankguthaben und offenen Forderungen, abzüglich Verbindlichkeiten.
  • Die Neufestsetzung des Geschäftswerts nach der Mutter auf 187.661 € spiegelt den realen Nachlasswert wider.
  • Der Erbschein nach dem Vater, der die Mutter als Vorerbin auswies, wurde durch den Eintritt des Nacherbfalls unrichtig und musste eingezogen werden.
  • Neue Gebühren wurden für die Erteilung eines neuen Erbscheins, der die geänderte Erbfolge ausweist, ausgelöst.

Erbfall und Nachlassregelung

Das Erbrecht regelt den Übergang des Vermögens einer verstorbenen Person auf ihre Erben. Hierbei ist der Erbfall der entscheidende Zeitpunkt. Bei Eintritt des Erbfalls geht das Vermögen des Erblassers als Ganzes auf die Erben über. Das Nachlassgericht stellt auf Antrag einen Erbschein aus, der die Erben und deren Erbquote ausweist.

Eine besondere Situation ergibt sich, wenn der Erblasser die Nacherbfolge angeordnet hat. Hier wird zwischen Vorerben und Nacherben unterschieden. Der Vorerbe erhält zunächst den Nachlass, nach seinem Tod fällt dieser dann an den Nacherben. Bei Eintritt der Nacherbfolge müssen die Nachlasswerte neu festgestellt und ein neuer Erbschein für die Nacherben erteilt werden. Die korrekte Wertfestsetzung ist hierbei von zentraler Bedeutung.

Erbscheinverfahren: Wertfestsetzung und juristische Feinheiten

Im Zentrum des juristischen Geschehens steht ein Erbscheinverfahren, das vor dem Oberlandesgericht Hamm verhandelt wurde und unter dem Aktenzeichen I-15 W 212 + 274/15 zu einem Beschluss am 25.06.2015 führte. Die Auseinandersetzung drehte sich um die Festsetzung des Geschäftswerts für die Erteilung von Erbscheinen nach dem Tod der Eltern der Beteiligten und beleuchtete dabei tiefgreifende Fragen des Erbrechts.

Testament und Erbfolge: Die Grundlage des Verfahrens

Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als Frau X und Herr X, ein Ehepaar, im Jahr 1980 ein privatschriftliches Testament errichteten. Darin setzten sie sich gegenseitig als befreite Vorerben ein und bestimmten ihre sechs Kinder zu Nacherben des jeweils erstversterbenden Ehepartners sowie als Erben des zuletzt versterbenden Ehepartners. Nach dem Tod des Herrn X im Jahr 1981 wurde ein Erbschein ausgestellt, der Frau X als alleinige Vorerbin auswies. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Wert des Nachlasses auf 77.721,00 DM festgesetzt.

Streit um den Geschäftswert im Erbscheinverfahren

Nach dem Tod der Frau X im Jahr 2013 beantragten die Kinder die Ausstellung zweier Erbscheine basierend auf dem testamentarisch festgelegten Erbrecht. Einer sollte den Eintritt der Nacherbfolge nach dem Tod des Vaters dokumentieren, der andere die Erbfolge nach dem Tod der Mutter. Dabei wurde der Wert des Nachlasses, der hauptsächlich aus einem Einfamilienhaus bestand, zunächst auf 195.247,25 € festgesetzt. Diese Bewertung änderte sich jedoch signifikant nach dem Verkauf des Grundstücks, was zu einer Neufestsetzung auf 334.472,20 € führte. Diese Anpassung des Geschäftswerts zog Beschwerden seitens der Erben nach sich.

Juristische Feinheiten und die Entscheidung des Gerichts

Die Beschwerden gegen die Wertfestsetzungen führten zu einer detaillierten juristischen Überprüfung durch das OLG Hamm. Eine wesentliche rechtliche Frage war, ob die Wertfestsetzung adäquat den Erblasserschulden Rechnung trug und korrekt zwischen Erbfallschulden und bereits bestehenden Verbindlichkeiten unterschieden wurde. Interessanterweise hob das Gericht hervor, dass mit dem Eintritt des Nacherbfalls der von Herrn X stammende Nachlass als Ganzes auf die Kinder überging und damit aus dem Vermögen der Vorerbin ausschied. Dies bedeutete, dass die Kinder das Hausgrundstück direkt von beiden Elternteilen geerbt hatten, was bei der Wertfestsetzung berücksichtigt werden musste.

