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Testamentsauslegung hinsichtlich einer Alleinerbenstellung

OLG Karlsruhe: Alleinerbenstellung durch Testamentsauslegung bestätigt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat im Fall Az.: 11 W 42/23 (Wx) entschieden, dass die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin der Erblasserin eingesetzt wurde, entgegen der vorherigen Auffassung des Nachlassgerichts Karlsruhe-Durlach. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts wurde somit stattgegeben, der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins für die Beteiligten zu 2 und 3 zurückgewiesen, und das Verfahren an das Nachlassgericht zurückverwiesen, um über die Notwendigkeit einer eidesstattlichen Versicherung zu entscheiden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 W 42/23 (Wx) >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 durch das OLG Karlsruhe bestätigt.
  2. Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach durch das OLG.
  3. Anweisung zur Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ausweist.
  4. Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2 und 3.
  5. Notwendigkeit einer eidesstattlichen Versicherung zur Erteilung des Erbscheins noch ungeklärt.
  6. Das Testament legt die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin fest, auch wenn dies durch das Nachlassgericht zunächst anders gesehen wurde.
  7. Die Auslegung des Testaments zeigt die Intention der Erblasserin, die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einzusetzen.
  8. Die Beschwerde führt zur Rückverweisung an das Nachlassgericht für weitere Entscheidungen bezüglich der eidesstattlichen Versicherung.

Herausforderungen bei der Testamentsauslegung zur Ermittlung der Alleinerbenstellung

Die Testamentsauslegung spielt eine entscheidende Rolle bei der Klärung der Alleinerbenstellung. Wenn ein Testament nicht eindeutig formuliert ist, ist es notwendig, den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Dies kann eine komplexe und herausfordernde Aufgabe sein, insbesondere wenn es um ein umfangreiches Vermögen und unterschiedliche Erbeninteressen geht.

Verschiedene Faktoren können die Testamentsauslegung beeinflussen, darunter die verwendete Sprache, der Kontext des Testaments und die Umstände, unter denen es erstellt wurde. Es ist wichtig, dass die Auslegung des Testaments objektiv und unvoreingenommen erfolgt, um den wahren Willen des Erblassers zu erfassen und rechtlich umzusetzen. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Einblick in ein konkretes Urteil, das die Herausforderungen der Testamentsauslegung hinsichtlich der Ermittlung der Alleinerbenstellung anschaulich illustriert.

Im Zentrum einer rechtlichen Auseinandersetzung stand die Auslegung eines handschriftlichen Testaments, das von der Erblasserin am 12. Januar 2009 verfasst wurde. Die Erblasserin setzte in ihrem Testament eine der Beteiligten als Erbin eines Gebäudes ein und fügte hinzu, dass dieser „alles zur Verfügung“ stehe und sie bestimmen könne, wer noch etwas vom Nachlass erhält. Zwei weitere Beteiligte, die ebenfalls familiäre Verbindungen zur Erblasserin hatten, sollten laut Testament auch einen Anteil erhalten.

Streit um die Alleinerbenstellung

Die rechtliche Auseinandersetzung entbrannte um die Frage, ob diese Formulierungen im Testament die Beteiligte zu 1 tatsächlich als Alleinerbin ausweisen oder ob die anderen Beteiligten ebenso Erbansprüche geltend machen können. Das Nachlassgericht Karlsruhe-Durlach verneinte zunächst die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 und deutete das Testament so, dass alle drei Beteiligten zu jeweils einem Drittel erbberechtigt seien.

Schlüsselaspekte des OLG-Urteils

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob jedoch diesen Beschluss auf und wies die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin ausweist, an. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Formulierungen im Testament, insbesondere die Zuweisung des Gebäudes und die Verfügungsgewalt über den gesamten Nachlass, die Intention der Erblasserin klar erkennen lassen, die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin einzusetzen.

