Skip to content

Testamentsauslegung –Barvermögen – gesamtes Kapitalvermögen

Gericht grenzt Barvermögen in Erbrecht klar gegen Wertpapiere ab

Der Begriff des Barvermögens im testamentarischen Sinne umfasst nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg (Az.: 3 U 8/23) sowohl Bargeld im engeren Sinne als auch sofort verfügbare Bankguthaben, nicht jedoch Wertpapiere, die dem erweiterten Kapitalvermögen zugeordnet werden. Infolgedessen wurde im Streit um das Vermächtnis des Erblassers entschieden, dass die Klägerin Anspruch auf einen Teil des so definierten Barvermögens hat, nicht jedoch auf das gesamte Kapitalvermögen, wodurch das erstinstanzliche Urteil abgeändert wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 8/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Begriff „Barvermögen“ umfasst nach Gerichtsauffassung Bargeld und sofort verfügbare Bankguthaben, nicht aber Wertpapiere.
  • Wertpapiere gehören zum erweiterten Kapitalvermögen, das nicht unter das testamentarische Barvermögen fällt.
  • Die Klägerin hat Anspruch auf ein Drittel des Barvermögens des Erblassers, aber nicht auf Wertpapiere oder andere Kapitalanlagen.
  • Das Oberlandesgericht Oldenburg änderte damit das Urteil der Vorinstanz, die der Klägerin einen größeren Betrag zugesprochen hatte.
  • Die Kosten der Rechtsstreitigkeiten werden anteilig nach dem Grad des Obsiegens und Unterliegens verteilt.
  • Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der präzisen Begriffsverwendung in testamentarischen Verfügungen und deren Auslegung im Erbrecht.

Erbrecht und die Frage des Vermächtnisses

Das Erbrecht regelt, wem nach dem Ableben einer Person deren Vermögen zufällt. Im Zentrum steht hier oft die Frage, ob ein letzter Wille in Form eines Testaments vorliegt und wie dieser auszulegen ist. Besonders bei Vermächtnissen aus dem Nachlass kann es zu Streitigkeiten kommen.

Die Abgrenzung von Barvermögen und Kapitalvermögen spielt dabei eine wesentliche Rolle. Während ersteres Bargeld und Guthaben umfasst, fallen Wertpapiere oder Fondsanteile unter den Begriff des Kapitalvermögens. Die Auslegung der verwendeten Begriffe durch die Gerichte ist hier von zentraler Bedeutung.

➜ Der Fall im Detail


Streit um das Barvermögen im Erbrecht

Im Kern dreht sich der Fall um die Auslegung des Begriffs „Barvermögen“ in einem testamentarischen Vermächtnis. Der Erblasser hinterließ ein Testament, in dem seine Kinder als Erben eingesetzt und bestimmte Vermögenswerte spezifisch zugewiesen wurden. Dabei sollte ein Drittel seines bei Erbfall vorhandenen Barvermögens an seine Tochter ausgezahlt werden. Die Frage, die sich stellte, war, ob unter dem Begriff des Barvermögens lediglich Bargeld und sofort verfügbare Bankguthaben oder auch Wertpapiere und weitere Kapitalanlagen zu verstehen sind. Diese Interpretationsfrage führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Erben, da der Wert der verschiedenen Vermögensbestandteile erheblich voneinander abwich.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg

Das Oberlandesgericht Oldenburg (Az.: 3 U 8/23) nahm sich dieser Frage an und entschied, dass Wertpapiere nicht unter den Begriff des Barvermögens fallen. Vielmehr sei das Barvermögen in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs als das Bargeld im engeren Sinne sowie die bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen. Diese Entscheidung basiert auf der Annahme, dass sich die Verkehrsanschauung hinsichtlich des Begriffes „bar“ durch die vermehrte Nutzung von Kartenzahlungen verändert hat. Wertpapiere und Genossenschaftsanteile hingegen werden durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens abgedeckt, welches nicht unter das Barvermögen fällt.

