Skip to content

Zulässigkeit Antrag zur Durchführung des Aufgebotverfahrens von Nachlassgläubigern

Wegweisendes Urteil im Erbrecht: Erbe darf Aufgebotsverfahren unabhängig einleiten

Das OLG München hat mit Beschluss vom 08.06.2015 (Az.: 34 Wx 163/15) entschieden, dass die Beschwerde des Beteiligten gegen die Ablehnung seines Antrags auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß § 1970 BGB erfolgreich ist und das Amtsgericht Landsberg am Lech nun angewiesen wird, das Verfahren durchzuführen und dem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 34 Wx 163/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG München hebt die vorherige Entscheidung des Amtsgerichts auf und ermöglicht das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern.
  • Der Beteiligte, als gesetzlicher Erbe, ist antragsberechtigt, trotz der parallel von der Nachlasspflegerin gestellten Anträge.
  • Ein Antrag auf ein Aufgebotsverfahren kann bereits vor dem Abschluss der Erbenermittlung gestellt werden.
  • Mehrere berechtigte Antragsteller können das Aufgebotsverfahren gemeinsam führen; das Verfahren dient allen Erben.
  • Die Erbenstellung des Beteiligten wurde durch das Gericht anerkannt, was seine Antragsberechtigung untermauert.
  • Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für den Beteiligten basiert auf der dargelegten Bedürftigkeit und der Komplexität des Rechtsfalls.
  • Durch diese Entscheidung wird dem Beteiligten ermöglicht, seine Rechte als Erbe wirksam zu wahren und potenzielle Nachlassgläubiger ordnungsgemäß auszuschließen.

Erbrecht: Aufgebotsverfahren für Nachlassgläubiger

Der Erbfall stellt Hinterbliebene oft vor große rechtliche und organisatorische Herausforderungen. Neben der Regelung des Nachlasses müssen auch Gläubigeransprüche geklärt werden. Hierbei dient das Aufgebotsverfahren für Nachlassgläubiger als wichtiges Instrument.

Bei diesem Verfahren werden potenzielle Forderungen gegenüber dem Erblasser öffentlich aufgerufen. Gläubiger müssen innerhalb einer Frist ihre Ansprüche anmelden. Nach Ablauf dieser Ausschlussfrist sind nicht rechtzeitig angemeldete Forderungen ausgeschlossen. Dieses schafft für die Erben Rechtssicherheit. Die Zulässigkeit eines solchen Aufgebotsantrags und dessen Voraussetzungen sind rechtlich komplex und werden kontrovers diskutiert.

Der Weg zur Stärkung der Erbenrechte im Labyrinth des Erbrechts

Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Antrag auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß § 1970 BGB, gestellt von einem Erben, nachdem der Erblasser, Peter Albrecht B., im Juli 2013 verstorben war. Die erste juristische Hürde ergab sich aus der Situation, dass der Beteiligte, ein gesetzlicher Erbe, zunächst durch seine Betreuerin die Erbschaft ausschlug, diese Entscheidung aber später revidierte und die Erbschaft annahm. Diese Wendung war entscheidend, denn sie führte dazu, dass der Beteiligte aktive Schritte unternahm, um den Nachlass vor überschuldeten Ansprüchen zu schützen, indem er ein Aufgebotsverfahren anstrengte. Das Verfahren sollte es ermöglichen, unbekannte Gläubiger aufzurufen und anschließend auszuschließen, um die Erbmasse zu sichern.

Rechtliche Fragen im Spannungsfeld des Erbrechts

Das rechtliche Dilemma entstand, als das Amtsgericht Landsberg am Lech den Antrag des Beteiligten als unzulässig zurückwies. Die Begründung fußte auf der Annahme, dass die Antragsberechtigung des Beteiligten nicht hinreichend dargelegt wurde und ein paralleles Aufgebotsverfahren, initiiert von der Nachlasspflegerin, die Antragsstellung des Beteiligten ausschloss. Diese Entscheidung löste die Beschwerde des Beteiligten aus, was den Fall vor das Oberlandesgericht München brachte. Dort stand die Frage im Mittelpunkt, ob ein Erbe berechtigt ist, unabhängig von der Antragstellung durch eine Nachlasspflegerin, ein Aufgebotsverfahren zu initiieren.