Die rechtliche Herausforderung der Testamentsauslegung

Eine wesentliche Herausforderung in diesem Fall war die Testamentsauslegung nach § 2087 Abs. 1 BGB. Das Gericht musste ermitteln, ob die Erblasserin mit ihren Formulierungen eine Alleinerbenstellung beabsichtigte. Die Auslegung wurde durch den Umstand erschwert, dass die Beteiligte zu 1 im Testament explizit als Erbin eines Gebäudes genannt wurde, während zugleich angegeben wurde, dass ihr „alles zur Verfügung“ stehe. Diese Doppeldeutigkeit führte zu unterschiedlichen Interpretationen durch das Nachlassgericht und das Oberlandesgericht.

Entscheidungsgründe des OLG Karlsruhe

Das OLG Karlsruhe entschied, dass die Formulierung „alles steht Ihr zur Verfügung“ in Verbindung mit der expliziten Erbeinsetzung bezüglich des Gebäudes, das den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin darstellte, ausreicht, um die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin zu qualifizieren. Das Gericht legte dar, dass die zusätzliche Erwähnung der anderen Beteiligten im Testament nicht deren Erbeinsetzung, sondern lediglich eine Verfügungsmöglichkeit über Teile des Nachlasses impliziert, was die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 nicht beeinträchtigt.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellte die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 klar und hob damit den vorherigen Beschluss des Nachlassgerichts auf. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung präziser Formulierungen in Testamenten und die Notwendigkeit einer sorgfältigen Auslegung, um den wahren Willen der Erblasserin zu ermitteln.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter der Alleinerbenstellung im Erbrecht?

Unter der Alleinerbenstellung im Erbrecht versteht man die Position einer Person, die als einziger Rechtsnachfolger eines Verstorbenen (Erblassers) dessen gesamtes Vermögen erbt. Diese Stellung kann entweder durch eine testamentarische Verfügung des Erblassers oder durch einen Erbvertrag festgelegt werden. Ebenso kann die Alleinerbenstellung aus der gesetzlichen Erbfolge resultieren, falls der Erblasser keinen letzten Willen hinterlassen hat und nur ein gesetzlicher Erbe existiert. Als Alleinerbe übernimmt man nicht nur das Vermögen des Erblassers, sondern auch eventuelle Schulden. Die Alleinerbenstellung unterscheidet sich somit grundlegend von der Position eines Miterben, bei der mehrere Personen gemeinsam das Erbe antreten und unter sich aufteilen.

Ein Alleinerbschein ist ein amtliches Dokument, das die Alleinerbenstellung einer Person nachweist. Dieser wird vom Nachlassgericht ausgestellt und dient dazu, die Rechtsnachfolge gegenüber Banken, Grundbuchämtern und anderen Institutionen zu belegen.

Die Ernennung zum Alleinerben muss klar und eindeutig vom Erblasser gewollt sein. Dies erfordert eine entsprechende testamentarische Verfügung oder einen Erbvertrag, die den formalen Anforderungen genügen und den ernsthaften Testierwillen des Erblassers erkennen lassen.

Ein Erbvertrag kann ebenfalls zur Alleinerbenstellung führen. Er ist ein bindendes Übereinkommen zwischen dem Erblasser und einer oder mehreren anderen Personen, das die Erbfolge regelt und von dem nicht ohne Weiteres zurückgetreten werden kann. Der Erbvertrag geht anderen Verfügungen von Todes wegen vor und kann somit eine starke Grundlage für die Alleinerbenstellung bieten.

Die Alleinerbenstellung bringt sowohl Rechte als auch Pflichten mit sich. Der Alleinerbe tritt in die Rechtsnachfolge des Erblassers ein und erwirbt dessen gesamtes Vermögen, ist aber auch für die Begleichung von Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers verantwortlich.

Inwiefern spielt die Auslegung eines Testaments eine Rolle bei der Erbfolge?

Die Auslegung eines Testaments spielt eine entscheidende Rolle bei der Erbfolge, da sie darauf abzielt, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln und umzusetzen. Dies ist besonders relevant, wenn das Testament Unklarheiten, Widersprüche oder Lücken aufweist. Die Notwendigkeit einer Testamentsauslegung ergibt sich häufig aus der Verwendung unklarer Formulierungen oder der Veränderung von Lebensumständen nach der Testamentserrichtung, die der Erblasser nicht vorhersehen konnte.