Die rechtliche Begründung und Abwägung

Die rechtliche Begründung für diese Entscheidung liegt in der Notwendigkeit der Testamentsauslegung, um den wirklichen Willen des Erblassers bei der Testamentserrichtung zu erforschen. Das Gericht stellte klar, dass die Klägerin nicht beweisen konnte, dass der Erblasser unter „Barvermögen“ sein gesamtes Kapitalvermögen verstanden wissen wollte. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der präzisen Verwendung und Interpretation rechtlicher Begriffe im Testament. Es verdeutlicht, dass ohne eine explizite Einbeziehung oder Definition Wertpapiere nicht automatisch zum Barvermögen gezählt werden können.

Konsequenzen des Urteils

Als Folge dieser Entscheidung wurden die Beklagten verurteilt, der Klägerin einen Betrag von 51.605,70 Euro zu zahlen, der ihrem Anspruch auf ein Drittel des nach dieser Definition ermittelten Barvermögens entspricht. Diese Entscheidung änderte das Urteil der Vorinstanz, das der Klägerin einen größeren Betrag zugesprochen hatte, indem es Wertpapiere in das Barvermögen einbezog. Die Kosten der Rechtsstreitigkeit wurden entsprechend dem Grad des Obsiegens und Unterliegens auf die Parteien verteilt.

Bedeutung für die Rechtspraxis

Das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg trägt zur Klarheit bei der Auslegung von Testamenten bei, insbesondere in Bezug auf die Definition und Zusammensetzung des Barvermögens. Es unterstreicht die Notwendigkeit für Testierende, bei der Abfassung von Testamenten präzise Begrifflichkeiten zu verwenden oder diese gegebenenfalls näher zu definieren, um Unklarheiten und daraus resultierende Rechtsstreitigkeiten unter den Erben zu vermeiden.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter dem Begriff Barvermögen im Erbrecht?

Unter dem Begriff „Barvermögen“ im Erbrecht versteht man nach der Rechtsprechung nicht nur physisch vorhandenes Bargeld wie Scheine und Münzen, sondern in der Regel auch Guthaben auf Bankkonten und andere leicht verfügbare Geldwerte:

  • Bargeld im engeren Sinne umfasst Scheine und Münzen, die der Erblasser physisch besaß.
  • Darüber hinaus fallen aber meist auch Guthaben auf Giro-, Spar- und Festgeldkonten unter den Begriff des Barvermögens, da diese kurzfristig verfügbar sind.
  • Teilweise werden sogar Wertpapiere wie Aktien, Anleihen und Fondsanteile dazugezählt, sofern sie leicht veräußerbar sind. Dies wird aber nicht einheitlich beurteilt.
  • Andere Vermögenswerte wie Immobilien, Fahrzeuge, Schmuck etc. gehören dagegen nicht zum Barvermögen.

Letztlich kommt es aber immer auf die Auslegung des konkreten Testaments an. Entscheidend ist, was der Erblasser selbst unter „Barvermögen“ verstanden hat:

  • Anhaltspunkte können die sonstigen Formulierungen im Testament und der Kontext liefern, in dem der Begriff verwendet wurde.
  • Auch der allgemeine Sprachgebrauch des Erblassers zu Lebzeiten kann eine Rolle spielen.
  • Im Zweifel wird der Begriff aber eher eng ausgelegt und umfasst dann nur Bargeld und Bankguthaben, nicht aber Wertpapiere.

Um Streit zu vermeiden, sollten Erblasser den Begriff „Barvermögen“ im Testament daher möglichst genau definieren oder die gewünschten Vermögenswerte einzeln aufzählen. Nur so lässt sich der eigene Wille eindeutig zum Ausdruck bringen.

Welche Rolle spielt die Testamentsauslegung bei der Bestimmung des Barvermögens?