Juristische Prüfung und Entscheidungsfindung

Das OLG München kam zu dem Schluss, dass die Beschwerde des Beteiligten begründet ist. Es stellte klar, dass jeder Erbe nach § 455 FamFG das Recht hat, ein Aufgebotsverfahren anzustrengen. Entscheidend war, dass der Beteiligte seine Erbenstellung schlüssig darlegen konnte und somit als gesetzlicher Erbe anzusehen war. Das Gericht hob hervor, dass das Gesetz mehreren gleichartig Berechtigten ein selbständiges, konkurrierendes Antragsrecht zugesteht und somit das Nebeneinander mehrerer Aufgebotsanträge zulässt. Diese Auslegung ermöglichte es dem Beteiligten, unabhängig von der Antragstellung durch die Nachlasspflegerin, sein Recht durchzusetzen.

Ein wegweisender Beschluss für Erben und Nachlassgläubiger

Das Oberlandesgericht München wies das Amtsgericht Landsberg am Lech an, das Aufgebotsverfahren durchzuführen und bewilligte dem Beteiligten rückwirkend Verfahrenskostenhilfe. Diese Entscheidung markiert einen wichtigen Punkt im Erbrecht, indem sie die Rechte von Erben stärkt, selbst aktiv zu werden, um den Nachlass zu schützen und zu verwalten. Zudem bestätigte das Urteil die Bedeutung eines transparenten und gerechten Verfahrens zur Klärung von Nachlassverbindlichkeiten.

In seinem Beschluss legte das Gericht Wert auf die umfassende Wahrnehmung der Erbenrechte und die Bedeutung des Aufgebotsverfahrens als Mittel zum Schutz des Nachlasses vor unbekannten Ansprüchen. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und rechtzeitigen Antragstellung und bietet eine Leitlinie für ähnliche Fälle in der Zukunft.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist ein Aufgebotsverfahren im Erbrecht?

Ein Aufgebotsverfahren im Erbrecht ist ein gerichtliches Verfahren, das dazu dient, die Nachlassgläubiger dazu aufzufordern, ihre Forderungen anzumelden. Der Erbe kann durch das Aufgebotsverfahren erreichen, dass Gläubiger, die ihre Forderungen nicht anmelden, mit diesen Forderungen nur noch auf den Nachlass zugreifen können und nicht auf das Eigenvermögen des Erben.

Das Verfahren bietet dem Erben die Möglichkeit, einen Überblick über die Verbindlichkeiten des Nachlasses zu erhalten und zu prüfen, ob der Nachlass überschuldet ist. Es dient auch dazu, die Notwendigkeit einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz zu beurteilen.

Das Aufgebotsverfahren wird öffentlich bekanntgemacht, üblicherweise durch Aushang an der Gerichtstafel und Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Andere Veröffentlichungskanäle können ebenfalls genutzt werden. Die Aufgebotsfrist beträgt mindestens sechs Wochen.

Zuständig für das Aufgebotsverfahren ist das Amtsgericht, und zwar dasjenige, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthaltsort hatte. Antragsberechtigt sind unter anderem der Erbe nach Annahme der Erbschaft, der Nachlasspfleger, der Nachlassverwalter und der Testamentsvollstrecker.

Die Anmeldung der Gläubiger muss die Gläubigerbezeichnung, den Gegenstand, Grund und Höhe der Forderung enthalten, damit diese im Ausschließungsbeschluss eindeutig bezeichnet werden können.

Die Rechtsfolgen des Ausschließungsbeschlusses sind, dass die Forderung des ausgeschlossenen Nachlassgläubigers nicht erlischt, aber der Erbe nur mit dem Nachlass haftet, sofern er die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung nicht verloren hat.