Schlüsselentscheidungen und deren Begründungen

Das Gericht wies die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach dem Vater als unzulässig zurück, da sie nicht fristgerecht eingelegt worden war. Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung nach der Mutter führte hingegen zu einer Korrektur des Geschäftswerts auf 187.661 €. Diese Entscheidung basierte auf einer detaillierten Betrachtung des Nachlasswerts zum Zeitpunkt des Erbfalls und berücksichtigte sowohl den hälftigen Wert des Grundstücks als auch das Barvermögen der Erblasserin und offene Forderungen abzüglich der Verbindlichkeiten.

Das Urteil des OLG Hamm verdeutlicht die Komplexität von Erbscheinverfahren und die Notwendigkeit, testamentarische Festlegungen genau zu betrachten sowie den realen Wert des Nachlasses präzise zu erfassen. Es unterstreicht zudem die Bedeutung einer fristgerechten Anfechtung gerichtlicher Beschlüsse im Erbrecht.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist ein Erbschein und wofür wird er benötigt?

Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das vom Nachlassgericht ausgestellt wird und das Erbrecht einer oder mehrerer Personen nach dem Tod einer anderen Person bescheinigt. Er gibt Auskunft darüber, wer Erbe ist und wie groß der jeweilige Erbteil ist (§ 2353 BGB). Der Erbschein dient als Legitimationspapier, mit dem sich Erben gegenüber Dritten, wie Banken, Grundbuchämtern oder Behörden, als rechtmäßige Nachfolger ausweisen können.

Man wird zwar auch ohne Erbschein Erbe, entweder aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder durch ein Testament, aber der Erbschein ist notwendig, wenn man sein Erbrecht gegenüber anderen beweisen muss. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn man als neuer Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen werden möchte oder wenn man über ein Nachlasskonto verfügen will. In manchen Fällen kann das Erbrecht auch ohne Erbschein nachgewiesen werden, etwa durch eine beglaubigte Abschrift eines Testaments mit Eröffnungsvermerk. Banken dürfen nicht pauschal einen Erbschein verlangen, wenn das Erbrecht anderweitig zweifelsfrei nachgewiesen werden kann.

Es gibt verschiedene Arten von Erbscheinen, die je nach Erbkonstellation ausgestellt werden, wie den Alleinerbschein für einen Alleinerben oder den gemeinschaftlichen Erbschein für alle Miterben einer Erbengemeinschaft. Der Erbschein genießt öffentlichen Glauben, was bedeutet, dass im Rechtsverkehr grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die im Erbschein als Erben ausgewiesenen Personen tatsächlich die rechtmäßigen Erben sind.

Die Beantragung eines Erbscheins erfolgt beim zuständigen Nachlassgericht und ist mit Kosten verbunden, die sich nach dem Wert des Nachlasses richten. Neben dem Erben können auch Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Gläubiger einen Erbschein beantragen.

Zusammengefasst ist der Erbschein ein wichtiges Dokument für die Abwicklung eines Erbfalls, das den Erben ermöglicht, ihre Rechtsnachfolge nachzuweisen und über den Nachlass zu verfügen.

Wie wird der Geschäftswert in Erbscheinverfahren festgelegt?

Der Geschäftswert in Erbscheinverfahren wird vom Nachlassgericht festgelegt und dient als Grundlage für die Berechnung der Kosten, die mit der Ausstellung eines Erbscheins verbunden sind. Die Festlegung des Geschäftswerts basiert auf dem Wert des reinen Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Dieser Wert umfasst sämtliche Vermögenswerte, die zum Nachlass gehören, abzüglich der Verbindlichkeiten des Erblassers. Die Ermittlung des Geschäftswerts erfolgt durch das Nachlassgericht im Rahmen des Amtsverfahrens, wobei das Gericht von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen durchführt, um die entscheidungserheblichen Tatsachen festzustellen.