Die Auslegung eines Testaments folgt den §§ 133, 2084 BGB und zielt darauf ab, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen, wobei nicht ausschließlich am buchstäblichen Sinn der Formulierungen festgehalten wird. Dabei können auch Umstände außerhalb des Testaments berücksichtigt werden, sofern sie Rückschlüsse auf den Willen des Erblassers zulassen und im Testament zumindest angedeutet sind (Andeutungstheorie). Dies umfasst beispielsweise die persönlichen Beziehungen des Erblassers zu den potenziellen Erben oder die Umstände, unter denen das Testament erstellt wurde.

Die Auslegung kann dazu führen, dass der Erblasserwille entgegen dem Wortlaut des Testaments interpretiert wird, insbesondere wenn der Erblasser mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht. Ziel ist es, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln und diesem Geltung zu verschaffen, um eine gerechte Erbfolge sicherzustellen.

In Fällen, in denen das Testament Regelungslücken aufweist, kann eine ergänzende Testamentsauslegung notwendig werden. Dabei wird gefragt, was der Erblasser gewollt hätte, wenn er die betreffenden Umstände gekannt oder bedacht hätte. Diese Form der Auslegung hilft, Lücken zu schließen und eine vollständige Regelung der Erbfolge zu ermöglichen.

Zusammenfassend ist die Auslegung eines Testaments ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln und umzusetzen. Sie ist von zentraler Bedeutung, um eine gerechte und dem Willen des Erblassers entsprechende Erbfolge zu gewährleisten.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 11 W 42/23 (Wx) – Beschluss vom 28.09.2023

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Karlsruhe-Durlach vom 26.05.2023, Az. 703 VI 64/22, aufgehoben.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Karlsruhe-Durchlach wird angewiesen, auf den Antrag der Beteiligten zu 1 vom 12.03.2022 einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein zu erteilen.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 und 3 vom 10.06.2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtskosten des Erbscheinsverfahrens im Hinblick auf den von ihr beantragten Erbschein. Die Beteiligten zu 2 und 3 tragen die Gerichtskosten im Hinblick auf den von ihnen beantragten Erbschein als Gesamtschuldner. Im Erbscheinsverfahren und im Beschwerdeverfahren entstandene Auslagen werden nicht erstattet. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 begehrt die Erteilung eines Alleinerbscheins und wendet sich gegen die Erteilung eines von den Beteiligten zu 2 und 3 beantragten und diese sowie die Beteiligte zu 1 als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Erbscheins.

Die Erblasserin ist kinderlos. Ihr Ehemann ist am 20.10.2008 vorverstorben. Die Beteiligte zu 3 ist ihre Schwester. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Nichten der Erblasserin. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter der weiteren, 1985 vorverstorbenen Schwester. Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter der Beteiligten zu 3.

Am 12.01.2009 verfügte die Erblasserin mit handschriftlichem Testament wie folgt:

„P., den 12.1.2009

Mein Testament !

Ich R. geb. L. xxxxx, setze D. [Bet. zu 1] geb. am xxxxxx als

Erbin von dem Gebäude ein.

Alles steht Ihr zur Verfügung.

Sie kann bestimmen, wer

noch etwas ab kommt.

B. [Bet. zu 3] und

W. [Bet. zu 2] sollen Anteil

haben.

P. –

den 12.1.2009

R.!

Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Erblasserin über weiteres Vermögen in Form eines Depots bei der U. mit einem Gesamtwert zum Stand 31.12.2008 von 11.711,39 EUR (Anlage 1) sowie Eigentum an Landwirtschaftsflächen (Gesamtwert 6.600,00 EUR). Ihre Konten bei der Xxx-bank wiesen zum 12.01.2009 ein Guthaben von 841,19 EUR (Kontonummer; Anlage 2) bzw. 17.634,83 EUR (Kontonummer; Anlage 2) aus.