Die Testamentsauslegung spielt eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung, was genau unter dem Begriff „Barvermögen“ in einem Testament zu verstehen ist. Dabei gelten folgende Grundsätze:

  • Oberste Maxime ist die Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Es kommt nicht auf den Wortlaut an, sondern darauf, was der Erblasser tatsächlich sagen wollte.
  • Dafür sind alle zugänglichen Umstände inner- und außerhalb des Testaments heranzuziehen, die Rückschlüsse auf den Erblasserwillen zulassen. Dazu zählen der gesamte Testamentstext, aber auch Notizen, Äußerungen und das Verhalten des Erblassers.
  • Der ermittelte Wille muss aber zumindest im Testament angedeutet sein („Andeutungstheorie“). Eine völlig testamentsfremde Auslegung ist wegen des Formzwangs nicht zulässig.
  • Lässt sich der wirkliche Wille nicht feststellen, kann ergänzend der hypothetische Wille erforscht werden: Wie hätte der Erblasser verfügt, wenn er eine Lücke oder Unklarheit erkannt hätte?
  • Nur wenn auch so der Wille nicht ermittelbar ist, greifen gesetzliche Auslegungsregeln. Danach ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass einzelne Vermögenszuwendungen eine Erbeinsetzung darstellen.

Für den Begriff „Barvermögen“ bedeutet dies:

  • Es ist zu prüfen, was der Erblasser selbst darunter verstanden hat. Anhaltspunkte können die sonstigen Formulierungen im Testament und der Kontext liefern.
  • Auch der allgemeine Sprachgebrauch des Erblassers zu Lebzeiten kann eine Rolle spielen.
  • Im Zweifel umfasst „Barvermögen“ nach heutigem Verständnis aber nur Bargeld und sofort verfügbare Bankguthaben, nicht jedoch Wertpapiere.

Um Streit zu vermeiden, sollten Erblasser den Begriff „Barvermögen“ im Testament daher möglichst genau definieren oder die gewünschten Vermögenswerte einzeln aufzählen. Nur so lässt sich der eigene Wille eindeutig zum Ausdruck bringen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • §§ 2147, 2174 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Diese Paragraphen regeln die Grundlagen des Vermächtnisses im deutschen Erbrecht. Sie sind relevant, um zu verstehen, wie ein Vermächtnis testamentarisch eingesetzt und rechtlich durchgesetzt wird. Im vorliegenden Fall beziehen sich diese Paragraphen auf den Anspruch der Klägerin aufgrund des Vermächtnisses des Erblassers.
  • Erbrecht und Testamentsauslegung: Dieses Rechtsgebiet umfasst die Interpretation testamentarischer Verfügungen, um den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln. Im Kontext des Falles ist die Testamentsauslegung entscheidend, um zu klären, was der Erblasser unter dem Begriff „Barvermögen“ verstanden hat.
  • Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere § 156 Abs. 1 ZPO: Diese Regelung betrifft die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und die Anordnung des schriftlichen Verfahrens. Sie spielte im Verfahren eine Rolle, um die Beweislage und die Argumente beider Seiten angemessen zu berücksichtigen.
  • Verkehrsanschauung und Definition von Barvermögen: Obwohl nicht direkt in einem spezifischen Gesetz verankert, ist das Verständnis von Barvermögen und dessen Auslegung in der heutigen Zeit von Bedeutung für die Entscheidungsfindung. Die Verkehrsanschauung beeinflusst, wie rechtliche Begriffe im Kontext des Zahlungsverkehrs interpretiert werden.
  • § 92 ZPO (Kostenentscheidung): Dieser Paragraph regelt die Verteilung der Kosten eines Rechtsstreits. Im vorgelegten Fall ist diese Regelung relevant für das Verständnis, wie die Kosten des Verfahrens zwischen den Parteien aufgeteilt wurden.
  • §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO (Vorläufige Vollstreckbarkeit): Diese Bestimmungen erlauben die vorläufige Vollstreckung eines Urteils und sind wesentlich, um die Konsequenzen des Urteils für die beteiligten Parteien zu verstehen, insbesondere im Hinblick auf die finanziellen Forderungen und Sicherheitsleistungen.