Die Kosten für den Erbschein richten sich nach dem Geschäftswert des Nachlasses und werden gemäß dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) berechnet. Das GNotKG sieht vor, dass sich die Gebühren für einen Erbschein nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls richten. Für die Bewertung von Nachlassgegenständen, insbesondere Immobilien, werden die Angaben der Beteiligten, der Inhalt des Geschäfts und sonstige verfügbare Informationen herangezogen. Die Gebühren für den Erbschein sind in einer Gebührentabelle festgelegt, die verschiedene Stufungen des Geschäftswerts und die entsprechenden Gebührenhöhen vorsieht.

In der Praxis kann das Nachlassgericht den Geschäftswert im Wege der freien Schätzung festsetzen, basierend auf den vorliegenden Tatsachen und den Angaben der Antragsteller. Die Festsetzung des Geschäftswerts muss auf eigenen Ermittlungsergebnissen des Gerichts beruhen, wobei das Gericht den Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten hat.

Zusammenfassend ist der Geschäftswert im Erbscheinsverfahren ein entscheidender Faktor für die Höhe der Kosten, die bei der Beantragung eines Erbscheins entstehen. Die Festlegung des Geschäftswerts erfolgt durch das Nachlassgericht auf Basis des reinen Nachlasswerts und dient als Bemessungsgrundlage für die Gebührenberechnung nach dem GNotKG.

Was versteht man unter Nacherbfolge im Erbrecht?

Unter Nacherbfolge im Erbrecht versteht man eine besondere Form der Erbeinsetzung, bei der der Erblasser bestimmt, dass sein Vermögen zunächst an eine Person (den Vorerben) und nach einem bestimmten Ereignis oder Zeitpunkt an eine weitere Person (den Nacherben) übergehen soll. Der Vorerbe wird somit für eine bestimmte Zeit oder bis zum Eintritt eines bestimmten Ereignisses Erbe, während der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht auf die Erbschaft hat, das erst mit dem Eintritt des Nacherbfalls zu einem vollen Erbrecht wird.

Die Nacherbfolge wird durch den Erblasser in einer letztwilligen Verfügung, also einem Testament oder Erbvertrag, angeordnet. Der Erblasser kann dabei frei bestimmen, unter welchen Bedingungen oder zu welchem Zeitpunkt die Nacherbfolge eintreten soll. Beispiele für solche Bedingungen sind das Erreichen eines bestimmten Lebensalters durch den Nacherben, der Tod des Vorerben oder die Wiederverheiratung des Vorerben.

Die Rechtsstellung des Vorerben ist durch das Gesetz in bestimmter Weise beschränkt, um zu gewährleisten, dass der Nacherbe das Vermögen des Erblassers ungeschmälert erhält. So darf der Vorerbe beispielsweise Grundstücke aus dem Nachlass nicht ohne Zustimmung des Nacherben veräußern oder verschenken. Es gibt jedoch die Möglichkeit, dass der Erblasser den Vorerben von einigen dieser Beschränkungen befreit.

Die Nacherbfolge endet mit dem Eintritt des Nacherbfalls, woraufhin der Nacherbe die Erbschaft antritt und der Vorerbe aufhört, Erbe zu sein. Der Übergang des Erbes vom Vorerben auf den Nacherben stellt einen eigenständigen Erwerb von Todes wegen dar und unterliegt somit der Erbschaftsteuer.