Die Beteiligte zu 1 hat mit Schreiben vom 12.03.2022 (AS I, 1) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt. Ihre Einsetzung als Alleinerbin ergebe sich aus der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB. Die Immobilie mache den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin aus. Im Nachlass befänden sich daneben Landwirtschaftsflächen, verschiedene Konten und ein Fonds, die zusammen einen Wert von 57.680,00 EUR hätten (vgl. AS I, 41). Die Immobilie habe demgegenüber einen Verkehrswert von 350.000,00 EUR. Indiz für die Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin sei zudem die im Testament enthaltenen Anordnung, wonach die Beteiligte zu 1 über den Nachlass verfügen und diesen regeln solle. Die Erblasserin habe gegenüber der Beteiligten zu 1 auch immer wieder betont, es sei ihr wichtig, dass sie die Immobilie alleine erhalte. Sie habe ausdrücklich vermeiden wollen, dass diese Gegenstand einer Erbengemeinschaft wird.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten und haben mit Schriftsatz vom 10.06.2022 die Erteilung eines Erbscheins „zu jeweils 1/3 für die drei Erben“ (AS I, 46) beantragt. Aus der Formulierung „B. und W. sollen Anteil haben“ ergebe sich gemäß der Auslegungsregelung des § 2087 Abs. 1 BGB ihre Erbenstellung. Die Formulierung „alles steht ihr zur Verfügung“ beziehe sich möglicherweise auf die zuvor genannte Immobilie, nicht jedoch auf das sonstige Erbe. Das Testament sei daher dahingehend auszulegen, dass die Beteiligten zusammen Erben geworden seien. Die Zuweisung der Immobilie an die Beteiligte zu 1 sei als Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) zu verstehen.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 27.04.2023 den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Den Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 hat es als Antrag auf einen sie als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Teilerbschein ausgelegt und die hierfür erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Eine Einsetzung der Beteiligten zu 1 als alleinige Erbin ergebe sich aus dem Wortlaut des Testaments nicht. Vielmehr erfolge nur in Bezug auf die Immobilie eine Zuwendung ausschließlich an die Beteiligte zu 1. Aus der insofern klaren Formulierung „B. und W. sollen Anteil haben“ ergebe sich, dass die Erblasserin mehrere Erben habe einsetzen wollen. Auch die weitere Formulierung „Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab bekommt“ stehe im Widerspruch zu einer Alleinerbeinsetzung der Beteiligten zu 1. Gestützt werde die Auslegung durch den Umstand, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 1 eine Generalvollmacht über den Tod hinaus erteilt habe. Dieser hätte es bei einer Einsetzung als Alleinerbin nicht bedurft.

Die Auslegungsregelung des § 2087 Abs. 1 BGB komme nicht zur Anwendung, da die Beteiligte zu 1 nach dem Wortlaut als Erbin bezeichnet worden sei und die Erbeinsetzung aus dem Gesamtzusammenhang zweifelsfrei feststehe. Zudem seien neben dem Hausgrundstück noch weitere wesentliche Vermögensbestandteile vorhanden.