Vom Aufgebotsverfahren nicht betroffen sind Gläubiger, denen der Erbe unbeschränkt haftet, sowie dinglich Berechtigte, Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte.

Das Aufgebotsverfahren ist in den §§ 433 bis 484 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt.

Wie kann ein Erbe seine Berechtigung im Aufgebotsverfahren nachweisen?

Um seine Berechtigung im Aufgebotsverfahren nachzuweisen, muss der Erbe seine Erbenstellung glaubhaft machen. Dies kann in der Regel durch Vorlage eines Erbscheins oder eines Testaments mit zugehörigem Eröffnungsprotokoll geschehen. Ein Erbschein ist eine amtliche Urkunde, die vom Nachlassgericht ausgestellt wird und die Erbenstellung sowie den Umfang der Erbberechtigung ausweist. Er dient als Nachweis gegenüber Dritten, dass die im Erbschein genannte Person tatsächlich Erbe ist.

Wenn ein Testament vorhanden ist, muss dieses nach dem Tod des Erblassers unverzüglich beim zuständigen Nachlassgericht eingereicht werden. Das Gericht eröffnet dann das Testament und stellt eine Niederschrift her, die den letzten Willen des Erblassers dokumentiert und die Beteiligten darüber in Kenntnis setzt.

In manchen Fällen kann auch ein handschriftliches Testament zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts als Nachweis der Erbenstellung ausreichen. Es ist jedoch wichtig, dass die Dokumente vollständig und korrekt sind, um als glaubhafter Nachweis zu dienen.

Zusammengefasst muss der Erbe also entweder einen Erbschein vorlegen oder ein Testament mit Eröffnungsprotokoll, um seine Berechtigung im Aufgebotsverfahren nachzuweisen.

Welche Rolle spielt die Nachlasspflegschaft im Aufgebotsverfahren?

Die Nachlasspflegschaft spielt im Aufgebotsverfahren eine wichtige Rolle, da sie der Sicherung des Nachlasses für den Erben und die Gläubiger dient. Der Nachlasspfleger wird vom Nachlassgericht bestellt, wenn der Erbe unbekannt ist oder wenn der Erbe zwar bekannt, aber nicht in der Lage ist, den Nachlass selbst zu verwalten.

Die Hauptaufgabe des Nachlasspflegers besteht darin, den Nachlass zu sichern und zu verwalten. Er ist nicht im Interesse der Nachlassgläubiger tätig und hat nicht die Aufgabe, Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen. Allerdings kann der Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter des endgültigen Erben auf Zahlung von Nachlassschulden vornehmen, um Nachteile für den Nachlass abzuwenden.

Im Rahmen des Aufgebotsverfahrens kann der Nachlasspfleger die Nachlassgläubiger auffordern, ihre Forderungen anzumelden. Dies gibt ihm die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Verbindlichkeiten des Nachlasses zu verschaffen und zu entscheiden, ob eine Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz notwendig ist.

Der Nachlasspfleger hat auch das Recht, die sogenannte „Dreimonatseinrede“ zu nutzen, die es ihm erlaubt, sich bis zum Ablauf von drei Monaten nach Annahme der Erbschaft zu weigern, eine Nachlassverbindlichkeit zu bedienen. Dies gibt ihm Zeit, sich über den Umfang des Nachlasses zu informieren und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, falls der Nachlass überschuldet ist.

Zusätzlich steht dem Nachlasspfleger die „Aufgebotseinrede“ zu, was bedeutet, dass er das Aufgebotsverfahren beantragen kann, um die Nachlassgläubiger festzustellen. Bis zur Beendigung des Verfahrens kann er die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten hinauszögern, die er in eigener Verantwortung nicht vornehmen kann.

Insgesamt hat die Nachlasspflegschaft Vorrang vor dem Aufgebotsverfahren, da sie bereits vor dessen Einleitung die Interessen des Erben schützt und die Verwaltung des Nachlasses sicherstellt.