Die Nacherbfolge bietet eine Möglichkeit, die Übertragung des Vermögens über mehrere Generationen oder auf bestimmte Ereignisse hin zu planen und zu steuern. Sie wird häufig von Eheleuten genutzt, die sich gegenseitig als Vorerben einsetzen und ihre gemeinsamen Kinder als Nacherben bestimmen, um sicherzustellen, dass das Vermögen in der Familie bleibt und nicht durch eine mögliche Wiederheirat des überlebenden Ehepartners außerhalb der Familie vererbt wird.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 79 GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz): Dieses Gesetz regelt die Kosten für gerichtliche und notarielle Handlungen in Deutschland. Im Kontext des Erbscheinverfahrens bestimmt es, wie der Geschäftswert für die Erteilung eines Erbscheins festgesetzt wird, was zentral für die Berechnung der anfallenden Gebühren ist.
  • § 40 GNotKG: Spezifiziert die Berechnung des Werts eines Nachlasses für die Zwecke der Gebührenberechnung. Im besprochenen Fall war dies relevant für die Neubewertung des Nachlasswerts nach Verkauf eines Grundstücks, was zu einer Anpassung der Kosten für die Erteilung des Erbscheins führte.
  • § 83 GNotKG: Erörtert das Beschwerdeverfahren gegen Entscheidungen, die unter das GNotKG fallen. Dies war relevant für die Beurteilung der Zulässigkeit der eingelegten Beschwerden gegen die Wertfestsetzung im Erbscheinverfahren.
  • § 1922 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Definiert den Erbfall und die Erbfolge im Allgemeinen. Im vorliegenden Kontext war dieser Paragraph wichtig, um den Übergang des Nachlasses vom Erblasser auf die Erben nach dessen Tod zu verstehen.
  • §§ 1942, 2106 Abs. 1 BGB: Diese Vorschriften behandeln die Annahme der Erbschaft und die besonderen Bedingungen der Nacherbfolge. Im gegebenen Fall war dies relevant für die Erstellung von Erbscheinen, die den Übergang des Nachlasses nach dem Tod der Vorerbin auf die Nacherben dokumentieren.
  • Erbrechtliche Grundlagen zum Testament und zur Nacherbfolge: Allgemeine Prinzipien des Erbrechts, die bestimmen, wie Testamente zu interpretieren sind und wie die Nacherbfolge geregelt ist. Im analysierten Fall spielten diese eine Rolle bei der Beurteilung der testamentarischen Anordnungen und deren Umsetzung nach dem Tod der Erblasser.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 212 + 274/15 – Beschluss vom 25.06.2015

1. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten) wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach der Mutter der Beteiligten wird der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom 02.04.2015 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert auf 187.661 € festgesetzt wird.

3. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 81 Abs. 8 GNotKG.

Gründe

I.

Frau X war verheiratet mit Herrn X. Aus ihrer Ehe gingen die sechs beteiligten Kinder hervor. Am 01.12.1980 errichteten die Eheleute X gemeinsam ein privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben des Erstversterbenden und die Kinder zu dessen Nacherben einsetzten sowie die Kinder als Erben des Letztversterbenden bestimmten.

Nach dem Tod des Herrn X am 21.02.1981 stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, nach dem dieser allein von seiner Ehefrau als Vorerbin beerbt worden ist. In diesem Verfahren gab Frau X am 10.04.1981 den Wert des Nachlasses mit 77.721,00 DM an.

Zum Zeitpunkt der Erstellung des am 01.12.1980 errichteten gemeinsamen privatschriftlichen Ehegattentestaments wie auch im Zeitpunkt des Todes sowohl des Herrn X als auch der Frau X (17.12.2013) bestand der Nachlass jeweils im Wesentlichen aus dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück Z-Weg in Münster, das den Eheleuten zu je ½ Anteil gehörte.

Am 14.03.2014 und 09.09.2014 beantragte der Beteiligte zu 1) auf der Grundlage des von seinen Eltern errichteten Ehegattentestaments zwei Erbscheine, und zwar einen Erbschein nach seinem Vater mit dem Inhalt, dass nach dem Tod der als Vorerbin eingesetzten Ehefrau Nacherbfolge eingetreten ist und dessen Nacherben die sechs Beteiligten zu je 1/6 Anteil sind (68 VI 116/14), und einen Erbschein nach seiner Mutter mit dem Inhalt, dass diese von den Beteiligten zu je 1/6 Anteil beerbt worden ist (68 VI 115/14).

In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 116/14 erließ das Nachlassgericht am 05.06.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach dem Vater der Beteiligten. Feststellungsbeschluss und Erbschein sind nach dem Vermerk der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts am 11.07.2014 versandt worden. Den Geschäftswert setzte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 27.10.2014 auf 39.738,12 € fest.

In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 115/14 erließ das Nachlassgericht am 13.10.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach der Mutter der Beteiligten. Mit Beschluss vom gleichen Tag setzte es den Geschäftswert auf 195.247,25 € fest. Feststellungsbeschluss, Erbschein und der Wertfestsetzungsbeschluss sind dem Beteiligten zu 1) am 24.10.2014 zugestellt worden. Nachdem das Grundstück von der Erbengemeinschaft für 365.000,00 € verkauft worden war, hob das Nachlassgericht den Wertfestsetzungsbeschluss vom 13.10.2014 mit Beschluss vom 02.04.2015 auf und setzte den Geschäftswert auf 334.472,20 € fest.