Die Beteiligte zu 1 hat gegen den ihr am 30.05.2023 (AS I, 114) zugestellten Beschluss mit am 22.06.2023 (AS I, 127) beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Formulierung „Alles steht ihr zur Verfügung.“ sei entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts nicht allein auf die Immobilie, sondern auf den gesamten Nachlass zu beziehen. Der Satz finde sich in einem eigenen Absatz, auch die Handschrift der Erblasserin weiche leicht ab. Er sei daher getrennt von der Anordnung bezüglich der Immobilie zu behandeln. Aus der Formulierung, dass die weiteren Beteiligten Anteil haben sollten, ergebe sich nicht deren Erbeinsetzung, sondern dass die Beteiligte zu 1 darüber entscheiden könne, ob und wie sie zu beteiligen seien. Die Immobilie mache einen Anteil von 87 Prozent am Nachlasswert aus. Auch dies weise auf die Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 hin. Aus der Generalvollmacht ergebe sich nichts Anderes. Eine solche werde gerade erteilt, um die Zeit bis zur Vorlage eines Erbscheins zu überbrücken. Auch die Beerdigungskosten könnten ohne eine solche nicht bezahlt werden.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26.06.2023 (AS I, 133) nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Nach Hinweis der Berichterstatterin mit Verfügung vom 03.07.2023 (AS II, 3) hat die Beteiligte zu 1 ergänzend vorgetragen, dass sich durch den frühen Tod ihrer Mutter im Jahr 1985 und den Umstand, dass die Erblasserin keine eigenen Kinder gehabt habe, ein enger Kontakt zwischen der Beteiligten zu 1 und der Erblasserin ergeben habe. Sie habe die Erblasserin im Alter und bei zunehmender Gebrechlichkeit in allen Belangen des Alltags intensiv unterstützt, sämtlichen Schriftverkehr mit Behörden, Banken und Versicherungen sowie der Pflegekasse geführt, die Tagespflege und auch Arztbesuche organisiert. Im Jahr 2014 habe die Erblasserin ihr das Testament gezeigt und mitgeteilt, wo es aufbewahrt werde. Sie habe erklärt, dass sie – die Beteiligte zu 1 – das Haus und die Äcker bekommen solle und falls von dem Ersparten noch etwas übrig sei, solle davon die Grabpflege für ihren verstorbenen Mann und ihr Grab bezahlt werden. Davon, dass auch die Beteiligten zu 2 und 3 einen Teil des Geldes erhalten sollten, sei nicht die Rede gewesen.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben im Beschwerdeverfahren klargestellt, dass ihr Antrag auf die Erteilung eines alle drei Beteiligten als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Erbscheins gerichtet war. Sie halten zudem daran fest, dass die Erblasserin allein die Immobilie der Beteiligten zu 1 habe zuweisen wollen. Daneben seien weitere Vermögensgegenstände von mindestens 57.680,00 EUR vorhanden gewesen. Wenn die Formulierungen im Testament einer Auslegung nicht zugänglich seien oder eine Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führe, sei das Testament unwirksam.

II.

Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat insoweit Erfolg, als der angegriffene Beschluss aufzuheben, der Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 zurückzuweisen (2.) und im Hinblick auf den Antrag der Beteiligten zu 1 wegen der nicht erfolgten Entscheidung über die Notwendigkeit einer eidesstattlichen Versicherung das Verfahren an das Nachlassgericht zurückzuverweisen ist (1.).

1.

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts ist die Beteiligte zu 1 mit der letztwilligen Verfügung vom 12.01.2009 von der Erblasserin als ihre alleinige Erbin eingesetzt worden (a). Eine Anweisung des Nachlassgerichts zur Erteilung des beantragten Erbscheins konnte aber wegen Fehlens der nach § 352 Abs. 3 Satz 3 FamFG grundsätzlich erforderlichen eidesstattlichen Versicherung nicht erfolgen, so dass nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG das Verfahren insoweit an das Nachlassgericht zurückverwiesen wird (b).

a)

Die Erblasserin hat die Beteiligte zu 1 mit letztwilliger Verfügung vom 12.01.2009 formwirksam zu ihrer Alleinerbin bestimmt.

aa)

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts lässt sich dem Wortlaut des Testaments vom 12.01.2009 eine Einsetzung auch der Beteiligten zu 2 und 3 als Erbinnen nicht entnehmen. Ausdrücklich angeordnet ist lediglich die Erbenstellung der Beteiligten zu 1. Hier erfolgt zwar zunächst eine Zuordnung allein zu der Immobilie. Diese bildete aber das wesentliche Vermögen der Erblasserin. Selbst wenn – wie die Beteiligten zu 2 und 3 ohne nähere Begründung und im Widerspruch zu der konkreten Darlegung der Beteiligten zu 1 vortragen – das weitere Vermögen insgesamt 57.680,00 EUR betragen haben sollte, liegt deswegen schon aufgrund der ausdrücklichen Zuordnung der Immobilie zu der Beteiligten zu 1 nahe, dass diese die alleinige Erbin der Erblasserin sein sollte (vgl. zur Testamentsauslegung bei Zuwendung einer den wesentlichen Vermögensgegenstand bildenden Immobilie BGH, Urteil vom 20.07.2005 – XII ZR 301/02 –, juris Rn. 18; BayObLG, Beschluss vom 22.02.2005 – 1Z BR 94/04 –, juris Rn. 40; Gierl, in: BeckOGK, Stand: 01.06.2023, § 2087 BGB Rn. 31).