Diese Rechtsbereiche und Paragraphen sind essentiell für das Verständnis des vorliegenden Falls und seiner juristischen Bewertung, insbesondere hinsichtlich der Auslegung testamentarischer Verfügungen und der Durchsetzung von Ansprüchen aus einem Testament.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Oldenburg – Az.: 3 U 8/23 – Urteil vom 20.12.2023

Amtlicher Leitsatz

Der Begriff des Barvermögens umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen nicht unter den Begriff des Barvermögens. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das Barvermögen einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.

In dem Rechtsstreit hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg im schriftlichen Verfahren mit einer Erklärungsfrist bis zum 13. Dezember 2023 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Landgerichts Oldenburg vom 21.04.2023 dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Klägerin 51.605,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.04.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten 1. und 2. Instanz sind von den Beklagten als Gesamtschuldner zu 77 % und von der Klägerin zu 23 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Erfüllung eines Vermächtnisses und hierbei um den Begriff des „Barvermögens“.

Die Klägerin und die Beklagten sind neben einem weiteren Bruder die Kinder des zwischen dem TT.MM.2020 und dem TT.MM.2020 in Ort2 verstorbenen Erblassers DD.

Mit notariellem Testament vom 16.04.2018 setzte der Erblasser die Beklagten als Erben ein. Zuvor wurde der Klägerin vom Erblasser eine Immobilie in Ort2 mit Grundstücksübertragungsvertrag vom 15.12.2017 unentgeltlich im Weg der vorweggenommenen Erbfolge unter Anrechnung auf spätere Erb- und Pflichtteilsansprüche zugewandt.

In § 3 des notariellen Testaments vom 16.04.2018 beschwerte der Erblasser die Beklagten mit einem Vermächtnis zugunsten der Klägerin wie folgt:

„Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter CC, geb. am TT.MM.1968, ausgezahlt werden.“

Die Klägerin hat zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des gesamten Kapitalvermögens begehrt. Nach schriftlicher Auskunft der Beklagten beläuft sich das Kapitalvermögen des Erblassers (Depotwerte und Bankguthaben) auf insgesamt 192.108,98 €, wobei das Kontovermögen bei der EE insgesamt 152.778,88 €, die Genossenschaftsanteile 3.000,00 €, das Depotvermögen insgesamt 34.291,87 €, im Nachlass vorgefundenes Bargeld 70,15 € und das von der Klägerin aufgefundene und in Besitz genommene weitere Bargeld 1.968,08 € betrug.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Erblasser habe unter dem Begriff „Barvermögen“ seine gesamten liquiden Mittel, insbesondere sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapiere und Bargeld im engeren Sinne verstanden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, 64.036,32 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2021 an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagten hatten beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, der Erblasser habe unter dem Begriff „Barvermögen“ lediglich das vorhandene Bargeld verstanden.

Das Landgericht hat mit angefochtenem Urteil vom 21. April 2023 die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 64.036,32 € nebst Zinsen zu zahlen.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch aufgrund des Vermächtnisses des Erblassers gemäß §§ 2147, 2174 BGB zustehe. Nach Auffassung des Gerichts enthalte das Testament zu Gunsten der Klägerin ein Vermächtnis, das vorhandene Barvermögen im Sinne des Kapitalvermögens inklusive Guthaben bei Kreditinstituten, Wertpapieren und Bargeld im engeren Sinne an die Klägerin zu 1/3 auszuzahlen.

Zur Ermittlung des Inhalts der niedergelegten letztwilligen Verfügung bedürfe es der sog. erläuternden Testamentsauslegung. Diese habe zum Ziel, den in der Testamentsurkunde erklärten wirklichen Erblasserwillen bei der Testamentserrichtung zu erforschen. Habe ein Notar die Erklärung beurkundet, so spreche eine gewisse Vermutung dafür, dass objektiver Erklärungsinhalt und Erblasserwille übereinstimmen. Der Sinn, den der Notar einer Erklärung des Erblassers beigemessen habe, lasse regelmäßig den Schluss darauf zu, was der Erblasser gewollt habe.

Der Erblasser wollte zur Überzeugung des Landgerichts eine vollumfängliche Regelung treffen, welche nicht nur das Bargeld im engeren Sinne, sondern auch die sonstigen Geldwerte im Rahmen des Kapitalvermögens umfassen sollte. Zu dieser Überzeugung gelange das Gericht im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung.

Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer form- und fristgerecht erhobenen Berufung. Mit dieser begehren sie die Abänderung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage.

Zur Begründung tragen sie vor, dass das Landgericht aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelange, dass der Klägerin der geltend gemachte Klageanspruch zustehe. Der Zeuge FF (Notar) habe keine Klarheit darüber herstellen können, was der Erblasser unter dem Begriff des Barvermögens verstanden habe. Der Zeuge habe in seiner Vernehmung lediglich mehrfach erklärt, was er, der Zeuge, unter Barvermögen verstehe. Der Erblasser habe seinen gesamten Nachlass zwischen den Kindern gleichmäßig aufteilen wollen. Durch die Auslegung des Landgerichts komme es zu einer deutlichen Bevorteilung der Klägeringegenüber den anderen drei Kindern. Dies sollte nach der Aussage des Zeugen FF gerade nicht der Fall sein.

Hätte der Erblasser das Vermächtnis zugunsten der Klägerin in Bezug auf sein Kapitalvermögen aussetzen wollen, hätte er dies in das Testament aufnehmen lassen müssen. Dies sei aber gerade unterblieben. Im Ergebnis sei die Klägerin damit beweisfällig geblieben und die Klage sei abzuweisen.

Die Beklagten beantragen, das Schlussurteil des Landgerichts Oldenburg – 4 O 1233/22 – vom 21.04.2023 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Ausführungen im Schriftsatz vom 30.06.2023.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den von ihr aufgefundenen Bargeldbetrag in Höhe von 1.968,08 € an die Beklagten zu Händen ihres Rechtsbeistandes ausgezahlt.

Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 08.11.2023 die mündliche Verhandlung gemäß § 156 Absatz 1 ZPO wiedereröffnet und mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet.

II.

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von 51.605,70 € gemäß §§ 2147, 2174 BGB aufgrund des Vermächtnisses des Erblassers im notariellen Testament vom 16.04.2018. In diesem heißt es:

„Das bei Eintritt des Erbfalls vorhandene Barvermögen soll zu einem 1/3 Anteil an meine Tochter CC, geb. am TT.MM.1968, ausgezahlt werden.“

Der Begriff des Barvermögens ist zwischen den Parteien streitig. Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es zur Ermittlung des Inhalts der niedergelegten letztwilligen Verfügung es der sog. erläuternden Testamentsauslegung bedürfe. Diese habe zum Ziel, den in der Testamentsurkunde erklärten wirklichen Erblasserwillen bei der Testamentserrichtung zu erforschen.

Danach ist es der Klägerin nicht gelungen zu beweisen, dass der Erblasser mit dem Begriff „Barvermögen“ das gesamte Kapitalvermögen, welches er besaß, gemeint hatte.

Der Begriff des Barvermögens ist zur Überzeugung des Senats in der heutigen Zeit des überwiegend bargeldlosen Zahlungsverkehrs so zu verstehen, dass damit das Bargeld im engeren Sinne (vorliegend also das von der Klägerin aufgefundene und in Besitz genommene Bargeld in Höhe von 1.968,08 € und das weitere im Nachlass vorgefundene Bargeld in Höhe von 70,15 €) einschließlich der bei Banken befindlichen sofort verfügbaren Gelder zu verstehen ist. Die Verwendung von Bargeld im eigentlichen Sinne ist heute bei Weitem nicht mehr in dem Maße üblich, wie dies früher einmal der Fall war. Durch die vermehrte Kartenzahlung hat sich damit auch die Verkehrsanschauung des Begriffes „bar“ verschoben. Der Begriff des Bargeldes umfasst heutzutage das gesamte Geld, das sofort, also auch über eine Kartenzahlung, verfügbar ist. Wertpapiere fallen nicht unter den Begriff des „Barvermögens“. Vielmehr werden Wertpapiere durch den erweiterten Begriff des Kapitalvermögens mit abgedeckt, der das „Barvermögen“ einschließlich weiterer Kapitalwerte in Geld beschreibt.

Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass der Erblasser entgegen der grundsätzlichen Begriffsbestimmung mit dem Begriff des „Barvermögens“ vorliegend auch das weitere nicht sofort verfügbare Kapital in Form der Genossenschaftsanteile und der Wertpapiere gemeint hat, also sein gesamtes Kapitalvermögen.

Die Aussage des Zeugen FF, auf die sich das Landgericht maßgeblich stützt, bietet für diese Auslegung keinen ausreichenden Beweis. So bekundet der Zeuge zwar gleich zu Beginn seiner Vernehmung vom 31.03.2023, dass der Erblasser das Barvermögen im Sinne der Beweisfrage verstanden habe, also als gesamtes Kapitalvermögen einschließlich von Wertpapieren. Der Zeuge schränkt seine eigene Aussage aber zugleich wieder dahingehend ein, dass er dies nicht definitiv wisse. Vielmehr habe er den Erblasser so verstanden. Das Verständnis des beurkundenden Notars kann aber nicht mit dem Willen des Erblassers gleichgesetzt werden. Soweit der Zeuge zur Bekräftigung seines Verständnisses ergänzt, dass der Erblasser seinen gesamten Nachlass zwischen den Erben aufteilen wollte, folgt hieraus nicht zwingend, dass er das gesamte Kapitalvermögen im Rahmen des Vermächtnisses aufteilen wollte. Eine Aufteilung seines gesamten Nachlasses liegt auch vor, wenn die Wertpapiere und Genossenschaftsanteile im Rahmen der Erbfolge bei den Beklagten zu je 1/2 verbleiben und das Barvermögen im Rahmen des Vermächtnisses gedrittelt wird. Auch aus der Aussage, dass der Erblasser mehrmals Wert darauf gelegt habe, sein Vermögen zwischen den Kindern gleichmäßig aufzuteilen, folgt kein zwingender Rückschluss auf die Dreiteilung des gesamten Kapitalvermögens. Auch bei Ausnahme der Wertpapiere und der Genossenschaftsanteile aus dem Vermächtnis zugunsten der Klägerin kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine ungefähr gleichmäßige Aufteilung durch den Erblasser beabsichtigt war und auch erzielt worden ist. Ein auffälliges Missverhältnis vermag der Senat insoweit nicht festzustellen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere im Hinblick auf die verteilten Grundbesitze eine genaue Bewertung nicht vorliegt (die Parteien haben insoweit teilweise unterschiedliche Wertvorstellungen) und insbesondere nicht mehr feststellbar ist, welche Wertvorstellung der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments hatte.

Soweit der Zeuge sich auf konkrete Nachfrage an den Erblasser notiert hatte, dass dieser mit Geldmitteln auch Guthaben meinte, lässt sich daraus nicht sicher schlussfolgern, dass mit Guthaben wiederum auch Wertpapierguthaben gemeint sind. Vielmehr spricht diese Notiz in erster Linie zunächst einmal dafür, dass nicht nur das vorgefundene Bargeld gemeint war, sondern auch das Bankguthaben.

Bezeichnend ist, dass der Zeuge den Erblasser konkret zu seinem Begriffsverständnis von „Guthaben“ gefragt hat, insbesondere ob der Erblasser auch Bankguthaben oder Aktien oder ähnliches habe. Eine konkrete Antwort erhielt der Zeuge nicht. Der Erblasser habe nur erklärt, dass sein Nachlass aus Grundbesitz und allem Barvermögen bestehe. Eine Klärung, was mit Barvermögen gemeint sei, ist damit gerade nicht erfolgt. Dies hat der Zeuge auf Nachfrage auch nochmal bestätigt, nämlich das der Erblasser auf die Frage nach Bankguthaben oder Aktien nicht konkret geantwortet habe. Später ergänzt der Zeuge diese Antwort sogar dahingehend, dass er den Erblasser ausdrücklich nach Aktien gefragt habe, aber hierzu keine Antwort erhalten habe. Aus der Aussage des Zeugen kann damit nicht zur Überzeugung des Senats geschlussfolgert werden, dass der Erblasser unter Barvermögen auch Aktien verstanden wissen wollte. Andernfalls hätte es nahegelegen, auf die konkrete Frage nach Aktien, dies zu bestätigen. In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der Erblasser selbst nach Angaben des Zeugen immer den Begriff des Barvermögens gewählt hatte. Der Begriff des Kapitalvermögens wurde zu keinem Zeitpunkt verwendet.