Was besagt § 1970 BGB bezüglich der Ausschließung von Nachlassgläubigern?

§ 1970 BGB regelt die Anmeldung der Forderungen im Rahmen des Aufgebotsverfahrens zur Ausschließung von Nachlassgläubigern. Nach diesem Paragraphen können die Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens dazu aufgefordert werden, ihre Forderungen gegen den Nachlass anzumelden. Ziel dieses Verfahrens ist es, eine klare Übersicht über die bestehenden Verbindlichkeiten des Nachlasses zu erhalten und gleichzeitig den Erben die Möglichkeit zu geben, sich gegenüber nicht angemeldeten Forderungen zu schützen.

Das Aufgebotsverfahren bietet den Nachlassgläubigern eine festgesetzte Frist, innerhalb derer sie ihre Forderungen beim zuständigen Gericht anmelden müssen. Werden Forderungen innerhalb dieser Frist nicht angemeldet, können die Gläubiger später, nach Abschluss des Verfahrens und Erlass eines Ausschließungsbeschlusses, ihre Ansprüche gegen den Erben nur noch eingeschränkt geltend machen. Der Erbe hat dann die Möglichkeit, die Befriedigung dieser ausgeschlossenen Forderungen zu verweigern, soweit der Nachlass zur Befriedigung nicht ausreicht.

Das Aufgebotsverfahren und die damit verbundene Möglichkeit zur Ausschließung von Nachlassgläubigern dienen dem Schutz des Erben vor unerwarteten Forderungen nach der Annahme der Erbschaft und ermöglichen eine geordnete Abwicklung des Nachlasses. Es trägt dazu bei, das Risiko für den Erben zu minimieren, persönlich für nicht angemeldete Verbindlichkeiten des Erblassers aufkommen zu müssen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 1970 BGB (Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern): Dieser Paragraph ermöglicht es Erben, ein gerichtliches Verfahren zu beantragen, um unbekannte Nachlassgläubiger aufzurufen und deren Forderungen nach Ablauf einer bestimmten Frist auszuschließen. Der Bezug zum Thema ergibt sich direkt aus der Antragsstellung für ein solches Verfahren, um den Nachlass vor überschuldeten Ansprüchen zu schützen.
  • § 434 Abs. 1 FamFG (Verfahrenseinleitender Antrag): Bestimmt, wer einen Antrag im familiengerichtlichen Verfahren stellen kann, einschließlich der Anträge im Rahmen eines Aufgebotsverfahrens. Die Erläuterung ist relevant, da der Beteiligte einen solchen Antrag gestellt hat, um Nachlassgläubiger auszuschließen.
  • § 455 FamFG (Antragsberechtigung im Aufgebotsverfahren): Klärt, wer zur Stellung eines Aufgebotsantrags berechtigt ist. Dies ist zentral für das Verständnis der Zulässigkeit des Antrags des Beteiligten, insbesondere im Licht der Entscheidung des Amtsgerichts und der anschließenden Beschwerde.
  • § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO (Verfahrenskostenhilfe): Diese Vorschriften regeln die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, was für den Beteiligten relevant war, um die Kosten für das Aufgebotsverfahren tragen zu können. Es unterstreicht die finanzielle Unterstützung, die Beteiligten in gerichtlichen Verfahren gewährt werden kann.
  • § 460 Abs. 1 FamFG (Wirkung des Aufgebotsverfahrens): Erläutert die Wirkungen eines erfolgreichen Aufgebotsverfahrens, insbesondere den Schutz der Erben vor späteren Ansprüchen unbekannter Gläubiger. Dies untermauert die Bedeutung des Verfahrens für die Sicherung der Erbmasse.
  • § 17 VerschG analog (Beitritt weiterer Antragsteller): Obwohl nicht direkt im Text erwähnt, ist die analoge Anwendung dieses Gesetzes im Kontext der Zulassung mehrerer paralleler Aufgebotsanträge von Bedeutung. Es verdeutlicht die Möglichkeit, dass mehrere berechtigte Antragsteller, einschließlich Nachlasspflegern, das Aufgebotsverfahren gemeinsam betreiben können.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 34 Wx 163/15 – Beschluss vom 08.06.2015

1. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Landsberg am Lech vom 21. April 2015 aufgehoben. Aufgehoben wird auch der Beschluss vom 24. April 2015 zur Geschäftswertfestsetzung.