Gegen die Wertfestsetzungen in den Beschlüssen vom 27.10.2014 (68 VI 116/14) und vom 02.04.2015 (68 VI 115/14) richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 5) vom 20.04.2015.

II.

Das Schreiben der Beteiligten zu 5) vom 20.04.2015 ist als Beschwerde nicht nur gegen die nach § 79 GNotKG ergangene Wertfestsetzung in dem Verfahren 68 VI 115/14, sondern auch als Beschwerde gegen die in dem Verfahren 68 VI 116/14 ergangene Wertfestsetzung auszulegen. Über sie entscheidet der Einzelrichter, §§ 83 Abs. 1 S. 5, 81 Abs. 6 S. 1 GNotKG.

1. Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung vom 27.10.2014 in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten (68 VI 116/14) ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 83 Abs. 1 S. 3 GNotKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG bestimmten Frist eingelegt wird; danach sie ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist (Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., § 79 Rn. 32). „Hauptgegenstand“ ist hier die Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins. Diese ist mit Beschluss vom 05.06.2014 ergangen, am selben Tag ist der Erbschein ausgestellt worden. Da der Feststellungsbeschluss formlos bekannt gemacht worden ist, gilt er nach § 83 Abs. 1 S. 4 GNotKG mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. Nach dem Vermerk der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts sind der Beschluss und der Erbschein am 11.07.2014 von dort weitergeleitet worden. Nach § 63 Abs. 1 FamFG hätte der Feststellungsbeschluss binnen einer Frist von einem Monat mit der Beschwerde angefochten werden können, was hier nicht geschehen ist. Der Feststellungsbeschluss war damit jedenfalls Ende August 2014 rechtskräftig geworden. Dies zugrundegelegt hätte die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung vom 27.10.2014 bis Ende Februar 2015 fristwahrend eingelegt werden können. Diese Frist ist mit der Beschwerde vom 20.04.2015 nicht eingehalten.

2. Die Beschwerde vom 20.04.2015 gegen die Wertfestsetzung vom 02.04.2015 in dem Erbscheinsverfahren nach der Mutter der Beteiligten (68 VI 115/14) ist nach § 83 GNotKG zulässig und führt zur Abänderung der Wertfestsetzung.

Für die Wertfestsetzung gilt die Vorschrift des § 40 GNotKG, weil das gerichtliche Verfahren nach Inkrafttreten des GNotKG anhängig geworden ist. Maßgeblich ist daher der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Nach § 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG werden vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten abgezogen; abzugsfähig sind daher nur Erblasserschulden, d.h. bereits dem Erblasser gegenüber bestandene Verbindlichkeiten, nicht jedoch Erbfallschulden wie Vermächtnisse, Pflichtteile, Auflagen oder Erbschaftsteuer (OLG Köln ZEV 2014, 608; OLG Schleswig FGPrax 2015, 93; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 11 Wx 123/14 -, Rn. 32, juris; Korintenberg/Sikora, GNotKG 19. Aufl. § 40 Rn. 3).

a) Das Nachlassgericht hat bei der Wertfestsetzung nach Frau X nicht berücksichtigt, dass mit dem Eintritt des Nacherbfalls die Erbschaft nach Herrn X von Gesetzes wegen als Ganzes auf die Beteiligten als Nacherben übergegangen ist und damit der von Herrn X stammende Nachlass mit dem Nacherbfall aus dem Vermögen der Vorerbin Frau X ausgeschieden ist. Damit sind also die Beteiligten in Bezug auf den Nachlass des Herrn X Rechtsnachfolger nicht der Vorerbin, sondern des Erblassers geworden (Staudinger/Martin Avenarius BGB, Bearbeitung 2013, § 2139, Rn. 1).