Zudem lässt sich der auf die Zuordnung der Immobilie folgende Satz „Alles steht Ihr zur Verfügung.“ als Erweiterung der Erbenstellung der Beteiligten zu 1 auf den gesamten Nachlass verstehen. Dass hiermit – wie von den Beteiligten zu 2 und 3 vorgebracht – lediglich auf die Immobilie Bezug genommen werden soll, erscheint dagegen nicht naheliegend. Insbesondere stellt der einleitende Begriff „Alles“ grammatikalisch keinen Bezug zu dem im vorangegangenen Satz verwandten Begriff „Gebäude“ dar. Zudem weist die Beschwerdebegründung zu Recht darauf hin, dass es dann naheliegender gewesen wäre, den Satz unmittelbar dem vorangehenden anzufügen und hiermit keinen neuen Absatz zu beginnen.

Auch die weitere Formulierung „Sie kann bestimmen, wer noch etwas ab kommt.“ ist schwer auf die Immobilie zu beziehen, insofern diese grundsätzlich nicht teilbar ist. Es liegt daher näher, dass hiermit eine umfassende Entscheidungsbefugnis der Beteiligten zu 1 geregelt werden sollte, darüber zu entscheiden, wer Zuwendungen aus dem Nachlass erhalten sollte. Diese wird dann durch den folgenden Satz dergestalt eingeschränkt, dass die Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 Anteil haben sollten, also von der Beteiligten zu 1 aus dem Nachlass bedacht werden sollten, wobei die Erblasserin die Ausgestaltung der Beteiligten zu 1 überlassen wollte.

Die von der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren dargelegte enge Verbindung zwischen ihr und der Erblasserin lässt ihre alleinige Erbeinsetzung auch plausibel erscheinen. Ihre Generalbevollmächtigung bestätigt eine besondere Vertrauensstellung. Der Annahme des Nachlassgerichts, dass eine Bevollmächtigung auch über den Tod hinaus im Falle einer Alleinerbenstellung nicht notwendig gewesen wäre, und dem daraus gefolgerten Argument gegen eine von der Erblasserin gewollte Alleinerbeinsetzung schließt sich der Senat hingegen nicht an. Denn selbst im Falle einer unzweifelhaften Erbfolge kann es zur Vereinfachung der rechtlichen Abwicklung aller sich zeitnah stellender Fragen sinnvoll sein, dem Erben auch eine Generalvollmacht über den Tod hinaus zu erteilen.

bb)

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Alleinerbeinsetzung der Beteiligten zu 1 deswegen unwirksam sein könnte, weil die Vorgabe, dass die Beteiligten zu 2 und 3 „Anteil haben“ sollen, zu unbestimmt ist, um als Vermächtnis oder Auflage wirksam zu sein (vgl. § 2156 BGB; § 2193 BGB). Eine Unwirksamkeit der Alleinerbeinsetzung der Beteiligten zu 1 würde sich hieraus nur ergeben, wenn die Erblasserin eine rechtliche Verbindlichkeit ihrer Anordnung gewollt hätte und sie bei Kenntnis von der Unverbindlichkeit der Anordnung von der Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin hätte absehen wollen (vgl. § 2085 BGB). Hierfür ist nichts ersichtlich.

b)

Eine Anweisung des Nachlassgerichts zur Erteilung des beantragten Erbscheins konnte gleichwohl nicht erfolgen, weil die nach § 352 Abs. 3 Satz 3 FamFG grundsätzlich erforderliche Versicherung an Eides statt, dass keine anderen Testamente vorliegen und kein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist (vgl. zum Gegenstand der Versicherung an Eides statt Grziwotz, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, § 352 FamFG Rn. 96 ff.), durch die Beteiligte zu 1 bisher nicht erfolgt ist. Sie ist der Beteiligten zu 1 durch das Nachlassgericht auch nicht (ausnahmsweise) nach § 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG erlassen worden. Insbesondere kann hiervon nicht aufgrund des bloßen Umstands ausgegangen werden, dass das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag ablehnend beschieden hat, ohne die Beteiligte zu 1 zuvor zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt aufgefordert zu haben. Für die mit seiner Auslegung des Testaments begründete Entscheidung des Nachlassgerichts kam es schließlich nicht darauf an, ob die Beteiligte zu 1 den Nachweis der Richtigkeit der Angaben im Erbscheinsantrag führen konnte.