2. Das Amtsgerichts Landsberg am Lech wird angewiesen, auf den Antrag des Beteiligten das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß § 1970 BGB durchzuführen.

3. Dem Beteiligten wird für das Aufgebotsverfahren zur Ausschließung von Nachlassgläubigern gemäß § 1970 BGB vor dem Amtsgericht Landsberg am Lech Verfahrenskostenhilfe rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bewilligt.

4. Zur Wahrung seiner Rechte wird dem Beteiligten Rechtsanwalt R, …, …, als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

5. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Im Nachlassverfahren nach dem am 31.7.2013 verstorbenen Erblasser Peter Albrecht B. erklärte für den Beteiligten dessen Betreuerin am 16.9.2014 bezugnehmend auf zwei vorausgegangene Anschreiben des Nachlassgerichts, mit denen der Beteiligte über den Anfall der Erbschaft kraft gesetzlicher Erbfolge unterrichtet worden war, zu Protokoll die Ausschlagung der Erbschaft aus jedem Berufungsgrunde. Das Betreuungsgericht teilte am 25.9.2014 zur beantragten gerichtlichen Genehmigung der Erbausschlagung mit Blick auf Vermögenswerte im Nachlassbestand mit, nach derzeitigem Kenntnisstand könne eine solche nicht erteilt werden. Daraufhin erklärte der Beteiligte mit Anwaltsschriftsatz vom 15.10.2014 gegenüber dem Nachlassgericht ausdrücklich, die Erbschaft anzunehmen. Gleichzeitig stellte er den Antrag, ein Aufgebotsverfahren gemäß §§ 1970 ff. BGB durchzuführen und ihm hierfür unter Anwaltsbeiordnung Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Ein Verzeichnis der Nachlassgläubiger lag dem Antrag bei.

Gegenüber dem zuständigen Zivilgericht ergänzte der Beteiligte seinen Antrag und teilte mit, der Erblasser sei sein Vater. Da die gewillkürten Erben und sodann auch die Geschwister als gesetzliche Erbprätendenten die Erbschaft ausgeschlagen hätten, bestehe die Vermutung, dass der Nachlass überschuldet sei.

Bereits mit Beschluss vom 14.10.2014 hatte das Nachlassgericht für die unbekannten Erben Nachlasspflegschaft angeordnet. Der Wirkungskreis umfasst die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der Erben. Wegen der nicht abgeschlossenen Erbenermittlung vertrat das Amtsgericht im Aufgebotsverfahren die Ansicht, der Beteiligte habe seine Antragsberechtigung nicht ausreichend nachgewiesen. Den dennoch aufrechterhaltenen Antrag wies das Amtsgericht am 21.4.2015 unter gleichzeitiger Ablehnung von Prozesskostenhilfe als unzulässig zurück mit der zusätzlichen Begründung, parallel zu dem inzwischen von der Nachlasspflegerin beantragten Aufgebotsverfahren sei ein weiteres Verfahren für den Antragsteller nicht zulässig.

Gegen diese am 24.4.2015 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 6.5.2015. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel unter Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 58, 59 Abs. 1 und 2, §§ 63, 64 FamFG sowie § 76 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 567 Abs. 1, § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beteiligte ist als Erbe zur Antragstellung berechtigt (unter 1.) und wegen des auch von der Nachlasspflegerin gestellten Aufgebotsantrags nicht daran gehindert, selbst eine Antrag zu stellen und aufrechtzuerhalten (unter 2.). Der beantragten Durchführung des Aufgebotsverfahrens stehen auch keine sonstigen Gründe entgegen (unter 3.). Bei dieser Sachlage ist dem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen (unter 4.).