Im Übrigen widerspricht sich der Zeuge FF auch in seinem dargelegten Verständnis von der Begriffsauslegung „Barvermögen“ durch den Erblasser. Der Zeuge bekundet nämlich auch, dass wenn der Erblasser Aktien erwähnt hätte, er diese auch extra im Testament erwähnt hätte. Dies spricht dafür, dass auch der Zeuge nicht ohne weiteres vom Begriff des Barvermögens Aktien mitumfasst sah. Andernfalls hätte es einer expliziten Erwähnung nicht bedurft.

Im Ergebnis konnte damit auch der Zeuge keine konkreten Aussagen zum Willen des Erblassers in Bezug auf Wertpapiere und dessen Begriffsverständnis vom Begriff „Barvermögen“ machen. Die Klägerin vermochte damit entgegen dem allgemeinen Begriffsverständnis von „Barvermögen“ im Vergleich zum Begriff des „Kapitalvermögens“ nicht zu beweisen, dass der Erblasser im Ergebnis unter „Barvermögen“ sein „Kapitalvermögen“ verstanden wissen wollte.

Die Entscheidung des BGH vom 22.10.1975 (IV ZR 17/74) führt zu keinem anderen Ergebnis. Der der Entscheidung zugrundeliegende Fall ist mit der vorliegenden Konstellation nicht vergleichbar. Der Bundesgerichtshof hatte in der zitierten Entscheidung eine Auslegung des Berufungsgerichts gebilligt, die unter Barvermögen auf der GG Bank auch die dort befindlichen Wertpapiere ansah. Der Fall unterscheidet sich insoweit, als in dem dortigen Testament explizit die GG Bank genannt wurde, so dass alle dort befindlichen Vermögenswerte im Rahmen der Auslegung des Begriffs „Barvermögen“ im konkreten Fall mitumfasst waren. Vorliegend erfolgte jedoch keine konkrete Bestimmung des „Barvermögens“ bei einer bestimmten Bank, auch wenn die HH ein Teil der genossenschaftlichen Finanzgruppe ist. Eine Vergleichbarkeit wäre allenfalls dann gegeben, wenn es im notariellen Testament geheißen hätte, dass „bei Eintritt des Erbfalls vorhanden Barvermögen bei der EE“, obgleich auch dann die Frage zu klären gewesen wäre, ob damit auch das Depot bei der HH mitumfasst wäre.

Zum „Barvermögen“ zählen damit das aufgefundene Bargeld in Höhe von 1.968,08 € und 70,15 € und das Bankguthaben bei der EE in Höhe von insgesamt 152.778,88 €, mithin insgesamt 154.817,11 €. Die Genossenschaftsanteile und Wertpapiere zählen nicht dazu. Hieraus folgt ein Anspruch aufgrund des Vermächtnisses in Höhe von 51.605,70 €. Nachdem die Klägerin den von ihr zunächst vereinnahmten Betrag in Höhe von 1.968,08 € nach Schluss der mündlichen Verhandlung an die Beklagten ausgezahlt hat, war dieser Betrag nicht mehr in Abzug zu bringen.

Der Zinsanspruch folgt aus Verzug. Die Beklagten wurden mit Schreiben vom 19.03.2021 unter Fristsetzung bis zum 07.04.2021 in Verzug gesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO und entspricht dem Obsiegen und Unterliegen in beiden Instanzen, wobei sich die Auszahlung des zunächst von der Klägerin vereinnahmten Bargeldbetrages in Höhe von 1.968,08 € erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei der zu bildenden Kostenquote zu Lasten der Klägerin auswirkt.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Der Berufungsstreitwert beruht auf § 3 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache hat weder eine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!