Weil die Rechtswirkungen des Voranfalls an den Vorerben mit dem Eintritt des Nacherbfalls aufhören und die Erbschaft nun vom Erblasser dem Nacherben anfällt, hat dies hier zur Folge, dass die Beteiligten das noch im Nachlass befindliche Hausgrundstück Z-Weg in Münster jeweils unmittelbar zur Hälfte von ihrem Vater und zur anderen Hälfte von ihrer Mutter geerbt haben. Es hätte daher insoweit in den beiden Erbscheinsverfahren jeweils der halbe Wert des Grundstücks in Ansatz gebracht werden müssen.

b) Der Nachlasswert im Zeitpunkt des Todes der Mutter der Beteiligten setzte sich somit aus dem hälftigen Wert des Grundstücks in Münster, dem Bankguthaben und offenen Forderungen der Erblasserin gegenüber Dritten zusammen, wovon die Verbindlichkeiten der Erblasserin abzuziehen sind:

– Der hälftige Wert des Grundstücks. Das Amtsgericht hat als Grundstückswert 293.619 € angesetzt.

… Die Hälfte von 293.619 € sind: 146.809 €

Der Wert des Nachlasses erhöht sich um das Barvermögen der Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes. …  Das Bankguthaben wies nach den Angaben des Beteiligten zu 1) vom  17.12.2013 am Todestag ein Guthaben in Höhe von 41.572,47 € aus.  Hinzu kommen offenstehende Forderungen gegen Dritte in Höhe von 5.174 €. + 41.572 €  + 5.174 €

Von dem sich danach ergebenden Vermögen in Höhe von sind die Verbindlichkeiten abzuziehen, die nach den Angaben des Beteiligten zu 1) 5.894 € betragen:

Die Differenz ergibt den Nachlasswert: 193.555 €  – 5.894 € = 187.661 €

III.

Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:

1. Das Nachlassgericht hat bei der Wertfestsetzung nach Herrn X in seinem Beschluss vom 27.10.2014 (68 VI 116/14) zu Unrecht auf den Wert des Nachlasses im Jahr 1981 abgestellt. Für die Wertfestsetzung gilt die Vorschrift des § 40 GNotKG, weil das gerichtliche Verfahren nach Inkrafttreten des GNotKG anhängig geworden ist. Maßgeblich ist danach der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des „Erbfalls“. Wird nach Eintritt der Nacherbfolge für den Nacherben ein Erbschein erteilt, so ist für die Berechnung des Geschäftswerts aber nicht der Zeitpunkt des Erbfalls (§ 1922 Abs. 1 BGB), sondern des Anfalls der Nacherbschaft (§§ 1942, 2106 Abs. 1 BGB), d.h. der Tod des Vorerben maßgebend. Das GNotKG enthält insoweit keine Änderung zur KostO, so dass auf die zu § 107 Abs. 2 S. 1 KostO ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann, nach der auf das Vermögen abzustellen ist, das im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vorhanden ist (KG 1938, 51; BayObLG FamRZ 1995, 1370; MittBayNot 1997, 383; Assenmacher, KostO 16. Aufl. Stichwort „Erbschein“ S. 344; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 18. Aufl. § 107 Rn. 39; Rohs/Wedewer/Waldner, KostO, § 107, Rn. 37).

Die Beteiligten sind durch die unrichtige Wertfestsetzung im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins nach ihrem Vater nicht belastet worden. Denn nach den obigen Ausführungen hätte der Nachlasswert auf den halben Wert der allein noch im Nachlass des Vaters befindlichen Immobilie festgesetzt werden müssen, d.h. auf 146.809 €.

2. Im Hinblick auf das weitere Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 5) wird noch ergänzend angefügt, dass der im Jahr 1981 ausgestellte Erbschein nach dem Vater der Beteiligten, der die Mutter der Beteiligten als befreite Vorerbin auswies, mit Eintritt des Nacherbfalls, d.h. mit dem Tod der Mutter, unrichtig geworden war und deshalb eingezogen werden musste. Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) musste das Nachlassgericht einen neuen Erbschein ausstellen, der die infolge des Eintritts des Nacherbfalls eingetretene Erbfolge nach dem Vater ausweist. Dieser Erbschein ist ein neuer Erbschein im Verhältnis zum Erbschein der Vorerbin und löste daher neue Gebühren aus.

 

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