1. Gemäß § 455 FamFG ist unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen jeder Erbe befugt, den verfahrenseinleitenden Antrag, § 434 Abs. 1 FamFG, zu stellen.

a) Antragsbefugnis im Sinne des § 455 FamFG ist bereits dann zu bejahen, wenn der Antragsteller seine Erbenstellung schlüssig darlegt und sich für das Aufgebotsgericht und in der Beschwerdeinstanz an dessen Stelle für das Beschwerdegericht nach Verwertung der präsenten Erkenntnisquellen keine durchgreifenden Zweifel an dessen Erbenstellung ergeben (OLG Hamm FGPrax 2012, 90; Bumiller/Harders FamFG 11. Aufl. § 455 Rn. 6; Joachim in Burandt/Rojahn Erbrecht 2. Aufl. § 1970 BGB Rn. 5).

An der Erbenstellung des Beteiligten bestehen in diesem Sinne keine Zweifel. Ausweislich der aus der Nachlassakte bekannten und dem Beteiligten zuzurechnenden Erklärungen, welche die Betreuerin zur Niederschrift des Nachlassgerichts am 16.9.2014 abgegeben hat, ferner des Schreibens des Betreuungsgerichts vom 25.9.2014 ist zum einen der Beteiligte als gesetzlicher Miterbe vom Nachlassgericht angeschrieben worden und zum anderen die Ausschlagung der Erbschaft nicht wirksam geworden (§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, § 1822 Nr. 2 BGB). Schon deshalb ist nach Ablauf der Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB wahrscheinlich, dass der Beteiligte gemäß § 1924 Abs. 1 BGB gesetzlicher Erbe nach seinem Vater ist. Zudem liegt die ausdrückliche und namens des Beteiligten gegenüber dem Nachlassgericht abgegebene Erklärung des Verfahrensbevollmächtigten über die Erbschaftsannahme vor.

b) Die somit gegebene Befugnis des Beteiligten, einen verfahrenseinleitenden Antrag nach § 434 FamG zu stellen, steht gemäß der für das Verfahren des Aufgebots von Nachlassgläubigern geltenden Sonderregelung in § 455 FamFG selbständig neben der Antragsbefugnis weiterer Berechtigter. Ein gemeinsames Handeln mehrerer Antragsberechtigter, insbesondere aller (Mit-)Erben, schreibt das Gesetz nicht vor. Daher ist der Antrag des Beteiligten bereits vor dem Abschluss der Erbenermittlung statthaft.

2. Daran ändert sich nichts infolge der zwischenzeitlichen Antragstellung eines weiteren Berechtigten, nämlich der Nachlasspflegerin (§ 455 Abs. 2 FamFG). Indem das Gesetz mehreren, sogar mehreren gleichartig Berechtigten ein selbständiges, konkurrierendes Antragsrecht zugesteht (§ 455 FamFG), geht es vom zulässigen Nebeneinander mehrerer Aufgebotsanträge aus (A. Walter in Bassenge/Roth FamFG 12. Aufl. § 434 Rn. 3; Keidel/Zimmermann FamFG 18. Aufl. § 434 Rn. 5; Joachim in Burandt/Rojahn § 1970 BGB Rn. 5; ebenso bereits zur früheren Rechtslage Schlosser in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. vor § 946 Rn. 10 und § 991 Rn. 1 m. w. N.).

Gemäß § 460 Abs. 1 FamFG kommen zwar der von einem Erben gestellte Aufgebotsantrag und der erwirkte Ausschließungsbeschluss auch den übrigen Erben zustatten. Das besagt aber nur, dass nicht jeder Erbe einen eigenen Aufgebotsantrag stellen muss. Die Berechtigung jedes Erben zur eigenen Antragstellung wird dadurch nicht beschnitten.