Eine Erlassentscheidung durch den Senat entsprechend § 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG konnte ebenfalls nicht erfolgen. Zwar liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein weiteres Testament vorliegen könnte. Dies genügt aber für eine Erlassentscheidung nach § 352 Abs. 3 Satz 4 FamFG nicht. Vielmehr ist die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der vom Gesetz vorgesehene Regelfall und setzt keine Zweifel voraus. Hier kommt hinzu, dass auch der Erbscheinsantrag selbst entgegen § 352 Abs. 2 Nr. 2 FamFG noch keine konkreten Angaben zu der Frage etwaiger weiterer Testamente enthält. Gerade weil die Pflichten des Antragsstellers hier weit gehen und er gehalten ist, sämtliche Schriftstücke zu benennen, die sich inhaltlich oder äußerlich als letztwillige Verfügung darstellen können, ohne Rücksicht auf ihre materielle oder formelle Gültigkeit, also auch solche, die seiner Meinung nach nichtig, gegenstandslos oder widerrufen sind, ist die Abgabe einer Versicherung an Eides statt nach Belehrung über diese Pflicht von zentraler Bedeutung.

Entsprechend § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG war das Verfahren daher von Amts wegen an das Nachlassgericht zurückzuverweisen, damit zunächst eine Vervollständigung des Erbscheinsantrags erfolgen und sodann das Nachlassgericht die bisher noch nicht getroffene Entscheidung, ob die Beteiligte zu 1 den Nachweis der Richtigkeit der Angaben im Erbscheinsantrag entsprechend den Vorgaben des § 352 Abs. 2 FamFG führen konnte, nachholen und in der Folge – nach Erlass eines Feststellungsbeschlusses – den Erbschein erteilen kann.

2.

Der Antrag der Beteiligten zu 2 und 3 auf Erteilung eines sie und die Beteiligte zu 1 als Erben zu jeweils 1/3 ausweisenden Erbscheins ist hingegen angesichts der Alleinerbenstellung der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen. Dass das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten vom 10.06.2022 als Antrag auf einen Teilerbschein ausgelegt hat, steht der Zurückweisung nicht entgegen, weil sich die Sachentscheidung des Nachlassgerichts auf den Antrag vom 10.06.2022 bezogen hat und dieser damit Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist. Ebenfalls kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, dass der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 und 3 die nach § 352 Abs. 1 FamFG erforderlichen Mindestangaben nicht enthalten hat und die nach § 352 Abs. 3 Satz 3 FamFG grundsätzlich erforderliche eidesstattliche Versicherung nicht erfolgt ist.

III.

1.

Eine Kostenentscheidung über die Kosten des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins kann erst durch das Nachlassgericht erfolgen. Im Hinblick auf die Gerichtskosten des Verfahrens betreffs des von den Beteiligten zu 2 und 3 beantragten Erbscheins besteht keine Veranlassung von der gesetzlichen Regel des § 22 Abs. 1 GNotKG, wonach der Antragssteller die Gerichtskosten zu tragen hat, abzuweichen. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten in erster wie auch in zweiter Instanz entspricht es billigem Ermessen, von der Anordnung einer Erstattung abzusehen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die von den Beteiligten zu 2 und 3 angenommene Auslegung des Testaments war jedenfalls vertretbar, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, sie mit den außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 zu belasten. Bei dieser Sachlage entspricht es zudem der Billigkeit, Gerichtskosten für das erfolgreiche Rechtsmittel nicht zu erheben (vgl. § 25 Abs. 1 GNotKG).

2.

Die auf tatsächlichem Gebiet getroffene Einzelfallentscheidung gibt keinen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

 

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