Trotz des von der Nachlasspflegerin gestellten Antrags besteht zudem ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag des Beteiligten. Nur die eigene Antragstellung des Erben gewährleistet eine vom Schicksal des Antrags anderer Berechtigter unabhängige Durchführung des Aufgebotsverfahrens.

Dass das Aufgebotsverfahren wegen seiner Wirkungen nach §§ 1970 ff. BGB notwendig einheitlich zu führen ist, hat bei mehrfacher Antragstellung zur Konsequenz, dass die weiteren berechtigten Antragsteller dem Aufgebotsverfahren in analoger Anwendung von § 17 VerschG beitreten und somit als Antragsteller im Rubrum der im Verfahren ergehenden Entscheidungen aufzuführen sind (A. Walter in Bassenge/Roth § 435 Rn. 4). Bereits vor Inkrafttreten des FGG-ReformG war anerkannt, dass die früher in § 967 ZPO getroffene und mit dem Inkrafttreten des Verschollenheitsgesetzes am 1.1.1964 in § 17 VerschG übernommene Regelung wegen der übergreifenden Wirkungen des Aufgebotsverfahrens nicht nur in Verschollenheitsangelegenheiten gilt, sondern in analoger Anwendung auch für die übrigen, damals noch in §§ 946 ff. ZPO geregelten Aufgebotsverfahren analoge Geltung beansprucht (Schlosser in Stein/Jonas vor § 946 Rn. 10 m. w. N.). Daran hat sich mit dem Inkrafttreten des FamFG am 1.9.2009 nichts geändert (A. Walter in Bassenge/Roth § 434 Rn. 4; MüKo/Eickmann ZPO 3. Aufl. § 434 Rn. 7). Danach kann jeder Antragsberechtigte neben dem Antragsteller in das Verfahren eintreten, wodurch er die rechtliche Stellung eines Antragstellers erhält, § 17 Sätze 1 und 2 VerschG analog.

3. Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags. Die zeitlichen Grenzen des dem Beteiligten als Erben eingeräumten Antragsrechts (§ 455 Abs. 1 Halbsatz 2 und Abs. 3 FamFG) sind eingehalten. Gemäß § 1943 Halbsatz 2, § 1944 Abs. 1, § 1946 BGB ist von der Annahme der Erbschaft durch den Beteiligten auszugehen. Eine unbeschränkte Haftung für Nachlassverbindlichkeiten, die unter den Voraussetzungen von § 1994 Abs. 1 Satz 2, § 2005 Abs. 1, § 2006 Abs. 3 BGB eintritt, ist in der Person des Beteiligten schon aus zeitlichen Gründen ersichtlich nicht eingetreten.

Das gemäß § 456 FamFG erforderliche Verzeichnis der Nachlassgläubiger liegt vor. Ein Nachlassinsolvenzverfahren ist ausweislich der Veröffentlichungen im Justizportal www.insolvenzbekanntmachungen.de nicht eröffnet, § 457 FamFG.

4. Aus oben dargestellten Gründen liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das vom Beteiligten zulässig beantragte Aufgebotsverfahren vor, § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Satz 1 ZPO. Die Bedürftigkeit des Beteiligten (§ 76 Abs. 1 FamFG, § 115 ZPO) ist mit den eingereichten Unterlagen dargetan und glaubhaft gemacht.

Die Beiordnung des zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts erscheint wegen der Schwierigkeit der Rechtslage, die schon aus vorstehenden Ausführungen ersichtlich ist, und wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrens für den Beteiligten erforderlich, § 78 Abs. 2 FamFG.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 25 Abs. 1 GNotKG.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird mangels ausreichender Anhaltspunkte für die Bewertung des Interesses mit dem Regelgeschäftswert festgesetzt, § 79 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 3 GNotKG. Klarstellend hebt der Senat die erstinstanzliche Wertfestsetzung, für die im gegenwärtigen Verfahrensstadium kein Raum ist, auf, § 79 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GNotKG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!